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Volksabstimmung
● Politik mit Tiefgang
28. Februar 2016
Fragen / Aufträge
Vorlage 1: Volksinitiative «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe»
Auftrag 1
Schauen Sie sich den Auszug aus der Medienkonferenz des Bundesrates an, an
welcher Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf die Initiative kurz erklärt und die Haltung des Parlaments begründet: https://youtu.be/H6UQsEeubIQ. Beantworten Sie
die nachfolgenden Fragen.
a) Was verlangt die Initiative?
- Die Initiative verlangt eine Gleichbehandlung der verheirateten Paare gegenüber den unverheirateten, insbesondere bzgl. Steuer- und Sozialversicherungsfragen.
- Die Ehe soll ausdrücklich als eine auf die Dauer angelegte und gesetzlich geregelte Gemeinschaft zwischen Mann und Frau definiert werden.
- Im Sozialversicherungsrecht sollen verheiratete Rentner nicht schlechter gestellt werden als unverheiratete.
b) Wie sieht gemäss Aussage der Bundesrätin die heutige Situation aus?
- Ehepaare werden bereits heute als wirtschaftliche Gemeinschaft betrachtet
und dementsprechend erfolgt auch die Besteuerung. Deshalb wurden Ehepaare, welche sog. Doppelverdiener sind (beide Partner erzielen ein Einkommen),
höher besteuert als Doppelverdiener, die nicht verheiratet waren.
- Massnahmen in den Jahren 2008 (Doppelverdienerabzug) und 2009 (Abzüge
für die ausserfamiliäre Kinderbetreuung) haben zu einer Besserstellung geführt.
- Hinsichtlich des Sozialversicherungsrechts besteht heute kein Handlungsbedarf.
c) Welches sind die Argumente, dass Bundesrat und Parlament die Initiative ablehnen?
- Die Mehrheit des Parlaments will keine Verfassungsbestimmung, welche bereits das Modell der Besteuerung der Ehepaare – als wirtschaftliche Gemeinschaft – vorsieht.
- Ebenso lehnt die Mehrheit des Parlaments eine Definition der Ehe in der Verfassung ab.
d) Bundesrätin Widmer-Schlumpf spricht in der Medienkonferenz den Wechsel zur
Individualbesteuerung an. Worin unterscheidet sich diese von der Besteuerung
der Ehepaare? Versuchen Sie die Frage mithilfe Ihres Lehrmittels «Aspekte der
Allgemeinbildung» zu beantworten.
Die in der Schweiz wohnhaften natürlichen Personen sind steuerpflichtig. Die Familie (Ehepaar inkl. Kinder) bildet jedoch eine wirtschaftliche Einheit. Das heisst,
dass nicht die Ehefrau und der Ehemann separat besteuert werden, sondern beide zusammen. Das Einkommen der Ehefrau und das des Ehemannes werden zusammengezählt und anschliessend besteuert.
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Volksabstimmung
● Politik mit Tiefgang
28. Februar 2016
Auftrag 2
Lesen Sie den Zeitungsartikel und beurteilen Sie, ob die nachfolgenden Aussagen
richtig oder falsch sind. Korrigieren Sie die falschen Aussagen. Analysieren Sie anschliessend die Grafik und erläutern Sie sie in Ihren eigenen Worten.
Die wahre Durchsetzungsinitiative
(Berner Zeitung, 05.01.2016)
Mit einer Initiative will die CVP die Heiratsstrafe abschaffen. Speziell daran: Seit dreissig
Jahren steht höchstrichterlich fest, dass die Heiratsstrafe bei der Bundessteuer gegen die Verfassung verstösst. Das Problem ist bis heute nicht gelöst.
Was für die SVP die kriminellen Ausländer sind, ist für die CVP die Heiratsstrafe: der absolut
zuverlässige Stimmungsmacher mit Mobilisierungspotenzial. So erstaunt es nicht, dass die
CVP im Wahlkampf 2011 – nach dem Vorbild der SVP notabene – ihr Paradepferd sattelte
und eine Volksinitiative gegen die Heiratsstrafe lancierte, um auf sich aufmerksam zu machen.
Am 28. Februar kommt diese Stimmungsbombe nun an die Urne: Die Initiative «Für Ehe und
Familie – gegen die Heiratsstrafe» verlangt die Abschaffung der Heiratsstrafe bei den Steuern
und der AHV.
Man ist sich weitherum einig, dass es bei der AHV keine Heiratsstrafe gibt, sodass im Abstimmungskampf die Steuern im Zentrum stehen. Hier gibt es unbestrittenermassen ein Problem, das aber bei weitem nicht so gross ist, wie es teilweise gemacht wird. Zunächst einmal
sind alle Ehepaare, in denen nur ein Partner erwerbstätig ist, nicht betroffen.
Die Ursache des Übels ist bekannt: Die Schweiz kennt ein progressives Steuersystem, in dem
man einen immer grösseren prozentualen Teil des Einkommens abgeben muss, je höher dieses ist.
In einem derartigen Regime ist die Hochzeit eine schmerzhafte Angelegenheit, weil die beiden Einkommen nicht mehr separat, sondern als Gesamtsumme besteuert werden. Der progressive Fiskus langt nach dem Jawort grundsätzlich viel gieriger zu, weil der Ansatz beispielsweise bei 200'000 Franken massiv höher ist als bei zweimal je 100'000 Franken.
