(Herausgeber) Gesa Kröger, MPH Historische Entwicklung und epochenspezifische Funktionalität der Gebührenordnung für Ärzte Vorwort des Herausgebers Die Brendan-Schmittmann-Stiftung befasst sich seit 1974 wissenschaftlich mit der ärztlichen Versorgung und der damit verbundenen Berufsausübung. Daher haben wir gerne den Auftrag des NAV-Virchow-Bundes entgegengenommen, die ärztliche Gebührenordnung erstmals wissenschaftlich über einen Zeitraum von der beginnenden Christianisierung über das Mittelalter bis in die Neuzeit zu untersuchen. In jeder dieser Epochen hatte eine ärztliche Gebührenordnung ihren Zweck, nämlich das Leistungsgeschehen zwischen Arzt und Patient zu regeln und den Patienten vor Überforderung und der Wissensungleichheit zu schützen. Und in allen Zeiten haben Ärzte ihren Freien Beruf mit der stets implizierten Verantwortung gegenüber dem Gemeinwesen verbunden. Im Ergebnis entstand mit dieser Studie erstmals ein umfassender historischer Bogen der ärztlichen Gebührenordnung und deren Einordnung in die jeweilige Zeit. „Der heutige Tag ist das Resultat des gestrigen“, schrieb Heinrich Heine. Und um morgen richtig zu entscheiden, müssen wir das Gestern kennen. Ich hoffe, diese Studie hilft allen politischen Entscheidungsträgern und den ärztlichen Vertretern bei der Aufklärung und der Findung der richtigen Entscheidungen. Meinen Kolleginnen und Kollegen wünsche ich das Bewusstsein für die Historie der ärztlichen Gebührenordnung und deren Wert für morgen. Dr. med. Veit Wambach, Vorsitzender des Vorstandes der Brendan-Schmittmann-Stiftung Vorwort 2 Der NAV-Virchow-Bund vertritt als Verband der niedergelassenen Ärzte alle Fachgruppen in freier Praxis. Seit seiner Gründung im Jahre 1949 spielen Vergütungsfragen eine zentrale Rolle in der Interessenvertretung der Praxisärzte. Die Protagonisten haben in der Regel nur die letzten Gesundheitsreformen und damit nur sehr begrenzter Zeiträume im Blick. Dabei lohnt der Blick zurück, wenn aktuelle Situationen oder Entwicklungen bewertet werden müssen. Die ärztliche Gebührenordnung bietet dafür ein gutes Beispiel. Seit Beginn von ärztlicher Tätigkeit sind das vertrauensvolle Patienten-Arzt-Verhältnis, die freie unabhängige Berufsausübung und die Vergütungsfrage Bestandteil der Arzttätigkeit. In Zeiten der Budgetierung, in denen eine Kassenarzt-Gebührenordnung die Funktion einer Honorar-Verteilung von begrenzten Mitteln erfüllt, tritt die Gebührenordnung für den Autorin: Gesa Kröger, wissenschaftliche Mitarbeiterin im NAV-Virchow-Bund, Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V. Korrespondenzadresse: Chausseestraße 119b, 10115 Berlin E-Mail: [email protected] „Freien Beruf Arzt“ oftmals in den Hintergrund. Mit der Folge, dass viele Kolleginnen und Kollegen einen EBM für den Standard der Gebührenordnung halten. Der NAV-Virchow-Bund hat daher die BrendanSchmittmann-Stiftung beauftragt, einen historischen Abriss über die Vergütung ärztlicher Leistungen bis hin zu Gebührenordnungen in unserer heutigen Form zu untersuchen. Dabei ist entscheidend, welche Funktionalität eine Gebührenordnung in ihrer jeweiligen Zeit entwickelt und welche Ausprägung daraus folgt. Denn dies ist entscheidend für die Weiterentwicklung und die grundsätzliche Bewertung der Gebührenordnung eines freien Berufes. Denn damit steht und fällt der Freiheitsgrad der gesamten Berufsgruppe. Dr. med. Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender des NAV-Virchow-Bundes Historische Entwicklung und epochenspezifische Funktionalität der Gebührenordnung für Ärzte Inhaltsverzeichnis 1 Frühphase des Christentums bis hin ins Mittelalter .................................. 4 2 Kaiserreich und Bismarck’sche Sozialgesetzgebung .................................. 7 3 Weimarer Republik ............................................................................... 13 4 Drittes Reich.......................................................................................... 17 5 Nachkriegszeit ....................................................................................... 18 6 Siebziger Jahre und das Kostendämpfungsgesetz ................................... 23 7 Entwicklung bis hin in die Gegenwart .................................................... 27 8 Fazit ...................................................................................................... 34 9 Literaturverzeichnis ............................................................................... 34 3 1 Frühphase des Christentums bis hin ins Mittelalter In dieser Epoche waren tragende Institutionen der Krankenversorgung primär kirchliche Hospitäler. Häuser im Schatten der Kathedralen beim Sitz des Bischofs, weltliche Orden (z.B. Johanniterorden) und Armenhäuser (Hospitale Pauperum) oder Pflegeabteilungen (Infirmarium), die zur üblichen Klosterausstattung gezählt wurden, übernahmen dann im Mittelalter entsprechende Funktionen. Die christlichen Hospitäler waren primär Armenpflegehäuser und beinhalteten Unterkunft, Verpflegung sowie die seelische Betreuung kranker Menschen. Bis Ende des Mittelalters war die Gewährung geistlichen Bestands bei Gesundheit und Krankheit vordergründig, da diese hauptsächlich als außerhalb des menschlichen Verfügungsbereichs angesehenen wurden (Simon 2010). Die Krankenversorgung war speziell für Arme, Kranke und Pilger ausgerichtet. Allerdings gab es auch ein Haus für reiche Reisende, z.B. Fürsten und kirchliche Würdenträger (Domos Hospitum). Reiche Nicht- Reisende ließen sich von Ärzten zu Hause versorgen. Bis Mitte des 15. Jahrhunderts fußte die Krankenversorgung auf kirchlichen Fürsorgeaktivitäten. Aufgrund des gesellschaftlichen Wandels und der Reformation änderte sich dies allerdings zusehends, wodurch die städtische Versorgungsinstitution langsam aber sicher diese Funktion übernahm. Die primäre Trägerschaft von entsprechenden Einrichtungen, damals wie heute, waren Kirchen und Wohlfahrtsverbände (=freigemeinnützige Verbände) sowie öffentliche Träger (Simon 2010). 4 Gegen Ende des Mittelalters, der Blütezeit des Absolutismus, wurde die Regulierung der sozialen Sicherung im Krankheitsfall zusehends mehr von Landesherren wahrgenommen, was zur Einschränkung der Autonomie und letzten Endes zum Zerfall der Zünfte führte. Ebenfalls wurden die Vorschriften für Leistungen im Krankheitsfall durch die Landesherren erlassen. Es entstanden zunehmend, sich zu gewerkschaftlichen Kampfverbänden entwickelnde Gesellenbruderschaften, deren Hauptanliegen die Durchsetzung von Lohnforderungen und tarifverträgliche Kollektivvereinbarungen waren (Simon 2010). Die Einrichtung der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung hat ihre Wurzeln in mittelalterlichen Zünften und Gesellenverbände (zunächst Bruderschaften und später Gesellenschaften) bzw. (Gesellen)Bruderschaften1. Diese ‚Lebensformen‘ bezeichneten Zusammenschlüsse von Kaufleuten und selbstständigen Handwerkern in Städten, die eine politische Interessenvertretung, Eindämmung der Konkurrenz, Sicherung der wirtschaftlichen Existenz und Qualitätskontrollen anstrebten. Sie erhielten einen rechtlichen Status der mit den gegenwärtigen Körperschaften des öffentlichen Rechts vergleichbar war (Tauchnitz 2004, Simon 2010). Die für Zünfte charakteristische Pflichtmitgliedschaft in einer Institution der sozialen Sicherung prägt auch heute noch das deutsche Gesundheitswesen, da zentrale