Bedeutung und Anwendbarkeit der EU-Verordnung 1935

KOMPONENTEN
Dichtungstechnik
Bedeutung und Anwendbarkeit der EU-Verordnung
1935/2004 und Hygienic Design DIN 11864/
DIN 11853 für die Dichtungstechnik
Dipl.-Ing. (FH) Michael Krüger
Die EU-Verordnung 1935/2004 legt
einen allgemeinen Rahmen für
Materialien und Gegenstände fest,
die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen. Sämtliche Materialien und
Gegenstände, die für die Verpackung von Lebensmitteln verwandt
werden, müssen den Anforderungen dieser Verordnung entsprechen. Bei den Hygienic DesignNormen DIN 11864 und 11853
handelt es sich um Normen für
Armaturen aus nichtrostendem
Stahl für Lebensmittel und Chemie.
Sie gelten für die in der Lebensmittel- als auch Pharmaindustrie
eingesetzten Aseptik-Rohrverschraubungen. Diese Normen und
Verordnungen dienen letztendlich
nur einem Ziel, den Verbraucher zu
In der Lebensmittel- und Pharmaindustrie sind die Anforderungen an
die hier eingesetzten Maschinenkomponenten sehr hoch. Für Elastomerdichtungen, wie beispielsweise den
häufig verbauten O-Ringen, ist der
Einsatz geradezu herausfordernd. Die
Basis einer guten Dichtung stellt die
generelle Medienbeständigkeit dar,
wie z. B. der Einsatz in fetthaltigen
Medien oder auch den für elastomere
Dichtungswerkstoffe
kritischen
Aromastoffen und ätherischen Ölen.
Darüber hinaus müssen die Dichtungen auch im heutzutage angewandten CIP- oder SIP-Verfahren (CIP =
Cleaning in place; SIP = Sterilisation in
place) einsetzbar sein. Die Wechselwirkungen zwischen den abzudichtenden
Medien und den teilweise sehr aggressiven Desinfektions-/Reinigungsmitteln oder dem im Sterilisationsprozess
eingesetzten Heißwasserdampf mit
einer Einsatztemperatur von bis zu
149° C stellen eine enorme Materialbelastung dar. Deshalb versagen hier auf
Dauer viele elastomere Dichtungen.
Häufigere Wartungsintervalle, vermehrte Instandsetzungsarbeiten oder
gar Produktionsstopps sind die kostspielige Folge.
Im Vergleich zur Lebensmittelindustrie
sind die Anforderungen in der Pharmaindustrie und Biotechnologie noch
höher anzusetzen. Hier werden vollentsalztes Wasser (VE-Wasser), Highly
Purified Water oder gar WFI (Water-forInjection) zunehmend zur Standardanforderung. Für die eingesetzten elastomeren Dichtungen in diesen Anlagen
stellt der Kontakt mit Reinstwasser –
insbesondere mit der reinsten Form,
dem WFI eine Extremsituation dar. Bei
WFI handelt es sich um vollends entmineralisiertem Wasser. WFI beansprucht und beschädigt Materialien,
indem es versucht, von den Kontaktwerkstoffen die Mineralien zu entziehen und diese dadurch stark schädigt.
Nur wenige Dichtungswerkstoffe
sind im langfristigen Einsatz mit diesen Medien beständig und verfügen
gleichzeitig über die in diesen Anlagen notwendigen Freigaben nach FDA
und USP Class VI. Deshalb verlangen
die Anwender oder Konstrukteure zunehmend Nachweise über die Eignung
in den eingesetzten Anwendungen als
auch Bescheinigungen oder konkrete
Aussagen über bestimmte Beständigkeiten der von Ihnen eingesetzten
Dichtungswerkstoffe.
schützen.
Foto©: COG
Abb. 1: O-Ringe aus FKM Werkstoff Vi 780
PROZESSTECHNIK & KOMPONENTEN 2015
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Schwierigkeit im Umgang mit der
EU Rahmenverordnung 1935/2004
Für die Anwender in den betroffenen
Branchen sind Zulassungen nach FDA,
3-A Sanitary Standard oder USP als internationale Standards fest etabliert.
Empfehlungen nach KTW, DVGW oder
BfR gelten als „alte Bekannte“. Schwieriger wird es allerdings, wenn die EUVerordnung 1935/2004 (Rahmenverordnung) verlangt wird, denn hier gibt
es einige Irritationen in der Anwendbarkeit auf Elastomerdichtungen oder
aber diese Verordnung ist vielen Anwender schlichtweg unbekannt. Eine
Nichtbeachtung kann allerdings drastische Konsequenzen nach sich ziehen. Bei einer Nichteinhaltung werden Lieferanten ausgelistet (bspw. im
Lebensmittel-Einzelhandel) oder es
kann zu kostspieligen Produktionsstopps führen, Strafzahlungen können behördenseitig auferlegt werden
oder bei einer Kontamination sind im
schlimmsten Fall auch strafrechtliche
Konsequenzen möglich.
