LESERFORUM Freie Presse Mittwoch, 30. März 2016 LESEROBMANN Nur mit Respekt REINHARD OLDEWEME TELEFON: 0371 656-65666 (10-12 Uhr) TELEFAX: 0371 656-17041 E-MAIL: [email protected] W ährend meiner Kindheit gab es eine kulinarische Köstlichkeit der besonderen Art für mich: das Negerkussbrötchen; aufschneiden, die Verdichtung von Zucker und Fett zwischen den Hälften kräftig zusammendrücken, reinbeißen und … einfach himmlisch. Oh Gott, denken Sie gerade, liebe Leser, das war ja voll daneben, ein Griff in die Kiste mit Zutaten fürs Fettnäpfchen, jeder weiß doch, dass man „Neger“ allein und in allen Wortkombinationen nicht mehr gebrauchen soll. Das stimmt, ich bitte um Entschuldigung, aber ich hatte einen Grund. Auf diese Frage hätte ich gerne eine Antwort, wenn ich sie Ihnen am Telefon stellen würde: Warum darf man dieses Wort nicht mehr verwenden, ebenso wie die Bezeichnung „Zigeuner“ für die Völker der Roma und Sinti? Ganz sicher hätten Sie eine Erklärung, die ich akzeptiere, weil sie logisch und nachvollziehbar ist. Nur eins dürften Sie nicht sagen: Weil das politisch nicht korrekt ist. Denn dann fange ich an, mit Ihnen zu diskutieren und beharre darauf: Die eine politische Korrektheit gibt es nicht, weshalb man auf diese Formulierung lieber ganz verzichten sollte. Der Verweis darauf ist ein Argument in Disputen, wenn die eine Seite in der öffentlichen Meinungsbildung einen Mechanismus erkannt haben will, der Vorschriften machen soll; beispielsweise bei der Vermeidung von Ausdrücken und Handlungen, die Menschen kränken oder beleidigen können (bezogen auf die ethnische Herkunft). Diesen Mechanismus dürfe es ihrer Ansicht nach aber nicht geben. Unter den Lesern und Anrufern, die öfter den Kontakt zu mir suchen, gibt es eine große Gruppe von Leuten, die ihre Ablehnung von etwas damit begründen, dass eine „Regel“ die Folge des Bemühens um politischer Korrektheit sei, sie selbst aber damit nichts am Hut haben und dieses „ungeschriebene Gesetz innerhalb der öffentlichen Meinung“ ablehnen. „Ich werde weiterhin mein Zigeunerschnitzel essen, ich lasse mir doch den Mund nicht verbieten“, meinte kürzlich ein Anrufer. Mir ist klar: Ich muss die Diskussion über die Möglichkeit einer politischen Korrektheit an dieser Stelle abwürgen, denn eine Debatte darüber könnte man stundenlang führen, dafür aber ist hier leider kein Platz; davor drücken will ich mich auch nicht, doch Sie können mich gern anrufen (zurzeit habe ich Urlaub, ab 4. April bin ich zurück). In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen, liebe Leser, sagen, was mir wichtig ist, weil es in unserem Dialog eine zentrale Rolle spielt: Es geht um den Respekt gegenüber anderen Menschen; wenn er fehlt, oder – aus welchen Gründen auch immer – verweigert wird und diese ablehnende Haltung sich in einem Wort oder einer Formulierung wiederfindet, dann unterbreche ich oder setze den Rotstift an und mache klar: Das lasse ich nicht zu. Gerade weil es eben nicht um politische Befindlichkeiten geht, sondern um das Fundament eines friedlichen Miteinanders, mache ich hier keine Kompromisse. HINWEIS Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe sinnwahrend zu bearbeiten. Leserbriefe geben stets die Meinung ihres Verfassers und nicht die der Redaktion wieder. E-Mails müssen die vollständige Adresse enthalten. Anonyme Zuschriften werden grundsätzlich nicht veröffentlicht. Briefkasten Freie Presse, Ressort Chef vom Dienst Postfach 261 09002 Chemnitz. Fax: 0371/656-17041 E-Mail: [email protected] Seite B1 Und wo bleibt der Protestschrei? haben; der Präsident des nicht unbedeutenden Nato-Staates Türkei und möglicher Beitrittskandidat der EU. Auch heute bleibt ein Protestschrei gegenüber dieser kaum zu übertreffenden Verantwortungslosigkeit aus. Da kommen Zweifel darüber auf, was uns demokratische Grundsätze wirklich wert sind. Auf jeden Fall scheint ein schmutziger Deal wichtiger zu sein. Nichts demaskiert einen