Institutionen nach dem Modell der Handwerkerzunft organisiert sind. Als analoges Beispiel wären hier KVen zu nennen, die eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, mittelbare Staatsverwaltung sowie zugleich berufsständischer Interessenverband sind (Simon 2010). Aus dem allgemeinen Zunftvermögen erfolgte die entsprechende Finanzierung von Unterstützungsleistungen, u.a. auch die Familienversicherung (Tauchnitz 2004, Simon 2010). Die zunehmende Bedeutsamkeit der sozialen 1 Der Ausbau des Spitalwesens hatte zur Folge, dass Zünfte und Gesellenverbände Belegrechte für bestimmte Bettenanzahl in Hospitälern hatten. Dieser Sachverhalt lief erst im 19. Jahrhundert nach Einführung der GKV aus (Simon 2010). Absicherung im Krankheitsfall nach und nach dazu, dass die Finanzierung der Unterstützungsleistungen nicht länger aus der allgemeinen Zunftkasse zu erfolgen hatte: Selbstständige „Laden“ oder „Kassen“ entstanden, die durch eine entsprechende konsequente Weiterentwicklung in zunfteigene Hilfskassen2 mündeten. Alle Meister waren verpflichtet in der Zunft Mitglied zu sein; freiwillig war an diesem Zeitpunkt hingegen jedoch der Beitritt zu einer eigenständigen Hilfskasse (Tauchnitz 2004). Gesellenverbände bzw. -bruderschaften waren eine vom Meister unabhängige soziale Sicherung: Die Gesellen zahlten alle in eine gemeinsame Kasse ein und erhielten im Falle von Krankheit oder Pflegebedürftigkeit finanzielle Unterstützung, unmittelbare Hilfestellung sowie Lohnfortzahlung (Simon 2010). Ausschlaggebend für die Entstehung eigenständiger, berufsständisch geschlossener Gesellenverbände war die Ausbildung erster Lohnverhältnisse, die dazu führte, dass „die bis dahin gegebene Garantie der Reproduktion der abhängigen Arbeitskraft bei Krankheit und Not in der Sozialform des ‚ganzen Hauses‘ als organisatorische Einheit von Produktion, Konsumtion und generativer Reproduktion“ (Rodenstein 1978:115, zit.n. Tauchnitz 2004:67) langsam aber sicher entfiel. Zugleich wurde die Anzahl der Handwerksgesellen im Vergleich zu den Meistern überproportional hoch. Die Zünfte erschwerten nun den Zugang zu den begrenzten Meisterstellen, woraufhin schwere soziale Konflikte zwischen Gesellen und Meistern entstanden. Gesellenverbände erhoben im Gegensatz zu den Zünften gleich zu Beginn regelmäßige Zwangsbeiträge. Die Höhe war oftmals an den Lohn als Bemessungsgrundlage geknüpft (Tauchnitz 2004). Nach und nach wurden die Gesellenverbände verboten, dessen ungeachtet ihre Unterstützungskassen jedoch an vielen Orten weiter existierten. Daraufhin wurde die Mitgliederanzahl und folglich die Höhe der Kassenbeitragseinnahmen stark geschwächt und die möglichen materiellen Unterstützungsleistungen reduziert. Die Kassenverwaltung wurde nun polizeilich beaufsichtigt, was das Unterstützungswesen der Gesellen in den grundlegendsten Zügen jedoch nicht beeinträchtigte und so später in die GKV überging (Tauchnitz 2004). Schließlich existierten lediglich noch „organisatorisch selbständige, berufsständisch weiterhin hochgradig exklusive, lokal begrenzte, staatlich streng reglementierte und beaufsichtigte gewerbliche Unterstützungs- und Knappschaftskassen, die auf das reine Unterstützungswesen bei Krankheit-, Unfall oder Tod reduziert waren“ (Tauchnitz 2004:78). Kommunalbehörden oder Bürger und Adlige mit besonders hohem sozialen Status (Honoratiore) riefen neu hinzukommende Kassen oder ‚Krankeninstitute‘, die bestimmten Berufsgruppen (insbesondere Dienstboten, Gesellen, Hausgesinde) oder armer Kranker dienlich waren, ins Leben. Die Finanzierung dieser Kassen und Institute erfolgte durch Pflichtbeiträge der Mitglieder, Beiträge der Dienstherren und Arbeitgeber oder durch Spenden reicher Bürger. Neue Kassen waren fortan primär das Ergebnis einer staatlichen oder bürgerlichen (Fremd-)Organisierung und nicht mehr wie davor durch die betroffenen Personen-/Berufsgruppen selbst gegründet (Tauchnitz 2004). Im Bergbau war in dieser Epoche bereits eine freie Arbeiterschaft entstanden, die in einem Zusammenschluss einer sog. Knappschaft resultierte. Die zur sozialen Sicherung in den Knappschaften enthaltenen Kassen wurden durch die Beiträge der Knappen (Bergleute) und der Bergwerkseigentümer finanziert und z.T. ebenfalls gemeinsam verwaltet. Im 17. Jahrhundert gab es 2 Hilfskassen bezeichneten freiwillige Zusammenschlüsse von Personen, zumeist Arbeitnehmer, die im Falle von Krankheit, Invalidität, Tod oder Arbeitslosigkeit Hilfe gewähren. Nach 1911 wurden diese für die gesetzlichen Krankenkassen zugelassen und zu Ersatzkassen umbenannt (Wissen.de 2015, www.). 5 für die Knappen und Grubenbesitzer im Bergbau schließlich sogar eigene Krankenkassen (Revierkrankenkassen) (Simon 2010). Die dargestellten Vergemeinschaftungsformen waren kollektiv ausgerichtet. Dabei war die Ressourcenzusammenlegung zur „kollektiven Regelung gemeinsamer Belange, zu denen entsprechend der den ganzen Menschen umfassenden Ausrichtung unter anderem eben auch die gegenseitige Unterstützung im Krankheitsfall gehörte“ (Tauchnitz 2004:73) das Ziel jeder Korporation. 6 1794 erfolgte das preußische Landrecht zur Regelung des Handwerkwesens und der Manufakturarbeit. Ihm kam eine besondere Relevanz zu, da weitgehende Vorschriften über die Gewährung sozialer Leistungen und zudem eine grundsätzliche Anerkennung der staatlichen Verantwortung für die Versorgung Bedürftiger enthalten waren. Eine Analogie dieses Grundsatzes liegt im Sozialstaatsgebot der bundesrepublikanischen Verfassung und der dominierenden Rechtsauffassung, dass der Staat zur Daseinsvorsorge für seine Bürger verpflichtet ist; insbesondere auch im Krankheitsfall. Nach dem Recht waren Meister, Zünfte und Fabrikherren im Krankheitsfall ihrer Gesellen und Arbeiter grundsätzlich für deren Fürsorge zuständig. Dies beinhaltete bei Handwerksgesellen die Gewährung von Kur und Verpflegung, für deren Kosten „Gesellenlade oder Gewerkekasse“ (Simon 2010:21) aufkamen. Sofern dies nicht möglich war, wurden die Kosten von der Kommune übernommen. Durch die Entwicklung fabrikmäßiger Produktionsweisen entstanden neue Schichten von Lohnabhängigen (den Manufakturarbeitern), die außerhalb der Zunftsordnung standen und folglich nicht durch deren Sozialleistungen abgesichert waren (Simon 2010). Handwerksgesellenkassen durften nur noch „unter der Aufsicht der Gewerksältesten“ (Tauchnitz 2004:79) errichtet werden, was dazu führte, dass die Selbstverwaltung der Kassen nahezu aufgelöst wurde. Im Hinblick auf die sich verändernden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umstände gegen Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts wurde der sozialpolitische Fokus auf das Arbeitsschutzgesetz insbesondere bzgl. der Arbeiter, Dienstboten und den verschiedenen Handwerksgesellen verschärft. Die eingeführten Zwangshilfskassen waren offen für Gesellen, Berufsgruppen und selbstständige kleinere Gewerbebetreibende. Sie waren Vorläufer der heute noch existierenden und größeren Kassenart, der allgemeinen Ortskrankenkasse3. Auch hinsichtlich der GKV-Gliederung wirkt mittelalterliches Zunftswesen nach (Simon 2010). Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden die Unterstützungskassen, die seit dem späten 18. Jahrhundert vorherrschten, in Folge von diversen Konflikten immer mehr zu Verwaltungs-, Kontroll-, Subsumtion- und Sozialdisziplinierungsintrumenten ihrer Mitglieder, wodurch erstere ihren multifunktionalen Charakter verloren (Tauchnitz 2004). In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden die ersten Betriebskrankenkassen dann neben den berufsgruppenbezogenen und kommunalen Unterstützungs- und Hilfskassen (Simon 2010). Speziell bei den berufsständisch organisierten Unterstützungskassen wurde die Selbstverwaltung durch ihre Mitglieder geleitet, da nur sie letzten Endes die Beiträge finanzierten. Bei den betrieblichen Kassen, in denen auch der Fabrikherr Beitragszahlungen entrichtete, beteiligte sich ebenfalls der Arbeitgeber an der 3 Die Ortskrankenkassen waren bis 1996 die einzige zugängliche Kassenart für alle Berufsgruppen. Bis vor einiger Zeit waren sie auch die Primärkasse (Orts- Innungs- und Betriebskrankenkassen sowie knappschaftliche Krankenversicherung und SeeKrankenkasse) bei der unversicherte Sozialhilfeempfänger durch die Kommunen versichert wurden. Mit Ausnahme der allg. Ortskrankenkassen waren die übrigen Kassen bis 1996 sozusagen zunftsmäßig organisiert und standen lediglich für bestimmte Wirtschaftszweigen (z.B. Knappschaft, Seekrankenkassen), bestimmte Unternehmen oder Arbeitsnehmer offen (Betriebskrankenkassen) (Simon 2010). Selbstverwaltung, was ebenfalls noch immer die GKV prägt. Als ein Beispiel ist z.B. die Firma Krupp (1836) in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu nennen, bei der die Arbeiter zum Beitritt verpflichtet wurden und Krupp 50% der Beitragszahlung übernahm. Die Beitragsunterstützung durch den Arbeitgeber war jedoch nicht neu sondern ist bereits aus mittelalterlichen Zeiten bekannt. Die Hilfskassen wurden wie die Vorläufer im Mittelalter überwiegend in Selbstverwaltung geleitet (Simon 2010). Insgesamt brachte die soziale Sicherung der Bergleute des 19. Jahrhunderts äußerst relevante Regelungen für die Grundzüge der späteren GKV. Zu nennen wären bei dem preußischen Knappschaftsgesetz (1854) diesbezüglich beispielsweise eine existierende Selbstverwaltung, Versicherungspflicht für alle Bergleute, Beitragspflicht für Arbeitgeber und –nehmer, freie Krankenbehandlung und Zuzahlung eines Krankenlohns im Krankheitsfall mit in der sozialen Absicherung. Nach wie vor besteht in der sozialen Sicherung von Bergleuten im heutigen GKV-System eine Sonderstellung. Deutlich wird dieser Aspekt im Hinblick auf die Tatsache, dass sie bis in die 1980er durch den Bund einen gesonderten Zuschuss zur Subventionierung der Beiträge erhielten und die Knappschaft noch immer eigene Versorgungseinheiten (z.B. Krankenhäuser) betreibt. Zudem wurde sie ab dem Zeitpunkt der Öffnung der Mehrzahl der Krankenkassen (1996) für alle abhängig Beschäftigten zunächst ausdrücklich davon ausgenommen (Simon 2010). Als Ursprung der heutigen sozialen Krankenversicherung in Deutschland können zusammenfassend folgende, sich im Mittelalter manifestierende Merkmale genannt wurden: - Gesellenbrüderschaften Anbindung der sozialen Sicherung für den Krankheitsfall auf Basis an ein Arbeitsverhältnis Versicherungspflicht durch Zunftszwang Beitragsfinanzierung Solidarausgleich zwischen Gesunden und Kranken (Beträge richteten sich nach dem Einkommen) Familienversicherung Selbstverwaltung (selbstständige Regelung der Angelegenheiten der Zünfte und Gesellenbruderschaften, insbesondere die Ausgestaltung ihres Leistungskataloges & die Höhe der Beiträge) (Simon 2010). 2 Kaiserreich und Bismarck’sche Sozialgesetzgebung 1863 führten die sich bereits seit längerer Zeit verschärfenden sozialen Gegensätze sowie die sozialpolitischen Spannungen zum Erstarken der politischen Arbeiterbewegung und bedingten letzten Endes die Gründung des Allgemeinen deutschen Arbeitervereins (Simon 2010). 1869 folgten die Bildung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei sowie der Erlass der Gewerbeordnung (GewO) des Norddeutschen Bundes. Entscheidende Punkte der GewO waren u.a. die Einführung der Niederlassungsfreiheit, die Abschaffung des ‚Kurierzwangs‘ (Tauchnitz 2004:171) sowie die freie Honorarverhandelbarkeit bzw. die Verwirklichung der totalen Gewerbefreiheit. Die 7 GewO ermächtigte nun die zuständige Behörde, eine Taxe4 bzw. die Honorarsätze „als Norm für strittige Fälle im Mangel einer Vereinbarung“ (Funke 1988:8), also mit gesetzlicher Grundlage, zu erlassen. Die geschaffene Gebührenordnung bzw. Taxe fand somit folglich nur dann Anwendung, wenn keine Vereinbarung über das ärztliche Honorar erfolgt war (Funke 1988, Simon 2010). Für die Berechnung der Arzthonorare blieb die freie Vergütungsvereinbarung Grundsatz, d.h. fortan war die ärztliche Tätigkeit an eine Approbation gebunden und als „freies Gewerbe“ bundesweit zugelassen. Nach wie vor gilt es mit inhaltlichen Änderungen noch heute (Simon 2010, Tauchnitz 2004). 1871 wurde das deutsche Kaiserreich gegründet. Vordergründig war hier das Vorbeugen einer potenziellen Umsturzgefahr bzw. die erstarkte politische Arbeiterbewegung zu unterdrücken. Darüber hinaus sollten Sozialreformen die Arbeiterschaft an das Kaiserreich binden (Simon 2010). 1874 mittels sozialpolitischer Interventionen waren von ca. 8 Mio. Arbeitern bislang lediglich rund ¼ in einer der circa 10.000 in Hilfskassen versichert (Simon 2010). 1876 das in diesem Jahr erlassene Gesetz der Hilfskassen bewirkte für die am Ort beschäftigten Gehilfen und Gesellen eine Art Krankenversicherungspflicht. Dadurch wurde eine einheitliche Regelung für das gesamte deutsche Reich erzielt (info-krankenversicherung.net 2014, www.) 1878 wurde aufgrund von zwei (missglückten) Attentaten auf den Kaiser das sog. Sozialistengesetz, auch das „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ genannt, eingeführt. Fortan sollten alle sozialdemokratischen und kommunistischen Vorgehensweisen, wie z.B. Vereine, Versammlungen und Zeitungen, verboten werden (Simon 2010). 8 1881 verkündete auf Anraten Reichskanzlers Otto v. Bismarck, Wilhelm I in einer kaiserlichen Botschaft ein Gesetz zur Absicherung bei Betriebsunfällen, eines bzgl. des Krankenkassenwesens und eines zur Absicherung bei Invalidität und im Alter. Die erfolgte Gesetzgebung, die eine formale Gründung der GKV als Körperschaft mit sich brachte, bewirkte nicht nur einen Versicherungsschutz sondern verbesserte aufgrund der Einnahmen ebenfalls das Gesundheitswesen, was sich z.B. im Hinblick auf eine bessere Krankenhausversorgung zeigte. Ziel der Bismarckschen Sozialpolitik war die Sicherung des inneren Friedens sowie die Erhaltung der Monarchie. Diese Sozialgesetzgebung bewirkte eine weitere Verbesserung der sozialen Situation der Arbeiterschaft und wurde eine Basis für das noch heute bestehende System der sozialen Sicherung in Deutschland. Darüber hinaus dient es als Orientierungsmodell für diverse Staaten (Simon 2010). 