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SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Musikstunde
„Brahms in Baden-Baden“ (3)
Von Wolfgang Sandberger
Sendung:
Redaktion:
Mittwoch, 09. März 2016
Ulla Zierau
9.05 – 10.00 Uhr
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
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Musikstunde mit Wolfgang Sandberger
Mittwoch, 9. März 2016
Brahms in Baden-Baden, Teil 3
Signet
Auch heute sind wir wieder mit Johannes Brahms in Baden-Baden: einen schönen
guten Morgen. Ich bin Wolfgang Sandberger
Titelmusik
Am 7. Mai 1869 steigt Johannes Brahms in Wien in die Eisenbahn, es ist sein 36.
Geburtstag und der junge, immer noch glattrasierte Mann hat ein Ziel vor Augen:
Baden-Baden. Der Wonnemonat Mai sei die „himmlischste Zeit“ zum Einzug in
dem Kurort, so hatte seine Freundin Clara Schumann gemeint, und Brahms ist ihr
in diesem Jahr 1869 wieder gefolgt - nach zwei Jahren Badener Abstinenz:
Sowohl mit seinem Karlsruher Freund Hermann Levi als auch mit Clara Schumann
hatte es zuvor Irritationen und Verstimmungen gegeben. Brahms, der etwas
spröde und schroffe Norddeutsche, ist menschlich nicht ganz unkompliziert
gewesen. Den Freund Hermann Levi hatte er durch abwertende Bemerkungen
zu dessen Kompositionen verletzt, Clara Schumann nahegelegt, doch ihre
Konzertkarriere besser an den Nagel zu hängen und in einer Stadt sesshaft zu
werden. Beide Freunde sind also verschnupft. Doch in diesem Sommer verfliegen
die dunklen Wolken wieder…
Musik 1
Johannes Brahms
Ungarischer Tanz Nr. 3 F-dur
Gewandhausorchester
Riccardo Chailly
CD 3 Track 26
2.09‘‘
Absage
Nach zwei Jahren Abstinenz kommt Brahms im Mai 1869 wieder nach BadenBaden. Die Irritation mit seinem Freund Hermann Levi ist beseitigt, ja Levi
engagiert sich künstlerisch für ein Schlüsselwerk von Brahms: er arbeitet in diesen
Wochen unter Hochdruck an den Vorbereitungen zur Aufführung des Deutschen
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Requiems in Karlsruhe. Mit diesem Werk war Brahms zuvor - neben den
ungarischen Tänzen - der Durchbruch zum international anerkannten
Komponisten gelungen. Anders als die populären „Ungarischen“ ist das Requiem
ein großes chorsinfonisches Werk, das von den letzten Dingen handelt, die jeden
Menschen bewegen: Tod, Trauer und Trost. Es ist das erste wirklich
großdimensionierte Werk des 35-jährigen. Nach den erfolgreichen Aufführungen
in Bremen und Leipzig sollte Brahms, der sich gern als Dirigent für seine eigenen
Werke eingesetzt hat, auch eine Aufführung in Karlsruhe leiten: nach langen und
komplizierten Terminverhandlungen am 12. Mai. Das Konzert des
philharmonischen Vereins findet im großen Museums-Saal in Karlsruhe statt und
Hermann Levi hat den Chor und das Orchester für seinen Freund Brahms exzellent
vorbereitet. Natürlich ist auch Clara Schumann zu dieser Aufführung aus BadenBaden herübergekommen - und in ihrem Tagebuch hat sie folgendes notiert: „Wir
fuhren alle zur Requiemsaufführung nach Carlsruhe. Johannes dirigierte selbst
sehr schön. Levi hatte das Werk auch mit aller Liebe und Sorgfalt einstudiert.“
Musik 2
SWR
5‘52
Johannes Brahms
Wie lieblich sind deine Wohnungen, aus:
Ein deutsches Requiem, op. 45
NDR Chor
Chor SWR Vokalensemble Stuttgart
Orchester Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR / Roger Norrington
