PREIS DEUTSCHLAND 4,70 € DIEZEIT WOCHENZEITUNG FÜR POLITIK WIRTSCHAFT WISSEN UND KULTUR Aufblühen mit Büchern Die Mobilitäts-App. 17. MÄRZ 2016 No 13 Explandi piciaep tatiis audae lore pedipsanis arun‑ tur, o aruntur, opta‑ tus ptatus consenis mil mod Extra auf Ressort, Seite XX 54 Seiten: Bücher für den Frühling Wer liest, kennt mehr als das eigene Leben. Selten waren die neuen Bücher so inspirierend wie in diesem Frühling BEILAGE ZUR LEIPZIGER BUCHMESSE Alle meine Schriftsteller Patti Smith pilgert zu ihren Helden Titelillustration [M]: Arlene Cassidy Eine deutsche Neuentdeckung: Nis-Momme Stockmann lässt Götter mit den letzten Menschen tanzen Und vieles mehr SIGNAL ZUM ABZUG MERKELS FLÜCHTLINGSPOLITIK Putins Paukenschlag im Krieg um Syrien Jetzt geht es erst richtig los Der Kremlchef reduziert die Kosten, nicht seine Optionen VON JOSEF JOFFE P utins Abzugssignal erinnert an Bushs »Mission accomplished!« im April 2003. Zu früh, denn im Herbst flammte der Irakkrieg erneut auf. Er dauert bis heute an und hat abermals US-Truppen an‑ gesaugt. Auch die russische misija in Syrien ist nicht vollendet. Noch wackelt Putins Schützling Assad, noch denkt keine Kriegspartei ans Aufgeben. Die Russen verringern nur ihre Präsenz, verschwinden aber nicht wie 1989 aus Afghanistan. Die beiden Stützpunkte in Tartus und Latakia bleiben und können jederzeit wieder verstärkt werden. Einen Tag nach Putins Paukenschlag flogen seine Bomber schwere Angriffe gegen Palmyra. Der Rest der Welt rätselt zu Recht. Ist das wirklich das Ende der russischen Expansionsphase, die 2008 in Georgien begann, in der Ukraine zum Landraub führte und in Syrien in die offene Kriegführung mündete? Geht Moskau das Geld, rund eine Milliarde Dollar jährlich, für die Ret‑ tung des Diktators von Damaskus aus? Eine Theorie besagt, der Teilabzug solle den renitenten Assad gefügig machen, damit er sich mit seinen vielen Feinden arrangiere. Bloß hat der schon verkünden lassen, dass sein Machtverbleib nicht verhandelbar sei. Wahlen kämen nicht in‑ frage. Andererseits mag Putin kalkulieren, dass Assads Armee mit seiner blutigen Hilfe nun stark genug sei, um die Hauptlast des Krieges zu tragen. Fest steht zweierlei. Putin kann seine Kräfte jederzeit wieder aufstocken; bis Syrien sind es nur zwei Flugstunden. Sodann: Schafft es Assad nicht allein, kann Putin den Krieg weiter an Hisbollah und den Iran outsourcen, die seit Jahren für Assad kämpfen und keineswegs an Abzug denken. Er muss auch nicht befürchten, Obama werde in seinen letzten 300 Tagen den Teilabzug ausnut‑ zen, um Amerikas Macht in Nahost zu stärken. Vor allem hat Putin seine Hauptziele schon er‑ reicht. Moskau hat seine Gewaltbereitschaft be‑ wiesen, Amerika in Nahost deklassiert und dort die Bastion wiedererobert, aus der Washington die Sowjets in den Siebzigern vertrieben hatte. So löst sich das Rätsel. Putin reduziert seine Kosten, behält aber alle Optionen – keine schlech‑ te Bilanz. Ob auch das syrische Volk etwas davon hat? In Genf gehen die Friedensgespräche weiter. Doch die bittere Erfahrung besagt, dass Binnen‑ kriege erst enden, wenn einer gewinnt oder alle erschöpft sind. www.zeit.de/audio Nordkoreas Zwangsarbeiter Das Regime verkauft sie – auch nach Europa Wirtschaft, Seite 23 Die Wahlen haben den Kurs der Kanzlerin nicht bestätigt. Ihr Spielraum wird enger VON TINA HILDEBRANDT E PROMINENT IGNORIERT Irrtum 2: Die SPD ist eine Volkspartei, hat s gibt Architekten, die am Com‑ puter Gebäude planen können, die nur Probleme, ihre Wähler an die Urne zu so ausgeklügelt sind, dass sie nie‑ bringen. Die Wahlbeteiligung ist zwar gestie‑ mand mehr bauen