verbal um sich schlagenden Politiker mehr als diese Worte, die seine wirkliche Einstellung gegenüber den Idealen einer Lebensweise zum Ausdruck bringen, über die es zumindest in der Politik der EU einen wortreichen gesellschaftlichen Konsens gibt und der sich die Mehrheit der in ihren Ländern lebenden Menschen auch verpflichtet fühlt. Trotz solcher Eindeutigkeit der politischen Haltung wird Erdogan von den EU-Politikern, an der Spitze die deutsche Kanzlerin, hofiert, weil er für die Verwirklichung ihrer zweifelhaften Ziele vermeintlich gebraucht wird. Der fragwürdige Deal mit Erdogan bedeutet für viele Menschen nicht nur in Deutschland Verrat an den zu Recht viel propagierten und hoch gepriesenen Idealen und Regeln des menschlichen Zusammenlebens in dieser Staatengemeinschaft. Er entfernt die Regierten auch noch mehr von den Regierenden, weil bei uns „Menschen unten“, wie sich Reiner Haseloff nach der Wahl ausdrückte, jegliches Verständnis für derartiges politisches Handeln fehlt. Klaus Pagenkopf, Werdau Zu Berichten und Kommentaren über den bei dem Gipfel der EU-Vertreter mit der Türkei gefundenen Weg aus der Flüchtlingskrise haben uns unter anderem diese Lesermeinungen erreicht. Unzuverlässiger Partner Auf dem EU-Gipfel mit der Türkei hat es Merkel mithilfe der Brüsseler Bürokratie und auf Basis eines undurchsichtigen Grenzsicherungsvertrages mit der Türkei geschafft, die EU an einen unzuverlässigen Partner zu verkaufen. Der gesunde Menschenverstand sagt, dass man über wesentliche Dinge die Kontrolle selbst behalten muss. Das betrifft für die EU insbesondere die Sicherung ihrer Außengrenzen; auch unter dem Aspekt, dass sich immer mehr Menschen aus dem Nahen Osten und aus Afrika auf den Weg in die EU machen wollen. Es wäre also wichtig, dass die EU hier im Interesse ihrer Bürger und auch im Interesse des friedlichen Zusammenlebens innerhalb der EU ein starkes Zeichen setzt und damit demonstriert, dass sie nicht alle Unzufriedenen dieser Welt aufnehmen kann. Wolfgang Luf, Schönheide Politischem Druck nachgegeben Der Flüchtlingspakt der EU mit der Türkei ist verabschiedet. Betrachtet man ihn etwas genauer, so wird sichtbar, dass sich die Türkei zum großen Flüchtlingslager entwickeln wird. Eine verbindliche Regelung der Achtung der Menschenrechte durch die Türkei findet man in der Vereinbarung nicht. Es finden sich lediglich unklare Formulierungen hierzu. Eine solche müsste man ja mit einer Kritik am Nato-Partner verbinden, und das darf wohl nicht sein. Die Türkei führt einen unerklärten Krieg gegen das eigene Volk. Täglich erhalten wir Kenntnis von Massakern und Folterungen die das Erdogan-Regime an seinen Kritikern vollzieht. Selbst Stätten des UnescoWeltkulturerbes werden rücksichtslos im Kampf gegen die eigene Bevölkerung zerstört, völkerrechtswidrige Angriffe auf Nachbarländer eingeschlossen. Und das in nicht unerheblichem Umfang mit Waffen aus Deutschland. Die Türkei führt Krieg gegen die Kurden und verfolgt im Zusammenwirken mit westlichen Staaten und den USA das Ziel, die syrische Regierung zu stürzen. Sie halten die umfassenden Sanktionen gegen Syrien aufrecht und vertiefen das Elend und die Fluchtbewegungen in diesem Land weiter. Warum, so frage ich mich, hält man seitens der EU und der Nato relativ kritiklos an der Türkei fest und stattet sie auch noch mit rund sechs Milliarden Euro zur „Flüchtlingsab- Merkel hat im Bundestag die Gipfel-Ergebnisse verteidigt. wehr“ aus? Warum lässt man sich von der Türkei erpressen und politisch unter Druck setzen? Dietmar Hänel, Flöha Einfache Parolen helfen nicht Eine deutliche Verringerung der Flüchtlingsströme nach Europa ist die Hauptaufgabe der EU-Politik. Ihre Lösung ist schwierig und komplex. Die Integration der Flüchtlinge mit Asylstatus in Deutschland darf nicht zu Nachteilen für sozial schwache Bevölkerungsschichten führen. Einfache Parolen, wie sie von einigen populistischen Politikern, von Asyl- und