M0386579 004, hänssler classic (live Aufnahme 2014 Stuttgarter Liederhalle)
Aus dem deutschen Requiem, das Johannes Brahms am 12. Mai 1869 in Karlsruhe
dirigiert hat. Sein Freund Hermann Levi hat die Aufführung vorbereitet, Levi, den
Brahms schon zuvor kennen und schätzen gelernt hatte. Während der
Konzertsaison gibt das Karlsruher Hoftheater regelmäßig am Mittwoch Gastspiele
in Baden-Baden. Wenn Brahms in Baden-Baden ist, verpasst er kaum eine dieser
Opernaufführungen. Und so entwickelt sich mit dem Karlsruher Kapellmeister Levi
mit den Jahren eine intensive Freundschaft. Nach den Aufführungen in BadenBaden ist Levi häufig noch am selben Abend wieder nach Karlsruhe
aufgebrochen, der Fußweg hinaus an den Bahnhof Oos dauert etwa knapp eine
Stunde. Brahms hat seinen Freund auf diesem Weg gelegentlich begleitet. Und
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Levi berichtet uns sehr anschaulich, wie Brahms damals an einem Abend in seiner
typischen Art, vom „Sie“ auf das „Du“ übergegangen sei: „Einmal - so Levi einmal trug Brahms auf dem Weg zum Bahnhof ein Paket unterm Arm; ich
wunderte mich darüber, da er es doch auch wieder zurücktragen müsse, aber
Brahms wollte keine Auskunft geben, noch gestattete er mir, das Paket zu tragen.
Als der Zug sich in Bewegung setzte, warf er mir das Paket in den Wagen; es
enthielt seine drei ersten Klaviersonaten und auf dem Titelblatt der ersten die
handschriftliche Widmung: ‚In herzlicher Freundschaft D e i n Johannes‘:
Musik 3
SWR
Johannes Brahms
Klaviersonate op. 1 , daraus: Scherzo
Gerhard Oppitz, Klavier
BMG RD 69246 LC 0202
1921773 003
Track 3
6.26‘‘
Aus der Klaviersonate Nr. 1 von Johannes Brahms, der ein Exemplar dieser Sonate
seinem Karlsruher Freund Hermann Levi gewidmet hat - handschriftlich. Später,
erst sehr viel später swird es zum Bruch dieser Freundschaft kommen: die Wege
trennen sich, mit Mißverständnissen, Verletzungen, die nicht nur daran liegen,
dass Levi sich zum Wagnerianer entwickelt.
In unserem Jahr 1869 ist die Freundschaft aber noch in bester Ordnung. Nach der
erfolgreichen Karlsruher Aufführung seines Requiems kommt Brahms nach Baden
Baden. Er logiert wieder in seiner alten Sommerwohnung bei Frau Becker in
Lichtental. Dort allerdings hat er bei der Ankunft eine kleine Überraschung zu
verkraften: Frau Becker hatte inzwischen das Klavier verkauft. Für Brahms natürlich
eine mittlere Katastrophe und so bittet er Hermann Levi, ihm doch in Karlsruhe ein
Pianino zu besorgen, ein kleines Klavier - wenigstens als Provisorium. Doch das
Ganze geht Brahms nicht schnell genug und so mahnt er Levi in einem Brief
doch, seiner Bitte bald nachzukommen: „Was man nicht hat, deß begehrt man“ so heißt es in dem Brief. „Das Clavier läßt sich nicht sehen - dagegen regnet’s so
continuirlich, daß man’s doppelt entbehrt. Hast Du etwa meinen Brief nicht
bekommen? Der Lichtenthaler Kloster-Briefkasten soll unzuverlässig sein. Die
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Nonnen sind vielleicht neugieriger als die Briefträger fleißig. Jedenfalls schreibe
ich nochmals, daß ich Dich bitte mir recht gleich ein aufrechtstehendes Piano zu
bestellen. Wenn sie passabel sind - von der billigen Sorte. Lichtenthal 145.“
Wann das kleine Klavier eingetroffen und mühsam die Stiegen hinauf in die
Mansardenzimmer transportiert worden ist, wissen wir nicht. Brahms jedenfalls hat