Ein System mit progressiven Steuersätzen und der gemeinsamen Veranlagung von Ehepaaren
kann niemals auf den Frankengenau «gerecht» sein für alle denkbaren Konstellationen von
Einkommen und Haushaltsformen. Gröbere Differenzen gibt es schon nur aufgrund der Aufteilung des Gesamteinkommens auf die beiden Partner.
Verbreitetes «Splitting»
Doch man kann sich dem Ideal annähern. In den Kantonen am weitesten verbreitet ist das
«Splitting». Vereinfacht gesagt wendet der Fiskus in diesem System beim Gesamteinkommen
zweier Eheleute einen tieferen Steuersatz an, als er es täte, wenn ein Lediger dasselbe Einkommen allein erwirtschaften würde.
Dieses System lässt sich unterschiedlich ausgestalten, speziell «ehefreundlich» ist das «Vollsplitting», das zum Beispiel in Freiburg gilt. Andere Kantone wie Bern und Zürich wenden je
nach Zivilstand unterschiedliche Tarife an, um die Heiratsstrafe einzudämmen.
Entscheidend ist aber etwas anderes: Bei den Kantons- und Gemeindesteuern ist die Heiratsstrafe praktisch flächendeckend eliminiert. Das anerkennen sogar die Heiratsstrafverfolger der
CVP.
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28. Februar 2016
Einzige Ausnahmen sind die Waadt und der Aargau, wo Ehepaare mit tiefen bis mittleren
Einkommen deutlich mehr abgeben müssen als Konkubinatspaare, die gleich viel verdienen.
Das alles bedeutet nicht, dass in den anderen Kantonen absolute Steuergerechtigkeit herrschen
würde. Das ist aber auch gar nicht nötig: Laut dem Bundesgericht sind Belastungsunterschiede hinzunehmen, solange Ehepaare im Vergleich mit ledigen Paaren, die gleich viel verdienen, maximal 10 Prozent drauflegen. In diesem Rahmen ist die Heiratsstrafe also absolut legitim.
In der Realität der kantonalen Steuersysteme drängt sich jedoch eher eine andere Frage auf:
Wie stark darf die Ehe steuerlich begünstigt werden? Jedenfalls lassen sich in den meisten
Kantonen mehr Konstellationen beobachten, in denen Konkubinatspaare höhere Steuern abliefern müssen als vergleichbare Ehepaare. Das gilt vor allem im Bereich der Paareinkommen
unter 250'000 Franken, wie eine Untersuchung der Eidgenössischen Steuerverwaltung von
2014 zeigte.
Als besonders ehefreundlich erweisen sich dabei so unterschiedliche Kantone wie Freiburg,
das Wallis, Obwalden, Zug und Genf. Hingegen werden Ehepaare vor allem in Zürich und im
Tessin stärker zur Kasse gebeten, jedoch auch hier im Rahmen des Erlaubten (unter 10 Prozent).
Wenn es bei der AHV und den kantonalen Steuern keine Heiratsstrafe gibt, bleibt nur noch
die Bundessteuer übrig, die für viele Haushalte kaum ins Gewicht fällt. Hier gibt es tatsächlich ein Problem: Die grosse Mehrheit der Rentnerehepaare bezahlt – teilweise massiv – mehr
Steuern, nur weil sie verheiratet ist.
Die Rentner profitieren weniger von den Steuerabzügen, die der Bund 2008 für erwerbstätige
Ehepaare einführte, um die Heiratsstrafe abzumildern. Allerdings gibt es auch immer noch
etwa 80'000 Doppelverdiener-Ehepaare, bei denen die Mehrbelastung ebenfalls das erlaubte
Mass überschreitet.
Besonders betroffen sind Ehepaare mit höheren Einkommen. Verdienen zum Beispiel beide
Partner je 100'000 Franken netto, zahlen sie um die 4500 Franken mehr Bundessteuer als
Konkubinatspaare in derselben Situation. Das gilt sowohl für Kinderlose als auch für Paare
mit zwei Kindern.
Urteil des Bundesgerichts
Allerdings ist schon seit Jahrzehnten unbestritten, dass die Heiratsstrafe auch bei der Bundessteuer eliminiert werden müsste. 1984 veröffentlichte das Bundesgericht ein wegweisendes
Urteil, nach dem die steuerliche Heiratsstrafe die Verfassung verletzt. Die Kantone haben
darauf reagiert und ihre Gesetze angepasst. Nur beim Bund hat das nicht geklappt. Es gab
zwar mehrere Anläufe, doch sie sind entweder an der Urne oder bereits im Parlament gescheitert.
Zwei Streitpunkte
Der Abschaffung der Heiratsstrafe bei der Bundessteuer stehen vor allem zwei Streitpunkte
im Weg. Zum einen die «Systemfrage»: FDP und SP liebäugeln mit einem Wechsel zur Individualbesteuerung, in der auch Ehepaare zwei separate Steuererklärungen ausfüllen müssten,
womit die Heiratsstrafe sofort hinfällig wäre.
Gegen diesen Wechsel wehren sich CVP, SVP, die Kantone und der Bundesrat: Sie wollen
Ehepaare weiterhin gemeinsam besteuern, insbesondere aus Angst vor dem administrativen
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28. Februar 2016
Mehraufwand. In diesem Konflikt könnte die CVP-Initiative einen Durchbruch bringen: Wird
sie angenommen, ist die gemeinsame Veranlagung von Ehepaaren neu in der Verfassung verankert. Das wäre ein Richtungsentscheid gegen die Individualsteuer.
