08 EINFACH.KPMG, FREITAG, 27. MÄRZ 2015 ARBEIT LEBEN An der Werkbank im Jahr 2030 Wenn der Feierabend abgeschafft wird DR. HEIKO VON DER GRACHT, Institute of Corporate Education U nsere Großeltern arbeiteten noch ein Leben lang am gleichen Ort für dieselbe Firma. Heute wechseln wir im Schnitt alle zehn Jahre das Unternehmen, arbeiten auf verschiedenen Kontinenten, im Homeoffice, am Strand oder gar nicht. Wo wird das alles hinführen? Wie sieht das Arbeiten im Jahr 2030 aus? Die Veränderungen werden noch einschneidender sein, und sie werden immer mehr Bereiche unseres Arbeitsalltags betreffen. Die technologische Entwicklung wird weiter voranschreiten und schon bald Dinge möglich machen, die sich für uns heute noch wie Szenen aus einem völlig überzogenen Science-Fiction-Film anhören. Das Kompetenzprofil, das von einer guten Führungskraft erwartet werden wird, wird vielfältiger ausfallen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen bereit sein, sich ein Leben lang fortzubilden und weiterzuentwickeln – das betrifft nicht nur die fachlichen Fähigkeiten, sondern vor allem auch die sozialen. Lebenslanges Lernen, die Fähigkeit offline zu gehen, soziale Kompetenzen. Wer in der Zukunft zu den begehrten Führungskräften zählen will, muss sich auf all diese Dinge einstellen – und einlassen. Soziale Kompetenzen entscheiden über den Wert eines Mitarbeiters Das Büro der Zukunft Wer in ein paar Jahren seinen Arbeitsplatz betritt, muss kein Licht mehr anmachen, denn das Büro verfügt über Ambient Intelligence. Der Raum erkennt, wer ihn betritt, und schafft elektronisch einen individualisierten Arbeitsplatz. Licht, Farbe und Temperatur werden auf den jeweiligen Nutzer abgestimmt. Ganze Wände werden zu riesigen Displays, das Handy ist mit allen möglichen Gegenständen am Arbeitsplatz vernetzt. Gesteuert wird das alles mit Gesten und irgendwann einfach nur mit Gedanken. Der Mitarbeiter wird künftig mit speziellen Handschuhen in der virtuellen Welt Gegenstände betasten und bearbeiten können, die in der realen Welt noch gar nicht existieren. Während wir heute täglich in einer Flut von E-Mails untergehen, wird diese Form der Kommunikation schon bald so veraltet sein wie die Wählschei- TAX REGIONAL CHANCEN CONSULTING AUDIT WISSEN TAX DEAL ADVISORY LEIDENSCHAFT LÖSUNGEN WISSEN Einfach. Voraus CONSULTING REGIONAL KLARHEIT WISSEN IDEEN ERFAHRUNG ERFOLG QUALITÄT LÖSUNGEN GLOBAL LEIDENSCHAFT ERFAHRUNG CHANCEN REGIONAL IDEEN TAXWISSEN www.kpmg.de/einfach © 2015 KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Alle Rechte vorbehalten. be am Telefon. Der Prozess wird sich umkehren: Informationen werden nicht mehr gießkannenartig im Unternehmen verteilt, sondern müssen von den Mitarbeitern viel aktiver und zentral abgeholt werden. Konferenzen oder auch Vor lesungen können an unzähligen Orten der Welt in unzähligen Sprachen verfolgt werden – dank der automatischen Simultanübersetzung. Der Mitarbeiter spricht beispielsweise in Düsseldorf auf Deutsch in die intelligente Wand seines Büros, und in Schanghai spricht sein Hologramm zeitgleich chinesisch mit den chinesischen Kunden, inklusive tonaler Nachahmung des Redners. Eine halbe Milliarde Menschen benutzen schon heute etwa 20 Stunden in der Woche einen eigenen Avatar, also einen künstlichen Repräsentanten im Netz. In Zukunft wird der Gravatar die Visitenkarte sein. Egal, ob man etwas postet, kommentiert, veröffentlicht oder an einer virtuellen Konferenz teilnimmt, weltweit wird das gleiche Bild zu sehen sein: der „globally recognized avatar“. Der Chef der Zukunft Die Persönlichkeit des Chefs wird eine viel größere Rolle spielen, sein Charakter, seine Authentizität. Denn Engpass der Globalisierung sind nicht Technik oder Logistik, sondern die Missverständnisse zwischen den Kulturen. Neben der