Ausländergegnern der AfD und Pegida und von Nationalisten verkündet werden, helfen nicht weiter. Es ist klar, dass die Eindämmung der Flüchtlingsströme nur gesamteuropäisch und durch Beseitigung der Ursachen erfolgen kann. Dabei kommt der Beendigung der kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien, Irak, Afghanistan und Libyen sowie die Einstellung der Waffenlieferungen eine entscheidende Bedeutung zu. Die Flüchtlingslager im Nahen Osten müssen ausreichend finanziert und die Außengrenzen der EU besser gesichert werden. Zusätzlich müssen höhere Anforderungen an die Asyl- FOTO: M. KAPPELER/DPA gewährung gestellt werden. Die EU kann nicht allen Flüchtlingen Schutz bieten. Die mühselig erreichte Einigung der EU mit der Türkei war zwar notwendig, hat aber voraussichtlich nur eine begrenzte Wirkung. Der Preis war zu hoch. Wenn alle illegal eingereisten Flüchtlinge wieder in die Türkei gebracht werden sollen, dafür aber etwa die gleiche Anzahl anderer Flüchtlinge legal aus der Türkei in die EU einreisen darf, bringt das überhaupt nichts, zumal deren Verteilung innerhalb der EU nach wie vor völlig offen ist und einige EU-Länder dies weiterhin generell ablehnen. Die autokratisch regierte Türkei, in der zunehmend Terroranschläge erfolgen und regional Bürgerkrieg herrscht, hat diese schwierige Situation durch hohe Geldforderungen ausgenutzt und erreicht, dass es Visaerleichterung und weitere Verhandlungen für eine grundsätzlich nicht akzeptable EU-Mitgliedschaft geben wird. Bernd Schlegel, Chemnitz Kein Verständnis für Handeln Ein Deal, der wichtiger ist als demokratische Werte. Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit – Erdogan hat verbreiten lassen, dass für ihn diese Begriffe keinen Wert mehr Weiter scheinheilige Politik Das war ein Gipfel ohne Zukunft für mehr Menschenwürde. Die EU steht im Wettbewerb mit Schleusern, wer die meisten Flüchtlinge hin oder her übers Meer zum rettenden Ufer gebracht hat. Die EU sagt, dass die Schleuser und Schlepper bekämpft werden müssen. Nur, man sieht im Fernsehen keine Schleuser, die Flüchtlinge über das Meer und in die EU schleppen. Es bleibt ein Katzund-Maus-Spiel, wo Flüchtlinge in Zukunft anlanden. Es wird auf dem Rücken der Flüchtlinge EU-Politik gemacht. Die Grenzen bleiben dicht, bis die Flüchtlinge kein Geld mehr haben und verzweifelt aufgeben. Solidarität wird in der EU kleingeschrieben oder aus dem internationalen Sprachgebrauch verdrängt. Merkel nimmt die zwei Sätze („Wir schaffen das“ und „Der Islam gehört zu Deutschland“) nicht zurück. Ihre scheinheilige Politik geht so weit, dass der Islam durch die Visa-Freiheit offenen Zugang nach Europa bekommt und Erdogan das Töten von kurdischen und türkischen Menschen indirekt erlaubt. Was soll man von so einer Kanzlerin halten, die Atombomben auf deutschem Boden lagern lässt, Kampfdrohnen als Verteidigungswaffe sieht und zulässt, dass von deutschem Boden aus unschuldige Menschen vom US-Militär getötet werden? Karl-Heinz Wunderlich, Zwickau DDR-Ärzte hatten keine andere Wahl Zum Artikel „Westen ließ Medikamente an 50.000 DDR-Patienten testen“ meint ein Leser: Zutreffender müsste meiner Ansicht nach die Schlagzeile „DDR ließ Westmedikamente an 5000 Bürgern und Bürgerinnen testen“ heißen. Wie in dem Artikel richtig erkannt ist, stellte die überschuldete DDR ihr Gesundheitssystem zur Verfügung, um an Devisen zu kommen. Für Aufträge aus Westdeutschland, anderen europäischen Ländern und den USA dürften Alexander Schalck-Golodkowski und seine kommerzielle Koordinierung geworben haben. Die Verantwortung, dass die Testpersonen über den Testcharakter und Risiken ordnungsgemäß aufgeklärt wurden, oblag der DDR und ihren Ärzten. Es kann den westlichen Pharmakonzernen nicht einfach unterstellt werden, dass sie über die skandalöse Handhabung in einem europäischen Staat des „humanen Sozialismus“ informiert waren. DDR-Ärzte, die wegen staatlicher Vorgaben die Teilnahme