Das Kunstmagazin // April 2016 Planet Brooklyn Szene New York: Die neue, wilde Kunstwelt jenseits von Manhattan Hito Steyerl: Die Künstlerin der Stunde D € 9,80 // A € 11,30 // CH sfr 16,80// I € 13,20 E € 13,20 // B, NL, LUX € 11,50 Titelbild: Das Kunstmagazin // aPril 2016 Planet Brooklyn Szene New York: Die neue, wilde Kunstwelt jenseits von Manhattan Hito Steyerl: Die Künstlerin der Stunde inhalt // April 2016 Galeristinnen und Künstler wie Jen DeNike, Angel Otero, Anna Kustera, Mike Perry und Meriem Bennani (von links) arbeiten und leben in Brooklyn Foto: Jürgen Frank D € 9,80 // A € 11,30 // CH sfr 16,80// i € 13,20 e € 13,20 // B, Nl, lUX € 11,50 titel ausstellungen Brooklyn New Yorks Künstler und Kreative beleben alte Hafenanlagen und Fabrikgebäude jenseits des East River. Die neuen Trendbezirke heißen Red Hook, Dumbo und Bushwick. Eine Entdeckungsreise 20 Stuttgart Candice Breitz: Ponderosa 102 Wien Wilhelm Lehmbruck 104 8 Radar Razzle dazzle! Die sogenannte »Dazzle Camouflage«, aufeinanderprallende Balkenmuster in Schwarzweiß, wurde im Ersten Weltkrieg von Briten und Amerikanern auf über 2000 Kriegsschiffe gepinselt. Der Gegner sollte verwirrt werden und die Fahrtrichtung der Schiffe falsch einschätzen. Maler Shigeki Matsuyama ließ sich davon für die Mode- und Designausstellung »Rooms 32« Ende Februar in Tokio inspirieren und setzte die Künstlerin Feebee in passendem Outfit in seinen Dazzle Room. Toll anzusehen. Fragt man sich nun noch nach dem Sinn, hat man auch schon die geforderte Denkleistung erbracht. Denn zu häufig würden wir uns im Informationszeitalter vom Sichtbaren irreführen lassen und den Kern einer Sache nicht erfassen, will uns Matsuyama mit seinem Camouflage-Manöver sagen. RADAR bildeR+THeMeN des MoNaTs Stuttgart Giorgio de Chirico 105 Remagen/Zürich 100 Jahre Dada 106 Wien Anselm Kiefer 108 RADAR Bilder des Monats Zebra-Look in Tokio, Denkmal zum Klimawandel unter Wasser, Zerstörungskunst in Savannah. Kunst für eine Bessere Welt Ersatz-Bibliothek für Bagdad. Aktuell Überschätzt Boteros aufgeblasene Kunst. Kunst aus dem Off Künstler mit Handicap gestalten eine Kirche. Fotokolumne Alec Soth 8—19 London The Rolling Stones 109 Schwäbisch Hall Picasso 110 89 Paris Seydou KeÏta 112 Kassel Images 113 Wolfsburg Kai Schiemenz 114 102 Ausstellungen Get Up, Stand up Köln Fernand Léger. Malerei im Raum 114 Die Südafrikanerin beschäftigt sich in anrührenden Videoinstallationen mit Popkultur und Hollywood-Kino Candice Breitz: Ponderosa, Stuttgart, Kunstmuseum, 09.04—28.08.2016 AUSStellUnGen Die HöH e P unK t e im AP r i l vorbericht Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Kerber Verlag für 25 Euro, im Buchhandel: 38 Euro. kalender Gegen Vorlage ihrer artCard erhalten unsere Abonnenten ermäßigten Eintritt. arbeitete. Dabei reduzierte sie zum ewöhnlich stehen nicht die Fans, sondern ihre Idole Beispiel den Text von Madonnas Papa Don’t Preach auf sich wiederholende im Rampenlicht. Candice Silben, sodass nur noch »Papapa« Breitz dagegen wollte wissen: Wer sind die Leute, die Pop- und zu hören ist. »Breitz interessiert die Rockmusiker bewundern? Für Legend Identifikation und individuelle Aneig(A Portrait of Bob Marley) (2005) nung von Songs«, sagt Groos. Enthat sie 30 jamaikanische Anhänger sprechend zeigt die Künstlerin auch des Reggae-Titanen