1883 wurde mit der Gründung des Krankenversicherungsgesetzes bzw. der Krankenversicherung für Arbeiter (KVG) eine allgemeine Versicherungspflicht für alle, insbesondere einkommensschwache Arbeiter (Arbeiterklasse; rd. 10% der Gesamtbevölkerung) eingeführt (Simon 2010, Tauchnitz 2004). In Folge der KGV sollten besser gestellte und verdienende Berufe selbst für ihre soziale Absicherung sorgen. Dieser Zeitpunkt mit seinem zentralen Anliegen ist sozusagen als Geburtsstunde der PKV zu verstehen (info-krankenversicherung.net 2014, www.). Die Tatsache, dass besser Verdienende für ihre soziale Absicherung selbst verantwortlich waren, wird jedoch bereits im Mittelalter ersichtlich. Zusammen mit dem Aspekt der Freiberuflichkeit und einer entsprechenden Honorierung der Ärzte 4 Eine Taxe entspricht einer gesetzlichen oder aufgrund gesetzlicher Grundlagen behördlich angeordneten Gebührenregelung. Nach ihrem Inhalt sind sie unverbindlich. Sie sollen lediglich im Falle einer nicht feststellbaren, „ausdrücklichen“ oder „stillschweigenden Parteivereinbarung“ (Funke 1988:35) Anwendung finden. Vom Taxenbegriff des § 612 Abs. 2 BGB sind subsidiäre und primär-dispositive, nicht aber zwingende Vergütungsregelungen erfasst (Funke 1988). wird verdeutlicht, dass die Ursprünge der privaten Krankenversicherung bereits vor dem der GKV gelegt worden sind. Bei dem KGV gab es keine Versicherungspflichtgrenze, bis zu der sich die abhängig Beschäftigten verpflichten mussten sondern nur eine Grenze für die „Versicherungsberechtigung“. Dadurch konnten sich nur jene, die die Einkommensgrenze nicht überschritten in den Primärkassen (s. Fußnote 3)5 versichern. In Abhängigkeit des Arbeitsplatzes wurden die Arbeiter den entsprechenden Kassen zugewiesen. Die Ortskassen fungierten als „Auffangkasse“ (Simon 2010:27) für die Angestellten, für deren Tätigkeit es keine entsprechende Kasse gab. Die Angestelltengruppen, die nicht der Versicherungspflicht unterlagen, konnten sich in den weiter bestehenden freiwilligen Hilfskassen mit dem Ersatzkassenstatus versichern, mussten jedoch allein für den kompletten Beitragssatz aufkommen. Die Vorteile des KVGs für die Ärzteschaft bestanden insbesondere in dem „exklusiven Zugriff auf ein beständig anwachsendes (pflichtversichertes) Patientenpotenzial“ (Tauchnitz 2004:183) allerdings resultierten genau daraus auch negative Aspekte: Die Krankenkassen strebten „ein festes beamtenähnliches Verhältnis“ (Tauchnitz 2004:184) zu den Ärzte an um ihre eigenen Interessen bzw. ihren eigenen Gewinn sichern zu können. Es erfolgte eine zunehmende Abhängigkeit der Ärzte von den Krankenkassen sowie eine auf Ausgabenbegrenzung ausgerichtete Leistungspolitik, die u.a. eine sparsame Arzneimittelverordnung sowie eine restriktive Krankschreibungspraxis beinhaltete. Die „Quasi-Anstellung beziehungsweise Verbeamtung der Ärzte durch die Kassen“ (Tauchnitz 2004:184) bedrohte den erst kürzlich erlangten Status des freien Arztberufs ggf. in ein lohnarbeiterähnliches Arbeitsverhältnis zu degradieren. Diese negativen Entwicklungen bedeuteten für die Kassenärzte einen sehr eingeschränkten Handlungsspielraum. Darüber hinaus waren die Ärzte an die durch die Krankenkassen festgelegten und zusehends immer schlechter werdenden Honorarsätze (Taxen) gebunden. Durch das KVG wurde zudem ebenfalls das Kostenerstattungs- bzw. Geldleistungsprinzip durch das Sachleistungsprinzip ersetzt (Tauchnitz 2004). Das Sachleistungsprinzip bildete die Grundlage für die in diesem Jahr gegründete erste gesetzliche Krankenkasse (Finnet 2015, www.). Die Leistungsempfänger erhielten fortan medizinische Leistungen, ohne selbst in Vorleistung treten zu müssen, wobei die Leistungsdauer auf 13 Wochen begrenzt war, allerdings mit möglicher Option auf Verlängerung. Die gesamten Kosten wurden den Leistungserbringern auf direktem Wege durch die Kassen erstattet6. Überwiegend ohne zusätzliche Beiträge erfolgte zur Jahrhundertwende die Einführung der Familienversicherung; im Rahmen eines Solidarausgleichs wurden Mehrkosten von allen Mitgliedern getragen. Verschiedenste Formen der Pauschalvergütung7 traten als primäre Honorierungsformen für die Vertragsärzte in Erscheinung. Allerdings bestand ebenfalls die Einzelleistungsvergütung7 nach der amtlichen Gebührenordnung. Der Erlass des KVG legte in vielerlei Hinsicht die institutionellen Grundlagen für den ambulanten Sektor im Gesundheitswesen und war nicht nur die Geburtsstunde der PKV sondern auch die der gesetzlichen Krankenversicherung (Simon 2010, Tauchnitz 2004, Funke 1988). 5 2 1 Beitragsfinanzierung der Primärkassen: /3 zahlten die versicherten Mitglieder und /3 die Arbeitgeber. Dem jeweiligen Beitragssatz entsprechend waren in der Selbstverwaltung der Ortskassen auch beide Gruppen vertreten. 6 Zu den wichtigsten Leistungen, die von der GKV übernommen wurden, gehörten die freie ärztliche Behandlung, Arzneimittelversorgung, Krankenhausbehandlung, Zahlung des Krankengeldes ab dem 4. Tag des der Arbeitsunfähigkeit in Höhe von 50% des Arbeitsentgeltes, Wöchnerinnenunterstützung und ein gesetzlich festgelegtes Sterbegeld (Simon 2010). 7 Unter einem Pauschalhonorar ist ein festgelegter jährlicher Geldbetrag zu verstehen, mit dem jegliche ärztliche Leistungen beglichen werden. Die Einzelleistungsvergütung bezeichnet die Vergütung einzelner Behandlungsleistungen, die nach der amtlichen Gebührenordnung erfolgen (Tauchnitz 2004). 9 Auch das Patientenklientel der Ärzte verlagerte sich in Folge des eingeführten KVGs immens: Vor der Einführung des KVG wurden zunächst die Kassenpatienten primär neben den Privatpatienten behandelt, was ein klares Indiz dafür ist, dass das privatärztliche Vergütungssystem als Ausgangspunkt der Gebührenordnung zu verstehen ist. Mit Einführung des KVG hingegen verlor die Privatpraxis ihre Bedeutsamkeit am ärztlichen Gesamteinkommensanteil. Die Krankenkassen vereinbarten mit den Ärzten keine individuellen privatrechtlichen Verträge mehr, sondern es wurden fortan nur Kollektivverträge mit dem ärztlichen Lokalverein abgeschlossen. Zwischen dem Arzt und der Kasse blieben Einzelverträge zwar bestehen, allerdings wurden letztere „durch die Inhalte des übergeordneten Kollektivvertrags vor allem in Honorarfragen (Art und Höhe) überlagert“ (Tauchnitz 2004:338). Diese Tatsache bewirkte eine weitestgehende Normierung und Standardisierung der Einzelverträge auf Basis der Kollektivverträge. Die Ärztevereine übernahmen oftmals auch die Funktion der Verteilung des vereinbarten ärztlichen Gesamthonorars unter den Mitgliedern, so dass die Kassenärzte kaum noch durch die Kassenvorstände kontrolliert werden konnten. Je nachdem mit welcher Krankenkasse der Kassenarzt in einem Arbeitsverhältnis stand, fiel nun auch die entsprechende Vergütung aus: Ärzte in Betriebskrankenkassen waren tendenziell besser gestellt, da hier überwiegend ein Pauschalhonorar vereinbart und die Betreuung der Kassenpatienten zumeist überschaubar waren. Für die Versorgung der Privatpatienten blieb in der Regel daneben noch genügend Zeit, so dass insgesamt eine durchaus gesicherte Einkommenssituation bei den Kassenärzten der Betriebskrankenkassen zu verzeichnen war. Bei den Orts- und Gemeindekassen hingegen waren die Ärzte mit den Kassenpatienten voll ausgelastet, so dass die bisherige Privatpraxis komplett wegbrach. Diese negativen Faktoren bedeuteten einen sehr eingeschränkten Handlungsspielraum für die Kassenärzte (Tauchnitz 2004). 