Pilotstudie zum Vergleich der Lastaufnahme und

Dynamische Eigenschaften von Kronensicherungen – Dipl.-Ing. A. Detter, Brudi & Partner TreeConsult
Im Anhang der neuen ZTV-Baumpflege 2001 finden sich Erfahrungswerte zur Bruchlast von Kronensicherungen, die sich abweichend von der bisherigen Praxis auf den
Astquerschnitt in Befestigungshöhe beziehen. Hersteller und einschlägige Fachliteratur bemessen Bruchlasten in der Regel in Abhängigkeit vom Stämmlingsdurchmesser am Verzweigungspunkt (z.B. SCHRÖDER 1998, WESSOLLY/VETTER
1995). Dieser unscheinbare, aber gravierende Übertragungsfehler hat zur Verunsicherung der Anwender und zu Diskussionen um die Aufgabe von Kronensicherungen
und deren korrekte Bemessung geführt.
Zur Klärung der tatsächlichen Leistungsfähigkeit heute verbreiteter Sicherungen aus
Kunststoff könnten die Ergebnisse einer Studie beitragen, die in kleinem Rahmen
durchgeführt wurde. Darin wurden dynamische Eigenschaften zweier Kronensicherungsprodukte untersucht, die hinsichtlich ihres Aufbaus und des verwendeten Materials gegensätzliche Ansätze repräsentieren. Möglich war dies dank der freundlichen
Unterstützung der Hersteller Libre Powersails und pbs Baumsicherungsprodukte sowie der Firma Edelmann + Ridder, die ihr Messlabor in Isny zur Verfügung stellte.
Materialien
Das System cobra® basiert auf
einem Hohltau aus schwarzen
Polypropylenfasern, das mit mehreren Zusatzkomponenten versehen wird. Am Stämmling wird das
Seil durch Spreizbänder geweitet,
mit einem Scheuerschutz versehen
und zu einer Schlaufe gespleißt*.
Ein Ruckdämpfer aus Hartgummi,
der ins Innere des Hohltaues
eingeführt wird, staucht das
Geflecht um 30 cm und ermöglicht
so im Lastfall zusätzliche Dehnung.
Die Libre-Sicherungen folgen dem
sog. "System Osnabrück" und
bestehen aus Komponenten, die in
unterschiedlichen Belastungsstärken ausgewählt werden können.
Baumhalteschlaufen,
die
auf
verschiedene Längen vorkonfektioniert sind, lassen sich wahlweise
mit Stahlseilen oder dem Libre
Spleißtex Hohltau kombinieren.
Dieses Polyesterseil wird wie cobra
durch einen Quickspleiß oder, bei
doppelter Seilführung, als EndlosSpleiß mit den Gurten verbunden.
*
Der sog. Quickspleiß arbeitet nach dem Prinzip der chinesischen Handschellen: Zugbelastung presst
das Hohlseilgeflecht auf das eingeführte Seilende, die entstehende Reibung hält es sicher fest.
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Getestet wurden vergleichbare Dimensionierungen, wie sie regelmäßig von Baumpflegern eingesetzt werden. cobra weist in der Standardausführung eine Bruchlast
von 2,0 to auf, die sich innerhalb von 5 Jahren um 10% vermindert (vgl. BRUDI et
alt., 1999). Bei Libre kombinieren Baumpfleger in Standardsituationen vielfach die
Baumhalteschlaufe mit 2,8 to und das Verbindungsseil Spleißtex 35 mit 3,5 to Bruchlast. SCHRÖDER (1998) stellte bei den von ihm untersuchten Polyesterseilen (Fabrikat CrownTex) eine deutlich höhere Bruchlastminderung fest (um bis zu 48% in 5
Jahren). Daher werden solche Seile in der Praxis vielfach stärker dimensioniert.
Zu Vergleichszwecken wurde auch das Seil Libre Spleißtex 25 (2,5 to Bruchlast) sowie das System cobra standard ohne Ruckdämpfer untersucht.