gebeten, dessen auf großformatigen Gruppenfotos Album Legend nachzusingen. In der Fans, die sich im Stil ihrer Idole Marilyn daraus entstandenen Videoarbeit Manson oder Abba inszenieren. zeigt Breitz die singenden Fans – die Ein weiteres Thema sind GeBegleitmusik hat sie allerdings her- schlechterrollen. Bei Mother und Father ausgeschnitten. »Es entsteht ein Kalei- von 2005 verwendet Breitz Ausschnitdoskop aus Stimmen, Gesten und te aus Hollywoodfilmen, die klassiBewegungen«, sagt Ulrike Groos. Die sche Rollenmuster von Müttern und Direktorin vom kunstmuseum stuttVätern vorführen. Auch für die Videogart widmet der Videokünstlerin nun arbeit Love Story, die Breitz eigens eine umfassende Ausstellung. »Denn für Stuttgart produziert hat, engagierte die Arbeiten von Breitz haben nicht sie mit Alec Baldwin und Julianne nur unglaublichen Unterhaltungswert, Moore US-amerikanische Filmstars. sondern zeigen auch, welche BedeuAus Anlass der aktuellen Ereignisse tung Popmusik in unserer massenwurden Flüchtlinge zu ihren Schickmedialen Konsumgesellschaft hat.« salen befragt. In der Ausstellung sind Musik spielt im Werk von Candice nun einerseits diese Lebensberichte Breitz, die 1972 in Johannesburg gezu hören, andererseits hat Breitz boren wurde und heute in Berlin lebt, daraus eine Art Skript entwickelt, das schon immer eine besondere Rolle. Moore und Baldwin vortragen. So, Die früheste Arbeit der Stuttgarter sagt Ulrike Groos, »hat man eine Ausstellung ist Babel Series von 1999, roman tisierende, leicht bekömmliche eine Sieben-Kanal-Videoinstallation, Hollywood-Version, die den realen und für die Breitz Ausschnitte bekannter ungeschminkten Erzählungen gegenübersteht«. // Adrienne BrAun Musikvideos der achtziger Jahre be- G themen Mikael Mikael Wer steckt hinter der geheimnisvollen Künstlerbiografie, die mit Aufklebern konsumkritische Fragen stellt? 34 Mode Muntu Fliegende Fische, tanzende Strichmännchen – der kongolesische Maler und sein buntes Universum schienen schon vergessen. Jetzt wird er neu entdeckt 36 Hito Steyerl Sie macht aus aktuellen Themen wie Überwachung, Virtual Reality und Ausbeutung leichtfüßige Videoinstallationen und wird damit zur Künstlerin der Stunde 48 Die internationalen Kunsttermine im Überblick 116 Gruppenfoto von Abba-Fans, 2007 in Berlin aufgenommen ABBA MonuMent, Berlin, June 2007, 180 x 358 cM Journal Überwachung NSA im Museum – Interview mit der Filmemacherin Laura Poitras 126 Justiz New Yorker Staatsanwalt deckt ein Kunstverbrechen nach dem anderen auf 128 30 jamaikanische Fans singen für candice Breitz rund 63 Minuten lang Bob Marleys Album »legend« nach leGend (A portrAit oF BoB MArley), 2005 102 103 126 Journal Die Journalistin, Filmemacherin und Künstlerin Laura Poitras 2016 in ihrem Atelier in New York Besucher von Poitras’ Schau »Astro Noise« blicken im Whitney Museum auf Bilder des Himmels von Yemen, Somalia und Pakistan und hören fliegende Dronen (»Bed Down Location«, 2016) Journal nachrichten und debatten Überraschung: Während sie nichts ahnend die Kunst rezipiert haben, wurden die Besucher von einer Infrarotkamera gefilmt Provokation Schockkünstler Wim Delvoye plant große Museumsschau im Iran 129 Big Brother ist überall Blauhelme Italien will Soldaten zum Kulturschutz in Krisengebiete schicken 130 ASnowden die verschlüs- Die