AfD marschiert zweistellig durch

Kranich unterm Hakenkreuz
Die Wut der Geprellten
Lufthansa tut sich mit der Aufarbeitung
ihrer NS-Geschichte schwer. Seite 2
Donald Trump lebt von weißen
Abstiegsängsten in den USA. Seite 3
Fotos: imago/Gerhard Leber (li.), nd/Ulli Winkler (re.)
Montag, 14. März 2016
71. Jahrgang/Nr. 62
Berlinausgabe 1,70 €
SYRIZA braucht
mehr Protest
Der griechische Politiker
Giorgos Chondros über
die Folgen der
EU-Flüchtlingspolitik und
die Zukunft
seiner
Partei.
Seite 8
www.neues-deutschland.de
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STANDPUNKT
Triumph der
Verrohung
Wolfgang Hübner über den Zulauf
für eine Hass predigende Partei
Dieser 13. März 2016 hat die politische Landschaft Deutschlands
spürbar verändert. Mit der Alternative für Deutschland hat sich
endgültig eine Partei etabliert, die
offen auf Hass und Spaltung setzt.
Sie ist nun in acht Landtagen vertreten – je vier im Osten und im
Westen des Landes. Das Gerede
von einem ostdeutschen Phänomen ist spätestens ab jetzt absurd.
Dass die AfD sich an Grundsätzen orientiert, die das Gegenteil
von Solidarität, Gerechtigkeit und
aufgeklärtem Demokratieverständnis darstellen – ihre zahlreichen Wähler nehmen das entweder gern oder wenigstens billigend in Kauf, um den so genannten Etablierten in die Parade zu
fahren. Was sich darin spiegelt, ist
eine politische Verrohung, die ihre
Wurzeln auch in der sozialen Deklassierung erheblicher Teile der
Bevölkerung hat.
Keine Partei kann ehrlichen
Herzens behaupten, sie habe ihre
Anhängerschaft gegen die rassistischen, rabiaten Parolen der AfD
immunisieren können. Sie stehen
weitgehend hilflos einer Partei
gegenüber, die das zuspitzt, was
Regierende bisher schon oft genug getan haben: den Sozialstaat
und das Asylrecht ramponieren.
Und die Herausforderung wird
nun noch größer. Denn die AfD,
berauscht von ihrem Erfolg, wird
jetzt erst richtig aufdrehen. So
einfach wie andere Rechtsvereine
wird sie sich nicht entzaubern
lassen. Die demokratischen Parteien brauchen einen Kassensturz
und einen ehrlichen Neuanfang
ohne politische und mentale
Kompromisse nach rechts außen.
Können und wollen sie das?
UNTEN LINKS
Die Künstliche Intelligenz hat
jetzt wohl endgültig die Oberhand
gewonnen, und das zeigt ausgerechnet eine Niederlage. Nachdem
man schon von intelligenten
Toastern, Kühlschränken und
Stromzählern gelesen hat, ist nun
der Computer AlphaGo angetreten, im hoch komplizierten Brettspiel Go den jahrelangen Triumphator aus Südkorea zu besiegen.
Fünf Partien waren vereinbart,
und die ersten drei gewann die
Maschine. Damit war der Gesamtsieg gesichert; die beiden
restlichen Begegnungen waren
nur noch Zugabe. Und was macht
der Computer? Er lässt im vierten
Match den Menschen gewinnen.
Angeblich hat der »einen brillanten 78. Zug« gespielt. Hoffentlich
ist es so. Denn gefährlicher wäre
etwas anderes: dass die Maschine
nämlich keine Lust mehr hatte,
weil sie wusste, das Ding ist gelaufen. Oder dass sie ein bisschen
Mitleid mit dem traurigen Südkoreaner hatte. Wenn der Computer
nicht mehr nur rechnet, sondern
auch noch menschelt, dann ist der
Mensch überflüssig. wh
ISSN 0323-4940
AfD marschiert zweistellig durch
LINKE in Berlin
wählt Landesliste
Rechtspopulisten ziehen in Landtage von Magdeburg, Mainz und Stuttgart ein
SPD mit teils schweren Niederlagen / LINKE verliert im Osten und scheitert im Westen
Wahlprogramm beschlossen / Grüne
stellen ebenfalls Kandidaten auf
Sachsen-Anhalt: AfD hinter
CDU, aber vor Linkspartei
Magdeburg. Die CDU von Ministerpräsident
Reiner Haseloff (Foto) ist aus der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt trotz leichter Verluste
erneut als stärkste Kraft hervorgegangen. Sie
erhielt laut ARD-Hochrechnung 29,7 Prozent
der Stimmen. Stärker noch als erwartet schnitt
die Alternative für Deutschland (AfD) mit 24,0
Prozent ab. Damit liegt die rechtspopulistische Partei hinter der CDU und vor der LINKEN, die 15,7 Prozent erhielt. Diese muss einen Verlust von rund sieben Prozent hinnehmen. Noch schwerere Verluste erlitt die SPD.
