Artikel in“ Graubünden geht aus 2013

GRAUBÜNDEN GEHT AUS!
Engadin, Puschlav
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Veduta, Cinous-chel (Seite 117)
hat dort gute Aktien, kriegt jedes Jahr
reichlich rote Fäden. Der Chef lässt sich
damit was einfallen. Sie machen sich
dezent bemerkbar bei den perfekt gebratenen Milken vom Engadiner Kälbchen.
Beim Stroganoff vom Engadiner Angus
oder beim Ochsenschwanz, der in einer
kräftigen Bouillon und mit Liebstöckel
auf den Tisch kommt. Wir mögen bei
allen Gerichten die Saucen. Sie zeugen
von harter nächtlicher Arbeit.
Wer am roten (Safran-)Faden hängt,
ist im kulinarischen Programm etwas
eingeschränkt. Aber da gibts ja noch
ein paar Vorspeisen und Meergetier,
mit denen der Patron glänzen kann.
Beeindruckend etwa Kalbscarpaccio
und Kalbstatar unter einem ungewöhnlichen Wildkräutersalat. Hübsch auch
Black Tiger und Hummer an einer SafranVanille-Vinaigrette, lauwarm serviert mit
Wassermelone.
Bumann-Fans, und davon gibt es nicht
wenige, merken sich jedes Jahr zwei
besondere Daten vor: die Gourmet-Metzgete zum Start in die Wintersaison und
die Fisch-Gala im Frühjahr. Da wächst der
Chef, der ja auch am Bildschirm Erfolg
hat («Bumann, der Restaurant-Tester»,
3+) über sich hinaus. Die Äsche etwa,
praktisch vor der Haustüre gefangen, mit
einem Püree von weissen Rüben und mit
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Hunde
erlaubt
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Mittagsmenü
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Raum für
Raucher
«Alpenkapern» (vom Löwenzahn) serviert, war unglaublich gut. Gastgeberin
Ingrid Bumann hat ihren besten Auftritt
beim Finale: Sie rollt in den heimeligen
Gaststuben zwei Voitures mit gegen 50
(!) Schweizer Käsen an den Tisch. Beeindruckend.
gm
Via Chantunela 15–19
7522 La Punt Chamues-ch
Fon 081 854 25 15
www.chesapirani.ch
di–sa 18.30–24 Uhr,
mittags geschlossen, ebenfalls mo & so
(ausser Weihnachten/Neujahr)
und vom 31. März bis Anfang Juni
und von Anfang Oktober
bis Anfang Dezember geschlossen
HG Fr. 68–98, Menü ab Fr. 158
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Grosse Küche für Gourmets: Rang 6
Krone
Eine Krone für die Krone!
Vor etwa 450 Jahren ruhten sich in
der «Krone» in La Punt Menschen aus,
die über den Albulapass gereist waren,
was damals noch eine beschwerliche
Angelegenheit war. Heute nicht mehr
so, aber das Haus hat diese Ausstrahlung des Herunterkommens bewahrt.
Zwischenzeitlich war es auch mal heruntergekommen, man verzeihe den
Kalauer. Aber vor zehn Jahren nahm
s
Sonntag
offen
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Terrasse/
Garten
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sich der Zürcher Unternehmer Beat
Curti des Gasthauses an. Mit absoluter
Stilsicherheit engagierte er die richtigen Leute. Zum Beispiel den Architekten Hans-Jörg Ruch, der sich schon
mit vielen Projekten im Engadin einen
Namen gemacht hat und das Haus mit
viel Gespür fürs Bewahrenswerte renoviert und später um eine Etage aufgestockt hat. Und so steht die «Krone»
jetzt da, stolz und ruhig und in einem
edlen, matten Glanz, um sie herum alte
Bauern- und Patrizierhäuser, neben ihr
der malerische Inn, das aufgekratzte
St. Moritz ein paar Kilometer weit weg,
und das Auge und der Geist entspannen
sich sofort.
Alles richtig gemacht hat Curti auch bei
der Wahl der neuen Gastgeber: Sonja
Martin ist eine präsente und charmante
Wirtin, und ihr Mann Andreas hat mit
der Bündner Küche genau das Gleiche
gemacht wie Ruch mit dem Haus: das
Überflüssige und Traditionsgeschmäcklerische weggeschmissen, den Kern,
die Essenz herausgearbeitet und alles
in einer modernen, cleanen Ästhetik
neu präsentiert. Und das, obwohl oder
vielleicht auch gerade weil Martin –
Schockschwerenot! – ein Deutscher ist.
