Pharmazeutische Chemie - Ivermectin Ivermectin (Soolantra®) Der Arzneistoff Ivermectin ist aufgrund seiner anthelminthischen, antiparasitären Wirkungen als peroral zu applizierendes Tierarzneimittel (insbesondere auch zur Anwendung bei Pferden) schon lange Zeit bekannt. Nun ist Ivermectin auch in Form einer Creme (Soolantra® 10mg/g) als Humanarzneimittel zugelassen worden. Es ist indiziert zur topischen Behandlung entzündlicher Läsionen der papulopustulösen Rosazea. Die Soolantra®-Creme wird einmal täglich dünn im Gesicht aufgetragen, jeweils ein erbsengroßes Stück Salbenstrang für Stirn, Kinn, Nase und beide Wangen unter Aussparung der Augen, Lippen und Schleimhäute. Ein Behandlungszyklus dauert bis zu vier Monate (Fachinformation Soolantra® 2015). Abbildung 1 Ivermectin gehört zur Gruppe der Avermectine, die als Naturstoffe im Rahmen eines gerichteten Screenings nach Mitteln gegen Fadenwürmer in den 1970er Jahren entdeckt und aus Streptomyces avermitilis isoliert wurden. Die Avermectine bilden eine Gruppe von acht eng miteinander verwandten Makrozyklen mit außergewöhnlicher anthelminthischer Aktivität. Die Avermectine sind 16-gliedrige makrozyklische Lactone mit einem integrierten Spiroketal-System (s. Abbildung 2). Sie besitzen am C-13 des Aglykons zwei glykosidisch gebundene OleandroseMoleküle. Dieses α-L-Oleandrosyl-α-L-oleandrosyloxy-Disaccharid ist typisch für die Avermectine und unterscheidet sie von den verwandten Milbemycinen. Die Avermectine lassen sich in Avermectine der A-Reihe und Avermectine der B-Reihe einteilen. Die B-Reihen-Avermectine besitzen eine freie 5-OH-Gruppe, wohingegen die A-Reihen-Avermectine eine 5-Methoxy-Gruppe aufweisen. Im Allgemeinen sind die Verbindungen der B-Reihe mit freier Hydroxyl-Funktion wirksamer als die der A1 CA 1.6.2015 Pharmazeutische Chemie - Ivermectin Reihe. (Hotson 1982, Campbell und Benz 1984, Fisher und Mrozik 1992, Habermehl et al. 2008, Crump und Omura 2011, Awasthi et al. 2012). Abbildung 2: Strukureller Aufbau der Avermectine am Beispiel des Ivermectins Ivermectin ist ein halbsynthetisch hergestelltes Avermectin-Derivat. Ausgangspunkt für die Synthese des Ivermectins ist das Avermectin B1a/b (= Abamectin). Die cis-Δ22Doppelbindung des Avermectins B1a/b wird selektiv reduziert (s. Abbildung 3) (Awasthi et al. 2012). Abbildung 3: Synthese des Ivermectins B1a aus Avermectin B1a durch selektive Hydrierung der Δ22-Doppelbindung Dementsprechend stellt Ivermectin ein hydriertes AvermectinB 1a/b (= 22,23Dihydroavermectin B1a/b) dar. Die Substanz ist ein Gemisch der zwei Derivate 22,232 CA 1.6.2015 Pharmazeutische Chemie - Ivermectin Dihydroavermectin B1a (90%) und 22,23-Dihydroavermectin B1b (10%). Der strukturelle Unterschied zwischen dem B1a- und dem B1b-Molekül besteht nur in einer zusätzlichen Methyl-Gruppe beim B1a-Molekül in der aliphatischen Seitenkette am Spiroketal-System (s. Abbildung 1) (Awasthi et al. 2012). Die anthelminthischen und antiparasitären Wirkungen des Ivermectins werden durch eine selektive und hochaffine Bindung an Glutamat-aktivierte Chlorid-Kanäle hervorgerufen. Diese kommen ausschließlich bei Wirbellosen vor. Der durch die Ivermectin-Bindung induzierte Chlorid-Einstrom führt zu einer Hyperpolarisation und folglich zu einer Blockade der Erregungsleitung (Wolstenholme 2011, Fachinformation Soolantra® 2015). Zusätzlich besitzt Ivermectin eine antientzündliche Wirkkomponente, indem die Produktion antientzündlicher Zytokine gehemmt wird. Der Wirkmechanismus bei der Rosazea ist nicht bekannt, allerdings soll die Wirksamkeit sowohl mit der antientzündlichen Wirkung als auch mit der Abtötung von Demodex-Milben, die wohl bei der Entzündung der Haut eine Rolle spielen, in Zusammenhang gebracht werden können (Fachinformation Soolantra® 2015). Literatur: Awasthi, A. et al. Chem Pharm Bull (Tokyo) 2012, 60, 931 Campbell, W.C. und Benz, G.W. J Vet Pharmacol Ther 1984, 7, 1 Crump, A. und Omura, S. Proc Jpn Acad Ser B Phys Biol Sci 2011, 87, 13 Fachinformation Soolantra® 2015, Galderma Laboratorium GmbH Fisher, M.H. und Mrozik, H. Annu Rev Pharmacol Toxicol 1992, 32, 537 Habermehl, G.G. et al. In: Naturstoffchemie 2008, 3. Aufl. Springer-Verlag Hotson, I.K. J S Afr Vet Assoc 1982, 53, 87 Wolstenholme, A.J. Int J Parasitol Drugs Drug Resist 2011, 1, 2 3 CA 1.6.2015
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