Sie kam auf 10,2 Prozent und verlor damit 10
Prozent gegenüber 2011. Die Grünen konnten mit 5,0 Prozent einer weiteren Legislatur
im Landtag entgegensehen, die FDP lag knapp
unterhalb der 5-Prozent-Marke.
Im Landtag verfügt die CDU nun über 36 Sitze, die LINKE über 19. Die SPD ist mit 12 Abgeordneten vertreten, die AfD mit 29, die Grünen erhalten sechs Sitze. CDU und SPD können
ihre Koalition nicht fortsetzen, rechnerisch
möglich wären Dreierbündnisse aus CDU, SPD
und Grünen oder CDU, SPD und FDP. nd/Agenturen
Foto: imago/Christian Schroedter
Berlin. Ein knappes halbes Jahr vor der Berliner Abgeordnetenhauswahl am 18. September 2016 haben Spitzenkandidaten der
Oppositionsparteien Grüne und LINKE deutliche Dämpfer bei ihrer Nominierung einstecken müssen. Der Landesvorsitzende der
Berliner LINKEN, Klaus Lederer, musste sich
auf der Vertreterversammlung am Wochenende in Adlershof mit einer Zustimmung von
68,3 Prozent bei der Wahl auf Platz 1 der Landesliste zufrieden geben.
Auf der Mitgliederversammlung der Grünen in Friedrichshain erhielt die Spitzenkandidatin Ramona Pop von der Parteibasis
sogar nur knapp 61 Prozent Zustimmung. Die
weiteren Kandidaten des Spitzenquartetts der
Grünen für die Wahl kamen auf Werte von
73 bis 78 Prozent.
Beide Parteien sind mit dem Wahlziel angetreten, nach dem 18. September die rotschwarze Koalition in Berlin abzulösen und
selbst mitzuregieren. Derzeit erreichen Grüne und LINKE in Umfragen zwischen 17 und
19 sowie 14 und 16 Prozent. nd
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Erneut Anschlag
in der Türkei
Explosion von Autobombe in Ankara
fordert mindestens 27 Todesopfer
SPD in Rheinland-Pfalz
deutlich vor der CDU
Ankara. Bei einem Autobombenanschlag im
Zentrum der türkischen Hauptstadt Ankara
sind nach Behördenangaben mindestens 27
Menschen getötet worden. Weitere 75 seien
am Sonntagabend bei dem Attentat auf dem
belebten Kizilay-Platz verletzt worden, teilte
das Büro des zuständigen Provinzgouverneurs mit. Der Anschlag wurde demnach mit
einem mit Sprengstoff beladenen Fahrzeug
verübt. Am Kizilay-Platz gibt es zahlreiche Geschäfte. Er liegt außerdem nicht weit entfernt
vom Botschaftsviertel der Hauptstadt. Erst
Mitte Februar waren bei einem Bombenanschlag auf einen Militärkonvoi in Ankara 29
Menschen getötet worden. Zu dem Anschlag
hatte sich damals die militante Kurdenorganisation Freiheitsfalken Kurdistans (TAK) bekannt. Sie kündigte weitere Attentate an, insbesondere in Orten, die bei Touristen beliebt
sind. Bereits seit dem Sommer gilt im Land
wegen einer Reihe tödlicher Anschläge die
höchste Alarmstufe. Vier der Anschläge
schrieben die Behörden der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) zu. AFP/nd
Mainz. Die SPD bleibt stärkste Kraft in Rheinland-Pfalz. Laut ARD-Hochrechnung kamen
die Sozialdemokraten um Ministerpräsidentin Malu Dreyer (Foto) bei der Landtagswahl
auf 36,3 Prozent der Wählerstimmen. Sie bekommen damit 40 Sitze im neuen Parlament.