Die Speisekarte ist ein Traum. Genau
richtig in der Grösse, will heissen:
Man hat das Gefühl der Auswahl, ohne
von ihr erschlagen zu werden. Jedes
Einzelne der Gerichte ist eine perfekt
erdachte, in sich stimmige Komposition mit regionalem Touch. Es erstaunt
auch gar nicht, dass die Umsetzung die
Idee noch toppt (na gut, auch die 14
«GaultMillau»-Punkte waren ein Hinweis). Nur schon das Brot, das beim
Aperitif auf den Tisch kommt, ist eine
Sensation – oder wann haben Sie zuletzt
Brotstückchen über den Tisch gereicht,
weil das Gegenüber nicht sterben darf,
ohne es probiert zu haben? Und es geht
einfach so weiter. Der offene Raviolo
mit Flusskrebsschwänzen und Gemüse
an einem Krebsbutterschaum (Fr. 28.–)
ist umwerfend und so schön, dass man
ihn sich an die Wand hängen möchte.
Bei den im hauseigenen Räucherofen
mit Arve – Arve ist das grosse Motto
des ganzen Hauses – geräucherten Saiblingsfilets auf Blattspinat mit Dörrbirnen
(Fr. 42.–) glaubt man tatsächlich den
Baum herauszuschmecken, so perfekt
kommen die einzelnen Aromen zur
Geltung. Und das mit Torf geräucherte
Engadiner Berg­lamm­filet auf Beluga­
linsen mit Rosmarin (Fr. 46.–) ist ganz
einfach etwas vom Besten, was wir je im
Leben gegessen haben. Jeder Beschreibungsversuch wäre lächerlich.
Kurz: regionale, aber moderne Küche auf
höchstem Niveau, eine sehr charaktervolle Weinkarte, ein grossartiges PreisGenuss-Verhältnis, schönes Ambiente
mit viel Kunst und Stil – besser kann
man es eigentlich nicht machen. mr
Via Cumünela 2
7522 La Punt Chamues-ch
Fon 081 854 12 69
www.krone-la-punt.ch
mo–so 8–23 Uhr
(Küche 11.30–14 & 18.30–21 Uhr),
Mai und November geschlossen
HG Fr. 25–58
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Genuss pur in den Dörfern: Rang 10
Maloja
Bellavista
Eingepacktes Vertrauen
Es stimmt einfach alles im «Bellavista»
des gelernten Metzgermeisters Heribert
«Heri» Klaus und seiner Frau Marianne
– sofern man das Glück hat, einen
Platz zu bekommen. Denn im ehemaligen «Jägerstübli», welches das Paar im
siebten Jahr im Alleingang harmonisch
führt, stehen nur gerade fünf Tische.
Sobald es das Wetter zulässt, kommen
aber im gekiesten kleinen Garten fünf
dazu, mit Blick auf den See und auf die
mit pinken Petunien geschmückte Hausfassade. Und mit Tiroler Nägeli, weil
die berühmten Bündner Nelken im harschen Malojawind schon vor dem Blühen
erfrieren würden. Am allerschönsten ist
es im goldenen Lärchenherbst, denn im
Gärtchen stehen eine Lärche und ein
Vogelbeerbaum.
«Wurst ist eingepacktes Vertrauen»,
heisst es auf der Speisekarte, was sowohl
für das Trio mit Schweins-, Lauch- und
Käsebratwurst (Fr. 34.–) als auch für
die Steinbock-, Gams- und Hirschwürste
(ebenfalls Fr. 34.–) gilt. Toll ist das Carpaccio aus luftgetrocknetem Rindfleisch
mit Olivenöl, Parmesan und grüner Sellerie. Und für das Cordon bleu lohnt sich
jeder Umweg über Maloja!
Vorzüglich der Pinot grigio 2010 des
Südtiroler Weinpapstes Alois Lageder
(Fr. 42.50), eine Offenbarung der Churer
Blauburgunder von Gian-Battista von
Tscharner (Fr. 103.50). Für mehr als
zwei Personen darfs auch einmal eine
Magnum Le Tic Tac «anno secondo»
von Jacob J. Rohner sein (Fr. 209.–).
Und eben: unbedingt reservieren!
«Heri’s Fleischfondue», fabelhaft, gibt
vegetarische
Gerichte
28.01.13 10:56