Macht endlich!

In diesem Heft
Leitartikel Europa muss endlich vereint gegen
die terroristische Bedrohung kämpfen
8
Meinung Kolumne: Der gesunde Menschenverstand / So gesehen: Die schwarz-rote
Nullnummer
10
Kretschmann im Umfragehoch / Grüner
Streit um Erdgaspipeline / Deutschland am
EU-Pranger
22
SPD Sind die Sozialdemokraten noch eine
Volkspartei?
24
AfD Die Vorsitzende Frauke Petry sagt im
SPIEGEL-Gespräch, dass die Einwanderung
unsere Kultur verändern werde
28
Linkspartei Kopfschütteln über
Sahra Wagenknecht
32
Justiz Minister Maas will den
Mordparagrafen neu fassen
33
Soziales Die Gewerkschaften werben für
eine Reform der Rentenreform
34
Essay Die jüngsten Landtagswahlen zeigen
die tiefe Spaltung zwischen Deutschland-Ost
und Deutschland-West
36
Demokratie Die Bundesregierung
beantwortet viele Fragen der Opposition
ausweichend oder gar nicht
38
Integration Justizmitarbeiter in Bayern
bringen Flüchtlingen den deutschen
Rechtsstaat näher
40
Karrieren SPIEGEL-Gespräch mit Franz
Müntefering über seinen Neustart im
Ruhestand
42
Strafjustiz Vier mutmaßliche Neonazis
schüchtern eine Landtagsabgeordnete ein 46
Katholiken Ein Missbrauchsbeauftragter
als mutmaßlicher Täter?
48
Jüdische Gemeinden Nach Kritik am Zentralratschef verliert ein Rabbinerstudent
seinen Ausbildungsplatz
51
Gesellschaft
Früher war alles schlechter: Die Zahl der
Verkehrstoten sinkt / Was macht Plag?
54
Eine Meldung und ihre Geschichte
Eine Französin konserviert Geruchserinnerungen
Schlager Peter Maffay ist frisch verliebt
Leitkultur Lügenpresse
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56
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Sport
Jürgen Lindemann, Arzt des AutomobilWeltverbands, über Alonsos Unfall
in Melbourne / Kritik an den
windigen Geschäften des DFB mit
den EM-Tickets
Vermarktung Die Marathonläuferinnen und
Zwillinge Anna und Lisa Hahner sind
die Covergirls der deutschen Leichtathletik
Fußball Ein Stürmer geht steil – warum der
Fall Max Kruse so hohe Wellen schlägt
Eissport Paarläuferin Aljona Sawtschenko
hat ihr Leben umgekrempelt
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Peter Maffay
Ausland
Tauziehen um ukrainische Kampfpilotin /
Die kubanische Dissidentin Miriam Leiva
über Castro in der Falle
Belgien Die Anschläge von Brüssel treffen
nicht nur die Hauptstadt Europas, sondern
auch ein geschwächtes Land
Terrorexperte Peter Neumann über die
europäischen Kämpfer des IS
Der neue Modus Operandi des
„Islamischen Staats“ in Europa
SPIEGEL-Redakteurin Katrin Kuntz über
eine Dienstreise, die in einer Terrorzone
endete
Polen Wie Parteichef Kaczyński
das Land unter seine Kontrolle bringt
Österreich Der neue selbstbewusste Kurs
der Wiener Regierung
Global Village Ein niederländischer
Künstler baut ein Parlament für Kurden
in Nordsyrien
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Ein Leben lang versuchte er,
dem Image eines Schnulzensängers zu entkommen. Jetzt
hat sich Maffay frisch verliebt, in eine 38 Jahre jüngere
Frau – und sorgt dafür, dass
ihn das alte Image wieder einholt. Seite 56
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Wissenschaft
Wie züchtet man ein Herz? / Gerüchte um
ein neues Elementarteilchen /
Kommentar: Freispruch fürs Osterei
Genetik Minimum des Lebens – Biologen
haben ein Bakterium mit dem
kleinstmöglichen Erbgut geschaffen
Gesundheit Eine neue Großstudie belegt
den Unsinn der Zeitumstellung
Umwelt Wie der größte See Kaliforniens,
einst mondänes Urlaubsparadies, zur
widerlichen Kloake wurde
Archäologie Harfenklang und Trommeltakt – Forscher auf der Spur der Musik
Mesopotamiens
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110
Frauke Petry