kann, weil die gen, die Werte der SPD aber sind außer in Gesamtperspektive fehlt. Da muss Rheinland-Pfalz in den tiefsten Keller gesun‑ zum Beispiel von Anfang an fest‑ ken. Dass beide Volksparteien inzwischen be‑ gelegt werden, dass eine Tür 88 und nicht etwa trächtlich schwächeln, wurde bislang dadurch 95 Zentimeter breit sein wird, obwohl noch gar verdeckt, dass man sich im Zweifel einfach nicht feststeht, ob der zugehörige Raum vielleicht zusammentat und in Gestalt der großen Koa tion gemeinsam als Volkspartei auftrat. In besser anderswo wäre und wie sich das Ganze mit li der Umgebung verträgt. Manche Architekten‑ Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg ist büros greifen deshalb lieber wieder auf die guten diese Scheinvergrößerung nun durch die AfD alten Zeichenpläne zurück, die man auf den Tisch unmöglich geworden. Irrtum 3: Die AfD ist ein Randphänomen. legen und von oben betrachten kann. Die Politik hat ein ähnliches Problem. Der »Müssen wir uns schon wieder mit denen be‑ schäftigen?«, lautete in man‑ Zusammenhang, die Ge‑ cher Redaktion die gequälte wichtung scheinen für im‑ Frage, wenn es um die AfD mer mehr Menschen verlo‑ und/oder Pegida ging, die ren zu gehen: Was ist ein nicht eins sind, aber doch ei‑ Einzelfall, was ein Symptom? niges miteinander zu tun ha‑ Das ist der Grund, warum ben. Und CDU/CSU- Frak sich viele selbst bei Entwick‑ tions chef Volker Kauder lungen im eigenen Land wie der ZEIT erscheint vor empfahl, die Konkurrenz ein‑ der Flüchtlingskrise nicht in Ostern schon am Mittwoch, fach zu ignorieren. Doch eine der Lage fühlen, zu beurtei dem 23. März 2016 politische Kraft, die zwei len, ob die Sache eigentlich stellig in Landtagen sitzt, kann insgesamt eher gut oder schlecht läuft. Das ist auch der Grund, warum man nicht ignorieren. Schwer wird es für die Politik nicht etwa des‑ so aufgeregt auf die drei Landtagswahlen ge‑ schaut wurde. Alle erhofften sich Aufschluss halb, weil nun das Establishment in seiner Kom‑ fortzone gestört wird. Die gibt es schon lange über die Frage: Wo sind wir noch mal gerade? Zehntausende Nichtwähler machen wieder nicht mehr. Doch gerade der Widerwillen gegen mit. Aber sie stimmten für eine Partei, die nicht den überbreiten Konsens führt dazu, dass die für oder gegen bestimmte Inhalte ist, sondern in große Koalition, unter der bislang ein Bündnis großen Teilen einfach gegen das »System«. Ist von CDU und SPD verstanden wurde, sich das nun ein Gewinn für die Demokratie oder ein noch weiter ausdehnt. Denn wer mit wem koa Menetekel? Sowohl als auch. Das Ergebnis räumt liert, wird nicht entlang der Frage entschieden: mit einigen Irrtümern auf, aber es macht Politik Welche Politik will ich machen, und mit wem kann ich das am besten? Sondern nach der Maß‑ noch schwieriger, als sie ohnehin schon ist. Irrtum 1: Eine Mehrheit findet Merkels gabe: Wie kratze ich eine rechnerische Mehrheit Flüchtlingspolitik gut. In Nachwahlbefragun‑ jenseits der AfD zusammen? Egal, ob in Rhein‑ gen haben die Wähler in allen drei Ländern auf land-Pfalz am Ende eine große Koalition regie‑ die Frage, ob sie mit Merkels Flüchtlingspolitik ren wird oder eine Ampel und in Sachsen-An‑ einverstanden sind, mehrheitlich mit Nein ge‑ halt ein Kenia-Bündnis aus Schwarz, Rot und Grün, niemand kann in der Konstellation so antwortet. Wenn trotzdem mehr Wähler CDU, SPD regieren, wie er es eigentlich wollte. Der Druck im System wächst also von innen. und Grüne gewählt haben als AfD, ist das ledig‑ lich ein Beleg dafür, dass die Flüchtlingspolitik Und gleichzeitig wächst er von außen. Denn die nicht das einzige, ausschlaggebende Thema war. AfD wird