Die CDU bleibt mit 31,7 Prozent Zustimmung auf dem zweiten Platz. Die Christdemokraten erhalten 35 Mandate. Wahlgewinner des Abends ist die AfD; die Partei kam
auf 12,3 Prozent der Stimmen. Damit werden 13 Rechte im Landtag vertreten sein. Die
Grünen erreichten den Zahlen am Sonntagabend zufolge 5,2 Prozent (6 Sitze), die FDP
6,1 Prozent (7 Sitze) und die LINKE 2,9 Prozent. Damit verpassten die Sozialisten nach
2011 erneut den Einzug in den rheinlandpfälzischen Landtag. Mit dem Wahlergebnis
ist eine Fortsetzung der rot-grünen Landesregierung nicht möglich.
SPD-Landeschef Roger Lewentz will mit FDP
und Grünen über eine Ampel-Koalition verhandeln. »Eine Große Koalition, die schließe
ich am heutigen Abend wirklich aus«, erklärte
er noch . Für Dreyer ist Rot-Schwarz »nur die
Ultima Ratio«. dpa/nd
Foto: imago/Rainer Unkel
Kretschmann beschert
Grünen ein Traumergebnis
Stuttgart. Jubel bei den Grünen in BadenWürttemberg: Dank ihres Ministerpräsidenten
Winfried Kretschmann (Foto) fährt die Partei
einen historischen Wahlsieg ein. Der ARDHochrechnung zufolge kommen die Grünen,
die seit 2011 mit der SPD das Ländle regieren,
auf 30,5 Prozent und fahren damit das beste Ergebnis überhaupt bei einer Bundes- oder Landtagswahl ein. Auch für die CDU hat der Wahlabend eine historische Dimension: Mit 27 Prozent wird sie erstmals nicht stärkste Kraft. Auch
die SPD verliert und kommt nur noch auf 12,7
Prozent. Ihr schwaches Abschneiden verhindert wohl auch eine Neuauflage von Grün-Rot.
Damit wird eine Koalition zwischen Grünen
und CDU wahrscheinlicher. Der AfD gelingt mit
14,9 Prozent der Sprung in den Landtag, sie
holt sogar mindestens zwei Direktmandate. Die
FDP ist mit 8,3 Prozent erneut im Parlament
vertreten. Die LINKE kann mit 3 Prozent nicht
in den Landtag einziehen. Die Wahlbeteiligung lag bei 70, 8 Prozent.
Im neuen Parlament haben die Grünen 46
Sitze und die CDU 39. Die SPD ist mit 19 Abgeordneten vertreten, die AfD mit 22 und die
FDP mit 12. nd
Foto: corbis/Reynaldo Paganelli
Mehr Ausnahmen
vom Mindestlohn
Forderung von Arbeitgebern
stößt beim DGB auf Widerstand
Essen. Die Arbeitgeber fordern mehr Ausnahmen vom Mindestlohn. Wer noch nie gearbeitet habe, mindestens ein Jahr arbeitslos
oder ohne anerkannten Abschluss ist, solle für
das erste Jahr der Beschäftigung vom Mindestlohn ausgenommen sein, heißt es in einem Schreiben der Bundesvereinigung der
Arbeitgeberverbände an den Bundestag, aus
dem die Zeitungen der Funke Mediengruppe
zitieren. Bislang können Langzeitarbeitslose
für die ersten sechs Monate ohne den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro beschäftigt
werden. Ausgenommen sind auch Jugendliche unter 18 Jahren ohne Berufsausbildung.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund kritisierte die Forderung der Arbeitgeber: »Wir
brauchen einen lückenlosen gesetzlichen
Mindestlohn als unterste Haltelinie und keinen neuen Billigarbeitsmarkt«, erklärte Vorstandsmitglied Stefan Körzell. Schon die jetzige Regelung sei »verfassungsrechtlich nicht
zu rechtfertigen und verbessert auch nicht die
Arbeitsmarktintegration«. Agenturen/nd
Kommentar Seite 4