es in seiner „Komponistenhöhle“ zur Arbeit benötigt, zumal das Wetter in diesem
Frühjahr wochenlang schlecht ist und so gar nicht zu Ablenkungen einläd: Noch
am 24. Juni klagt Brahms in einem Brief, das Wetter sei „grausam schlecht und
mache so gar keine Anstalten, mehr als ein grün bepinselter Winter zu sein.“ Da
vergräbt Brahms sich eben im Studierzimmer und korrigiert: zunächst das
Deutsche Requiem, ja er würde, wie er dem Verleger verrät, in dem Werk gern
mit dem Rotstift wüten - doch wir dürfen heute froh sein, dass die Partitur damals
nicht mehr in Baden-Baden ist und Streichungen so unterbleiben. So hat Brahms
Zeit für anderes:
In diesen Maitagen entstehen die beiden letzten Nummern der MageloneRomanzen, also auch das Schlusslied: „Treue Liebe dauert lange“
Musik 4 SWR
Track 30
Johannes Brahms
Treue Liebe dauert lange, op. 33 Nr. 15
Christoph Prégardien, Tenor
Andreas Staier, Klavier
Teldec 857380915 2
1994406 030
4.48‘‘
Absage
Treue Liebe dauert lange: Diese Musik mag ein Hinweis darauf sein, dass dieser
Frühling 1869 für Brahms nur äußerlich verregnet ist: innerlich ist es ein
Liebesfrühling, wenngleich Brahms nur heimlich schwärmt: Julie Schumann, die
zartbesaitete Tochter von Clara Schumann, hat es ihm angetan, Julchen, wie die
dritte Tochter von Clara auch gern genannt wird. Julchen ist ein Sorgenkind der
Familie, gesundheitlich anfällig und doch eine Persönlichkeit von großer
Ausstrahlung. Sie sei eine der „reizendsten Blondinen“, die ich je gesehen habe,
meint die Sängerin Aglaja Orgeni, die zu den Besuchern des Hauses an der Oos
gehört: „Die Augen von Julie seien so blau, so schwärmerisch“, sie gäben dem
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Gesicht ein „ganz eigenes Zauberlicht“. Julchen sei, so fährt die Sängerin in ihrem
Bericht fort, Julchen sei alles in allem eine „reizende Erscheinung, doch liege wie
ein Schleier über ihr etwas Krankhaftes, auf den ersten Blick vielleicht vom Vater
Schwermut des Gemüts.“
Diese schwermütige Blondine also hat es Brahms angetan. Doch der
Norddeutsche ist kein Mann wortreichen Erklärungen, seine Musik verrät da viel
mehr: Brahms komponiert in diesen Wochen die erste Serie der LiebesliederWalzer, ganz nach seinem Motto: „In meinen Tönen spreche ich“.
Musik 5
Track 1-3
Johannes Brahms
Liebeslieder Walzer op. 52, Nr. 1-3
Edith Mathis, Sopran; Brigitte Fassbaender, Alt
Peter Schreier, Tenor; Dietrich Fischer Dieskau, Bariton
Karl Engel, Wolfgang Sawallisch, Klavier
DG 423 133-2 LC 0173
M0021425 W01 / 001-003
3.20‘‘
Absage
Brahms, der Komponist der Liebeslieder, schwärmt also in diesem Sommer 1869
für Julie Schumann. Dann aber erhält er von Clara Schumann eine bittere
Nachricht: Julie hat sich verlobt, mit dem italienischen Grafen Marmorito aus
Turin, genauer: mit Victor Amadeus Heinrich Ferdinand Maria von Radicati di
Marmorito. Diese Nachricht hat Brahms wie ein Schlag getroffen. Auch Clara
Schumann ist die Verstimmung ihres Freundes nicht verborgen geblieben:
„Johannes war von dem Augenblick an, wo ich ihm Mittheilung von Juliens
Verlobung machte, wie umgewandelt, er kommt selten und ist einsilbig; auch
gegen Julie, gegen die er vorher so liebenswürdig war. Hat er sie wirklich lieb
gehabt? Doch er dachte ja nie ans Heirathen und Julie hatte nie Neigung für
ihn“ so Clara Schumann. Von Hermann Levi dann aber hat sie erfahren, dass
Brahms „Julie ganz schwärmerisch lieb habe“.