Zwei-Kanal-Videoinstallation »O’Say Can You See« (2001/16) zeigt auf der einen Seite Menschen, die im Monat nach dem 11. September 2001 Ground Zero besuchten ... ... und auf der anderen Seite Verhörsituationen mit Gefangenen. Laut Ausstellungsflyer wurden die Männer später nach Guantánamo überführt. Der Titel zitiert die erste Zeile der USamerikanischen Nationalhymne IntervIew Laura Poitras’ Thema ist der Überwachungsstaat. Ihre Dokumentarfilme sind preisgekrönt. Nun gibt sie in New York ihr Debüt als Künstlerin ls »Astro Noise« bezeichnete Edward Filmemacherin dazu, Kunst fühlte und um über das Pro- Der Direktor des Whitney zu machen? blem der Massenüberwachung MuseuM nannte Sie mutig. Weil Laura Poitras: Die langforma ti- zu sprechen. Sie sich nicht nur mit Geheimgen Dokumentarfilme, an Lassen sich mit der Kunst diensten und Regierungen denen ich arbeite, empfinde andere Inhalte vermitteln? anlegen, sondern mit der Ausich als Kunst. Kino ist für mich Ein Dokumentarfilm basiert stellung auch der oft unbarmKunst. auf einer handlungsbezogenen herzigen Kunstwelt stellen. Also haben Sie nur die Form Erzählung und ist ein unglaub- Ich bin der Meinung, dass sein gewechselt? liches Medium. Weil man sich Museum Mut bewiesen hat. Es Sie zu erweitern schien mir mit den Menschen identifizie- handelt sich in der Ausstellung normal. Ursprünglich habe ren kann und durch das Leben vielfach um geheimes Material, ich Experimentalfilm am san von Individuen tief greifende das nie zuvor in der ÖffentlichFrancisco art institute Problematiken besser versteht. keit gezeigt wurde. Darunter studiert. Während ich ab 2012 Aber Film zeigt schmerzhafte sind Bilder, die aus der Fülle des für zwei Jahre in Berlin lebte, Grenzen auf. Es liegt so viel Materials von Edward Snowden machte ich viele Aufzeichnun- Material vor, dass man es zu stammen. gen. Zu diesem Zeitpunkt kor- wesentlichen Momenten zu- Am Ende Ihrer Ausstellung respondierte ich mit Edward sammenschneiden muss. Im müssen die Besucher festSnowden. Ich hatte das Gefühl, Rahmen einer Installation abs- stellen, dass sie selbst unter dass es viele Themen gab, die trakter zu arbeiten ist befreiend. Überwachung standen. ich in Angriff nehmen wollte, Ich wollte die Dinge umkehren ohne das traditionelle Format und die Betrachter verletzlich einer Handlung einsetzen zu werden lassen. können. Ich brauchte ein VenSie nahmen in die Ausstellung til, um auszudrücken, was ich auch Dokumente auf, die selten Daten, die der NSAWhistleblower der amerikanischen Dokumentarfilmerin Laura Poitras schickte. Sie machte aus ihrer Begegnung mit dem Exagenten den oscargekrönten Film Citzenfour – und nannte die allererste Ausstellung ihrer Karriere im New Yorker Whitney MuseuM in Anlehnung an Snowden »Astro Noise« (bis 1. Mai). Es geht darin um den Überwachungsstaat und die Welt nach dem 11. September. art: Frau Poitras, warum entscheidet sich eine politische nachweisen, dass Sie vom Sie wurden als terrorverdäch- von dem Aktivisten Jacob Appel- baum und von Julian Assange, amerikanischen Geheimdienst tige Staatsfeindin eingestuft. »Als ich meine überwacht wurden. ich seit 2011 gefilmt und Es ist alles dermaßen absurd. FBI-Akteden las, war Das war vom Essay Life as a 1000 Seiten habe ich vom wiederholt in London in der Terrorist inspiriert, den William FBI bereits vorliegen, es