Bewegungsaufgaben im Horizont von Lernenden Eine rekonstruktive Studie zu den bewegungsbezogenen Auseinandersetzungen von Schülerinnen & Schülern im Sportunterricht Meike Hartmann, Fachbereich 21 Bildungstheoretische wie kompetenztheoretische Überlegungen verweisen im Kontext von Vermittlungsprozessen auf ein reziprokes Verhältnis zwischen Subjekt und domänenspezifischem Gegenstand (vgl. Gruschka 2011, Reusser 2001). Dieses Verhältnis wurde in der sportdidaktischen Forschung bisher theoretisch kaum (vgl. Laging 2006) und empirisch nicht untersucht. Die Schwierigkeit besteht darin, dass eine Klärung des domänenspezifischen Gegenstands im Fach Sport auf der leiblichen Ebene vollzogen wird und viele der damit verbundenen Auseinandersetzungen implizit verlaufen. Diesen impliziten Prozessen soll mit dem Dissertationsprojekt auf die Spur gekommen werden. 1 Ausgangsfrage Wie setzen sich die Schülerinnen & Schüler mit dem bewegungsbezogenen Gegenstand des Sportunterrichts auseinander? Das in Abbildung 1 gefasste theoretische Vorverständnis baut auf drei Prämissen auf: Aus erkenntnistheoretischer Sicht wird von einem relationalen Menschenbild ausgegangen, d.h. der Mensch wird stets in einem Bezugsverhältnis zu der ihn umgebenden Welt betrachtet (Tamboer 2005). Aus dem relationalen Menschenbild folgt für die bewegungstheoretische Betrachtung, dass für den Mensch im Sich-Bewegen motorische Bedeutungen entstehen (Tamboer 2005). In einer lerntheoretischer Perspektive werden bewegungsbezogene Auseinandersetzungen als Erfahrungsauf- und umschichtungen verstanden. Erfahrungen werden durch (Mit-)Erleben einverleibt, situationsspezifisch erinnert und in neuen Kontexten leiblich reflektiert (vgl. Meyer-Drawe 2008). Theoretisches Vorverständnis 2 Abb. 1 3 Methodische Frage Methodisches Vorgehen 4 Wie lassen sich die im Sich-Bewegen impliziten Prozesse sowie die sie implizit rahmenden biografischen & soziokulturellen Aspekte rekonstruieren? Dokumentarische Methode Abbildung 2 beschreibt knapp, auf welcher methodologischen Grundlage und mit welchem methodischen Vorgehen die Dokumentarische Methode arbeitet. Wesentlich für das Dissertationsprojekt ist, dass mit Hilfe der Dokumentarischen Methode implizite Regelhaftigkeiten bei der Herstellung von Bewegungshandlungen rekonstruiert werden können. So sollen die Orientierungen, die die jeweilige Bewegungserfahrungen einzelner Schülerinnen und Schüler strukturieren, aufgedeckt werden (vgl. Nohl 2009). 5 Methodisches Vorgehen Methodologische Annahmen Sinngehalt Menschen wissen mehr, als sie bewusst explizieren können. Sie besitzen einen praktischen Sinn. Immanenter Sinngehalt Der praktische Sinn ist milieuspezifisch, sprich abhängig von einer soziokulturellen Rahmung. Empirische Erfassbarkeit Interpretationsschritte Intentionaler Ausdruckssinn nicht erfassbar -/- Objektiver Sinn thematisch zu identifizieren formulierende Interpretation anhand des Herstellungsprozesses zu rekonstruieren reflektierende Interpretation Dokumentarischer Sinngehalt Nohl (2009) Rekonstruktion praktischer Erfahrungen & der dahinterliegenden Orientierungen, die die Herstellung einer Handlung strukturieren Sample & Erhebungsmethoden Abb. 2 8 SchülerInnen eines Gymnasiums werden in 3 Doppelstunden zum Thema „Springen mit dem Minitramp“ videografiert & jeweils danach episodisch interviewt. 6 In Abbildung 3 wird die Analysestrategie verdeutlicht. In einem Fall (z.B. A) werden durch einen Vergleich der Handlungssequenzen die impliziten Regelhaftigkeiten der Handlungen heraus-gearbeitet. Danach werden die Ergebnisse aus der ersten Datenart (Video) mit den Ergebnissen der 2. und 3. Datenart in Beziehung gesetzt, um so das empirische Material abzusichern bzw. zu ergänzen. Analysestrategie Implizite Regelhaftigkeit A 1 Video 2 1. Handlung 2. Handlung Videoton 1. Absicherung & Ergänzung des Orientierungsrahmen Interview 2. Absicherung & Ergänzung des Orientierungsrahmen 3 Abb. 3 Philipps-Universität Marburg Qualitätsoffensive Lehrerbildung – ProPraxis Wissenschaftliche Mitarbeiterin, FB 21 [email protected] 06421-28-23932 ProPraxis wird im Rahmen der gemeinsamen „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ von Bund und Ländern aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert. B C D 3. Handlung Literatur Gruschka, A. (2011). Verstehen lehren. Ein Plädoyer für guten Unterricht. Stuttgart: Reclam. // Meyer-Drawe, K. (2008). Diskurse des Lernens. Paderbonr: Fink. // Laging, R. (2006). Methodisches Handeln im Sportunterricht: Grundzüge einer bewegungspädagogischen Unterrichtslehre. Seelze: Kallmeyer. // Nohl. A.-M. (2009). Interview und Dokumentarische Methode. Anleitung für die Forschungspraxis. 3. Aufl., Wiesbaden: VS. // Reusser, K. (2001). Unterricht zwischen Wissensvermittlung und Lernen lernen. Alte Sackgassen und neue Wege in der Bearbeitung eines pädagogischen Jahrhundertproblems. In C. Finkbeiner & W. Schnaitmann (Hrsg.), Lehren und Lernen im Kontext empirischer Forschung und Fachdidaktik. Donauwörth: Auer, S. 106-140. // Tamboer, J.W.I. (2005). Die menschliche Bewegung in der Bewegungsforschung – Über den Zusammenhang von Menschenbild, Bewegungsauffassung und Untersuchungsmethode. In R. Laging & R. Prohl (Hrsg.), Bewegungskompetenz als Bildungsdimension. Hamburg: Czwalina, S. 81-95.. A
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