Auch in seinem Schmerz reagiert Brahms nun in Tönen. Wieder erfahren wir dies
von Clara: „Johannes brachte mir vor einigen Tagen ein wundervolles Stück,
Worte von Goethe aus der Harzreise […]. Er nannte es seinen Brautgesang. Es
erschütterte mich durch den tiefsinnigen Schmerz in Worte und Musik […]. Ich
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kann dies Stück nicht anders empfinden als wie die Aussprache seines eigenen
Seelenschmerzes“.
Die Alt-Rhapsodie also hat Brahms damals beendet, eine Musik, die mit den
Goethe-Worten beginnt: „Aber abseits wer ist’s“. Einen Abseiter, so hat Brahms
sich damals selbst gern genannt, einen einsamen Menschen also, ein Thema,
das Brahms in seiner Vertonung von Goethes Harzreise noch zugespitzt hat: seine
Auswahl der drei Strophen konzentriert sich ganz auf den unglücklichen
Menschenfeind und dessen Seelenschmerz. „Aber abseits wer ists?“ Auf diese
Frage gibt’s also nur eine Antwort: Brahms selbst. Brahms, der unglücklich
Verliebte.
Einen gewissen Trost gibt es in dieser Alt-Rhapsodie aber durchaus, in der dritten
Strophe im kollektiven Gebet des Männerchors: „Ist auf deinem Psalter, Vater der
Liebe, ein Ton seinem Ohre vernehmlich, so erquicke sein Herz!“ - Und hier
wendet sich die Rhapsodie von Moll nach Dur, im Sinne eines inneren Friedens,
sicher der berührendste Moment in dieser Musik:
Musik 6
Track 2
11.34‘‘
Johannes Brahms
Alt-Rhapsodie op. 54
Ann Hallenberg, Mezzosopran
Collegium Vocale Gent, Orchestre des Champs-Elysées
Ltg. Philippe Herreweghe, Outhere phi 003 LC 9999
M0317431 002
Absage
Brahms selbst hat diese Alt-Rhapsodie in engen Zusammenhang gebracht mit
der für ihn so überraschenden Verlobung von Julie Schumann mit dem
italienischen Grafen Marmorito. In einem Brief aus Baden-Baden schreibt er an
seinen Verleger Fritz Simrock: „Hier habe ich ein Brautlied geschrieben für die
Schumannsche Gräfin – aber mit Ingrimm schreibe ich derlei – mit Zorn! Wie soll’s
da werden!“
Die Hochzeit der 24-jährigen Schumann-Tochter mit dem italienischen Grafen
findet im September in Baden-Baden statt. Geplant war sie für Anfang
September, wobei Clara sich ein schönes Fest für Ihre Tochter ausgemalt hat: mit
Champagner und allem was dazu gehört. Bei Hermann Levi fragte sie an, ob er
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am Polterabend nicht den „Vater Haydn“ geben wolle, Brahms habe dazu keine
Lust und sei ganz ohne Humor. Auch die Liebeslieder-Walzer sollten aufgeführt
werden, die Sänger waren bereits engagiert. Doch dann muss die Hochzeit
verschoben werden, da der Großvater des Grafen in Italien stirbt. Wegen des
Trauerfalls bittet Graf Marmorito nur um eine ganz stille Hochzeit. Der
Champagner wird abbestellt, stattdessen wird nur im kleinen Familienkreis
gefeiert. Die eigentliche Trauung findet in der katholischen St. Bonifatiuskirche in
Lichtental statt, Brahms ist einer der Trauzeugen. Seinen Namen nuschelt er aber
so undeutlich, dass er im Kirchenbuch als „Komponist Schrams“ verewigt ist. Der
Hochzeits-Abend wird dann aber doch noch ganz heiter, wie Clara im Tagebuch
vermerkt. „Die Kinder-Symphonie von Haydn machten wir! Ich spielte mit