an den Testprogrammen verweigert oder die Pharmakonzerne von den staatlichen Vorgaben zur Erreichung der Devisenziele informiert hätten, hätten mit Maßnahmen wegen staatsfeindlichen Handelns (eventuell auch „Besuchen in Bautzen“) rechnen müssen. Karl Noltze, Chemnitz Auf dem Teppich der Realität bleiben In dem Artikel „Anders bestrafen“ innerhalb der Reihe „Einspruch“ hatte der Zeithainer Gefängnischef Thomas Galli den Sinn von Haftstrafen infrage gestellt. So viel mediale Aufmerksamkeit, wie sie Sozialromantiker erhalten, obwohl diese in der Bevölkerung meist wenig Resonanz finden, wünschten sich gewiss auch die Pragmatiker ihres Fachs. Wegen der aufgewärmten alten Forderung der West-Grünen (Schafft die Knäste ab) schlagen sich die globalisierten Kriminellen begeistert auf die Schenkel, obwohl ihnen der deutsche Strafvollzug sowie dessen Gefängniszellen seit langem als sehr komfortabel gelten. Hat unsere Gesellschaft keine anderen Sorgen? Wir wollen doch überall einheitliche europäische Standards einführen und quälen dabei unsere Partner gern mit unserem Moral-Diktat. Deutschland geht voran, brüsten wir uns vor aller Welt. Wir sollten auf dem Teppich der Realität bleiben und die abgehobenen Visionäre vom Schlage eines Thomas Galli im Zaum halten. Das wäre unserer Akzeptanz in Europa förderlich. Jürgen Schuffenhauer, Chemnitz Die Zeit – im Sommer ist sie eben etwas relativer Im Beitrag „Gefährliche Zeiten“ ging es darum, dass immer mehr Menschen die Sommerzeit ablehnen. Nur ein Kesseltreiben dagegen Etwa die Hälfte der Bürger kennt die Nachteile eines Sommers ohne Sommerzeit nicht, daher die Umfrageergebnisse. Auch die Gegner der Zeitumstellung haben sich unbewusst daran gewöhnt, wie schön es ist, wenn es an lauen Abenden erst gegen 22 Uhr dunkel wird. Und wer möchte schon früh um 3 Uhr von der Sonne geweckt werden? Wenn man nach einer Zeitumstellung einmal eine Stunde eher aufsteht, dann kann das wohl keine ernst zu nehmenden gesundheitlichen Folgen haben. Zwar wird kaum Energie gespart, jedoch sollten die anderen Vorteile nie vergessen werden. Der Artikel ist leider ein neuer unausgewogener Beitrag zum Kesseltreiben gegen die sinnvolle Sommerzeit. Peter Blaudeck, Neukirchen/E. Vorteil niemals bewiesen Nach mehr 30 Jahren ärgern sich wieder Millionen Menschen über den Beginn der Sommerzeit. Ob sie einen Nutzen hat und wenn ja, welchen, wurde nie klar nachgewiesen. Von der Normalzeit (im Winter) zur Sommerzeit. FOTO: ARNO BURGI/DPA Totschlagargument war immer die Behauptung: Energieeinsparung. Selbst das Umweltbundesamt sagt aber mittlerweile, dass keine Ener- gieeinsparung erzielt wird, Krankenkassen weisen auf statistisch klar nachgewiesene Gesundheitsrisiken hin, Unfallstatistiken schnellen an den Umstellungstagen nach oben, Kindern ist es schwer zu vermitteln, warum sie am helllichten Tag schlafen gehen sollen, selbst Tiere leiden in der Landwirtschaft unter der Zeitumstellung. Einziger Nutzen: Im Sommer kann die Grillparty eine Stunde länger bei Tageslicht stattfinden. Warum wir die Tageslichtzeit aber ausgerechnet im Sommer, wenn es sowieso in unseren Breiten sehr lange hell ist, verlängern müssen, erschließt sich nach aktuellen Erhebungen 74 Prozent der Bundesbürger nicht mehr. Ich denke, in einer Zeit immer knapperer Kassen können wir uns diese Verschwendung von Zeit, Geld, Energie und anderen knappen Ressourcen einfach nicht mehr leisten. Mittlerweile habe ich allerdings fast die Hoffnung aufgegeben, dass sich politische Entscheidungen in unserem Land an der Vernunft oder am Mehrheitswillen der Menschen orientieren. Deshalb befürchte ich, dass wir uns auch die nächsten 30 Jahre noch über den Beginn der Sommerzeitumstellung ärgern werden. Einziger Trost – das Ende der Sommerzeit und die Wiedereinführung der Normalzeit im Spätherbst. Darauf freue ich mich jetzt schon. Dieter Blechschmidt, Straßberg
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