Noch immer ungelöst wäre hingegen die zweite grosse Streitfrage: Wer soll das Ganze bezahlen? Die bisher diskutierten Modelle zur Beseitigung der Heiratsstrafe bewirken beim Bund
erkleckliche Steuerausfälle von 1 bis 2,3 Milliarden Franken pro Jahr.
Dass die Ausfälle derart gross sind, liegt daran, dass es offenbar kein absolut zielgenaues Modell gibt, das nur exakt jene Paare entlastet, die das nötig haben. Aus Sicht des Bundesrats
kommt es nicht infrage, diese Verluste vollständig über Sparmassnahmen aufzufangen.
Sprich: Wenn der Bund die Heiratsstrafe effektiv abschafft, will die Landesregierung anderweitig zusätzliche Steuereinnahmen hereinholen.
Die wirklich interessante Diskussion findet also erst nach dem Urnengang Ende Februar 2016
statt – und zwar unabhängig davon, wie dieser ausgeht. Abschaffen muss der Bund die Heiratsstrafe so oder so – die Frage ist nur, wann.
a) Im heutigen System bestehen sowohl bei den Bundessteuern wie auch in den
Kantonen grosse Ungleichheiten bei der Besteuerung von verheirateten und unverheirateten Paaren.
Falsch. Es ist zwar unbestritten, dass verheiratete Paare in bestimmten Situationen höher besteuert werden als unverheiratete. Die Ungleichheiten werden jedoch
grösser dargestellt, als sie in Wirklichkeit sind. In den Kantonen (mit Ausnahme
der Waadt und des Aargaus) ist die sog. Heiratsstrafe zudem fast vollkommen
eliminiert.
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28. Februar 2016
b) Die Kantone versuchen, eine höhere Besteuerung von verheirateten gegenüber
unverheirateten Paaren mit dem sog. Splitting zu verhindern oder zu minimieren.
Richtig.
c) Beim sog. Splitting werden die Einkommen beider Ehepartner zusammengerechnet, jedoch anschliessend nur die Hälfte besteuert.
Falsch. Das Splitting bedeutet, dass das Einkommen beider Ehepartner zusammengerechnet wird. Besteuert wird jedoch zu einem tieferen Steuersatz, als man
das gleiche Einkommen bei einer alleinstehenden Person besteuern würde.
d) Gemäss Bundesgericht darf zwischen der Besteuerung von verheirateten und unverheirateten Paaren kein auch noch so geringer Unterschied bestehen.
Falsch. Das Bundesgericht hat 1984 zwar in einem Urteil festgehalten, dass eine
steuerliche Ungleichbehandlung von verheirateten und unverheirateten Paaren
gegen die Verfassung verstösst. Es hat jedoch auch darauf hingewiesen, dass
gewisse Belastungsunterschiede hinzunehmen sind, solange diese nicht grösser
sind als 10 Prozent.
e) Grundsätzlich liegt die Problematik am progressiven Steuersystem der Schweiz.
Dies führt dazu, dass man bei einem höheren Einkommen überproportional mehr
Steuern bezahlt.
Richtig. Dies führt auch dazu, dass das zusammengerechnete Einkommen zweier
Ehepartner zu einer überproportionalen Steuerbelastung führt.
f) Es sind sich alle grösseren Parteien in der Bundesversammlung einig, dass die
gemeinsame Besteuerung der Ehepaare grundsätzlich richtig ist.
Falsch. FDP und SP streben schon seit längerem einen Systemwechsel zur Individualbesteuerung an. Dies würde bedeuten, dass auch Ehepaare pro Ehepartner
eine Steuererklärung ausfüllen und separat besteuert würden. Die Heiratsstrafe
wäre mit dieser Regelung sofort eliminiert. Die SVP und die CVP sind gegen diesen Wechsel, insbesondere auch aus dem Grund, dass sie höhere administrative
Aufwände befürchten.
Erläutern Sie die Grafik in Ihren eigenen Worten.
Die Grafik zeigt auf, dass in allen drei Städten die gemeinsame Besteuerung von
verheirateten Paaren je nach Ausgangslage sowohl ein Vor- wie auch ein Nachteil
sein kann. Grundsätzlich können folgende Aussagen gemacht werden:
1. Bei tieferen Einkommen profitieren verheiratete Paare grundsätzlich von der gemeinsamen Besteuerung, bei höheren Einkommen ist es für sie ein Nachteil.
2. Wenn das Einkommen ungleich verteilt ist (bspw. im Verhältnis 7:3), profitieren
die verheiratenden Paare mehr bzw. haben einen kleineren Nachteil.
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28. Februar 2016
Auftrag 3
Die Internetseite www.gemeinsam-weiter.ch/argumente zeigt die Argumente der
Gegner der Initiative auf. Nachfolgend werden zwei Argumente der Gegner aufgezeigt:
«Die Initiative verletzt auf krasse Weise die Einheit der Materie. Sie verunmöglicht
dem Schweizer Stimmvolk, getrennt darüber abzustimmen, ob die Heiratsstrafe abgeschafft und die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet werden soll.»
«Die CVP-Initiative will die sogenannte Heiratsstrafe abschaffen. Faktisch geht es
aber nur um ein Steuergeschenk für einige wenige. Nach einem Bundesgerichtsurteil, das die Ungleichbehandlung der Ehepaare rügte, haben Bund und Kantone ihre
Besteuerungssysteme nämlich vor einiger Zeit bereits angepasst. Heute betrifft die
‹Heiratsstrafe› nur noch rund 80‘000 Paare.»
