Examinatorium Zivilrecht – Immobiliarsachenrecht Wintersemester 2015/2016 Fall 7: Gründerzeit Benedikt Goslich, LL.M. (Harvard) Benedikt Goslich, LL.M. (Harvard) 17./18.02.2016 www.examinatorium.jura.lmu.de #1 Sachverhalt H B-Bank E A § 929 Benedikt Goslich, LL.M. (Harvard) 17./18.02.2016 I-Bank #2 Falllösung A. Zulässigkeit eines gerichtlichen Verfahrens I. Statthafter Rechtsbehelf • Vollstreckungserinnerung, § 766 ZPO // sofortige Beschwerde, § 793 ZPO: - Statthaft bei formellem Fehler des Vollstreckungsverfahrens - Hier: (-) • Vollstreckungsgegenklage, § 767 ZPO: - Statthaft bei materieller Einwendung gegen titulierten Anspruch - Hier: (-) • Klage auf vorzugsweise Befriedigung, § 805 ZPO : - Gewährt nur besseren Anspruch an Verwertungserlös, verhindert Verwertung aber nicht - Statthaft bei vorrangigem besitzlosen Pfand- und Vorzugsrecht (typisch: Vermieterpfandrecht) - Hier: Sicherungseigentum: (-) • Drittwiderspruchsklage, § 771 ZPO (+) - Statthaft bei Drittrecht an Sache, in die vollstreckt wird - Hier: (-) A. Zulässigkeit I. Statthafter Rechtsbehelf Falllösung II. Zuständigkeit • Sachlich: § 1 ZPO, §§ 71 I, 23 GVG - Wert der gesicherten Forderung §§ 6, 5 S. 1 ZPO • Örtlich: § 771 I ZPO (Ausschließlich, § 802 ZPO) III. Rechtsschutzbedürfnis (+) • Vollstreckungsverfahren bereits begonnen IV. Ergebnis • Zulässigkeit (+) B. Verfahrensverbindungsvoraussetzungen, § 260 ZPO • Hier: Antragsmehrheit, damit mehrere Streitgegenstände • Verfahrensverbindung möglich, wenn - Gleiches Gericht sachlich und örtlich zuständig (+) - Identische Parteien (+) - Selbe Prozessart (+) • Hier (+) A. Zulässigkeit B. Verfahrensverbindungsvoraussetzungen Falllösung C. Begründetheit hinsichtlich der Büroeinrichtung I. Bestand eines „die Veräußerung hindernden Rechts“ 1. Hier: Sicherungseigentum • (+) wenn der Schuldner, veräußerte er den Gegenstand selbst, widerrechtlich in den Rechtskreis des Dritten eingreifen würde • (P): Sicherungseigentum als ein die Veräußerung hinderndes Recht? - Dagegen: Ø Sicherungseigentum führt bei Insolvenz nur zur Absonderung nach §§ 50, 51 InsO Ø Sicherungseigentum lediglich Ersatz für Pfandrecht - Dafür (h.M.): Ø Juristisch vollwertiges Eigentum Ø Interesse des Sicherungsnehmers an freihändigem Verkauf Ø In Einzelzwangsvollstreckung andere Interessen als in Insolvenz (Fortführung vs. Stilllegung des Betriebs) Benedikt Goslich, LL.M. (Harvard) 17./18.02.2016 #5 A. Zulässigkeit Falllösung B. Verfahrensverbindungsvoraussetzungen C. Begründetheit (Einrichtung) I. Bestand eines „die Veräußerung hindernden Rechts“ 1. Sicherungseigentum 2. Erwerb von Sicherungseigentum durch I-Bank • Erwerb durch Übertragung des Eigentums (-) mangels Verfügungsbefugnis (dinglicher Eigentumsvorbehalt) • Aber denkbar Erwerb durch Erwerb eines Anwartschaftsrechts und Erstarken dieses Rechts zum Vollrecht a) Erwerb eines Anwartschaftsrechts durch I • Hier: Zweiterwerb; stets analog zu den Regeln des Vollrechts („wesensgleiches minus“) à §§ 929 ff. BGB analog 2. Besitzmittlung aa) Einigung • Jedenfalls auch Anwartschaftsrecht erfasst („seine Rechte“) 929, 930 929, 158 H E I bb) Übergabe • Besitzkonstitut, §§ 930, 868 BGB 1. Besitzmittlung • Hier: sog. Besitzstufung (E mittelt für I, diese mittelt für H) cc) Verfügungsberechtigung • Wenn E Inhaber des Anwartschaftsrechts war (Ersterwerb) • Bedingte Einigung, Übergabe, Verfügungsbefugnis b) Erstarken des Anwartschaftsrechts zum Vollrecht (+) Benedikt Goslich, LL.M. (Harvard) 17./18.02.2016 #6 A. Zulässigkeit B. Verfahrensverbindungsvoraussetzungen C. Begründetheit (Einrichtung) I. Bestand eines „die Veräußerung hindernden Rechts“ Falllösung II. Keine Pflicht zur Duldung der Zwangsvollstreckung Vier Fallgruppen: - Einrede der Anfechtbarkeit - Dritte haftet selbst schuldrechtlich - Vermögensgegenstand gehört wirtschaftlich betrachtet zum Vermögen des Schuldners - Vorrangiges dingliches Verwertungsrecht • Hier: Vorrangiges dingliches Verwertungsrecht, wenn die Büroeinrichtung zugunsten der B mitverpfändet ist gem. §§ 1192 I, 1120 BGB 1. Wirksame Bestellung der Grundschuld (+) 2. Mithaftung als wesentlicher Bestandteil, § 94 BGB (-) • Einrichtung als unmittelbarer Bestandteil des Grundstücks (§ 94 I) (-) • Einrichtung als unmittelbarer Bestandteil des Gebäudes (§ 94 II) (-) Benedikt Goslich, LL.M. (Harvard) 17./18.02.2016 #7 A. Zulässigkeit B. Verfahrensverbindungsvoraussetzungen C. Begründetheit (Einrichtung) I. Bestand eines „die Veräußerung hindernden Rechts“ II. Keine Duldungspflicht 1. Bestellung der Grundschuld 2. Haftung als wesentlicher Bestandteil Falllösung 3. Mithaftung gemäß §§ 1120, 1192 I BGB a) Büroeinrichtung = Zubehör, §§ 97, 98 Nr. 1 (+) b) Eigentum des Grundstückseigentümers (vgl. § 1120 letzter Hs.) aa) Direkterwerb • Erstarken des Anwartschaftsrechts in Person der I führt zum Direkterwerb des Eigentums bei I • Damit wird E nicht einmal für eine logische Sekunde Eigentümer bb) Aber: Entsprechende Anwendung §§ 1120, 1192 I auf Anwartschaftsrecht des E • Anwartschaftsrecht = wesensgleiches Minus • Direkterwerb dient lediglich Verkehrsfähigkeit und soll nicht zulasten Dritter (hier der B) gehen cc) Dingliche Surrogation nach § 1287 S.1 BGB • Nach Bedingungseintritt setzt sich Pfandrecht am Anwartschaftsrecht in einem Pfandrecht am Vollrecht fort Benedikt Goslich, LL.M. (Harvard) 17./18.02.2016 #8 A. Zulässigkeit B. Verfahrensverbindungsvoraussetzungen C. Begründetheit (Einrichtung) I. Bestand eines „die Veräußerung hindernden Rechts“ II. Keine Duldungspflicht 1. Bestellung der Grundschuld 2. Haftung als wesentlicher Bestandteil 3. Haftung nach §§ 1120, 1192 I BGB Falllösung 4. Enthaftung a) § 936 BGB • (-), § 936 BGB nicht anwendbar wegen § 1121 II 1 BGB b) § 1121 I BGB? • (-), mangels Entfernung c) § 1122 II BGB? • Aufhebung der Zubehöreigenschaft im Rahmen der „ordnungsgemäße Wirtschaft“ • Hier: (-), Betriebsstilllegung ist nicht mehr ordnungsgemäße Wirtschaft à Drittwiderspruchsklage gegen Zwangsvollstreckung in die Büroeinrichtung unbegründet, da - zwar I Sicherungseigentümerin geworden ist - aber aufgrund des bestehenden Pfandrechts der vollstreckenden B die Zwangsvollstreckung dulden muss Benedikt Goslich, LL.M. (Harvard) 17./18.02.2016 #9 Sachverhalt H B-Bank E A § 929 Benedikt Goslich, LL.M. (Harvard) 17./18.02.2016 I-Bank # 10 A. Zulässigkeit B. Verfahrensverbindungsvoraussetzungen Falllösung C. Begründetheit (Einrichtung) D. Begründetheit hinsichtlich des Lieferwagens I. Ein die Veräußerung hinderndes Recht: Sicherungseigentum der I • Hier: Erwerb direkt von A! 1. Einigung 2. Übergabe oder Surrogat? • (P): Übergabe, wenn mittelbarer Besitzer verfügt a) Abtretung des Herausgabeanspruches, § 931 BGB • (-), da die I-Bank ein neues Beitzmittlungsverhältnis begründen wollte b) Übergabe i.S.v. § 929 S.1 BGB • Definition „Übergabe“ - Vollständiger Besitzverlust beim Veräußerer (+) - Besitzerwerb beim Erwerber (+) - Auf Veranlassung des Veräußerers (+) • Kein Wechsel des unmittelbaren Besitzes erforderlich Benedikt Goslich, LL.M. (Harvard) 17./18.02.2016 # 11 A. Zulässigkeit B. Verfahrensverbindungsvoraussetzungen Falllösung C. Begründetheit (Einrichtung) D. Begründetheit (Lieferwagen) I. Eigentumserwerb 1. Einigung 2. Übergabe/-surrogat 3. Verfügungsbefugnis • Verfügungsberechtigt: Der in seiner Rechtsmacht nicht beschränkte Rechtsinhaber oder wer durch Rechtsgeschäft oder Gesetz zur Verfügung über das fremde Recht befugt ist • Hier: a) A zwar Rechtsinhaber b) Aber könnte verfügungsbeschränkt sein gem. § 161 I 1 BGB • Ursprünglich bestand aufschiebend bedingte Übereignung • Aber diese wurde nachträglich aufgehoben; damit § 161 I 1 (-) • Zwar fraglich, ob Aufhebung wirksam war (s.u.); aber dann wäre wie folgt umzudeuten: - Eigentumsübertragung A-I à Anwartschaftsrechtsübertragung A-I - Aufhebung der bedingten Einigung E-A à Zustimmung des E zur Verfügung des A über das Anwartschaftsrecht à I wird in jedem Fall Sicherungseigentümerin des Lieferwagens Benedikt Goslich, LL.M. (Harvard) 17./18.02.2016 # 12 A. Zulässigkeit B. Verfahrensverbindungsvoraussetzungen Falllösung C. Begründetheit (Einrichtung) D. Begründetheit (Lieferwagen) I. Eigentumserwerb II. Keine Pflicht zur Duldung der Zwangsvollstreckung • Hier wiederum: Wenn B vorrangiges Verwertungsrecht an Lieferwagen aufgrund grundpfandrechtlicher Mithaftung hat 1. Zubehör, §§ 97, 98 Nr. 1 BGB? • Wenn dem wirtschaftlichen Zweck der Hauptsache (Grundstück) zu dienen bestimmt. • Fahrzeuge sind Zubehör, wenn der wirtschaftliche Schwerpunkt des Unternehmens auf dem Grundstück liegt 2. Grundpfandhaftung der Anwartschaft • Zwar stand Lieferwagen nie in Eigentum des Grundschuldschuldners E (Direkterwerb bei I) • Aber Anwartschaftsrecht könnte in Haftungsverband gefallen sein mit der Folge, dass nach Zahlung auch Vollrecht für Grundschuld mithaftet (§ 1287 S.1 analog) Benedikt Goslich, LL.M. (Harvard) 17./18.02.2016 # 13 A. Zulässigkeit B. Verfahrensverbindungsvoraussetzungen C. Begründetheit (Einrichtung) D. Begründetheit (Lieferwagen) I. Eigentumserwerb II. Keine Pflicht zur Duldung der ZVS 1. Zubehör 2. Grundpfandhaftung der AWS Falllösung 3. Enthaftung durch Aufhebung der Anwartschaft? • Denkbar: Aufhebung der Anwartschaft beseitigt grundpfandrechtliches Pfandrecht • (P): Aufhebung § 1276 I 1 BGB analog unwirksam? a) BGH (-) • Bei Sachpfand: bei Zerstörung der Sache nur SchadensersatzAnsprüche für Sach-Pfandgläubiger. • Pfandrecht an Anwartschaftsrecht kann nicht stärker geschützt werden als Pfandrecht an Sache • § 1120 ff. BGB bieten ohnehin nur schwachen Schutz b) Lit. (+): Doppelte Analogie • Analogie 1: Anwartschaftsrecht = Recht i.S.v. § 1276 - Anwartschaft zwar i.d.R. wie Sache selbst zu behandeln, aber Anwendung einzelner Vorschriften über Recht nicht ausgeschlossen - Anwartschaftsrecht hinsichtlich Aufhebung genauso verletzlich wie sonstige Rechte (z.B. Forderungen) • Analogie 2: Grundpfandrecht = Pfandrecht i.S.v. § 1276 - Schutz der §§ 1120 ff. nur an wirtschaftlichen Bedarf angepasst, nicht generell schwächer A. Zulässigkeit B. Verfahrensverbindungsvoraussetzungen Falllösung C. Begründetheit (Einrichtung) D. Begründetheit (Lieferwagen) I. Eigentumserwerb II. Keine Pflicht zur Duldung der ZVS 1. Zubehör 2. Grundpfandhaftung der AWS 3. Enthaftung durch Aufhebung der Anwartschaft 4. Enthaftung gemäß §§ 1121 I, 1122 II BGB (-) • Keine Entfernung des Zubehörstückes oder Aufhebung der Zubehöreigenschaft 5. Enthaftung durch gutgläubigen Erwerb (-) • § 936 BGB wegen § 1121 II 1 BGB nicht anwendbar D. Ergebnis • Zulässigkeit der Drittwiderspruchsklage (+) • Begründetheit der Drittwiderspruchsklage (-) Benedikt Goslich, LL.M. (Harvard) 17./18.02.2016 # 15
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