Bereitschaft, sich dem technischen Fortschritt zu stellen, brauchen Menschen deshalb zukünftig ein erweitertes Spektrum an Kompetenzen, um in der Arbeitswelt bestehen zu können. Dazu gehören vor allem Soft Skills, also soziale Kompetenzen. Sie entscheiden über den Wert des Mitarbeiters für das Unternehmen und seine Karrierechancen. Erfolgreiche und gefragte Mitarbeiter werden außerdem nicht nur in ihrem Fachgebiet kompetent sein, sondern die Fähigkeit zum Denken und Handeln an den Schnittstellen zwischen den Disziplinen beherrschen. Es werden so viele Informationen verfügbar sein wie nie zuvor. Die Kunst der Zukunft wird darin bestehen, die relevanten Informationen herauszupicken, aufzubereiten und zusammenzuführen. Lebens- und Arbeitswelt werden noch stärker verschmelzen als bisher. Der Feierabend wird praktisch abgeschafft. Mitarbeiter arbeiten und leben parallel und simultan 24 Stunden, sieben Tage die Woche. Auf sehr unterschiedliche Art. Die einen werden mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit zu Hause verbringen, dafür müssen aber einige Dinge geklärt sein: Familie, Organisation, Motivation. Andere werden den Firmencampus maximal noch zum Schlafen verlas sen. Unternehmen schaffen auf ihrem Firmengelände Orte, an denen unterschiedliche Lebenswelten nebeneinander existieren: Das umfasst die Kita für den Nachwuchs, Möglichkeiten zur Weiterbildung, Sportstätten, Bars und Restaurants. Mitarbeiter leben und arbeiten parallel und simultan In einer derart verwobenen Arbeits- und Lebenswelt wird die Selbstregulierungsfähigkeit zu einer der wichtigsten Fähigkeiten. Wer es nicht schafft, so oft und lang wie nötig auch mal offline zu gehen, wird untergehen. Zahlen des Bundesverbandes der Betriebskrankenkassen (BKK) belegen, dass die Zahl der Krankheitstage aufgrund von Burn-out-Erkrankungen binnen acht Jahren um das 18-Fache gestiegen ist. Querdenken erwünscht Alle diese Entwicklungen führen dazu, dass sich auch die Bildung verändern muss. Eine Zeit lang setzten Unternehmen und Bildungsinstitute auf Spezialisten, die sich in einem kleinen Bereich sehr gut auskennen. Doch das wird in Zukunft nicht mehr reichen. Die Interdisziplinarität wird eine große Rolle im Stundenplan einnehmen, Querdenkertum muss gefördert werden. Auch lernt der Mitarbeiter der Zukunft nicht mehr nur ein paar Tage in einem Seminar, sondern mit neuen integrierten Lernmethoden wie Social Learning praktisch jeden Tag und jede Arbeitsstunde an seinem Arbeitsplatz dazu. Feuerwehr und Polizei trainieren schon heute mit Computersimulationen (Serious Games) den Ernstfall, bald werden das auch Ingenieure und Techniker tun. Das alles bleibt nicht ohne Folgen: In modernen Industrie staaten beobachteten Ärzte bereits vor einigen Jahren bei jungen Menschen Gedächtnis-, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen, die eindeutig im Zusammenhang mit der Nutzung von Computern und Internet stehen sollen. Mentale Fitness wird demnach künftig eine wichtige Ressource werden. Gehirnforscher prognostizieren: So wie Mitarbeiter heute ins Fitnessstudio gehen, um ihren Körper für die Heraus forderungen des Alltags zu wappnen, könnten sie bald in Mental Fitnessstudios gehen, um geistig und seelisch auf der Höhe zu bleiben und nicht digital dement zu werden. Egal, wo die Entwicklung noch hingeht, eines ist sicher: Arbeitgeber müssen den Wandel, die wichtigsten Trends und Themen stets im Blick haben. Sonst haben sie langfristig im Werben um die Talente keine Chance. n Unsere Arbeitswelt wird sich in den kommenden Jahren stark verändern. Neben technischen Fertigkeiten werden vor allem soziale Kompetenzen und der Wille zur ständigen Weiterentwicklung ausschlaggebend für eine erfolgreiche Karriere sein.
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