FG aktuell Neues aus dem Finanzgericht Baden-Württemberg Nr. 1/2016 Sehr geehrte Damen und Herren, mit unserem ersten, zum Ablauf des Monats Februar erscheinenden Newsletter des Jahres 2016 informieren wir Sie in gewohnter Weise über die in den letzten Monaten zur Veröffentlichung gelangten Entscheidungen des Finanzgerichts Baden-Württemberg sowie über die jüngsten personellen Veränderungen und über anstehende Veranstaltungen. Besonders hinweisen möchten wir Sie darauf, dass im Rahmen unserer Vortragsreihe aus Anlass des Jubiläums „50 Jahre Finanzgericht“ am 16. März 2016 in Stuttgart und am 21. April 2016 in Kirchzarten bei Freiburg eine Veranstaltung zum Thema „Krankheit und Pflege – wann zahlt der Fiskus mit?“ stattfinden wird, zu der Sie herzlich eingeladen sind. Nähere Informationen dazu finden Sie am Ende dieses Newsletters. Mit freundlichen Grüßen, Ihre Newsletter-Redaktion. Entscheidungsreporte Anerkennung von Unterhaltsaufwendungen für in Italien lebende Angehörige Der 8. Senat hat mit Urteil vom 21. Juli 2015 – 8 K 3609/13 entschieden, dass durch Übergabe von Bargeld erbrachte Unterhaltszahlungen an in Italien lebende nahe Angehörige als außergewöhnliche Belastungen steuerlich anerkannt werden können, wenn sich die Überbringung durch Vernehmung des Geldboten als Zeugen tatsächlich belegen lässt. Im Streitfall hatte der Kläger geltend gemacht, insgesamt 6.000 € an Unterhalt für seine in Süditalien in einer Sozialwohnung lebenden Eltern aufgebracht zu haben. 200 € waren durch Geldversand an eine italienische Bank transferiert worden, die weiteren Beträge von 1.800 € und 4.000 € hatte der Kläger von seinem Bankkonto abgehoben und – seiner Darstellung nach – einem Bekannten mitgegeben, der als Lebensmittelimporteur tätig war und aus diesem Grunde regelmäßige Reisen nach Süditalien unternahm. Der Vater des Klägers war seit langem arbeitslos, die Mutter verfügte nur über geringe Einkünfte aus einer Teilzeiterwerbstätigkeit als Putzfrau. Ein eigenes Bankkonto hatten die Eltern des Klägers nicht. Das Finanzamt erkannte die Unterhaltsaufwendungen nicht an. Dies sah der 8. Senat, nachdem er den Geldboten als Zeugen vernommen hatte, anders. Die ausführliche Schilderung des Zeugen zu den näheren Umständen der Fahrten nach Italien und der Übergabe der Barbeträge sah das Finanzgericht als glaubhaft und widerspruchsfrei an. Die Eltern des Klägers hätten sich auch in zumutbarem Umfang darum bemüht, ihrer Erwerbsobliegenheit nachzukommen und zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts einen Arbeitsplatz zu finden. 2 Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da das unterlegene Finanzamt Nichtzulassungsbeschwerde zum BFH eingelegt hat (Az. des BFH: VI B 136/15). Keine Umsatzsteuerbefreiung für förmliche Zustellung Mit Urteil vom 17. August 2015 – 9 K 403/12 hat der 9. Senat entschieden, dass die Durchführung von Postzustellungsaufträgen nicht zu den sog. Post-Universaldienstleistungen zählt und damit nicht nach europarechtlichen Vorgaben von der Umsatzsteuer befreit ist. Geklagt hatte der Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Holdingunternehmens, das durch verschiedene Organgesellschaften Postzustellungsaufträge im gesamten Bundesgebiet ausgeführt und sich dafür eines bundesweit strukturierten Zustellnetzes bedient hatte. Das Unternehmen hatte die Durchführung dieser förmlichen Zustellungen – die im Auftrag von Behörden und Gerichten erfolgt waren und zum Nachweis des Zugangs der von ihnen versandten Schriftstücke bestimmt waren – als umsatzsteuerfrei angesehen. Das Finanzamt hatte dies anders gesehen und die Umsatzsteuer im Anschluss an eine Außenprüfung nachgefordert. Der 9. Senat hat sich der Auffassung des Finanzamts angeschlossen. Als nach nationalem deutschen Umsatzsteuerrecht steuerfrei hat er nur die unmittelbar dem