Ziel der Untersuchungen
Die ZTV-Baumpflege legt besonderen Wert auf den Einsatz ruckdämpfender oder
flexibler Systeme, wenn bruchgefährdete Kronenteile an noch vitalen Bäumen gesichert werden. Eine Niedriglast-Schwingbreite soll möglich sein, um den Baum zu
verstärktem Zuwachs an der statischen Schwachstelle anzuregen (adaptives Wachstum). Ziel der Untersuchung war es, die beiden Produkte hinsichtlich dieser dynamischen Eigenschaften – Ruckdämpfung und Flexibilität – zu bewerten.
Methodik
Um die Flexibilität bewerten zu können, wurden
vollständige Systeme, einschließlich aller Komponenten wie Gurte oder Spreizbänder, auf einer
Prüfmaschine bei konstant ansteigender Streckung
bis zum Bruch gezogen. Dabei wurde als Aufhängung anstelle eines Stämmlings eine Schlingenscheibe mit 18 cm Durchmesser eingesetzt.
Zur Untersuchung der Ruckdämpfung wurden
komplette Kronensicherungen von im Mittel 3,75 m
Länge im Fallturm dynamischer Belastung durch
frei fallende Masse ausgesetzt. Dabei wurden
sechs Belastungsstufen unterschieden (vgl. Tab. 1).
Für die vier Versuchsreihen mit geringer freigesetzter Energie (Niedriglast) konnten die Proben am
oberen
Aufhängepunkt
entsprechend
der
tatsächlichen Einbausituation über eine Stämmlingsscheibe gelegt werden.
Tabelle 1
Belastungsstufen
Stufe
Niedriglast
Starklast
1
2
3
4
5
6
Energie
[Nm/J]
27
54
162
270
981
2.453
Masse
[kg]
55
55
55
55
100
100
Höhe
[cm]
5
10
30
50
100
250
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Bewertungskriterien
Wind regt Teile einer Baumkrone zu Schwingungen in unterschiedlicher Richtung
und Stärke an. Ein Kronensicherungssystem bremst diese Schwingungen und wird
dabei auf Zug belastet. Erfolgt die Belastung ruckartig, beispielsweise bei gegenläufigem Zurückschwingen zweier Stämmlinge, entsteht eine kurzzeitige Kraftspitze, die
einem Fangstoß vergleichbar ist. Dessen Stärke wird maßgeblich vom Dehnungsweg, den die gewählte Kronensicherung ermöglicht, bestimmt.
Je rascher die Bewegung eines Stämmlings von
der Kronensicherung abgebremst wird, desto
größer ist die Biegebelastung im Verankerungspunkt. Trägheit und eventuell zusätzliche
Windbelastung
sorgen
dafür,
dass
die
Kronenmasse oberhalb der Sicherung weiterschwingt, wodurch im Stamm erhebliche
Biegemomente* auftreten können.
Von den früher eingesetzten Stahlseilverankerungen ist eine Versagensart bekannt, die von
WESSOLLY/ERB (1998) als "Karate-Effekt"
beschrieben wurde. Die starren Stahlseile lassen
nur geringe Dehnung zu, so dass innerhalb von
Sekundenbruchteilen eine enorme Kraftspitze
entsteht und den Stahlanker herausreißen oder
zum Stämmlingsbruch führen kann.
Die Eigenschaften der untersuchten Kronensicherungen lassen sich allgemein anhand der maximal auftretenden Kraftspitze (Fangstoß) und der Zeit bis zu deren Erreichen (Fangzeit) beschreiben. Diese Werte zeigen, wie rasch die Beanspruchung
im Seil aufgebaut wird und veranschaulichen so dessen dynamische Belastung.
Messkurve Fallversuch
Kraft (daN)
Fangstoß
Fangzeit
Zeit
Im Fallturm wurde die Kraft,
die auf den oberen Aufhängepunkt wirkt, über die Zeit aufgezeichnet. Dabei wurden
auch weitere Kraftspitzen, die
nach dem ersten Fangstoß
auftraten, erfasst.
Diese entstehen, weil die Kronensicherung sich nach der
Vollbelastung (Verformungsarbeit) wieder entspannt und wie
eine Feder die gespeicherte
Spannungsenergie
freisetzt.
Dadurch wird das Fallgewicht
nach oben geschleudert und
erneut aufgefangen (2. Spitze).
