Ein Futtermittel in der Kritik: Gibt es Alternativen zu Soja?

Ein Futtermittel in der Kritik: Gibt es Alternativen zu Soja?
Stellungnahme des Agrarsozialen Arbeitskreises (ASA) der Evangelischen
Landjugend in Bayern zum Einsatz von Soja in der Landwirtschaft
Pappenheim, im Februar 2013
Neben Industriegütern sind landwirtschaftliche Erzeugnisse wichtige Bestandteile
weltweiter Handelsströme. Dazu gehören auch Futtermittel, die unter anderem in Europa zur Produktion von Fleisch, Milch oder Eiern eingesetzt werden. Seit Jahren
steht der Import von Sojafuttermitteln aus Lateinamerika in der Kritik. Das vorliegende Positionspapier des Agrarsozialen Arbeitskreises (ASA) der Evangelischen Landjugend in Bayern möchte darlegen, inwieweit und unter welchen Rahmenbedingungen Alternativen möglich und sinnvoll sind.
Nutzen und Anbau
Aus ernährungsphysiologischer Sicht zeichnet sich die Sojabohne durch eine hohe
Verwertbarkeit ihrer Inhaltsstoffe aus. Sojabohnen enthalten ca. 18 % Öl und 36 %
Eiweiß. Sojaöl wird vor allem als Lebensmittel, aber auch für die Produktion von
Treibstoff eingesetzt. Der verbleibende Sojaextraktionsschrot (SES, kurz: Sojaschrot)
wird aufgrund des hohen Eiweißgehalts vorwiegend als Futtermittel verwendet. Sojaschrot ist eine wichtige Komponente in der Fütterung von Geflügel, Schweinen, Rindern und Milchkühen. Er verfügt über eine für die tierische Ernährung günstige Zusammensetzung aus essentiellen Aminosäuren und hohem Rohproteingehalt von
etwa 44 %. SES ist deshalb ein vorzüglicher Bestandteil der Futterration landwirtschaftlicher Nutztiere.
Sojabohnen enthalten verdauungshemmende Enzyme, welche die Eiweißverfügbarkeit senken (Trypsininhibitoren). Zur Inaktivierung der Hemmstoffe muss Soja deshalb in großtechnischen Anlagen wärmebehandelt werden (sogenanntes „toasten“).
Die bedeutensten Erzeugerländer sind Brasilien, Argentinien und die USA. Der Anbau von Soja ist trotz jährlicher Preisschwankungen rentabel. In Folge der hohen
Nachfrage wurde die Anbaufläche in den letzten Jahrzehnten stark ausgedehnt. China führt weltweit die größte Menge an Soja ein. Die Europäische Union importiert
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derzeit pro Jahr rund 13 Millionen Tonnen Sojabohnen und 22 Millionen Tonnen Sojaschrot, der Freistaat Bayern 800 000 Tonnen Sojaschrot.
In Europa spielt der Sojaanbau insgesamt eine untergeordnete Rolle. Die Sojaanbaufläche der EU 27-Staaten liegt mit rund 400 000 Hektar bei 0,4 % der weltweiten
Produktion. In Deutschland wurden im Jahr 2011 auf einer Ackerfläche von
5 000 Hektar Sojabohnen angebaut, im Nachbarland Österreich waren es 38 000
Hektar. Legt man Erträge von drei Tonnen Sojabohnen pro Hektar zu Grunde, so
beliefe sich die Erzeugung in Deutschland auf 15 000 Tonnen Bohnen bzw. 12 000
Tonnen Schrot. Österreich käme auf 114 000 Tonnen Sojabohnen bzw. 91 200 Tonnen Sojaschrot.
Kritik am Sojaanbau
Vor dem Hintergrund einer schnell wachsenden Weltbevölkerung und einem dadurch
steigenden Bedarf an Nahrungsmitteln und Energie wird Boden zu dem begrenzenden Faktor. Schwellenländer wie Brasilien haben riesige fruchtbare Ackerflächen,
niedrige Produktionskosten, geringe Sozial- und Umweltstandards und setzen auf
Agrarexporte. Diese Exportorientierung der Landwirtschaft, gefördert durch geringe
Transportkosten, verspricht Gewinne – in Entwicklungs- und Schwellenländern oft
nur für einige Wenige – sowie Steuereinnahmen. Handelsgüter sind nicht nur Soja,
sondern Fleisch, Agrotreibstoffe, Getreide, Früchte.
Der Anbau von Sojabohnen, speziell für den Export, steht seit vielen Jahren in der
öffentlichen Diskussion: In Ländern wie Brasilien, Argentinien oder Paraguay wird
Ackerland gebunden und steht nicht für die Nahrungsmittelversorgung der eigenen
Bevölkerung zur Verfügung. Der „Sojaboom“ begünstigt die Verdrängung von Kleinbauern durch Großgrundbesitzer und Investoren. Weitere Kritikpunkte sind einseitige
Fruchtfolgen auf großen Flächen, ein weitflächiger Einsatz an Pflanzenschutzmitteln
und die Zerstörung schützenswerter Ökosysteme. Diese Situation trifft grundsätzlich
sowohl für den Anbau von konventionellem, als auch von genverändertem Soja zu.