Nehmen Sie zu diesen beiden Argumenten in der Kommentarfunktion der Internetseite persönlich Stellung. Unterteilen Sie Ihre Stellungnahme in drei Teile: Analyse
der Argumente, persönliche Meinung und Abstimmungsempfehlung. Nehmen Sie
wenn nötig Ihr Lehrmittel «Aspekte der Allgemeinbildung» zur Hilfe.
Individuelle Stellungnahme. Im ersten Teil sollten jedoch folgende Punkte analysiert
werden:
1. Die Einheit der Materie bedeutet, dass die Initiative nicht mehrere Ziele anstreben
darf. Im vorliegenden Fall behaupten die Initiativgegner, dass die Initiative das
Ziel der steuerlichen Entlastung und das Ziel einer Definition der Ehe verfolgen.
Sie machen geltend, dass das Volk so nicht separat über beide Ziele abstimmen
kann, auch wenn man nicht beide Ziele der Initiative gutheisst.
2. Die Initiativgegner behaupten, dass die Ungleichbehandlung nur sehr wenige
Paare betrifft und es sich somit um eine Steuerreduktion für wenige handelt, anstatt alle Ehepaare steuerlich zu entlasten.
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28. Februar 2016
Fragen / Aufträge
Vorlage 2: Volksinitiative «Zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer (Durchsetzungsinitiative)»
Auftrag 1
Lesen Sie den Zeitungsartikel und beantworten Sie die nachfolgenden Fragen. Nehmen Sie für die Beantwortung wenn nötig Ihr Lehrmittel «Aspekte der Allgemeinbildung» zu Hilfe.
Bundesrat stutzt SVP-Durchsetzungsinitiative
Erstmals eine Volksinitiative für teilungültig erklärt
(Neue Zürcher Zeitung, 22.11.2013)
Der Bundesrat ist dem Antrag von Simonetta Sommaruga gefolgt. Er beantragt dem Parlament, die SVP-Durchsetzungsinitiative teilweise für ungültig zu erklären. Die Schweiz könne
das zwingende Völkerrecht «nicht einfach umdefinieren», teilt der Bundesrat mit.
Zum ersten Mal in der Geschichte soll eine eidgenössische Volksinitiative teilweise für ungültig erklärt werden. Der Bundesrat hat am Mittwoch entschieden, dem Parlament einen entsprechenden Antrag zu unterbreiten. Der Text der SVP-Initiative «zur Durchsetzung der Ausschaffungsinitiative» enthalte «eine Definition des zwingenden Völkerrechts, die ungültig
ist», teilt der Bundesrat per Communiqué mit. Der Bundesrat verlangt nun, dass die Durchsetzungsinitiative ohne diesen Passus zur Volksabstimmung kommt. Den definitiven Entscheid
werden die eidgenössischen Räte fällen.
Zwar wurden bereits vier eidgenössische Volksinitiativen integral 1 für ungültig erklärt, letztmals 1995. Eine teilweise Ungültigkeit gab es in den über 120 Jahren, seitdem es Volksinitiativen gibt, aber noch nie. Den entsprechenden Antrag hatte Justizministerin Simonetta Sommaruga gestellt, wie die NZZ am Dienstag publik gemacht hatte.
Enger als die völkerrechtliche Definition
Der umstrittene Passus im Initiativtext lautet wie folgt: «Als zwingendes Völkerrecht gelten
ausschliesslich das Verbot der Folter, des Völkermords, des Angriffkrieges, der Sklaverei
sowie das Verbot der Rückschiebung in einen Staat, in dem Tod oder Folter drohen.» Diese
Umschreibung sei enger als die völkerrechtliche Definition des zwingenden Völkerrechts,
hielt Simonetta Sommaruga vor den Bundeshausmedien fest. So verbiete das zwingende Völkerrecht die Rückschaffung auch im Falle einer Ausschaffung unter grausamer und unmenschlicher Behandlung. Ausserdem gehörten zum zwingenden Völkerrecht Teile des
Kriegsvölkerrechts oder gewisse Verfahrensgrundsätze. Die Initiative verstosse damit ihrerseits gegen zwingendes Völkerrecht und müsse für teilweise ungültig erklärt werden.
«Volk und Stände haben einen grossen Spielraum bei der Gestaltung der Verfassung. Aber
den Umfang des zwingenden Völkerrechts definieren können sie nicht», sagte Sommaruga
weiter. Deshalb will der Bundesrat diesen Satz nicht dem Volk vorlegen.
Tatsächlich können Normen des zwingenden Völkerrechts in der Theorie nicht von einem
einzelnen Staat geändert oder aufgehoben werden. Da sie jedoch auf dem Konsens der Staatengemeinschaft beruhen, beziehen die Normen ihre Legitimation aus ihrer faktischen Beach1
Die Initiative in ihrer Gesamtheit.
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Volksabstimmung
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28. Februar 2016
tung. Dieser Widerspruch macht das zwingende Völkerrecht zu einem schwer fassbaren Normenkomplex.