*
Das Biegemoment errechnet sich aus Kraft mal Hebelarmlänge. Es erzeugt Biegung im einseitig
eingespannten Hebel und in dessen Randfasern Zug- bzw. Druckspannungen.
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Das Dehnungsverhalten von Seilen wird standardgemäß durch die Höchstzugkraft
beim Versagen des Systems (= Bruchlast) und die bei dieser Kraft mögliche Dehnung bestimmt. Einige Hersteller bieten mit Blick auf das Eigengewicht von Stämmlingen Kronensicherungen mit teils enormer Belastbarkeit (mehr als 10 to Bruchlast)
an. Bei der Bruchsicherung soll jedoch lediglich verhindert werden, dass Kronenteile
durch zu starkes Schwingen überdehnt werden und abbrechen (WESSOLLY 2002).
Über die Kräfte, die tatsächlich durch Windbelastung und Schwingung der Stämmlinge in einer regulären Kronensicherung auftreten, ist jedoch bislang wenig bekannt.
In einer Studie der Universität Melbourne
wurde erstmals die Belastung einer Kronensicherung in einem gegabelten, 29 m hohen
Eucalyptus in Dauermessung überwacht
(JAMES, 2002). Im Verlauf eines Jahres
zeichneten die Geräte lediglich Kräfte von
weniger als 500 daN* auf. WESSOLLY/ERB
(1998) leiten aus der Belastbarkeit der
Ringmutter in früheren Stahlverankerungen
ab, dass auf Kronensicherungen in der Regel nicht mehr als 1.000 daN (entspricht ca.
1 to) einwirken. Daher wurde die Dehnung
der Proben im Bereich dieser Belastungsstufen ermittelt.
Quelle: JAMES, 2002
Flexible Kronensicherungen sollen jedoch gerade auch bei geringer Belastung, also
schwachem Wind, Bewegungen der gesicherten Baumteile ermöglichen
(WESSOLLY/VETTER 1998). Daher war auch die Dehnung der untersuchten
Fabrikate bei 100 daN von Interesse. Zum Vergleich wurde aus dem
Kraft/Dehnungs-Diagramm ermittelt, wie hoch der Kraftaufwand für eine
Längenänderung um 10 % ist.
Kraft/Dehnungs-Diagramm
Beim System cobra kommt
die Verwendung des Ruckdämpfers sowie eine bei 300
daN auftretende Verformung
der Spreizbänder hinzu.
HöchstzugkraftDehnung
Bruch
Höhe der Bruchlast
Bevor die reine Seildehnung
aufgezeichnet wurde, die mit
der Belastung nahezu linear
zunimmt, zeigen die KraftDehnungsdiagramme einen
unspezifischen Kurvenverlauf.
Hier wirkt sich überwiegend
die Reckung des Seils und
der Komponenten aus.
Reckung/Ruckdämpfer
Seildehnung
*
Die Krafteinheit daN (Deka-Newton, 10 N) ähnelt der entsprechenden Masse in kg. Um einen Körper
von 500 kg gegen die Erdanziehung (~ 10 m/s2) anzuheben, benötigt man eine Kraft von ca. 500 daN.
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Ergebnisse
Ruckdämpfung
Die Stärke des Fangstoßes liegt beim System cobra stets deutlich niedriger als bei
Libre. Dessen Sicherheitsreserven sind jedoch weitaus höher, so dass die Bruchlast
des Spleißtex-Seiles von 3,5 to (gem. Herstellerangaben) auch auf der höchsten Energiestufe lediglich zu 53% ausgeschöpft wird.
Ohne Einsatz des Ruckdämpfers wird cobra deutlich stärker beansprucht. Der
Gummikörper kann die Kraftspitze im Seil immerhin um 20% reduzieren. Auf diese
Weise erhöht sich die ruckdämpfende Wirkung der Kronensicherung und vermindert
sich die Belastung des Seiles.