Johannes einige ungarische Tänze und dann Straußsche Walzer bei
Ananasbowle“
Musik 7
Johannes Strauss
Frühlingsstimmen-Walzer op. 410
Klavier vierhändig
Duo Crommelynck
M0024004001
5.40‘‘
Absage
Einige solcher Strauss-Walzer also haben Johannes Brahms und Clara Schumann
gemeinsam gespielt am Baden-Badener Hochzeitsabend von Julie Schumann
und dem italienischen Grafen Marmorito. Brahms hatte sich zudem im Vorfeld
dieser Hochzeit mit seinen Karlsruher Freunden Julius Allgeyer und Hermann Levi
zusammengetan, um Julie mit einem kostbaren Hochzeitsgeschenk zu
überraschen. Wir sehen das auf einem eindrucksvollen Foto festgehalten: Brahms,
Levi und Allgeyer sind um einen Tisch herum postiert. Allgeyer deutet im Stehen
auf eine fein gearbeitete Schale, die Levi mit einiger Bewunderung betrachtet,
während Brahms die Hände in die Seiten gestemmt eher ernst und etwas
verdrossen auf diese Schale zu schauen scheint. Wer mag es ihm verdenken bei
diesem Hochzeitsgeschenk an Julie, in die er selbst ernsthaft verliebt gewesen ist.
Brahms dürfte sich damals allmählich damit abgefunden haben, Junggeselle zu
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bleiben. Einige Jahre später hat er das offen ausgesprochen: „Heiraten will ich
nicht mehr und - habe doch einigen Grund, mich vor dem schönen Geschlecht
zu fürchten“. Einige Exemplare des schönen Geschlechts haben sich denn auch
in seinem Nachlass erhalten: in Form von Fotografien. Neben Julie Schumann gibt
es da etwa auch ein Foto von Luise Dustmann, die Brahms vertrauliche Briefe
geschrieben hat mit Anreden wie: „Mein lieber Freund Hansi“; die Sängerin bittet
ihren Hansi denn auch gleich in ihre Garderobe und unterschreibt recht forsch
mit: „Dein Fidelio“. Diese Sängerin Luise Dustmann ist also später in Wien so eine
Art Affaire von Brahms. Zu den Frauenportraits im Brahms-Nachlass gehört auch
die laszive, schulterfreie Rückenansicht einer Dame, die auf der Rückseite ihrer
Fotografie auch gleich noch eine originelle Botschaft an Brahms übermittelt: „Ist
das Original noch nicht vergessen – so schreibt sie – Ist das Original der
Fotographie noch nicht vergessen und wollen Sie eine alte Bekanntschaft
erneuern, so finden sie es Wien, Wanggasse 13, Erste Etage, Thüre 4.“
Ob Brahms dieses eindeutig zweideutige Angebot angenommen hat, wissen wir
nicht. So ernst jedenfalls wie im Sommer 1869 mit Julie Schumann ist es dem
Komponisten später wohl nie wieder gewesen. Und noch etwas gibt es
nachzutragen: Julie Schumann stirbt bereits drei Jahre nach ihrer Hochzeit bei
der Geburt ihres dritten Kindes in Paris: in ihrem 27. Lebensjahr, in Paris ist sie auch
begraben, auf dem Friedhof Père Lachaise.
Das war die SWR 2 Musikstunde, vielen Dank fürs Zuhören sagt: Wolfgang
Sandberger - natürlich mit Johannes Brahms, auf dessen Spuren wir auch morgen
wieder in Baden-Baden wandeln: Hier der ungarische Tanz Nr. 6, Musik, die in
diesem Baden-Badener Sommer 1869 noch brandneu gewesen ist und mit der
Brahms Furore gemacht hat, nicht nur am Hochzeitsabend der von Julie
Schumann…
Musik 8
Track 6
Johannes Brahms
Ungarischer Tanz Nr. 6 Des-dur
Klavier vierhändig
Yara Tal & Andreas Groethuysen, Klavier
Sony SK 53285 LC 6868
M0012745 006
3.19‘‘