sollen Botschaft mir von Ecuador zunächst besucht übel. T. Vollmann schrieb, nachdem noch mehr folgen. Im ersten Dann dachte habe. ich: Er ist das Thema des Films, den ich gerade schneide. er seine FBI-Akten eingefordert Jahr, nachdem ich aus Hong- Das ist so viel Hätten Sie mit in den USA an hatte und herausfand, dass er kong berichtet hatte, trug ich Material, dem Citizenfour arbeiten können? als Unabomber verdächtigt kein Handy bei mir, weil ich wurde. Es geht darum, wie FBI- den Ort, an dem ich mich aufAgenten mit ihren Beobachtun- hielt, nicht aussenden wollte. gen ein Leben für ihn kreierten. Fühlten Sie sich in Berlin Wie fühlten Sie sich beim sicherer? Lesen Ihrer eigenen Akte? Das Risiko, dass jemand in Zunächst war mir übel, aber meine Wohnung eindringt, nach einer Stunde war ich um mir mein Material wegzubester Stimmung und dachte: nehmen, war in Berlin sehr Das ist so viel Material, mit viel geringer. Ich wollte damals dem ich arbeiten und etwas ja vor allem meine Quellen Unfassbares illustrieren kann. schützen und hatte nicht nur Filmmaterial von Edward Snowden aus Hongkong dabei, Matthäus Schwarz Der modeverrückte Augsburger Buchhalter ließ sich vor 500 Jahren mit wechselnden Outfits porträtieren und wurde so zum ersten Fashionblogger 58 Ausser Haus Till Briegleb über Englands Abrisspläne alter Sozialbausiedlungen 131 Van Gogh Museum Wenn ein Künstler zur Marke wird – Gespräch mit Axel Rüger, der das populäre Haus wie ein Unternehmen führt 68 Schluss Museum Morsbroich am Ende? 132 Extra-Hefte Erweiterung Alles neu im Kunstmuseum Basel 133 Art Cologne + Kunst-Termine Kader Attia In seinen Installationen legt der französisch-algerische Künstler Wunden von Kolonialismus, Migration und Terror frei – und trifft damit ins Herz der Betrachter 72 Bildseminar Mutiger Protest oder schamlose Inszenierung? Wolfgang Ullrich über Ai Weiwei, der als totes Flüchtlingskind posiert 80 August Kopisch Glühender Sonnenuntergang und Blaue Grotte – in Berlin wird das Werk des spätromantischen Malers und Erfinders in einer großen Schau gefeiert 82 Starter Wyatt Kahn und Anna Steinert 90 ich arbeiten kann« Nein. Was jedoch nicht heißen soll, dass ich nach Aussagen von Quellen nicht auch in Deutschland überwacht wurde. Ist Ihre Arbeit heute für Sie einfacher, weil Sie und Ihre Filme weltbekannt sind? Sicher bin ich geschützter. Aber es gibt viele Geheimdienste in der Welt, und nicht alle spielen ein nettes Spiel. // Es erscheint eine Publikation zur Aus- IntervIew: ClAudIA BodIn sondern auch von dem ehe- stellung bei: Yale Univermaligen Nachrichtendienst- sity Press, 45 Dollar. mitarbeiter William Binney, 126 127 Denkmal Warum Leipziger Bürger eine neue Beethoven-Skulptur verschmähen 132 Restitution Deutsche Museen wollen Silber aus jüdischem Besitz loswerden 134 Messe-spezial: art Cologne guide Viel Holz Die ehrliche Buchkolumne 135 Kinder erklären Kunst James Ensors »Die schlechten Ärzte« 138 Rubriken saison Editorial 3 Betreff: art 6 Leserservice, Impressum, Fotovermerke 136 Deutscher Meister April Mai Juni Juli 2016 Die 50. art Co l o gne: Erfolgsgeschichte einer Kölner Erfindung serV i C e : Hallenplan, Termine, Ausstellungstipps Die wichtigsten Kunst-Termine Im nächsten Heft 137 04_Koeln_Titel.indd 1 24.02.16 12:32 5
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