Als „Hassprediger“ kritisierte
der SPIEGEL sie und ihre AfDTruppe. Nun stellt sich die
Vorsitzende dem Gespräch:
Ihre Partei, so sagt sie, sei
nicht so anders, als die CDU
früher gewesen sei, demokratisch und rechts. Seite 28
112
Kultur
Theaterskandal um Roger Köppel /
Sexualisierung des Morgenlands /
Kolumne: Zur Zeit
Tragödien Der Tod von Bowie, die
Anschläge in Paris – SPIEGEL-Gespräch
mit Iggy Pop und mit Josh Homme von
den Eagles of Death Metal
Fernsehen Die rechtsterroristische
NSU-Mordserie aus drei Perspektiven
Karrieren Der Schriftsteller Thomas
Pletzinger über sein Vorbild John Irving
Theaterkritik „Peer Gynt“ in Hamburg
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126
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70
Wirtschaft
Lufthansa Technik droht Kahlschlag /
Regierung segnet Rüstungsdeal ab /
Zeugen entlasten VW-Chef Müller
Sozialdumping Auf Europas Autobahnen
arbeiten Fernfahrer oft unter menschenunwürdigen Bedingungen
80
ARMIN SMAILOVIC / DER SPIEGEL
Deutschland
79
SVEN DOERING / AGENTUR FOCUS / DER SPIEGEL
Glaube Über den Missbrauch von Religion
zu politischen und terroristischen Zwecken 12
Freihandel Treten die Abkommen Ceta und
TTIP schon in Kraft, bevor die Parlamente
zugestimmt haben?
Unternehmen Adidas und Puma streiten
vor Gericht um die Rechte an einer
neuen Laufschuhtechnik
Affären Ein Manager der Bundesdruckerei
zweigte womöglich Gelder aus Geschäften
in Venezuela für sich selbst ab
Handel In Konstanz kämpfen Bürger
gegen die Drogeriemarkt-Schwemme
Zukunft Curevac gilt als größte Hoffnung
der deutschen Biotech-Branche
CHRISTIAN SCHROEDTER / IMAGO SPORTFOTODIENST
Titel
Bestseller
Impressum, Leserservice
Nachrufe
Personalien
Briefe
Hohlspiegel / Rückspiegel
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Wegweiser für Informanten: www.spiegel.de/investigativ
Max Kruse
Seine Ausflüge ins Berliner
Nachtleben brachten den
Stürmer des VfL Wolfsburg
um seinen Platz in der
Nationalmannschaft. Der Fall
Kruse wirft die Frage auf:
Was darf sich ein Profi heute
noch erlauben? Seite 66
DER SPIEGEL 13 / 2016
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Das deutsche Nachrichten-Magazin
Leitartikel
Macht endlich!
Nur vereint können Europas Demokratien die Epoche des Terrors beenden.
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DER SPIEGEL 13 / 2016
Justiz- und Innenpolitik ist nie errichtet worden. Die Polizeibehörde Europol ist von echter Schlagkraft weit entfernt, was
nicht verwundern kann: Nur 5 von 28 Ländern teilen ihre
sachdienlichen Erkenntnisse mit allen europäischen Partnern.
Und Deutschland, dessen Innenminister im Fernsehen gerade
wieder wichtige Augen macht, zählt nicht zu diesen fünf.
Es läuft nun, neben der unbewältigten Staatsschuldenkrise
und dem Gezerre um die Asylpolitik, ein weiterer, ein dritter
Test, ob die Europäische Union ihrer Aufgabe gewachsen ist.
Es geht dabei um nicht weniger als die Definition und Gestaltung einer wehrhaften Demokratie in Europa, die ihre
Bürger schützt, ohne ihre Freiheit zu zerstören.
Vollauf geglückt ist dieser Balanceakt nirgends. Die Briten,
die Franzosen, länger als andere vom Terrorismus geplagt,
haben ihre Sicherheitsapparate bis an den Rand des rechtsstaatlich Vertretbaren aufgerüstet. Es gibt ja effektive Mittel der Repression: Man kann
Geldhähne zudrehen, gefährliche Milieus infiltrieren,
Lauschangriffe führen; es ist
möglich, Terrorzellen durch
Datenabgleich aufzuspüren.
Manches davon wird uns sensiblen Deutschen zweifellos
wieder viel zu weit gehen;
aber auch wir sind angesichts
der dramatischen Gefahrenlage dazu aufgerufen, sehr genau zu prüfen, was berechtigte
Skepsis ist und was ideologischer Reflex.