Fangstoß Starklast
Mittelw erte
2000
cobra standard
cobra ohne Ruckdämpfer
15%
1750
20%
Libre 35
Libre 25
Fangstoß (daN)
1500
1250
Die stärkere Dimensionierung von Libre bewirkt auf der höchsten Laststufe eine Zunahme des Fangstoßes um 15% und mindert so
die gewünschte Ruckdämpfung. Auch das geringer ausgelegte Spleißtex-Seil mit 2,5 to
Bruchlast führt noch zu einem fast 15% höheren Fangstoß als das System cobra mit Ruckdämpfer.
1000
750
500
250
Fangzeit bei Starklast
Mittelw erte
0
Energiestufe
2.452 J
Durch den Einsatz des Ruckdämpfers beim
System cobra tritt der Fangstoß erst nach der
nahezu doppelten Zeit auf. Das Abbremsen
des Körpers (entspricht dem Stoppen des
schwingenden Stämmlings) findet demnach
über einen längeren Zeitraum statt. Die Belastung im System wird so verringert.
Ohne Ruckdämpfer ist das dynamische Verhalten der beiden Produkte ähnlich.
140
120
100
Fangzeit (ms)
981 J
2-fach
80
60
40
20
0
981 J
2.453 J
Auch die Untersuchungsergebnisse im Niedriglastbereich zeigen, dass mit dem System cobra geringere Kraftspitzen entstehen. Der beim Einsatz von Libre gemessene
Fangstoß liegt im Mittel fast doppelt so hoch. Dies steht im Zusammenhang mit der
auch im unteren Lastbereich deutlich längeren Fangzeit bei cobra-Verbindungen.
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Fangstoß bei Niedriglast
700
cobra standard
cobra standard
cobra standard
Mittelw ert cobra
Libre 35
600
Fangstoß (daN)
500
Libre 35
Libre 35
Mittelw ert Libre
Libre 25
400
300
200
100
0
27 J
54 J
162 J
270 J
Energiestufen
Die Unterschiede im Energieabbau, der anhand der aufgezeichneten
Nachschwingungen bewertet wurde, waren im niedrigen Lastbereich besonders
ausgeprägt – hier spielen sie allerdings auch die geringste Rolle beim tatsächlichen
Einsatz im Baum. Zur Verdeutlichung sollen die zwei nachfolgenden Kraftkurven der
2. Energiestufe dienen.
Die auf den Ankerpunkt wirkende Kraft bei
der cobra-Kronensicherung sinkt bereits
nach fünf Schwingungen wieder nahezu auf
das Gewicht des Fallkörpers ab.
Die Belastung der Libre-Verbindung pendelt
sich auch innerhalb der gleichen Zeit auf
dieses Niveau ein, es erfolgen jedoch etwa 8
deutlich stärkere Ausschläge.
Der Energieabbau ist demnach bei beiden Produkten etwa gleich effektiv. Das weichere cobra-System vermeidet Lastspitzen, schwingt aber vergleichsweise länger
nach. Das härtere Libre-Seil kann Schwingungen besser abdämpfen, reagiert jedoch
auf Energiezufuhr mit stärkerem Ausschlag.
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Flexibilität
Der Einsatz des Ruckdämpfers ermöglichte bereits mit geringer Zugkraft
(100 daN) eine Grunddehnung der
2,35 m langen cobra-Verbindungen
von knapp 30 cm. Der Ruckdämpfer
selbst wird bei 100 daN bereits um
40%, d.h. von 40 auf über 56 cm und
bis zum Seilbruch auf mehr als 70 cm
Länge (78%) gestreckt. Dieser Wert ist
unabhängig von der Gesamtlänge der
Verbindung. Erst bei größerer Belastung (über 400 daN) steigt die Dehnung proportional mit der Zugkraft bis
zum Seilriss an.
Das System cobra lässt im unteren Lastbereich wesentlich stärkere Schwingungen
zu. Die Auslenkung der gesicherten Stämmlinge ist dadurch bereits bei schwachem
Wind mehr als doppelt so groß. Ohne Ruckdämpfer weist die cobra-Verbindung bei
100 daN allerdings eine geringere Dehnung auf als die untersuchten LibreSicherungen mit Spleißtex 25 und 35.