10 In diesem Jahr erfolgte ein „rasanter Wandel der bestehenden ärztlichen Standesvereine zu wirtschaftlichen ‚Kampforganisationen‘“ (Tauchnitz 2004:5), was einen Schub an Organisationsgründungen zur Folge hatte. Organisationen bildeten sich auf Ärzte- und Kassenseite. Nach und nach schlossen sich die lokalen Krankenkassen zu überregionalen oder landesweiten Dachorganisationen zusammen. Darüber hinaus entstanden zentralisierte Ärzteorganisationen, z.B. der 1900 gegründete reichsweite Hartmannbund, sowie die KVen (1931) als kollektiv (regionale) Kassen-Verhandlungspartner. Aus dieser Zeit ist ein Netzwerk korporativer Akteure mit mehr oder weniger gegensätzlichen Interessen hervorgegangen. Die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung wurde nun primär durch Verbände und Vereinigungen und nicht durch staatliche oder kommunale Einrichtungen organisiert. Die oftmals unterschiedlich ausgehenden Organisationskämpfe stellten nicht nur das Ausmaß interorganisatorischer Konflikte dar sondern ebenfalls die Unsicherheit der zeitlich befristeten kollektiven Vereinbarungen. Ohne entsprechende solide Rahmenbedingungen, wie z.B. einer allgemeinen Akzeptanz kollektiver Vereinbarungen und gesetzlicher Regelungen bzgl. des Kollektivvertragswesens, konnte langfristig auch keine gute Entwicklung der kassenärztlichen Honorierung gesichert werden (Tauchnitz 2004). 1884 wurde die Unfallversicherung bzw. das Unfallschutzgesetz erlassen, das 1885 in Kraft trat. 1886 gab es nach recht kurzer Zeit diverse unterschiedliche Vergütungsformen bei den Vertragsärzten zu verzeichnen: Pauschalhonorar, Einzelleistungsvergütung (siehe jeweils vorige Seite), Kopfpauschale und Fallpauschale8. Die am weitesten verbreitete Honorierungsform bildete um die Jahrhundertwende die Kopfpauschale (Tauchnitz 2004). 1889 wurde die gesetzliche Rentenversicherung (Invaliditäts- und Alterssicherung) beschlossen, die 1891 in Kraft trat (Simon 2010). 1892 erfolgte im ambulanten Bereich ein tief greifender Konflikt, dessen Ausgang die gegenwärtige Struktur des deutschen Gesundheitswesens nachhaltig prägt: die Krankenkassen erhielten das Recht, in ihrer Satzung die Zahl der erforderlichen Ärzte für definierte Versorgungsbereiche festzulegen und mit diesen Ärzten Einzeldienstverträge über die Versorgung ihrer Versicherten abzuschließen. Die Krankenkassen sicherten im Gegenzug für die Behandlung der Versicherten die Vergütung der erbrachten Leistungen zu, was eine verbesserte Einnahmesituation und einen Niederlassungsanstieg der Ärzte zur Folge hatte (von knapp 16000 im Jahr 1885 auf ca. 32000 im Jahr 1909). Die ärztliche Honorierung variierte jedoch nach wie vor von Kasse zu Kasse und die ärztliche Arbeitsverteilung fiel ebenfalls sehr unterschiedlich aus (Simon 2010). 1896/1897 war die GewO-Ermächtigung (1869) die Grundlage für den Erlass einer erstmalig amtlichen Gebührenordnung, der sogenannten ‚Preugo‘. Sie war eine ‚subsidiäre Taxe‘, da die beruflichen Leistungen „mangels einer Vereinbarung“ (Funke 1988:8) gemäß den entsprechenden Vorschriften zu vergüten seien. Subsidiäre Taxen sind, wie bereits erwähnt, Entgeltregelungen, die inhaltlich gesehen unverbindlich sind und nur erfolgen, wenn Parteivereinbarungen weder ausdrücklich und stillschweigend erfolgt sind (Funke 1988). Im Streitfall sollte die Preugo somit die Festlegung der Vergütungshöhe für ärztliche Leistung garantieren (Tauchnitz 2004). Letztere enthielt etwa zweihundert ärztliche Positionen und legte die Mindest- und Höchstsätze für alle ärztlichen Verrichtungen fest (Funke 1988). Die nicht unmittelbar geltenden Mindestsätze waren gegenüber Sozialversicherungsträgern, öffentlichen Kassen und Unbemittelten anzuwenden und durften nur für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung zugrundegelegt werden. Die Mindestsätze stellten dar, was die Kassen den Ärzten für die entsprechenden Leistungen mindestens zu zahlen hatten (Zeitonline.de 1964, www.). Ausgangspunkte waren Bestimmungen, die bereits Elemente beinhalteten, die z.T. noch in der Gebührenordnung von 1982 (z.B. Gebührenbemessungskriterien) zu finden waren. Hinzu kam noch ein Gebührenverzeichnis, das den entsprechenden Gebührenrahmen für die ärztlichen Leistungen wiedergab. Die Höchstsätze hingegen bezeichneten damals wie heute einen Spielraum und reichten im Allgemeinen von einem Einfachsatz bis zum Zehnfachsatz. Im Laufe der Zeit wurde der Spielraum jedoch stark reduziert (Hermanns 2011). 1900 wurden im Verlauf der Zeit aufgrund der geringer werdenden Nachfrage der Kassen im Verhältnis zu der Zahl der niedergelassenen Ärzte, zunehmend mehr Ärzte von der Versorgung der GKV-Patienten ausgeschlossen. Entsprechende Auseinandersetzungen führten zur Gründung des ersten gewerkschaftlichen Kampfverbandes von Ärzten, dem damaligen „Verband der Ärzte Deutschlands“, (heutiger Hartmannbund) in dem sich die Ärzteschaft gegen die Vorgehensweise der Krankenkasse erhob. Gefordert wurde insbesondere die Zulassung aller Ärzte für die Behandlung von GKV-Versicherten sowie die Ersetzung des Systems der Einzeldienstverträge durch ein System von 8 Bei der Kopfpauschale wird ein fixer jährlicher Betrag unabhängig von der entsprechend durchgeführten ärztlichen Leistung pro Kassenmitglied bezahlt. Sofern ein fixer Betrag je dem ärztlichen Behandlungsfall gezahlt wird, spricht man von einer Fallpauschale (Tauchnitz 2004). 11 Kollektivverträgen zwischen der organisierten Ärzteschaft und den Krankenkassen. Darüber hinaus wurde eine freie Arztwahl für die Patienten verlangt (Simon 2010, KVH 2009, PDF). 1911 wurde die Reichsversicherungsordnung (RVO) mit ihren 1805 Paragraphen eingeführt. Das Recht der Arbeiterkrankenversicherung, das Unfallversicherungsrecht sowie das Invaliditäts- und Altersversicherungsrecht wurden hier zu einem Regelwerk zusammengeführt. Eine weitere Ausdehnung der Versicherungspflicht auf andere Berufe bzw. andere Wirtschaftszweige bewirkte, dass theoretisch ein immer größerer Prozentsatz versichert war. Dennoch waren 1911 trotz ansteigender Versicherungspflicht lediglich 18% der Bevölkerung in den ca. 2000 Krankenkassen versichert. Der GKV-Versicherten-Anteil wurde im Verhältnis zu den privat Versicherten jedoch zusehends größer. Wohlhabende Bürger/Berufsgruppen (Lehrer, Beamte, Geistliche) mussten entsprechende Leistungen, nach wie vor aus eigener Tasche finanzieren oder sich anders versichern. Letzteres bewirkte erste privatwirtschaftliche Versicherungsunternehmen, für die die Selbsthilfegruppen9 des Mittelalters als Modell dienten. Die private und gesetzliche Absicherung verlief somit letzten Endes fast zeitgleich (Daisyo 2010, PDF). 12 1913 stieg aufgrund schärfer werdender Auseinandersetzungen zwischen Ärzten und Krankenkassen, letzten Endes sogar auf nationaler Ebene, sowie der Ausweitung der Versicherungspflicht, die Krankenkassen-Mitgliederzahl innerhalb weniger Jahre von knapp 700 (in 1901) bis auf über 25000 (ein Viertel der Bevölkerung im Jahr 1913) an (Simon 2010). Unter der Schirmherrschaft der Regierung wurde das ‚Berliner Abkommen‘ vollzogen: Die Ärzteschaft erreichte, dass Kassen nicht mehr allein über die Zulassung von Ärzten für die Behandlung von GKV-Versicherten entscheiden konnten. Die Auswahl hatte fortan unter gleichberechtigter Mitwirkung der Kassenärzte zu erfolgen, wodurch eine gemeinsame Verhältniszahl für die Zulassung von Ärzten festgelegt wurde (1 Arzt je 1350 Versicherte). Bei einem Abschluss von Einzelverträgen musste nun die Zustimmung eines paritätisch, von Vertretern der örtlichen Krankenkassen und Kassenärztevereinigungen, besetzten Vertragsausschusses vorliegen (Simon 2010, KBV 2013 a, www., KVH 2009, PDF). Es erfolgte letzten Endes nicht die Abschaffung der Einzelverträge sondern deren Einbettung in ein „immer dichteres System von Kollektivverträgen“ (Tauchnitz 2004: 338). Die den Kollektivverträgen zugrunde liegenden Rahmenbedingungen sollten fortan zwischen den beteiligten Spitzenorganisationen