Der Anteil genveränderter Sojabohnen (GVO-Soja) hat im Jahre 2011 einen Anteil
von 73 % der Welterzeugung erreicht. Die am Häufigsten anzutreffende Genveränderung bewirkt die Resistenz gegen das Breitbandherbizid Round-up. Das Pflanzenschutzmittel Round-up wirkt gegen Unkräuter, während die genveränderten Sojapflanzen keinen Schaden nehmen. Der Anbau genveränderter Sojabohnen ist ebenfalls Gegenstand massiver Kritik, da negative Auswirkungen, wie Abhängigkeiten von
Großkonzernen, der Verlust der Wahlfreiheit der Verbraucher oder Resistenzen von
Unkräutern gegeben bzw. zu befürchten sind. Sowohl genveränderte als auch nicht
genveränderte Sojabohnen sind beim Anbau auf Maßnahmen des Pflanzenschutzes
angewiesen.
Für die heimische Landwirtschaft kann deshalb die Frage nach Alternativen gestellt
werden.
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Alternativen und Perspektiven
Sojafreie Futterrationen
Die Eiweißversorgung von Wiederkäuern kann durch eine Vielzahl von heimischen Futtermitteln sichergestellt werden. Beispiele sind Rapsextraktionsschrot,
Rapskuchen, Lupinen, Futtererbsen, Grascobs, Luzernegrünmehl, Schlempen
oder Biertreber.
Allerdings bestehen auch Hemmnisse: Eine regionale und dezentrale Versorgung
mit Eiweißfuttermitteln auf der Basis von Raps wurde in den letzten Jahren durch
deutsche Steuerpolitik ausgebremst. Infolge der hohen Besteuerung von Biodiesel und Pflanzenöl als Treibstoff brach der Markt zusammen. Viele Ölmühlen stehen still oder sind bereits insolvent. Das Nebenprodukt Rapskuchen ist deshalb
weniger verfügbar. Seit dem Wegfall der Trockenfutterbeihilfe muss regional erzeugtes Trockengut (Grascobs oder Luzernegrünmehl) wegen hoher Energiekosten mit billigem Importsoja konkurrieren.
Der Stickstofflieferant Futterharnstoff stellt als indirekte Eiweißquelle einen weiteren Baustein dar. Denn Wiederkäuer können daraus mit Hilfe der Mikroorganismen des Pansens hochwertiges Eiweiß bilden. Ein Milchviehbetrieb mit 80 Kühen
könnte mit den genannten Futtermitteln jährlich 50 Tonnen Sojaextraktionsschrot
ersetzen. Trotz dieser Alternativen stellt SES jedoch eine schwer zu ersetzende
Eiweißquelle für Kälber und Kühe mit hoher Milchleistung dar.
Weniger günstig ist die Situation in der Schweinehaltung: Hier kann - unter den
gegebenen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen - Sojaschrot nur anteilig, beispielsweise durch Eiweißfuttermittel wie Rapskuchen, ersetzt werden.
Regional erzeugte Sojabohnen
Im Jahre 2011 wurden in Bayern Sojabohnen auf 3000 Hektar Fläche angebaut.
Ein begrenzender Faktor ist das Klima, da Soja einen hohen Wärmebedarf hat.
Es ist Ziel der bayerischen Staatsregierung, im Rahmen des „Aktionsprogramms
Heimische Eiweißfuttermittel“, weniger abhängig von Futtermittelimporten zu werden und den Sojaanbau in Bayern zu steigern. Von 2010 auf 2011 ist die Anbaufläche für Soja um rund 20 % gestiegen. In Relation zur Importmenge von 800
000 Tonnen Sojaschrot jährlich bewegt sich das in Bayern erzeugte Soja allerdings nur in der Größenordnung von 1 %. Aus diesen Relationen kann geschlossen werden, dass der regionale Sojaanbau auch in Zukunft nur einen geringeren
Beitrag zur Eiweißversorgung leisten kann.
Regional erzeugte Sojabohnen sind vergleichsweise teuer: Ein Mastschwein frisst
ca. 60 kg Sojaschrot. Während SES aus bayerischer Erzeugung 55 € pro 100 kg
kostet, sind es beim handelsüblichen genveränderten Soja z.B. aus Brasilien 42
€. Die Differenz von 13 € ergibt pro Mastschwein einen Unterschied von ca. 8 €
(zu Grunde gelegte Preise schwankend, siehe Börsennotierung). Eine Ausweitung des Anbaus macht auch entsprechende Kapazitäten in der Weiterverarbeitung (Wärmebehandlung) erforderlich.