Innerhalb gesetzlicher Fristen
Neben diesem formellen Aspekt empfiehlt der Bundesrat die Durchsetzungsinitiative materiell zur Ablehnung, weil sie gegen grundlegende Prinzipien des Schweizer Rechtsstaates und
des Völkerrechts verstosse. Zudem sei sie zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative gar
nicht notwendig. Diese befinde sich «auf gutem Weg»: Der Bundesrat habe dem Parlament
bereits eine entsprechende Botschaft zugeleitet. Gemäss den gesetzlichen Fristen, habe das
Parlament noch zweieinhalb Jahre Zeit die Ausschaffungsinitiative umzusetzen.
a) Welche beiden Bedingungen müssen Volksinitiativen erfüllen, damit sie nicht für
ganz oder teilweise ungültig erklärt werden? Wer entscheidet über die Ungültigkeit
der Volksinitiativen?
Volksinitiativen werden teilweise oder ganz für ungültig erklärt, wenn sie entweder
gegen das Gebot der Einheit der Materie oder gegen zwingendes Völkerrecht
verstossen. Darüber, ob eine Volksinitiative ganz oder teilweise für ungültig erklärt
wird, entscheidet die Bundesversammlung.
b) Aus welchem Grund hat der Bundesrat der Bundesversammlung empfohlen, die
Volksinitiative für teilweise ungültig zu erklären?
Der Bundesrat hat erklärt, dass die Initiative einen Teil enthält, der das zwingende
Völkerrecht definiert. Dieser Teil ist gemäss Bundesrat ungültig, da die Definition
enger ist als die völkerrechtliche Definition. Diese kann gemäss Bundesrat weder
Volk noch Stände missachten, obwohl Volk und Stände bei Volksinitiativen eine
grosse Freiheit haben.
c) Empfiehlt der Bundesrat daneben die Initiative zur Annahme oder zur Ablehnung?
Wie begründet er seinen Entscheid?
Der Bundesrat empfiehlt, abgesehen von der teilweise Ungültigkeit, die Initiative
zur Ablehnung. Dies begründet er einerseits, weil sie gegen die grundlegenden
Prinzipien des Rechtsstaats und gegen das Völkerrecht verstosse. Zudem sei sie
aufgrund der bereits eingeleiteten Massnahmen zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative gar nicht (mehr) nötig.
d) Welche allgemeinen Herausforderungen bestehen grundsätzlich bei den Normen
des zwingenden Völkerrechts?
Die Normen des zwingenden Völkerrechts bestehen auf einer Übereinkunft zwischen den einzelnen Staaten. Dies bedingt, dass ein Staat dies nicht alleine ändern oder neu auslegen kann. Wenn die einzelnen Staaten diese Normen nicht
berücksichtigen, dann verlieren sie ihre Legitimation.
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28. Februar 2016
Auftrag 2
Unter den folgenden Links finden Sie die Positionen der Befürworter:
(http://www.svp.ch/kampagnen/uebersicht/durchsetzungsinitiative/warum-einja/#kampagneSubNav), und der Gegner der Initiative:
(http://www.durchsetzungsinitiative-nein.ch/argumentarium). Fassen Sie die Argumente und Positionen in der nachfolgenden Tabelle zusammen.
Befürworter
- Mit Annahme der Initiative gibt es
mehr Sicherheit und weniger Ausländerkriminalität.
- Die Initiative führt dazu, dass die Ausschaffungsinitiative gemäss dem
Volkswillen umgesetzt wird.
- Die Durchsetzungsinitiative schafft
Rechtssicherheit, da in der Praxis
konsequent und zwingend kriminelle
Ausländer ausgeschafft werden.
- Die Initiative verhindert Wiederholungstaten, da die Täter vermehrt
ausgeschafft werden.
- Durch Annahme der Initiative werden
die Sozialwerke gesichert und der Sozialmissbrauch erschwert.
- Die Initiative schützt integrierte Ausländer dadurch, dass sie nicht mehr
länger durch kriminelle Landsleute in
Verruf gebracht werden.
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Gegner
- Demokratiepolitische Überlegungen:
Die Entscheidungen des Parlaments,
das für die Umsetzung von Initiativen
zuständig ist, werden nicht akzeptiert
und umgangen.
- Rechtstaatlichkeit: Unabhängige Gerichtsentscheidungen, die auch persönliche Umstände und Härtefälle
beurteilen, fallen weg.
- Gewaltentrennung: Die Initiative verunmöglicht eine Gewaltentrennung,
in der Gerichte die beschlossenen
Gesetze anwenden.
- Grundrechte / Freiheiten: Grundrechte der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) werden
verletzt. Ein Austritt der Schweiz aus
der Konvention wäre die mögliche
Folge.
- Wohlstand: Mit Annahme der Initiative würde die Schweiz ins Abseits gestellt, was sich negativ auf den Wirtschaftsstandort auswirken würde.
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28. Februar 2016
Auftrag 3
Eine Volksinitiative nimmt von der Lancierung bis zu ihrer Umsetzung einen langen
Weg und wird von verschiedenen Instanzen und Gremien behandelt. Zeigen Sie auf
der nachfolgenden Grafik den Weg einer Volksinitiative auf und nennen Sie jeweils
kurz die wichtigsten Punkte. Weitere Informationen dazu finden Sie in Ihrem Lehrmittel «Aspekte der Allgemeinbildung» oder auf www.parlament.ch.
Volk
Parlament /
Kommissionen
Bundesrat /
Verwaltung
Einreichung der Volksinitiative mit mind. 100'000
gültigen Unterschriften.
Analyse der Volksinitiative, Stellungnahme und
Empfehlung zuhanden
des Parlaments.
