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Tiere aus Bio-Betrieben nicht gesünder als andere | Manuskript
Tiere aus Bio-Betrieben nicht gesünder als andere
Bericht: Knud Vetten
Ein Schwein wird in einen sogenannten Kastenstand gesperrt, Listen dokumentieren viele
Medikamente und tote Ferkel. Wir sind einer verdächtigen Geschichte aus der ökologischen
Fleischproduktion auf der Spur.
Unterwegs in Bayern: Treffen mit dem Tierschützer Friedrich Mülln. Er übergibt uns hunderte
Dateien und Bildmaterialien, die aus einem besonderen Betrieb stammen sollen.
Friedrich Mülln, Soko Tierschutz
„Wenn man dann den Kühlschrank da aufmacht vor Ort in seinem Musterbetrieb und dann
ist der Kühlschrank voll mit Medikamenten und auch Hormone, dann fängt diese heile
Welt an erheblich zu bröckeln.“
Hier geht es auch um die Mythen rund um Bio. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt
Medikamente, die in der Schweinezucht eingesetzt werden. Bei dem Unternehmen handelt
es sich – nach den Angaben der Tierschützer - um die Hermannsdorfer Landwerkstätten. Ein
Bio-Pionier, der mit seinem achtsamen Umgang mit Tieren wirbt. Geschäftsführer ist Karl
Schweisfurth. Auch wir haben uns vor drei Jahren seine Tierhaltung angesehen. Sie wirkte
beispielhaft.
Ein aktueller Test in den hauseigenen Geschäften. Wir wollen als Kunden wissen, ob die
Schweine, deren Fleisch hier angeboten wird, eventuell mit Antibiotika behandelt wurden.
Dreimal hören wir das Gleiche:
In den Geschäften
„Nein, Antibiotika kriegen die nicht. Die Schweine leben das ganze Jahr draußen auf der
Weide.“
„Nein, das einzige, was sie bekommen sind Impfungen wie ein Mensch auch.“
„Das sind rein ökologische Tier. Bio pur.“
Die Botschaft ist klar: Der Kunde muss meinen, dass die Landwerkstätten keine Antibiotika
einsetzen. Fahrt zum Stammsitz der Firma im bayrischen Glonn. Karl Schweisfurth zeigt sich
uns gegenüber absolut transparent, was wir in der Branche auch schon ganz anders erlebt
haben.
Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers
verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig.
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Tiere aus Bio-Betrieben nicht gesünder als andere | Manuskript
Karl Schweisfurth, Hermannsdorfer Landwerkstätten
„Hallo, grüßt Euch. Wir kommen zu Besuch.“
Bioschweinezucht ohne Antibiotika ist laut Karl Schweisfurth eine Utopie. Die Auskünfte
seiner Mitarbeiter sind ihm unangenehm.
Karl Schweisfurth, Hermannsdorfer Landwerkstätten
Wir haben sie geschult, es wird offen darüber gesprochen, so wie ich das auch tue. Dann
werden wir das sicherlich verstärken. Das ist Mist, das darf nicht passieren. Aber ich kann
nicht bei jedem Gespräch dahinter stehen und aufpassen.“
Knapp 15 Prozent der Schweine aus seinem Stall hätten im letzten Jahr Antibiotika
bekommen, erklärt uns Karl Schweisfurth. Bei Biotieren, die maximal ein Jahr alt werden, ist
der einmalige Gebrauch erlaubt. Genaue Einsatz-Zahlen gibt es weder für den Bio- noch den
konventionellen Bereich. Trotzdem existiert der Mythos, dass Bio-Tiere in der Mast gesünder
leben.
Fahrt zur Uni Kassel. Dort hat der Fachmann für Tiergesundheit, Albert Sundrum, anhand von
Schlachtkörpern unter anderem von Schweinen untersucht, welche Erkrankungen die Tiere
in ihrem Leben hatten. Resultat: Bio-Tiere weisen sogar mehr Befunde auf als konventionelle.
Prof. Albert Sundrum, Universität Kassel
„Wir können nicht sagen, dass es den ökologisch gehaltenen Tieren grundsätzlich bezüglich
der Gesundheit besser geht. Das finden wir weder bei den Schweinen, noch beim Geflügel
und auch nicht bei der Milchkuh. Wir sehen, dass sie sich besser verhalten können, dass sie
eine deutlich bessere Möglichkeit zur Ausübung arteigenen Verhaltens aufweisen, bzw.,
dass ihnen das ermöglicht wird, aber eine Haltungsbedingung ist nicht gleichbedeutend
mit einer besseren Gesundheit.“
Um Missstände in der Haltung besser bekämpfen zu können - diese Bilder stammen übrigens
auch aus Biobetrieben - ist eigentlich die Untersuchung von Vorerkrankungen durch die EU
bereits vorgeschrieben. Doch die Fleischindustrie und die Verbände wehren sich gegen diese
Kontrolle, sagt Sundrum.
Zurück zu den Schweinen der Hermannsdorfer Landwerkstätten: Sie haben Auslauf, liegen
auf Stroh im Stall. Offensichtlich geht es ihnen gut. Doch in den Papieren finden sich für das
erste Halbjahr 2015 extrem hohe Sterblichkeitsraten: 30 Prozent und mehr als zehn Prozent
Totgeburten. Wir treffen den Veterinärexperten Rupert Ebner, ohne den Züchter zu nennen.
Er gibt eine Einschätzung ab, was in dem Bereich akzeptabel ist.
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Rupert Ebner, Veterinäramt Ingolstadt
„Die normalen Mortalitätsraten sind bei den ganz guten Betrieben so an die zehn Prozent.
Bei den durchschnittlichen und schlechteren gehen sie bis 15, und gehen auch mal bis 20
Prozent hin.“
Karl Schweisfurth würde die Totgeburten nicht in die Mortalitätsrate einrechnen. Doch selbst
dann landet man in den sechs Monaten bei knapp 30 Prozent.
Karl Schweisfurth, Hermannsdorfer Landwerkstätten
„Das waren ganz, ganz große Würfe. Fürchterlich, wollen wir gar nicht. 14, 15, 18. Aber wir
waren hilflos und wussten nicht, was wir tun sollen. Wir haben aber nicht jetzt den
Antibiotika-Einsatz extrem erhöht, sieht man ja, er ist ein bisschen höher als 2014, aber
nicht wesentlich. Wir haben versucht durch verschiedene Maßnahmen,
Blutuntersuchungen, Untersuchungen im Futter, diese Situation in den Griff zu kriegen,
damit es besser wird. Ist nicht üblich, eine Ausnahme. Wirklich ein Ausnahmejahr. Das hat
es so bisher nie gab.“
Die endgültige Erklärung für die hohe Mortalität hat Karl Schweisfurth nicht gefunden. Mit
dem Mythos vom gesünderen Biotier passt auch das nicht zusammen. Inzwischen sei man
wieder auf dem Weg der Besserung. Und in diesem Jahr sollen die Kastenstände in
Hermannsdorf durch einen Umbau abgeschafft werden.
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