als Orientierungshilfe für die Entscheidungen von Netzwerkorganen in einem Mantelvertrag festgelegt werden. Damit eine kontinuierliche ärztliche Versorgung der Versicherten gewährleistet werden konnte, konnten die neuen Kassenarztverträge erst mit dem Ablauf bisheriger Verträge in Kraft treten. Entsprechend der vertraglichen Vereinbarungen der jeweiligen Kassen wurde die kassenärztliche Vergütung an die Vertragsärzte gezahlt. Nach wie vor konnte die Vergütungsform in Einzelverträgen festgelegt werden, wodurch sie der freien Vereinbarung zwischen dem einzelnen Arzt und der Krankenkasse unterlag. Zudem wurde bereits die Option angedacht, für alle Vertragsärzte eine durch die Krankenkassen zur Verfügung gestellte Gesamthonorarsumme über eine lokale Kassenärzteorganisation an die angeschlossenen Ärzte zu verteilen. Daraufhin schlossen diverse Kassen mit den örtlichen kassenärztlichen Organisationen, oftmals Unterorganisationen der Hartmannbundes, hinsichtlich ärztlicher Gesamtvergütung kollektive Verträge ab. Das ‚Berliner Abkommen‘ sorgte damit 9 Infolge der sich ausweitenden Versicherungspflicht auch für andere Berufsgruppen, die sich zu früheren Zeiten selbst versichern mussten, wurden bisherige Selbsthilfeeinrichtungen (Basis: freiwillige Mitgliedschaft) zusehends überflüssig (Daisyo 2010, PDF). kurzzeitig für Frieden zwischen der Ärzteschaft und den Kassen und lieferte wichtige Grundlagen für das System der vertragsärztlichen Versorgung in Deutschland, die auch heute noch Gültigkeit haben. In diesem Kontext sind z.B. die Verhältniszahlen für die Bedarfsplanung sowie die gemeinsame Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen zu nennen (Simon 2010, KBV 2013 a, www., KVH 2009, PDF). Als eine der wesentlichen Ursachen für die Entwicklung und Entstehung „des heutigen Netzwerks und der Institution der ‚Gemeinsamen Selbstverwaltung‘“ (Tauchnitz 2004:334) können die auftretenden Konflikte in den direkten interorganisationalen Honorarverhandlung 334) gesehen werden (Tauchnitz 2004). 1914 setzte der Hartmannbund bei Verhandlungen mit den Kassenverbänden eine 23%ige Anhebung der Ärztehonorare durch. In Folge der Reichsversicherungsordnung war der Versichertenumfang sprunghaft um 26,5% angestiegen, wodurch die Kassen die bessere Honorierung der Ärzte ermöglichen konnten (Tauchnitz 2004). 3 Weimarer Republik 1918 gab es noch immer keine gesetzliche Verankerung von Kollektivverträgen. Im Laufe der Weimarer Republik wurde der Kollektivvertrag „als legitimes Instrument der selbstständigen Regulierung von materiellen Beziehungen zwischen organisierten gesellschaftlichen Interessengruppen“ (Tauchnitz 2004:341) allgemein anerkannt. Durch den Übergang von den Einzelverträgen zu den Kollektivverträgen eigneten sich die beteiligten Organisationen (Krankenkassen und Ärzteschaft) zunehmend mehr „Kompetenzen zur vertraglichen Gestaltung der kassenärztlichen Honorierung (...) und zur inhaltlichen (normativen) Vereinheitlichung der ärztlichen Vertrags- und Vergütungsbedingungen (…)“ (Tauchnitz 2004:341) an. Letzten Endes verloren jedoch sowohl die Ärzteschaft als auch die einzelnen Krankenkassen die Option auf die Gestaltung der Kassenarztverträge und den entsprechenden kassenärztlichen Honoraren, wodurch die Vertragsautonomie beider Organisationen verloren ging. Die organisationsbasierte Ressourcenmonopolisierungstendenz war hingegen mehr oder weniger abgeschlossen (Tauchnitz 2004). Um einen weiteren Anstieg der ärztlichen Honorare zu vermeiden bzw. entsprechende Begrenzungen vornehmen zu können, wurde der sogenannte „Bauer-Erlass“ eingeführt (Deneke 2000). 1923 versuchte die Ärzteschaft durch Kampfaktionen mehr Rechte zu erhalten, da sie nach wie vor weiter in Abhängigkeit der Krankenkassen gerieten. Infolge von Ärztestreiks wurde der kurzweilige Frieden zerstört. Das Berliner Abkommen lief daraufhin in diesem Jahr aus, woraufhin der Staat erstmals in das bis dato privatrechtliche Verhältnis zwischen Ärzten und Kassen eingriff und in einer Notverordnung wesentliche Regelungen des Abkommens bzgl. der Ärzteschaft und den Krankenkassen übernahm. Infolgedessen wurde für einen weiteren Ausbau der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen, der Reichsausschuss für Ärzte und Krankenkassen gegründet. Dieser war mit einer Rechtssetzungsbefugnis ausgestattet und hatte vor allem die Aufgabe, Richtlinien für die Ärzteverträge und die Zulassung von Ärzten zu erarbeiten. Für Streitigkeitsschlichtungen waren paritätisch besetzte Schiedsämter zuständig. Diese Richtlinie über die Zulassung zur Kassenarztpraxis kann sozusagen als Geburtsstunde des heutigen Zulassungsausschusses angesehen werden. Insgesamt sind hiermit zwei weitere charakteristische Merkmale des deutschen Gesundheitssystems entstanden: Erstens entstand aus dem 13 Reichsausschuss der Bundesausschuss für Ärzte und Krankenkassen10. Zweitens lebt die Institution des Schiedsamtes in den an zahlreichen Stellen des deutschen Gesundheitswesens arbeitenden Schiedsstellen weiter. Sie dient als zentrales Instrument der Konfliktregulierung und des Interessenausgleichs (Simon 2010, KBV 2013 a, www., KVH 2009, PDF). Ebenfalls in diesem Jahr erfolgte die Einführung des sogenannten Regelbetrags bei der Arzneimittelverordnung, was der Vorläufer für das 1990 eingeführte Arzneimittelbudget war (Tauchnitz 2004). 1924 war die preußische Gebührenordnung für approbierte Ärzte und Zahnärzte (Preugo) die wichtigste der staatlichen Gebührenordnungen für die Honorierung der ärztlichen Leistungen11 und wurde in diesem Jahr von den meisten Ländern im deutschen Reich zum allgemein gültigen Maßstab für die Behandlung Mittelloser. Allerdings waren diverse neuere ärztliche Leistungen nicht mehr verzeichnet und mussten analog abgerechnet werden, was oftmals zu gravierenden Honoarstreitigkeiten führte (Funke 1988, Deneke 2000, Tauchnitz 2004). Ebenfalls wurde in diesem Jahr eine Vertragsrichtlinie erlassen, die die Option des Arztvertragsabschlusses als Einzel- oder Kollektivvertrag vorsah, wodurch „(…) die bisherige Trennung zwischen Einzelvertrag und übergeordnetem Kollektivvertrag erstmals partiell durchbrochen“ (Tauchnitz 2004:342 f.) wurde. 1927 wurde die privatärztliche Verrechnungsstellen (PVS) gegründet (Deneke 2000). 14 1928 diente die Preugo nach wie vor als alleinige Grundlage für die Honorierung der Ärzte bzw. der entsprechenden Rechnungsstellungen. In Erkenntnis der Mängel der Preugo wurde die Allgemeine Deutsche Gebührenordnung (Adgo) vom Hartmannbund als Richtlinie für die Honorierung der ärztlichen Tätigkeit bzw. als Grundlage für die von der Preugo abweichenden Honorarvereinbarungen geschaffen. Im Gegensatz zur Preugo war die Adgo nicht von einer staatlichen Stelle erlassen und somit keine amtliche Gebührenordnung bzw. keine Taxe (Funke 1988). Darüber hinaus wurde sie stets dem medizinisch-technischen Fortschritt angeglichen. Infolgedessen war die Adgo und nicht die Preugo die Grundlage für die 1963 erhobene GÖA (Tauchnitz 2004). Die aus der Adgo weiterentwickelte ‚Privat-Adgo‘ (P-Adgo) mit ihren Mindest- und Höchstsätzen fand im privatärztlichen Bereich Anwendung. Nach der P-Adgo konnte nur abgerechnet werden, „wenn der Arzt mit dem Patienten oder den Stellen, die sich zur Zahlung des ärztlichen Honorars verpflichteten, die Sätze dieser Gebührenordnung als maßgebend vereinbart hatte“ (Funke 1988:10) bzw. nur, wenn Arzt und Patient dies ausdrücklich privatrechtlich vereinbart hatten. Sie war wesentlich differenzierter als die Preugo, da sie mitunter bis zu doppelt so hohe Mindestsätze und etwa 670 Positionen enthielt (Funke 1988). Die Vertragsrichtlinien von 1924 und 1928 ermöglichten den Krankenkassen nach wie vor Wahlmöglichkeiten zwischen Einzelleistungs- und Pauschalhonorierung. Entweder wurden die Pauschalen nach Krankheitsfällen oder nach Versichertenanzahl (Kopfpauschale) berechnet. Aus Angst vor unkontrolliert ansteigenden Arztleistungen im Falle von Einzelleistungshonorierung, war die Pauschalhonorierung immer noch die dominierende Honorierungsform der Krankenkassen. Die 10 Dieser wurde seit 2004 durch die Einbeziehung weiterer Leistungserbringer in einen G-BA (zentrale Stelle im GKV-System) umgewandelt. 