Entscheid, ob der Volksinitiative ein Gegenvorschlag
gegenübergestellt werden
soll.
Stimmt über die Initiative
und evtl. den Gegenvorschlag ab. Bei Annahme
wird die Bundesverfassung ergänzt.
Macht einen Vorschlag
(Botschaft) zur Umsetzung
der Initiative zuhanden
des Parlaments.
Entscheid, ob der Vorschlag vom Bundesrat
bspw. in der Form eines
Gesetzes umgesetzt wird.
Referendum gegen das
beschlossene Gesetz
möglich.
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28. Februar 2016
Auftrag 4
Hören Sie den Beitrag «Durchsetzungsinitiative – ein neuer Trend?»
(http://www.srf.ch/play/radio/echo-der-zeit/audio/durchsetzungsinitiative-ein-neuertrend?id=3108d347-f678-4993-ba76-b1099243d5d2) der Sendung «Echo der Zeit»
des Schweizer Radios SRF1 vom 28.02.2014 und beantworten Sie die nachfolgenden Fragen.
a) Aus welchem Grund liebäugeln die verschiedenen Parteien mit sog. Durchsetzungsinitiativen?
Durchsetzungsinitiativen werden dazu eingereicht, dass Initiativen, über welche
bereits zu einem früheren Zeitpunkt abgestimmt wurde, nach ihrer Vorstellung und
nicht nach der Auslegung des Parlaments bspw. in einem Gesetz umgesetzt werden. Man spricht dann von einer wortgetreuen Umsetzung der Initiative.
b) Wo befinden sich die Parteien, welche Durchsetzungsinitiativen lancieren oder
lancieren wollen, auf dem politischen Spektrum? Welche Begründung könnte es
dafür geben, dass gerade diese Parteien Durchsetzungsinitiativen lancieren (wollen)?
Im Beitrag werden die SVP und die Grünen genannt. Es handelt sich somit um
zwei Parteien, die auf dem politischen Spektrum klar rechts bzw. klar links stehen.
Die Gründe dafür sind vielfältig:
- Bei der SVP scheint einer der Gründe zu sein, dass sie aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Parlament und ihrer teilweise extremen Forderungen die
anschliessende Umsetzung nicht nach ihrem Gutdünken beeinflussen können.
- Die Grünen stehen ebenfalls vor dieser Problematik, haben im Parlament aber
ein zu kleines Gewicht, um gewisse Forderungen durchzusetzen. Eine Durchsetzungsinitiative anzukündigen, könnte das Parlament bei seinen Entscheiden
somit zugunsten der entsprechenden Partei beeinflussen.
c) Wie sah die Arbeitsteilung bei einer Volksinitiative und ihrer Umsetzung bisher
aus?
Bisher hat das Initiativekomitee den Wortlaut der Initiative ausgearbeitet und
war anschliessend im Abstimmungskampf aktiv. Nach erfolgter Annahme kamen
Bundesrat und Parlament zum Zug, welche den Verfassungsartikel anschliessend mit einem Gesetz umsetzten. Dabei hatte das Initiativekomitee nur sehr begrenzte Einflussmöglichkeiten.
d) Was meint der Politologe mit der Aussage, dass eine Durchsetzungsinitiative ein
Marketinginstrument sei?
Die Parteien, die eine Durchsetzungsinitiative lancieren, können so einerseits darauf verweisen, dass sie den Volkswillen respektieren wollen, und sich andererseits damit profilieren, dass sie (unter anderen) die einzigen sind, die eine wortgetreue Umsetzung verteidigen.
e) Wie wirkt sich die Idee der Durchsetzungsinitiative auf das politische System der
Schweiz aus?
Das Parlament und der Bundesrat (und seine Verwaltung) sind vorsichtiger mit der
Umsetzung und versuchen einerseits die Initianten bereits früh bei der Ausarbeitung miteinzubeziehen und setzen die Initiativen – auch wenn diesbezügliche
Schwierigkeiten bestehen – wortgetreuer um.
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28. Februar 2016
Fragen / Aufträge
Vorlage 3: Volksinitiative «Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln!»
Auftrag 1
Lesen Sie den Zeitungsartikel und fassen Sie anschliessend die Initiative mit Ihren
eigenen Worten zusammen.
«Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln»
Initiative hat im Nationalrat schweren Stand
(Neue Zürcher Zeitung, 19.05.2015)
Die Volksinitiative «Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln» stösst im Nationalrat auf breiten
Widerstand.
Das Anliegen der Juso, den Hunger in der Welt zu bekämpfen, ist im Rat zwar unbestritten.
Die bürgerliche Mehrheit hält ein Spekulationsverbot aber für das falsche Mittel. Die Spekulationsstopp-Initiative war von der Juso gemeinsam mit der SP, den Grünen und mehreren
Hilfswerken lanciert worden. Die Initianten wollen der Spekulation mit Nahrungsmitteln einen Riegel schieben, weil sie sie für den Hunger auf der Welt mitverantwortlich machen. Die
Initiative verlangt ein Verbot für Banken, Vermögensverwalter oder Versicherungen, in Finanzinstrumente zu investieren, die sich auf Agrarrohstoffe und Nahrungsmittel beziehen.
Das Verbot soll auch für den Verkauf von sogenannten strukturierten Produkten gelten. Ausserdem soll sich der Bund dafür einsetzen, dass die Spekulation mit Nahrungsmitteln weltweit
wirksam bekämpft wird.