Postwesen dienenden Umsätze der Deutschen Post AG angesehen. Die Holding konnte sich nach Ansicht des Senats auch nicht auf vorrangig anzuwendendes Europarecht berufen, weil die von ihr erbrachten förmlichen Zustellungen nicht zu den Post-Universaldienstleistungen zählten. In der Systematik des Postgesetzes werde – so der Senat – nämlich zwischen „Universaldienstleistungen“ einerseits und „Förmlichen Zustellungen nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften“ andererseits unterschieden. Auch europarechtlich werde in der sog. Post-Richtlinie lediglich ein Mindestmaß an Universaldienstleistungen definiert und der Postzustellungsauftrag nicht erwähnt. Von der Universaldienstleistung der Einschreibsendung unterscheide sich der Postzustellungsauftrag in wesentlichen Punkten, da er den Charakter eines Hoheitsakts habe, bei dem die Beförderung nur eines von mehreren Dienstleistungselementen darstelle, und da er gerade nicht der Allgemeinheit, sondern nur – im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege – Behörden und Gerichten zur Verfügung stehe. Gegen das die Klage abweisende Urteil ist Revision eingelegt worden (Az. des BFH: V R 30/15) Weitere Entscheidungen im Überblick Einkommensteuer / Gewinnfeststellung Unterhalten einer Zweigniederlassung und damit einer inländischen Betriebsstätte durch niederländischen Reiseveranstalter (Urteil des 6. Senats vom 11. November 2013 – 6 K 1483/12; bestätigt durch BFH-Beschluss vom 8. Juni 2015 – I B 3/14) Abgrenzung zwischen Rückabwicklung von Anschaffungsgeschäften und Veräußerung im Sinne des § 23 EStG (Urteil des 2. Senats vom 1. Oktober 2014 – 2 K 2084/11; Revision beim BFH anhängig unter IX R 44/14) Gewerblicher Grundstückshandel durch ein einziges Objekt trotz langjähriger Nichtrealisierung der geplanten Bebauung – Zurückweisung des Bauantrags (Urteil des 13. Senats vom 19. Dezember 2014 – 13 K 3148/11; Revision beim BFH anhängig unter X R 6/15) 3 Miteigentumsanteil an einem Grundstück als Betriebsvermögen des Besitzeinzelunternehmens – Wesentliche Betriebsgrundlage (Urteil des 1. Senats vom 10. Dezember 2015 – 1 K 3485/13; Revision beim BFH anhängig unter I R 7/16) Körperschaftsteuer Grenzüberschreitendes Rheinkraftwerk – Aargauer Abkommen – Ermittlung des Einkommensteils, der der deutschen Besteuerung unterliegt – Kein Abzug schweizerischer Spital- und Gemeindesteuern (Urteil des 3. Senats vom 3. Dezember 2015 – 3 K 982/14) Umsatzsteuer Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug (Urteil des 9. Senats vom 17. Oktober 2014 – 9 K 4424/11; Revision beim BFH anhängig unter V R 41/15) Umsatzsteuerlich einheitliche Leistung bei Verlängerung der gesetzlichen Gewährleistungsfrist (Urteil des 1. Senats vom 15. April 2015 – 1 K 1195/13) Erbschaftsteuer Änderbarkeit eines inländischen Erbschaftsteuerbescheids nach § 174 Abs. 1 AO bei Widerstreit mit einem zum selben Vermögensanfall ergangenen schweizerischen Erbschaftsteuerbescheid (Urteil des 11. Senats vom 20. Oktober 2015 – 11 K 3775/12; Revision beim BFH anhängig unter II R 61/15) Zollrecht Anschluss an das EuGH-Urteil vom 4. März 2004 – Rs. C-238/02 und C-246/02, C-238/02,C246/02,- Viluckas und Jonusas – Nicht jeder Beifahrer eines Fahrzeugs, mit dem Waren vorschriftswidrig verbracht werden, ist Schuldner der entstandenen Abgaben (Urteil des 11. Senats vom 21. Juli 2015 – 11 K 1466/13) Zollschuldnerschaft einer juristischen Person im Fall des vorschriftswidrigen Verbringens von Waren (Urteil des 11. Senats vom 21. Juli 2015 – 11 K 1506/13) Entstehung einer Zollschuld einer juristischen Person infolge des vorschriftswidrigen Verbringens einer Ware - Begriff des "Zollschuldners" – Beteiligung am vorschriftswidrigen Verbringen – Zurechnung des Verhaltens eines Mitarbeiters (Urteil des 11. Senats vom 1. Dezember 2015 – 11 K 145/12) Verfahrensrecht / Kostenrecht Einkommensteuerbescheid an „unbekannte Erben“ – Keine Umdeutung der für den Erblasser eingereichten Einkommensteuererklärung in eine Erklärung der unbekannten Erben – Änderung des Klagebegehrens – Nachlasspfleger als gesetzlicher Vertreter der unbekannten Erben (Urteil des 6. Senats vom 16. Oktober 2014 – 6 K 1508/11; bestätigt durch BFH-Beschluss vom 12. Oktober 2015 – VIII B 143/14) Rechtmäßigkeit der Anordnung einer zweiten Außenprüfung (Urteil des 4. Senats vom 9. Dezember 2014 – 4 K 181/13; Revision beim BFH anhängig unter XI R 11/15) 4 Widerstreitende Steuerfestsetzung – Ablaufhemmung – Festsetzungsverjährung (Urteil des 14. Senats vom 24. März 2015 – 14 K 1835/14; Revision beim BFH anhängig unter V R 24/15) Personalien Unsere Kollegin Richterin am Finanzgericht Julia Gehling, bislang tätig im 9. Senat in Stuttgart, ist mit Wirkung vom 1. Januar 2016 als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an den Bundesgerichtshof in Karlsruhe abgeordnet worden. Mit Wirkung zum 1. Februar 2016 ist Philipp Maetz zum Richter auf Probe ernannt und dem 5. Senat in Stuttgart zugewiesen worden. Nach seiner Ausbildung zum Dipl.-Finanzwirt (FH) in der badenwürttembergischen Steuerverwaltung studierte Philipp Maetz Rechtswissenschaften an der RuprechtKarls-Universität Heidelberg. Im Anschluss an das Referendariat war er drei Jahre lang als Rechtsanwalt für eine auf das Steuerrecht spezialisierte Kanzlei in Bonn tätig und legte dort die Steuerberaterprüfung ab. Zuletzt arbeitete er noch kurzzeitig als Rechtsanwalt und Steuerberater für eine Wirtschaftskanzlei in Mannheim. Veranstaltungen „Krankheit und Pflege – wann zahlt der Fiskus mit?“ Zu diesem Thema findet am 16. März 2016 um 17 Uhr ein Vortrag unseres Kollegen Dr. Oliver Geißler im Großen Sitzungssaal (8. Obergeschoss) des Gerichtsgebäudes in der Börsenstraße 6 in Stuttgart statt. Zum gleichen Thema wird die Vortragsveranstaltung zudem am 21. April 2016 um 18 Uhr in der „Talvogtei“, AlbertSchweitzer-Straße 5 in Kirchzarten wiederholt werden. Noch bis zum 10. März 2016 sind im Gerichtsgebäude in Stuttgart, Börsenstraße 6, unter dem Motto „Perspektive der Farbe“ Werke der Künstlergruppe Sillenbuch zu sehen – mit unterschiedlichem „Stil“, nämlich Pinsel, Feder, Papier, Leinwand, Metall, Airbrush, Lithografie, Druck und noch einigem mehr. Die Künstlergruppe Sillenbuch präsentiert sich, wie sie ist – als lockere Gruppe Gleichgesinnter, die eine außerordentliche Bandbreite an künstlerischem Schaffen zu bieten und zu zeigen hat. Ab dem 17. März 2016 zeigen gleichfalls im Gerichtsgebäude in Stuttgart die Maler Anne Münzel – abstrakt – und Winfried Linse – realistisch –, wie sie „Landschaften“ künstlerisch sehen. Zur Vernissage am 17. März 2016 um 18 Uhr sind alle Interessierten herzlich eingeladen. Impressum Herausgeber: Der Präsident des Finanzgerichts Baden-Württemberg Redaktion: RiFG Hans-Ulrich Fissenewert, Börsenstraße 6, 70174 Stuttgart, Tel. 0711/6685-706, Telefax 0711/6685799, E-Mail: [email protected] Web: www.fg-baden-wuerttemberg.de Der Newsletter des Finanzgerichts Baden-Württemberg erscheint in Abständen von etwa zwei bis drei Monaten. Der Bezug ist kostenlos. Sie haben jederzeit die Möglichkeit, den Newsletter über diesen Abmeldelink wieder abzubestellen. Den Volltext der veröffentlichten Entscheidungen des Finanzgerichts Baden-Württemberg und der anderen Gerichte des Landes Baden-Württemberg finden Sie in der Landesrechtsprechungsdatenbank Baden-Württemberg. Volltexte der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs, auf die verwiesen wird, sind in der Rechtsprechungsdatenbank des Bundesfinanzhofs abrufbar. Die Entscheidungen werden nur zur nicht-gewerblichen Nutzung kostenfrei zur Verfügung gestellt (§ 4 Abs. 7 JVKostO). 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