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Gentechnikfreie Erzeugung
Viele Landwirte sind bereit, ihre Tiere gentechnikfrei zu füttern, um auch den
Wünschen der Verbraucher zu entsprechen. Der Einkauf von gentechnikfreiem
Importsoja bedeutet Mehrkosten von 8 bis 10 € pro 100 kg. Da sich diese höheren Kosten nicht in besseren Verkaufspreisen niederschlagen, ist es wirtschaftlich
kaum ratsam, gentechnikfreien Sojaschrot einzusetzen. Bei einem Preisunterschied von 8 € pro 100 kg Sojaextraktionsschrot ergeben sich beispielsweise
Mehrkosten von 4,80 € pro Mastschwein. Bezogen auf einen familiär geführten
Bauernhof mit 1 000 Stallplätzen bedeutet dies Mehrkosten von etwa 13 000 €
pro Jahr. Diese, gemessen am Gesamterlös, hohen Aufwendungen werden bisher nur in Marktnischen (Regionalprogramme, Direktvermarktung) durch höhere
Verkaufserlöse ausgeglichen.
Grundsätzlich kann die Nachfrage an gentechnikfreiem Soja auf dem Weltmarkt
gedeckt werden. Die im brasilianischen Verband für GVO-freien Anbau von
Ackerfrüchten (ABRANGE) zusammengeschlossenen Unternehmen produzieren
derzeit jährlich rund sieben Millionen Tonnen GVO-freie Sojabohnen. Wie die
ABRANGE mitteilt, ist es für den brasilianischen Erzeuger rentabel, gentechnikfreie Sojabohnen anzubauen. Das bayerische Landwirtschaftsministerium baut
derzeit in Kooperation mit brasilianischen Lieferanten funktionsfähige Lieferketten
und ein zuverlässiges Zertifizierungssystem auf.
Politik mit dem Einkaufskorb
Der Einsatz von heimischem oder gentechnikfreiem Sojafutter verursacht Mehrkosten, die sich – außer bei Direktvermarktern, Biobetrieben und Teilnehmern
von Regionalprogrammen – nicht im Verkaufspreis des Endprodukts niederschlagen. Da viele Verbraucher nicht bereit sind, für alternative Fütterungsmethoden
angemessene Preise zu zahlen, wird der Großteil der landwirtschaftlichen Erzeugung hier nicht umschwenken. Eine Änderung der Landnutzung in anderen Teilen
der Erde hängt also stark von den Kaufentscheidungen hiesiger Verbraucher ab.
Abschließende Überlegungen
1. Es ist zu erwarten, dass Soja weiterhin ein fester Bestandteil vieler Futterrationen bleibt und aus den Anbauländern in Übersee importiert wird.
2. Regionale Teillösungen sind möglich: Durch Umstellungen in der Fütterung
zugunsten heimischer Futtermittel sowie durch Anbau von Soja und anderer
eiweißreicher Futterpflanzen in Bayern sind Einsparungen bei der Einfuhr
von Soja möglich.
3. Eine Umstellung auf gentechnikfreie Fütterung, wie sie dem Wunsch vieler
Verbraucher entspricht, wäre denkbar. Es befinden sich bereits jetzt ausreichende Mengen nicht genveränderter Bohnen auf dem Markt. Das Angebot
orientiert sich an der weltweiten Nachfrage.
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4. Sojaimporte aus Lateinamerika kommen häufig aus Landnutzungsformen,
die aus sozialen und ökologischen Gründen stark verbesserungswürdig sind.
Diese Zustände ändern sich wahrscheinlich nicht durch den Einsatz von
gentechnikfreiem Sojafutter in Europa, da sich die geschilderten Probleme
nicht grundsätzlich ändern.
5. Ähnliches könnte zu erwarten sein, wenn die Sojaimporte aus Lateinamerika
nach Europa komplett eingestellt würden. Abgesehen davon, dass Länder
wie China weiterhin wichtige Importstaaten auf dem Weltmarkt sind, würden
bisherige Sojaanbauflächen für andere Exportprodukte, wie Agrotreibstoffe,
genutzt werden.
6. Um die negativen Auswirkungen des Sojaanbaus in den Ländern des Südens einzudämmen, müssten entsprechende Zertifizierungssysteme geschaffen werden, die soziale und ökologische Kriterien berücksichtigen.
Auch indirekte Auswirkungen des Sojaanbaus, wie die Verlagerung anderer
Agrarproduktionen in Regenwaldgebiete, müssten kontrolliert und in ein Zertifizierungssystem einbezogen werden.
7. Fütterungsalternativen und Zertifizierungssysteme sind mit höheren Kosten
bei der Erzeugung verbunden. Solange diese nicht vom Verbraucher honoriert werden, sind keine größeren Änderungen zu erwarten. Hier ist der
Verbraucher gefordert, sein Einkaufsverhalten konsequent zu ändern.
ASA
Agrarsozialer Arbeitskreis der Evangelischen Landjugend
in Bayern (ELJ), 91788 Pappenheim, www.elj.de
Ansprechpartner:
Tobias Volkert, ASA-Landesvorsitzender
91166 Rittersbach, [email protected]
Dr. Peter Schlee, ELJ-Agrarreferent
91788 Pappenheim, [email protected]
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