in allen Landtagen, in denen sie sitzt, Die meisten Wähler haben sich also für den die lauteste Oppositionspartei sein, in einigen Kontext entschieden und nicht für den Aus‑ sogar die größte. Es wird also noch schwerer, eine Alternative zur großen Koalition der Mitte schnitt. Das stimmt optimistisch. Die nächste Ausgabe anzubieten, die weniger radikal ist als die AfD, aber gehört wird. Muss die Kanzlerin nun ihren Kurs ändern? Die Antwort hat Merkel nach der Wahl gegeben: Nein. Lange ist ihr vorgeworfen worden, sie stehe für nichts, sie führe nicht. Seit Beginn der Flücht‑ lingskrise führt sie nicht nur, sie hat Führung neu erfunden: Durchhalten statt Kraftmeierei. Wei‑ termachen statt »Basta!« sagen. Überzeugen durch Beharren statt Gewinnen durch Überwältigung. Doch was die einen beeindruckt, provoziert die anderen. Die Kanzlerin spaltet, zum ersten Mal. Merkel selbst sieht es so: Es geht ihr nicht um Rechthaberei, sie beharrt auf dem Kontext. Sie ist die Frau mit dem Überblicksplan, nicht die mit dem Ausschnitt. Ihre Haltung beeindruckt. Aber ihr Spielraum ist seit Sonntag kleiner ge‑ worden. Merkels Macht ruht auf zwei Pfeilern: der CDU und ihrem internationalen Ansehen. Mit den Landtagswahlen ist vom ersten Pfeiler wieder ein Stückchen weggebröselt, ihr Verhand‑ lungsspielraum wird kleiner. Gleichzeitig wird der Druck auf den zweiten Pfeiler größer und damit auf den EU-Gipfel am 17./18. März, bei dem Merkel eine Einigung mit der Türkei durch‑ setzen will. Je länger Merkel durchhält, umso mehr Zugeständnisse muss sie machen, um den nächsten Gipfel und damit die nächste Station auf ihrem Weg zu erreichen. Und umso größer werden die Fragen und Widersprüche, die ihre Politik hervorruft: Warum ist das Ziel nun eine Reduzierung der Flüchtlingszahlen, während am Anfang der Satz stand »Asyl kennt keine Obergrenze«? Wie wollen wir eine Kontingent‑ verteilung mit der Türkei hinkriegen, wenn Eu‑ ropa nicht mal die 13 000 Unglücklichen aus Idomeni aufnehmen will? Was bringt es, dass die Türkei die EU- Außen gren zen schützt, wenn Europa selbst dazu nicht in der Lage ist und Flüchtlinge wieder über Italien kommen? Merkel räumt ein, dass die Zahlen im Moment nicht deshalb sinken, weil ihr Plan aufgeht, sondern weil andere das machen, was sie ablehnt, sprich: die Grenzen dicht. Umso dringlicher stellt sich deshalb die Frage: Ist ihr Plan wirklich der einzig richtige? Für die CDU sei der Sonntag ein »schwerer Tag« gewesen, sagt Merkel. Für sie selbst begin‑ nen die schwersten Wochen. www.zeit.de/audio Kleiner Polizist Ein Kampfsportler, der sich bei der Polizei in Nordrhein-Westfalen be‑ worben hatte, wurde abgelehnt, weil dort als Mindestgröße 1,68 Meter vorgeschrieben sind. Der Mann, 1,66 Meter groß, hatte ge‑ klagt, und das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen gab ihm jetzt recht. Die Grenze sei willkürlich. In der Tat: Tom Cruise könnte mit seinen 167 Zentimetern nicht Polizist in Nordrhein-Westfalen werden. Das wäre wirklich schade. GRN. kleine Fotos (v. o.): Maria Feck für ZEIT Literatur; Sven Simon/imago Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, 20079 Hamburg Telefon 040 / 32 80 ‑ 0; E-Mail: [email protected], [email protected] ZEIT ONLINE GmbH: www.zeit.de; ZEIT-Stellenmarkt: www.jobs.zeit.de ABONNENTENSERVICE: Tel. 040 / 42 23 70 70, Fax 040 / 42 23 70 90, E-Mail: [email protected] PREISE IM AUSLAND: DKR 47,00/FIN 7,30/NOR 61,00/E 5,90/ Kanaren 6,10/F 5,90/NL 5,10/ A 4,80/CHF 7.30/I 5,90/GR 6,50/ B 5,10/P 5,90/L 5,10/HUF 1990,00 o N 13 7 1. J A H RG A N G C 7451 C 13 4 190745 104708
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