Es handelt sich bei der EU Verordnung 1935/2004 um eine Rahmenverordnung. In dieser Rahmenverordnung sind verschiedene
Einzelmaßnahmen erlassen worden,
so u.a. die Einzelmaßnahmen EU-Verordnung 2023/2006 und EU-Verordnung10/2011. Die erste Maßnahme
verlangt „Gute Herstellregeln“. Diese
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sind mit Qualitätsmanagement nach
DIN EN ISO 9001 abgedeckt, den die
meisten deutschen Hersteller erfüllen.
Die zweite Maßnahme EU Verordnung
10/2011 definiert Anforderungen für
Kunststoffe im Einsatz der Lebensmittel-/Pharmabranche, nicht aber für
Elastomere. Wenn keine Einzelmaßnahme erlassen worden ist, schreibt
die Verordnung vor, dass in diesem Fall
nationales Recht gilt. Für Deutschland
gilt in diesem Fall die BfR-Empfehlung.
Bei dieser handelt es sich aber lediglich um eine Empfehlung und nicht
um einen Rechtsstatus. Zudem sind in
der BfR- Empfehlung nicht alle gängigen Werkstoffe gelistet, die in der
Lebensmittel- und Pharmaindustrie
Verwendung finden. In der BfR-Empfehlung XV sind Silikone und in der
BfR-Empfehlung XXI bestimmte Natur- und Synthesekautschuke gelistet.
Der FKM (Fluorkautschuk) fehlt jedoch. Wie soll der Anwender mit dieser Situation umgehen? In diesem
Fall empfiehlt sich die Zulassung nach
FDA. Eine gleichzeitige Zulassung nach
FDA und BfR ist derzeit nicht möglich,
da es unterschiedliche Kriterien zu den
Inhaltsstoffen gibt. FDA erweist sich
aber auch deshalb als praxistaugliche
Alternative, weil diese die Anerkennung der IFS Auditoren erfüllt.
Hygienic Design DIN Normen
Mit der Konstruktionsbauweise des
Hygienic Design soll die Kontamination durch totraumfreie Einbauräume
vermieden werden. Dabei handelt es
sich um die reinigungsgerechte Gestaltung von Bauteilen, Komponenten
und Produktionsanlagen. Bei der konstruktiven Gestaltung werden die Anforderungen an die Reinigungsmöglichkeiten berücksichtigt, so dass alle
Bereiche vermieden werden, in denen
sich Schmutz ansammeln kann, welcher durch die Reinigungsprozesse
(z. B. CIP oder SIP) nicht entfernt werden und eine Gefahr für das Produkt
(z. B. Lebensmittel) darstellen kann. Somit ist Hygienic Design ein wichtiger
Baustein zur Sicherung der Lebensmittelqualität, welcher zunehmend
an Bedeutung gewinnt. Die Norm DIN
11864 mit dem Titel „Armaturen aus
nichtrostendem Stahl für Lebensmittel und Chemie“ ist in drei Teile untergliedert:
1. Aseptik-Rohrverschraubung
2. Aseptik-Flanschverbindung
3. Aseptik-Klemmverbindung
Diese Norm erhält den Zusatz „Aseptik“
als Hinweis darauf, dass die hier eingesetzten Werkstoffe nicht nur für den
Lebensmittelbereich einsetzbar sind,
sondern auch für die Pharmazie. Es
handelt sich hier um sehr hochwertige
Werkstoffe. Allerdings sind mit dem
Begriff „Werkstoff“ in dieser Norm ausschließlich nur die Edelstähle gemeint
und keine Elastomere!
Darüber hinaus findet die Norm
DIN 11853 für „Hygienische Verbindungen“ ebenfalls unter dem Thema
Hygienic Design Bedeutung. Empfohlene Dichtungen, welche im modernen
Hygienic Design zum Einsatz kommen,
sind überwiegend O-Ringe.
Wichtig für den Konstrukteur von
Hygienic Design-Komponenten ist die
Berücksichtigung der passenden Ein-
Foto©: COG
Die Werkstoffentwicklung stellt für
die Dichtungshersteller deshalb eine
große Herausforderung dar. Nicht selten ist es bis zur Serienreife ein langwieriger Prozess, da die Hersteller bei
der Entwicklung nicht nur die Widerstandsfähigkeit der einzelnen Werkstoffe, sondern bei der Rezepturentwicklung auch gleichzeitig Zertifikate,
Zulassungen oder Verordnungen berücksichtigen müssen. Alle Materialien, die im Produktionsprozess mit
dem zu produzierenden Lebensmittel oder pharmazeutischen Produkt
in Kontakt kommen, müssen entsprechende Normen/Zulassungen erfüllen (z. B. FDA, USP, EU Verordnung
1935/2004). Dass diese Zulassungen
alleine nicht ausreichen, zeigt die Praxis. Tiefgreifendes Wissen in diese Thematik ist für den Anwender von essentieller Bedeutung.