11 Neben der Preugo gab es bis 1924 rund 18 verschiedene Gebührenordnungen im damaligen deutschen Reich (Funke 1988) soziale Differenzierung in Kassen- und Privatpatienten hatte ihre historischen Wurzeln in den unterschiedlichen Honorarhöhen: Aufgrund unterschiedlicher Honorierungsformen (Pauschal- versus Einzelleistungsvergütung) waren Privatpatienten für den Arzt stets rentabler (Tauchnitz 2004:337). 1929 vereinbarte der Hartmannbund mit den Verbänden der Ersatzkassen die Adgo in der Ersatzkassenpraxis als Abrechnungsgrundlage zu verwenden. Daraus resultierte die „Allgemeine Deutsche Gebührenordnung der Ersatzkassen“, auch „Ersatzkassen Adgo“ (E-Adgo) genannt, die ständig weiterentwickelt wurde und bis 1965 galt. Im Gegensatz zur Privat-Adgo enthielt die E-Adgo keine Gebührenspanne mehr sondern Einheitssätze, die den Mindestsätzen der Privat-Adgo entsprachen. Zudem diente das Leistungsverzeichnis der „E-Adgo“ später als Grundlage für die amtliche Gebührenordnung von 1965 (Funke 1988). 1930 konnten aufgrund der wirtschaftlichen Rezession, die neuen Rechtsverordnungen die Situation zwischen den Krankenkassen und den Ärzten nicht verbessern. Erneut wurde Mitte dieses Jahres eine Notverordnung veranlasst, die die Krankenkassen berechtigte Einzelverträge mit den Ärzten ihrer Wahl zu treffen (KBV 2013 a, www.). Wie bereits angesprochen wurden bei der E-Adgo die Vergütung der ärztlichen Tätigkeiten anhand von Einzelleistungen bemessen und vorgenommen. Die Ersatzkassen nahmen dadurch in leistungsrechtlicher sowie in honorarpolitischer Hinsicht eine besondere Position ein. Diese Vorgehensweise war nur möglich, da die Ersatzkassen, im Gegensatz zu den RVO-Kassen, im Verlauf dieses Jahres von der im Krankheitsfall zu erfolgenden Lohnfortzahlung in den ersten sechs Wochen freigestellt wurden (Tauchnitz 2004). Der Hartmannbund ermöglichte, dass die Honorare der Ärzte „bei stabilen Beitragseinnahmen im Rahmen der netzwerkinternen Verhandlungen zwischen 1924 und 1929 auch ohne größere Streitaktionen überproportional anstiegen und somit trotz der Zunahme der Kassenarztstellen keine Einkommensverluste für den einzelnen niedergelassenen Arzt entstanden“ (Tauchnitz 2004:447)12. Der Grund dafür war, dass die organisierten Kassenärzte in diesen Zeiten ein sich reduzierendes Ärztehonorar gegenüber einer schwindenden Grundlohnsumme abschwächen konnten. Die Ärzteschaft musste sich fortan mehr und mehr für ihre ansteigenden Honorare rechtfertigen. (Tauchnitz 2004). Wie schon 1925 waren auch in diesem Jahr erneut hohe Leistungsausgaben zu verzeichnen (Tauchnitz 2004). Im Laufe der Zeit wurden die ärztlichen Pauschalhonorare, die für die Krankenkassen eine „außerordentliche Erleichterung ihrer Finanzgebaren“ (Sauerborn 1953:12, zit.n. Tauchnitz 2004:336) darstellten, für die Ärzteschaft nicht mehr tragbar, da letztere der Auffassung waren, dass die medizinische Versorgung von den Patienten unnötig stark in Anspruch genommen wurde. Die Kassenpatienten hatten bei den Kassenärzten somit einen schlechten Stand, was eine reduzierte Versorgungsleistung durch die Ärzte mit sich brachte. Schlussendlich bewirkte diese Situation, dass die Ärzte in ihrem eigenen wirtschaftlichem Interesse nur noch die medizinisch notwendigsten Maßnahmen durchführten, die Patienten zu gesundheitsförderlichen Verhaltensweisen sowie zu weniger Arztbesuchen ambitionierten. Allerdings blieben diese Maßnahmen für das Arzt-Patienten-Verhältnis nicht ohne Auswirkungen; vielmehr bewirkte es ein „gegen den Kranken gerichteten Misstrauens-, Kontroll- und Disziplinierungsverhältnis“ (Tauchnitz 2004:337). 12 Fast in jeder Wirtschaftskrise waren bei den Kassenärzten im Schnitt weniger Einkommensbußen zu verzeichnen als bei dem überwiegenden Teil der lohnarbeitenden Bevölkerung (Tauchnitz 2004). 15 1931 wurde zur Schlichtung der Arbeitskämpfe zwischen Ärzten und Krankenkassen mittels einer weiteren Notverordnung auf Landesebene durch den Reichspräsidenten die Institution der zu bildenden kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) eingeführt. Verhandlungspartner der Krankenkassen waren nun nicht mehr der Hartmannbund sondern einzig und alleine die KVen13 (Tauchnitz 2004, Simon 2010). 16 Zudem wurde nun das bisherige System der Einzeldienstverträge im Zuge der Notverordnungspolitik der Brüning-Regierung durch das Kollektivvertragssystem ersetzt, was die Grundlage für das heutige System der ambulanten ärztlichen Versorgung darstellte. Die kassenärztlichen Kollektivverträge erhielten in diesem Jahr fortan einen offiziellen Rechtscharakter und ähnelten somit Tarifverträgen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften. Entsprechende Mantelverträge, die die Einheitlichkeit der kassenärztlichen Versorgung sicherstellen sollten, wurden in den Gesamtverträgen auf örtlicher Ebene der KVen und den Krankenkassen ausgehandelt. Die wesentlichen Kontexte wurden ohne die Mitwirkung der lokalen Akteure (Kasse, Arzt) konzipiert. Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation erfolgte zwischen den Spitzenverbänden in diesem Jahre ein Honorarabkommen, das finanzielle Abschläge für die Ärzte mit sich brachte. Die Krankenkassen verzichteten im Gegenzug auf die Kündigung der Arztverträge (Tauchnitz 2004). Im Hinblick auf die kassenärztliche Vergütung wurde von den Krankenkassen eine kollektivvertraglich vereinbarte Gesamtvergütung an die KVen gezahlt. Mit der Honorarverteilung sowie allen übrigen Pflichten gegenüber den Kassenärzten wurden unter Erstere gegenüber den Kassenärzten entbunden. Je nachdem wie der durchschnittliche „Jahresbedarf an kassenärztlichen Leistungen pro Versicherten“ (Tauchnitz 2004:345) und nicht pro Patient war (Kopfpauschale), fiel die Höhe der jeweiligen Gesamtvergütung aus. In einem Gesamtvertrag wurde dann die für jede einzelne Krankenkasse ermittelte Kopfpauschale vereinbart. Neben allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen wurden ebenfalls die wirtschaftliche Situation sowie die Grundlohnentwicklung der Krankenkassen bei der entsprechenden Festlegung der Vergütung berücksichtigt. Die ärztliche Behandlungsleistung war lediglich für die Kasse pauschaliert. Die KVen erhielten gleichzeitig den Sicherstellungsauftrag für die ambulante ärztliche ambulante Versorgung der Kassenpatienten. Seitdem tragen sie den Kassen gegenüber Gewähr für eine adäquate wirtschaftliche Verwendung der Mittel. Zudem wurden ebenfalls das Recht und die Regelung der Zulassung von Kassenärzten auf sie übertragen und die Versicherten erhielten die freie Arztwahl unter allen zugelassenen Ärzten (Simon 2010). In Form von Einzelleistungen und nicht in pauschalierter Form erfolgte jedoch die Honorarverteilung durch die Kassenärzteorganisationen. Die von den KVen als unnötig erbrachten ärztlichen Leistungen wurden aus der Vergütung ausgenommen. Für die praktizierten Leistungen wurde ein sog. Punktwert14 festgesetzt (= Punktsumme dividiert durch Gesamtvergütung der Kasse). In diesem Jahr wurden bis zum noch heute gültigen System der kassenärztlichen Honorierung alle strukturellen 13 Die KVen vertraten bereits damals die Interessen der Ärzte gegenüber den Krankenkassen. Zudem agierten sie nach innen in die Ärzteschaften hinein, bis hin zu der gegenwärtig relevanten Fragestellung, welcher Anteil jeder Facharztgruppe an der „Gesamtvergütung und damit um die Sicherung von exklusiven Zugriffsrechten auf die Organisationsressourcen durch einzelnen Gruppen“ (Tauchnitz 2004:346) zustehen würde. Darüber hinaus übernahmen sie bereits damals, wie auch noch heute, staatliche Aufsichtsfunktionen (Simon 2010). 