Kranich unterm Hakenkreuz Gedenken am Böllenfalltor Lufthansa tut sich mit der Aufarbeitung ihrer NS-Geschichte schwer. Seite 2 Darmstadts Fußballer trauern um einen ihrer treuesten Fans. Seite 18 Fotos: imago/Gerhard Leber (li.), nd/Ulli Winkler (re.) Montag, 14. März 2016 STANDPUNKT Triumph der Verrohung Wolfgang Hübner über den Zulauf für eine Hass predigende Partei Dieser 13. März 2016 hat die politische Landschaft Deutschlands spürbar verändert. Mit der Alternative für Deutschland hat sich endgültig eine Partei etabliert, die offen auf Hass und Spaltung setzt. Sie ist nun in acht Landtagen vertreten – je vier im Osten und im Westen des Landes. Das Gerede von einem ostdeutschen Phänomen ist spätestens ab jetzt absurd. Dass die AfD sich an Grundsätzen orientiert, die das Gegenteil von Solidarität, Gerechtigkeit und aufgeklärtem Demokratieverständnis darstellen – ihre zahlreichen Wähler nehmen das entweder gern oder wenigstens billigend in Kauf, um den so genannten Etablierten in die Parade zu fahren. Was sich darin spiegelt, ist eine politische Verrohung, die ihre Wurzeln auch in der sozialen Deklassierung erheblicher Teile der Bevölkerung hat. Keine Partei kann ehrlichen Herzens behaupten, sie habe ihre Anhängerschaft gegen die rassistischen, rabiaten Parolen der AfD immunisieren können. Sie stehen weitgehend hilflos einer Partei gegenüber, die das zuspitzt, was Regierende bisher schon oft genug getan haben: den Sozialstaat und das Asylrecht ramponieren. Und die Herausforderung wird nun noch größer. Denn die AfD, berauscht von ihrem Erfolg, wird jetzt erst richtig aufdrehen. So einfach wie andere Rechtsvereine wird sie sich nicht entzaubern lassen. Die demokratischen Parteien brauchen einen Kassensturz und einen ehrlichen Neuanfang ohne politische und mentale Kompromisse nach rechts außen. Können und wollen sie das? UNTEN LINKS Die Künstliche Intelligenz hat jetzt wohl endgültig die Oberhand gewonnen, und das zeigt ausgerechnet eine Niederlage. Nachdem man schon von intelligenten Toastern, Kühlschränken und Stromzählern gelesen hat, ist nun der Computer AlphaGo angetreten, im hoch komplizierten Brettspiel Go den jahrelangen Triumphator aus Südkorea zu besiegen. Fünf Partien waren vereinbart, und die ersten drei gewann die Maschine. Damit war der Gesamtsieg gesichert; die beiden restlichen Begegnungen waren nur noch Zugabe. Und was macht der Computer? Er lässt im vierten Match den Menschen gewinnen. Angeblich hat der »einen brillanten 78. Zug« gespielt. Hoffentlich ist es so. Denn gefährlicher wäre etwas anderes: dass die Maschine nämlich keine Lust mehr hatte, weil sie wusste, das Ding ist gelaufen. Oder dass sie ein bisschen Mitleid mit dem traurigen Südkoreaner hatte. Wenn der Computer nicht mehr nur rechnet, sondern auch noch menschelt, dann ist der Mensch überflüssig. wh ISSN 0323-3375 71. Jahrgang/Nr. 62 Bundesausgabe 1,70 € SYRIZA braucht mehr Protest Der griechische Politiker Giorgos Chondros über die Folgen der EU-Flüchtlingspolitik und die Zukunft seiner Partei. Seite 8 www.neues-deutschland.de AfD marschiert zweistellig durch LINKE in Berlin wählt Landesliste Rechtspopulisten ziehen in Landtage von Magdeburg, Mainz und Stuttgart ein SPD mit teils schweren Niederlagen / LINKE verliert im Osten und scheitert im Westen Wahlprogramm beschlossen / Grüne stellen ebenfalls Kandidaten auf Sachsen-Anhalt: LINKE liegt hinter der AfD Magdeburg. Die CDU von Ministerpräsident Reiner Haseloff (Foto) ist aus der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt trotz leichter Verluste erneut als stärkste Kraft hervorgegangen. Sie erhielt nach der ersten ARD-Hochrechnung 29,2 Prozent der Stimmen. Stärker noch als erwartet schnitt die Alternative für Deutschland (AfD) mit 22,8 Prozent ab. Damit liegt die rechtspopulistische Partei hinter der CDU und vor der LINKEN, die 16,9 Prozent erhielt. Diese muss einen Verlust von sieben Prozent hinnehmen. Noch schwerere Verluste erlitt die SPD. Mit 11,6 Prozent verlor sie 10 Prozent gegenüber der Wahl von 2011. Die Grünen konnten mit 5,4 Prozent einer weiteren Legislatur im Landtag entgegensehen, die FDP lag bei 5,0 Prozent. Im Landtag verfügt die CDU nun über 36 Sitze, die LINKE über 20. Die SPD ist mit 14 Abgeordneten vertreten, die AfD mit 27, FDP mit sechs, die Grünen erhalten sieben Sitze. CDU und SPD können ihre Koalition nicht fortsetzen, rechnerisch möglich wären Dreierbündnisse aus CDU, SPD und Grünen oder CDU, SPD und FDP. nd/Agenturen Foto: imago/Christian Schroedter Berlin. Ein knappes halbes Jahr vor der Berliner Abgeordnetenhauswahl am 18. September 2016 haben Spitzenkandidaten der Oppositionsparteien Grüne und LINKE deutliche Dämpfer bei ihrer Nominierung einstecken müssen. Der Landesvorsitzende der Berliner LINKEN, Klaus Lederer, musste sich auf der Vertreterversammlung am Wochenende in Adlershof mit einer Zustimmung von 68,3 Prozent bei der Wahl auf Platz 1 der Landesliste zufrieden geben. Auf der Mitgliederversammlung der Grünen in Friedrichshain erhielt die Spitzenkandidatin Ramona Pop von der Parteibasis sogar nur knapp 61 Prozent Zustimmung. Die weiteren Kandidaten des Spitzenquartetts der Grünen für die Wahl kamen auf Werte von 73 bis 78 Prozent. Beide Parteien sind mit dem Wahlziel angetreten, nach dem 18. September die rotschwarze Koalition in Berlin abzulösen und selbst mitzuregieren. Derzeit erreichen Grüne und LINKE in Umfragen zwischen 17 und 19 sowie 14 und 16 Prozent. nd Seite 11 Wachsender Protest gegen Trump Milliardär verliert bei US-Vorwahlen in Washington DC und Wyoming SPD in Rheinland-Pfalz deutlich vor der CDU Washington. Die Provokationen des US-Präsidentschaftsbewerbers Donald Trump führen zunehmend zu Protesten bei seinen Wahlkampfauftritten. Nach der Absage einer Veranstaltung in Illinois wegen gewaltsamer Zusammenstöße griff Trump seine Gegner am Wochenende scharf an: Die Demonstranten seien »Gangster« und Islamisten. Bei den Vorwahlen der Republikaner musste der Milliardär zwei klare Niederlagen einstecken: Im Bundesstaat Wyoming siegte Ted Cruz, in Washington, DC Marco Rubio. Bei den Demokraten siegte die frühere Außenministerin Hillary Clinton im US-Außengebiet Nördliche Marianen im Pazifik und gewann vier Delegiertenstimmen für den demokratischen Parteitag, ihr Rivale Bernie Sanders zwei. An diesem Dienstag stehen Vorwahlen in fünf Bundesstaaten an, darunter Florida, Ohio und Illinois. Für die Republikaner sind die Abstimmungen in diesen drei Bundesstaaten von besonderer Bedeutung, weil der Sieger dort jeweils alle zu vergebenden Delegiertenstimmen gewinnt. AFP/nd Seite 3 Mainz. Die SPD bleibt stärkste Kraft in Rheinland-Pfalz. Laut erster ARD-Hochrechnung bekamen die Sozialdemokraten um Ministerpräsidentin Malu Dreyer (Foto) bei der Landtagswahl auf 37,3 Prozent der Wählerstimmen. Die CDU bleibt mit 32,5 Prozent Zustimmung auf dem zweiten Platz. Wahlgewinner des Abends ist die AfD; die Rechtspartei kam auf 10,8 Prozent der Stimmen. Die Grünen erhielten den ersten Zahlen am Sonntagabend zufolge 5,4, die FDP 6,2 und die LINKE 3 Prozent. Damit verpassten die Sozialisten nach 2011 erneut den Einzug in den rheinland-pfälzische Landtag. Mit dem Ergebnis ist eine Fortsetzung der rot-grünen Landesregierung nicht möglich. Der Auftrag zur Regierungsbildung sei eindeutig an die SPD gegangen, kommentierte SPD-Landesparteichef Roger Lewentz das Resultat des Urnengangs. »Wir hoffen, dass wir weiterhin Politik auch mit den Grünen machen können.« Der rheinland-pfälzische CDUGeneralsekretär Patrick Schnieder hat die Niederlage seiner Partei kurz nach der Wahl eingeräumt. Die Partei habe nur ihr Wahlziel erreicht, eine Mehrheit von Rot-Grün zu verhindern, sagte er. dpa/nd Foto: imago/Rainer Unkel Kretschmann beschert den Grünen ein Traumergebnis Stuttgart. Jubel bei den Grünen in BadenWürttemberg: Dank ihres Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Foto) fährt die Partei einen historischen Wahlsieg ein. Der ersten ARD-Hochrechnung zufolge kommen die Grünen, die seit 2011 mit der SPD das Ländle regieren, auf 32,1 Prozent und fahren damit das beste Ergebnis überhaupt bei einer Bundesoder Landtagswahl ein. Auch für die CDU hat der Wahlabend eine historische Dimension: Die 27,5 Prozent bedeuten, dass die Partei erstmals in der Geschichte Baden-Württembergs nicht stärkste Kraft wird. Auch die SPD verliert und kommt nur noch auf 12,8 Prozent. Das schwache Abschneiden der Sozialdemokraten verhindert wohl auch eine Neuauflage von Grün-Rot. Damit wird eine Koalition zwischen Grünen und CDU immer wahrscheinlicher. Der AfD gelingt mit 12,5 Prozent der Sprung in den Landtag. Die FDP ist mit 8,2 Prozent erneut im Parlament vertreten. Die LINKE scheitert an der Fünf-Prozent-Hürde (3,1). Im neuen Landtag verfügen die Grünen über 48 Sitze, die CDU kommt auf 41 Mandate. Die SPD ist mit 19 Abgeordneten vertreten, die AfD erhält 18 Sitze und die FDP 12. nd Foto: corbis/Reynaldo Paganelli Mehr Ausnahmen vom Mindestlohn Forderung von Arbeitgebern stößt beim DGB auf Widerstand Essen. Die Arbeitgeber fordern mehr Ausnahmen vom Mindestlohn. Wer noch nie gearbeitet habe, mindestens ein Jahr arbeitslos oder ohne anerkannten Abschluss ist, solle für das erste Jahr der Beschäftigung vom Mindestlohn ausgenommen sein, heißt es in einem Schreiben der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände an den Bundestag, aus dem die Zeitungen der Funke Mediengruppe zitieren. Bislang können Langzeitarbeitslose für die ersten sechs Monate ohne den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro beschäftigt werden. Ausgenommen sind auch Jugendliche unter 18 Jahren ohne Berufsausbildung. Der Deutsche Gewerkschaftsbund kritisierte die Forderung der Arbeitgeber: »Wir brauchen einen lückenlosen gesetzlichen Mindestlohn als unterste Haltelinie und keinen neuen Billigarbeitsmarkt«, erklärte Vorstandsmitglied Stefan Körzell. Schon die jetzige Regelung sei »verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen und verbessert auch nicht die Arbeitsmarktintegration«. Agenturen/nd Kommentar Seite 4
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