Abb. 2: FKM Werkstoff Vi 780 in Steril-/Aseptikverschraubung
PROZESSTECHNIK & KOMPONENTEN 2015
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bauräume von O-Ringen. Die O-Ringe
müssen zwingend auf diese abgestimmt sein. Für eine korrekte Auslegung der Einbauräume muss auch das
jeweilige Werkstoffverhalten – insbesondere die Volumenquellung – bekannt sein.
Ein unabhängiger Hersteller aus Pinneberg hat für diese besonderen Anforderungen im Lebensmittelbereich
die Produktlinie „HygienicSeal“ eingeführt. In dieser sind ausschließlich
spezielle Hochleistungswerkstoffe für
Einsatzzwecke in der Lebensmittelund Pharmaindustrie zu finden, die
den technischen und rechtlichen Anforderungen entsprechen. Das Unternehmen hat gleich vier HygienicSeal
Compounds entwickelt. Hierbei handelt es sich um zwei EPDM-Werkstoffe
„AP 302“ und „AP 318“, den FKM Werkstoff „Vi 780“ und einen FEPM Compound namens „Vi 602“. Alle verfügen über die Freigaben nach FDA und
USP Class VI. Darüber hinaus erfüllen
die EPDM Werkstoffe auch die Kriterien nach 3-A Sanitary Standard Class II
und der FKM Vi 780 sogar nach Class I.
Die Werkstoffe sind WFI-Wasser geeignet und absolut verlässlich im Einsatz
mit SIP- und CIP-Prozessen. Mit dieser
Werkstoffkombination bietet der Hersteller eine Lösung an, die die meisten
Anwendungen in diesen Branchen abdecken kann.
Der EPDM Compound AP 302 ist
speziell für den Einsatz mit flüssigen
oder schwach fetthaltigen Medien konzipiert worden. Der Einsatztemperaturbereich reicht von -40° C bis +150 ° C.
Sollte der Fettanteil der eingesetzten
Medien über 30 % liegen, so empfiehlt
sich der Einsatz des FKM-Dichtungswerkstoffs Vi 780. Dieser weist neben
einer sehr guten Beständigkeit gegenüber Aromastoffen und ätherischen
Ölen auch eine hervorragende Heißwasserdampf- und Heißwasserbeständigkeit auf. Die Volumenquellung ist
dabei so gering, dass dieser Compound
hervorragend in die engen Einbauräume der Sterilverschraubungen eingebaut werden kann, die dem Hygienic
Design entsprechen. Damit setzt dieser
FKM Maßstäbe.
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HygienicSeal – Dichtungslösungen
für ein weites Einsatzspektrum
Abb. 3: Einspritzdüse in der pharmazeutischen Produktion
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Abb. 4: Olivenöl-Abfüllanalage
Fazit
In der Lebensmittel- und Pharmaindustrie muss der Einsatz von modernen
Elastomer-Dichtungswerkstoffen professionell begleitet werden. Die Freigaben nach Standardrichtlinien, wie
FDA oder USP Class VI reichen heutzutage häufig alleine nicht mehr aus. Der
Anwender muss die geltenden Regularien, wie beispielsweise der richtige
Umgang mit der EU- Rahmenverordnung 1935/2004 oder den Hygienic
Design Normen kennen und berücksichtigen. Die hier eingesetzten Werkstoffe müssen darüber hinaus auch
den in einem Produktionsprozess üblichen Wechselwirkungen genügen.
Häufig ein schwieriger Spagat, der nur
wenigen Dichtungswerkstoffen gelingt. Herstellerkompetenz, Spezialwerkstoffe mit entsprechenden Zulassungen und vor allem eine erfahrende
Anwendungsberatung sind essentiell
wichtig. Nur so bieten sich dem Anwender optimale Voraussetzungen für
ein sicheres und zufriedenstellendes
Dichtergebnis entsprechend den
rechtlichen Rahmenbedingungen. Als
neues Gütezeichen bietet HygienicSeal hier den Anwendern und Konstrukteuren jetzt eine größtmögliche
Sicherheit.
Autor: Dipl.-Ing. (FH) Michael Krüger,
Leiter Anwendungstechnik, C. Otto
Gehrckens GmbH & Co. KG, Pinneberg
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