Wichtiges Anliegen – falscher Weg
Unbestritten war am Dienstag im Nationalrat, dass gegen den Hunger in Entwicklungsländern
gehandelt werden muss. Die Preise von Grundnahrungsmittel wie Getreide hätten sich in einigen Ländern in den letzten Jahren verdoppelt, sagte Kathrin Bertschy (glp., Bern) im Namen der Kommission. In den Augen der Mehrheit der Fraktionen ist die Initiative aber der
falsche Weg dazu. Nicht die Spekulation sei Hauptursache für Preisanstiege, sondern tiefe
Lagerbestände oder Wetterereignisse wie Dürren, betonten mehrere Redner. Nach Ansicht der
Gegner bliebe ein Verbot sowieso ohne Wirkung, weil sich die wichtigsten Terminbörsen im
Ausland befinden. Dagegen würde die Liquidität des Derivatemarktes verringert und könnte
gar zu mehr Volatilität führen.
Auf dem richtigen Weg
Gehör fanden die Initianten in den Reihen der SP und Grünen. Die Wissenschaft streite zwar
heftig darüber, ob Spekulation die Preise in die Höhe treibe, gestand Beat Jans (sp., BaselStadt). Im Zweifelsfall gelte aber das Vorsorgeprinzip: «Profit darf nicht das Elend von anderen Menschen fördern.« Aus Sicht der Befürworter hat das Parlament mit dem neuen Finanzmarktinfrastrukturgesetz (FinfraG) den richtigen Weg eingeschlagen, diesen gelte es nun konsequent weiterzuverfolgen. International seien die USA und die EU ebenfalls daran, der Spekulation mit Nahrungsmitteln einen Riegel zu schieben. In der Sommersession hatte das Parlament das FinfraG verabschiedet. Neu kann der Bundesrat Positionslimiten für Warenderivate vorsehen, um den Einfluss einzelner Marktakteure zu begrenzen. Damit sollen etwa Wetten auf steigende oder fallende Preise bei Nahrungsmitteln eingedämmt werden. Der Nationalrat setzt seine Beratungen am Donnerstag fort. Der Ständerat hatte die Volksinitiative in
der Sommersession zur Ablehnung empfohlen.
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Volksabstimmung
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28. Februar 2016
Pro- und Contra-Argumente:
Die Befürworter der Initiative führen ins Feld, dass die Spekulationen mit Nahrungsmitteln den Hunger auf der Welt mitverantworten. Die Preise für Grundnahrungsmittel, wie bspw. Getreide, haben sich in einigen Ländern in den letzten Jahren verdoppelt. Grundsätzlich ist man sich zwar nicht ganz sicher, ob die Spekulationen die
Preise tatsächlich in die Höhe treiben. Die Befürworter der Initiative möchten jedoch
mit dem Hinweis auf das Vorsichtsprinzip den Spekulationen vorsorglich einen Riegel
schieben.
Die Gegner der Initiative betonen, dass nicht die Spekulationen dazu führen, das die
Preise für Grundnahrungsmittel ansteigen, sondern andere Faktoren wie eine mangelhafte Lagerhaltung, Dürreperioden oder andere Naturereignisse. Zudem verweisen die Gegner darauf, dass ein Spekulationsverbot nichts nützen würde, da sich die
entsprechenden Handelsplätze nicht in der Schweiz, sondern im Ausland befinden.
Zudem würde ein Verbot die Liquidität des Derivatemarktes möglicherweise verringern und könnte sogar dazu führen, dass die Güter noch höheren Preisschwankungen unterlägen.
Kurzzusammenfassung:
Die Spekulationsstopp-Initiative der Juso verlangt ein Verbot von Spekulationen mit
Nahrungsmitteln für Banken, Vermögensverwalter und Versicherungen. Es geht dabei um alle Finanzinstrumente, die sich auf Agrarrohstoffe und Nahrungsmittel beziehen, inklusive der strukturierten Produkte. Zudem wird gefordert, dass sich der Bund
für ein weltweites Verbot einsetzt. Bei der Behandlung im Parlament wurde darauf
hingewiesen, dass mit der Einführung des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes (FinraG)
der Bundesrat Positionslimiten für Warenderivate vorsehe. Diese sollen den Einfluss
einzelner Akteure begrenzen und damit u.a. Spekulationen auf steigende oder fallende Preise bei Nahrungsmitteln eindämmen.
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Volksabstimmung
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28. Februar 2016
Auftrag 2
Lesen Sie aufmerksam die zitierten Aussagen der Befürworter und der Gegner der
Volksinitiative «Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln!» und ordnen Sie sie der richtigen Seite zu.
1. Die Finanzialisierung der Rohstoffmärkte hat dazu geführt, dass Preisblasen immer wahrscheinlicher werden, so wie dies 2007/08 und ein weiteres Mal 2011
der Fall war.
2. Eine Befragung von Rohstoffhändlern hat ergeben, dass durch das extreme Finanzvolumen an den Märkten die Funktion der Preisabsicherung stark beeinträchtigt ist.
3. Von der Initiative betroffen wären nicht nur Banken, Effektenhändler, Versicherungen sowie kollektive und institutionelle Anleger, wie beispielsweise Pensionskassen, sondern alle, die in einem marktwirtschaftlichen Umfeld Lebensmittel
produzieren und handeln.
4. Für Nahrungsmittel müssen strengere Regeln gelten, da sie unser aller Lebensgrundlage sind.
5. Nahrungsmittel sind Welthandelsgüter, die Hauptmärkte für landwirtschaftliche
Erzeugnisse befinden sich ausserhalb der Schweiz.