Dehnung Kronensicherungen
bei 2,35 m Grundlänge
Bei 500 daN dehnten sich cobraVerbindungen ohne Ruckdämpfer im
Versuch um 28 cm, das entspricht 12%
der Gesamtlänge der Verbindung. Bei
Verwendung des Gummikörpers erhöht
sich dieser Wert auf 56 cm oder 24%.
1.000 daN
750 daN
Libre-Verbindungen lassen bei gleicher
Belastung dagegen lediglich etwa 9%
Dehnung zu.
500 daN
cobra standard
cobra ohne Ruckdämpfer
Libre 35
Libre 25
100 daN
0%
5%
10%
15%
20%
25%
Um eine Systemdehnung von 10% zu erreichen, muss bei Libre das 10-fache der
Kraft aufgewendet werden, die bei cobra
erforderlich ist.
30%
Dehnung in % der Grundlänge
Für den Einsatz im Baum spielt es auch eine wichtige Rolle, welchen Spielraum das
verwendete System dem gesicherten Stämmling bei hoher Belastung gewährt. Dazu
wurden die Dehnungswerte bei 500, 750 und 1.000 daN aus der Dehnungskurve ermittelt. Dabei zeigte sich, dass die Dehnung einer Libre-Verbindung bis zu 11,5%
betrug. Das entspricht 28 cm, während bei cobra mehr als 65 cm oder bis zu 28%
der Ausgangslänge erreicht wurden.
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Seildehnung
Bei längeren Verbindungen sinkt die prozentuale Dehnung im Vergleich zu den im
Versuch ermittelten Werten ab. Bei cobra
wirkt sich die reine Seildehnung im Vergleich zum Einfluss des Ruckdämpfers
stärker auf das Dehnungsverhalten aus.
aus optischer Messung
2.000 daN
1.750 daN
1.500 daN
Die reine Seildehnung ist nur von der Länge des Verbindungsseiles abhängig. Sie
liegt bei cobra mit nur 6,3% bei 1.000 daN
deutlich niedriger als die o.g. Dehnung einer vollständigen Verbindung mit 2,35 m
Länge.
1.250 daN
1.000 daN
750 daN
500 daN
Libre 35
Libre 25
250 daN
0 daN
0%
cobra standard
2%
4%
6%
8%
10%
12%
Verdoppelt man die Länge der Kronensicherung auf 4,70 m, beträgt die Dehnung
unter ca. 1 to Last rechnerisch nur noch
17,5%. Für eine Libre-Verbindung gleicher
Länge ergäbe sich bei 5% reiner Seildehnung ein Wert von rund 8 %.
Dehnung
Zusammenfassung
Beide untersuchten Fabrikate vermindern ruckartige Belastungen beim Abbremsen
von Stämmlingen, indem sie durch Dehnung Energie abbauen und die auftretenden
Kräfte über eine gewisse Zeitspanne verteilen. Der Einsatz des Ruckdämpfers im
System cobra führt zu geringeren Kraftspitzen, der Kraftanstieg verläuft sanfter.
Gleichzeitig erhöht der Ruckdämpfer die Dehnbarkeit des Systems cobra erheblich.
Durch die größere Flexibilität ist auch bei geringen Windkräften eine definierte
Schwingungsbreite möglich, die bei 2,35 m Grundlänge mit 12% oder knapp 30 cm
etwa doppelt so groß ist wie bei Libre-Verbindungen.
Da eine cobra-Kronensicherung bei größeren Belastungen ebenfalls stärkere Bewegungen der Stämmlinge zulässt, wird auch eine gesicherte Schwachstelle höher belastet. Wird cobra ohne Ruckdämpfer eingebaut, sind beide Produkte jedoch vergleichbar, da sich die reine Seildehnung auf ähnlichem Niveau bewegt.
Kräfte, wie sie zum Erreichen der maximalen Dehnung der Sicherungen erforderlich
wären, wurden bislang in Kronen noch nicht nachgewiesen. Nach Berechnungen von
WESSOLLY (2002) würde eine Kraft von 1.000 daN bereits ausreichen, um beispielsweise bei Rosskastanien auch ungeschädigte Stämmlinge mit 40 cm Durchmesser zum Bruch zu ziehen.
Im Regelfall sollten Sicherungen ohnehin im Dreiecksverbund eingebaut werden.