Ohnehin kann sich europäisches Handeln in Repression ja
nicht erschöpfen; Prävention
ist mindestens genauso wichtig,
und das heißt, nach innen: beharrliche Sozialarbeit, Bildung, Deradikalisierung, Gefängnisreform, dazu interkultureller, interreligiöser Dialog. Und nach
außen heißt Prävention: aktive Außenpolitik, nicht nur, um
Konflikte wie in Syrien zu befrieden, sondern auch, um auf
Staaten wie Saudi-Arabien einzuwirken, die Förderung terroristischer Bewegungen endlich einzustellen.
Das ist ein dickes, für Regierungen wenig attraktives Programm. Es kostet sehr viel Geld, es erfordert neues Denken,
es ist von rechtsdrehenden Populisten leicht zu attackieren,
und der Erfolg ist keineswegs garantiert. Es aber nicht zu
verfolgen hieße, kampflos zu resignieren. Die europäischen
Wähler sollten ihre Regierungen bei kommenden Wahlen vor
allem daran messen, ob sie in dieser Epoche des Terrors Teil
der Lösung sind oder Teil des Problems. Es kann, solange
sich das Gift der Angst in unseren Alltag frisst, keine andere
Priorität geben.
Ullrich Fichtner
CHRISTOPHER FURLONG / GETTY IMAGES
D
iese Woche Brüssel, letzte Woche Istanbul, zuvor
Ankara, Paris: Wir leben, kein Zweifel, in einer
Epoche des Terrors. In den Metropolen Europas patrouilliert Militär, in seinen alten Demokratien gilt der
Ausnahmezustand. Mörderische Überfälle auf Strandbesucher entvölkern Urlaubsorte am Mittelmeer, Fußballspiele
und Feste werden abgesagt, Flughäfen abgeriegelt, Bahnhöfe
gesperrt.
Wir, die Europäer, vollziehen nach, was die Bürger von
Bagdad und Peschawar, Tripolis und Algier, was auch jene in
New York zu erleiden hatten oder immerfort erdulden müssen:
dass islamistisch aufgepumpte Fanatiker, religiös maskierte
Nihilisten den Terror in hoher Frequenz in den Alltag tragen,
in die Freizeit argloser Leute, ins ganz normale Leben.
Es ist die ständige Möglichkeit
des Fürchterlichen, die der Terror
in unsere Köpfe sät. Minimal
mag die Wahrscheinlichkeit sein,
bei einem Attentat zu Schaden
zu kommen; maximal ist die
Furcht vor dieser besonders perfiden Bedrohung.
Ist eine Klassenreise in die Türkei zu verantworten? Wo sind
angstfreie Ferien noch möglich?
Wann ist mein Land, meine
Stadt, mein Leben an der Reihe?
Und: Muss ich mich vor dem Typen im Anorak fürchten, der gerade in den Bus gestiegen ist?
Finstere Fragen gehen um in diesen finsteren Zeiten.
Wie sie je wieder enden sollen,
erscheint gerade unklar. Die Angreifer bewegen sich wie Geister
durch unsere Gesellschaften. Sie
narren alle Behörden, entwickeln
sich von kleinen Kriminellen zu
großen Radikalen, zu geduldigen Schläfern, zu eiskalten Mördern. Wer kann sie stoppen? Bis vor ein paar Tagen lautete
eine süffisante Antwort: die Belgier jedenfalls nicht.
Aber dieses Belgien-Bashing war schon vor den Brüsseler
Attentaten ebenso respektlos wie verlogen, weil es ein Schweigen über die Fehlleistungen auch der französischen, der deutschen, der österreichischen oder ungarischen Sicherheitsapparate einschloss. Keine nationale Polizei, kein nationaler
Geheimdienst in Europa hat in diesen Tagen das Recht, die
Backen aufzublasen. Sie versagen alle, auf ihre Weise, weil
sie zum Versagen strukturell verurteilt sind.
Solange auf europäischer Ebene der Schwur verweigert
wird, dem international operierenden Terrorismus gemeinsam, im internationalen Verbund, zu begegnen, werden die
Mörder weiter durch die viel zu weiten Maschen einer national basierten Sicherheitsarchitektur schlüpfen. Die in vielen
EU-Verträgen beschriebene „Säule“ einer kontinentalen
Twitter: @UllrichFichtner