6. Basierend auf Artikel 118 Abs. 2 des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes (FinfraG)
ist der Bundesrat bereits heute befugt, Positionslimiten für Nahrungsmittelderivate festzulegen, um damit den Einfluss einzelner Marktteilnehmer zu begrenzen
– wie auf den grossen Handelsplätzen weltweit üblich.
7. Die sinnvolle Preisabsicherung wird durch exzessive Spekulation eingeschränkt!
8. Aktuelle Studien zeigen sogar, dass die Spekulation mit NahrungsmittelDerivaten sogar starke Preisschwankungen verhindert.
9. Schliesslich haben wir schon als Kinder gelernt: Mit Essen spielt man nicht!
10. Mit der Kontrolle der Produktions- und Lagerkapazitäten haben Produzenten und
Händler aber de facto weit mehr Möglichkeiten, das Angebot künstlich zu verknappten oder zu erhöhen und somit das Preisniveau zu ihren Gunsten zu beeinflussen.
Befürworter
1), 2), 4), 7), 9)
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Gegner
3), 5), 6), 8), 10)
Volksabstimmung
● Politik mit Tiefgang
28. Februar 2016
Auftrag 3
Die Aufgabe der (Massen-)Medien ist eine möglichst sachliche, umfassende und
verständliche Information. Nicht alle zugänglichen Informationen durch Medien- oder
medienähnliche Produkte sind jedoch sachlich, umfassend und verständlich, sondern
befürworten bestimmte politische Anliegen oder lehnen sie ab. Suchen Sie im Internet Zeitungsartikel, Videos, Argumentarien, Beiträge etc. zur Volksinitiative «Keine
Spekulation mit Nahrungsmitteln!» oder generell zum Handel mit Nahrungsmitteln
und ordnen Sie sie im nachfolgenden Schema ein. Beantworten Sie anschliessend
die Fragen a)-c).
(eher) Befürworter
http://spekulationsstopp.ch
/argumente/
(eher) neutral
generell Tageszeitungen,
Schweizer Radio und
Fernsehen, SDAhttp://www.woz.ch/1240/na Meldungen
hrungsmittelspekulation/mit-dem-essen-spieltman-nicht
http://www.brotfueralle.ch/f
ileadmin/deutsch/2_Entwicklun
gpolitik_allgemein/A_Recht_auf
_Nahrung/Nahrungsmittels
pekulation/Fact_Sheet_def.pdf
(eher) Gegner
http://juso-spekulationnein.ch/?page_id=154&lang
=de
http://www.commodityclub.c
h/resources/Faktenpapier%
20Commodity%20Club%20
JUSO%20Initative%20170215.
pdf
http://www.fdp.ch/kommunik
ation/118317-nein-zurinitiative-keine-spekulationmit-nahrungsmitteln.html
https://www.youtube.com/
watch?v=X32bhc9EB_I
a) Wie ordnen Sie bzgl. der sachlichen, umfassenden und verständlichen Information
die Gratiszeitungen / Boulevardzeitungen im Vergleich zu den Tageszeitungen
ein?
Im Gegensatz zu den Tageszeitungen sind die Artikel in den Gratiszeitungen /
Boulevardzeitungen meist viel kürzer, vereinfachend und somit weniger umfassend. Aufgrund der Kürze der Artikel kann nicht immer gewährleistet werden, dass
Leserinnen und Leser ohne grösseres Hintergrundwissen sachlich informiert werden. Zudem sind die Schlagzeilen und Leitartikel der Gratiszeitungen / Boulevardzeitungen vielfach darauf ausgerichtet, die Leserschaft in Spannung zu versetzen
oder bestimmte Gefühle zu wecken, anstatt neutral zu informieren.
b) Wo würden Sie die Erläuterungen des Bundesrats (das sog. Abstimmungsbüchlein) im Schema einordnen? Was schliessen Sie daraus?
Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass die Erläuterungen des Bundesrates sachlich, umfassend und verständlich sind. Sie geben jedoch in grossen Teilen
den Standpunkt der Mehrheit des Parlaments bzw. die Standpunkte des Bundesrats wieder, die bspw. die Initiative gegen Spekulation mit Nahrungsmitteln ablehnen. Somit wäre das Abstimmungsbüchlein im obigen Schema eher bei den Gegnern einzuordnen.
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Volksabstimmung
● Politik mit Tiefgang
28. Februar 2016
Es können daraus mehrere Problemstellungen abgeleitet werden:
- Einige Wähler ziehen die Erläuterungen des Bundesrates möglicherweise als
einzige Informationsquelle zu den Abstimmungen hinzu.
- Das Abstimmungsbüchlein ist ein amtliches Informationsmittel und wirkt sehr
seriös. Dies könnte einige Wähler dazu verleiten zu glauben, dass im Abstimmungsbüchlein nicht die Meinung der Parlamentsmehrheit und des Bundesrates, sondern grundsätzlich Tatsachen wiedergegeben werden.
- Die Erläuterungen des Bundesrates weisen möglicherweise zu wenig darauf
hin, dass sie die Meinung der Mehrheit im Parlament und des Bundesrates
enthalten und somit nicht neutral im Sinne der obigen Tabelle sind.
c) Worauf müssen Sie achten, damit Sie sich sachlich, umfassend und verständlich
informieren können?
Individuelle Antworten.
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