Dies reduziert die Belastung in der Einzelverbindung und im sichernden Stämmling
sowie die mögliche Auslenkung des bruchgefährdeten Kronenteiles maßgeblich.
Bewertung
Bislang ist nicht bekannt, ob das adaptive Wachstum an statischen Schwachstellen
umso größer ist, je stärker das Kronenteil bei Niedriglast schwingt. Einige Untersuchungen deuten darauf hin, dass lediglich ein Schwellenwert erreicht werden muss,
um den Wachstumsreiz vollumfänglich auszulösen (vgl. SPATZ/SPECK, 2001).
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Das cobra-System stellt aufgrund der stärkeren Dehnbarkeit bei geringen Lasten sicher, dass in vitalen Bäumen das adaptive Dickenwachstum stimuliert wird. Gleichzeitig werden aufgrund des weicheren Energieabbaus auch schlanke, zu großer Höhe aufgewachsene Stämmlinge vergleichsweise gering belastet. Beim Einbau von
Halteseilen* ist jedoch die günstigste Einbauhöhe zu beachten, um einer Überdehnung statischer Schwachstellen vorzubeugen (Verhältnis der Anbringhöhe über dem
Verzweigungspunkt zum Basisdurchmesser mindestens 20 : 1).
Diese Gefahr ist bei den Mehrkomponentensystemen ohne ruckdämpfende Elemente (hier Fabrikat Libre) aufgrund ihrer geringeren Dehnbarkeit weniger stark gegeben.
Gleichzeitig werden beim Abbremsen von Schwingungen sowohl das Material als
auch die gesicherten Kronenteile größeren Kräften ausgesetzt. Durch eine höhere
Belastbarkeit dieser Systeme im fabrikneuen Zustand sind jedoch ausreichende
Tragfähigkeitsreserven vorhanden.
Da sie straffere, höher belastbare Verbindungen zulassen, bieten sich diese Systeme
für eine Sicherung bereits angerissener V-Zwiesel oder massiv vorgeschädigter
Stämmlinge in wenig vitalen Bäumen an, bei denen aufgrund geringer Vitalität ohnehin kein adaptives Wachstum mehr zu erwarten ist. cobra sollte hier aufgrund der
ansonsten zu großen Dehnbarkeit nur ohne Ruckdämpfer eingesetzt werden.
Die Studie wurde im eingeschränkten Rahmen durchgeführt. Allen Ergebnissen fehlt
die statistische Absicherung. Sie sind daher lediglich als Tendenzen zu verstehen.
Literaturangaben
BRUDI, E., LESNINO, G., SPIESS, C.
FLL (Hrsg.)
JAMES, K.
SCHRÖDER, K.
SPATZ, H.-C., SPECK, T.
WESSOLLY, L.
WESSOLLY, L., ERB, M.
WESSOLLY,L., VETTER, H.
WESSOLLY,L., VETTER, H.
PRODUKTINFORMATIONEN
Erfolgskontrolle des cobra-Kronensicherungssystems, in: Neue Landschaft 8/1999
Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Baumpflege, 2001
An Engineering Study of Tree Cables, in:
Journal of Arboriculture, 2002
Kronensicherung mit dem "Doppelgurtsystem Osnabrück", in: Jahrbuch der Baumpflege 1998
Plant Biomechanics 2000, Proceedings of
the 3rd Plant Biomechanics Conference
Bemessung von Kronensicherungen, in:
Stadt + Grün, 7/2002
Handbuch der Baumstatik und Baumkontrolle, 1998
Kronensicherung in Bäumen, in: Neue Landschaft 2/1995
Tips und Tricks bei der Kronensicherung
von Bäumen, in: Neue Landschaft 10/1998
pbs-Baumsicherungsprodukte
Libre Powersails
*
Halteseile verlaufen mehr oder weniger waagrecht und sollen die Windlast auf mehrere Stämmlinge
verteilen. Im Gegensatz dazu werden Tragseile schräg nach unten oder nahezu senkrecht geführt,
um das Eigengewicht eines geschädigten Kronenteiles zu tragen und den freien Fall zu verhindern.
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