14 Der Punktwert ist entscheidend für die Vergütungshöhe ärztlicher Leistungen und ist ein inzwischen in Cent bemessener Wert. Eine entsprechende Bewertungszahl liegt jeder vertragsärztlich erbrachten Leistung zugrunde, die mittels Punkten das Leistungswertverhältnis untereinander darstellt. Der Wert wird mit den Punkten ärztlicher Leistungen des EBM multipliziert, wodurch sich die reale Vergütungshöhe der Leistung errechnet ( Einheitlicher Bewertungsmaßstab, EBM) (Ortwein 1992, ArztWiki 2013 b, www.). und institutionellen Fundamente der kassenärztlichen Honorierung gelegt (Tauchnitz 2004, Simon 2010, Tauchnitz 2004, Wikipedia 2014 e, www.). 4 Drittes Reich "Viele deutsche Ärzte haben sich im Ersten Weltkrieg bereits an energisches ,Durchgreifen' und Missachtung der Patientenrechte gewöhnt, schon lange vor 1933 den späteren nationalsozialistischen Herrschern bereitwillig, ja begeistert angedient" (Bastian, T. zit. n. Hauenstein 2011, www.). Januar 1933 erfolgte die Machtergreifung der Nationalsozialisten (Simon 2010). März 1933 wurden die Krankenkassen der Aufsicht des Reichsarbeitsministers unterstellt und er setzte von ihm auserwählte Staatskommissare als Leiter ein. Diverse Krankenkassen-Angestellte wurden wegen ihrer SPD, KPD-Gesinnung oder Gewerkschaftsangehörigkeit entlassen und durch NSDAP-Angehörige ersetzt. Ebenfalls in diesem Jahr erfolgte die Schließung kasseneigener Einrichtungen, darunter Selbstabgabestellen für Heilmittel, Ambulatorien, Krankenhäuser und Zahnkliniken, was vor allem den Interessen der Industrie und Ärzteschaft entgegenkam (Simon 2010). April 1933 wurde das Zulassungsrecht für Ärzte verordnet, mittels dessen ein Ausschluss kommunistisch tätiger und nichtarischer Ärzte erfolgte. Ende 1933 betraf das etwa 2.800 bzw. 8% aller Kassenärzte (Forum Gesundheitspolitik 2015, www.). August 1933 wurde durch die erfolgte Machtergreifung die Selbstverwaltung in der gesamten Sozialversicherung beseitigt bzw. die gerade erst gegründeten regionalen Organisationen in der Kassenärztlichen Vereinigung Deutschlands (KVD) gleichgeschaltet. Die KVen verloren somit ihre Aufgaben und die stattdessen gegründete zentrale kassenärztliche Vereinigung Deutschlands (KVD) mit einem Reichsärzteführer an der Spitze, wurde als Körperschaft des öffentlichen Rechts errichtet. Letztere sollte fortan die ärztliche Versorgung, die Zulassung und die eigene Berufsgerichtsbarkeit regeln. Die in diesem Kontext durch die Nationalsozialisten eingeleiteten Maßnahmen, wurden durchgeführt, um eine Ausschaltung der politischen Gegner, die Gleichschaltung der Gesellschaft15 sowie den Ausschluss jüdischer Ärzte aus dem kassenärztlichen System zu bewirken. Die kassenärztlichen Strukturen wurden infolgedessen zum Werkzeug der nationalsozialistischen „Rassenpolitik“ (Gerhardt 2013:18, Simon 2010, Deneke 2000, Wikipedia 2014 e, www.). Nach 1933 traten 45% aller Ärzte in die NSDAP ein. Gleichzeitig gingen sowohl der Hartmannbund als auch der Deutsche Ärztebund, die beiden größten ärztlichen Standesorganisationen, mit dem Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebund (NSDÄB) ein Bündnis ein (Hauenstein 2011, www.). 1934 wurde die bereits 1933 erfolgte Abschaffung der Selbstverwaltung durch den Aufbau der Sozialversicherung gesetzlich abgesichert (Simon 2010). Dieses Gesetz bewirkte, dass die Ersatzkassen zu Körperschaften des öffentlichen Rechts und zu Trägern der GKV wurden. Speziell zwischen Angestellten- und Arbeiterersatzkassen wurde separiert und sozialversicherungsfremde 15 Versichertenvertreter in der Selbstverwaltung waren mehrheitlich den Gewerkschaften und der SPD angehörig (Simon 2010) 17 Mitglieder mussten aus ihnen ausscheiden. Die privaten Gesellschaften waren nun zuständig für die aus den Ersatzkassen ausgeschiedenen Krankenversicherungsmitgliedern (infokrankenversicherung.net 2014, www.). Das GKV-Leistungsrecht blieb während des Nationalsozialismus in seinen Grundzügen erhalten, wurde allerdings in einigen Bereichen weiter ausgebaut (Simon 2010). 1935 erfolgte die Reichsärzteordnung, die die Übertragung der Ermächtigung der Gewerbeordnung auf den Reichsinnenminister beinhaltete, der jedoch keinen Gebrauch von der Option einer Erlassung der Gebührenordnung machte. Die Preugo blieb somit weiterhin bestehen (Funke 1988). Aus der Reichsärzteordnung folgte die Festlegung der lang geforderten, einheitlichen Ausbildung und Approbation. Darüber hinaus wurde in der Ermächtigungsgrundlage ebenfalls eine „Gebührenordnung für Ärzte mit primärer Geltung“ vorgesehen, mit der Ausnahme „(…), dass eine Vereinbarung über die Vergütung der Leistungen des Arztes schriftlich getroffen ist“ (Krause a.a.O.:82, zit.n. Funke 1988:42). Diese Aussage verdeutlicht einen Wandel in dem Verständnis des Freiraumes ärztlicher Honorargestaltung (Funke 1988). Infolge der eingeführten Reichsärzteordnung wurden der Ärzteverbund und der Hartmannbund offiziell aufgelöst (Deneke 2000). 1936 wurde die Reichsärztekammer gegründet und alle freiverbandlichen Zusammenschlüsse wurden vollends aufgelöst (Deneke 2000). 18 1939 sollten hinsichtlich der Kriegsbedingungen die KVen durch eine Anpassung der ärztlichen Vergütung entlastet werden. Darüber hinaus sollte vermieden werden, dass die „praktizierenden Ärzte ihr Einkommen auf Kosten der eingezogenen Ärzte übermäßig steigerten“ (Tauchnitz 2004: 347). Während der Kriegszeit konnten Punktberechnung und Honorarverteilung nicht mehr nach Einzelleistung vorgenommen werden. Fortan wurde nicht mehr nach Einzelleistungen vergütet sondern nach der Zahl der Krankenscheine, der sog. Krankenscheinpauschale. Dieses Krankenscheinsystem war derzeit durchaus tragbar, da höchst wahrscheinlich keine unnötigen Leistungen erbracht wurden und die Ärzte aufgrund ihrer starken Frequentierung entsprechend gut honoriert werden konnten. Diese Krankenscheinpauschale wurde auch noch in der Nachkriegszeit beibehalten. „Das führte zum Anstieg der ärztlichen Einzelleistungen, was bei einer fixen Gesamtvergütung sinkende Punktwerte und Einkommensbußen bei den Ärzten mit kleinem Patientenstamm zur Folge hatte“ (Sauerborn 1953:214, zit.n. Tauchnitz 2004:347). 1940 wurden privatärztliche Verrechnungsstellen mit in die Reichsärztekammer eingegliedert (Deneke 2000). 1941 wurden die Rentner mit in die Krankenversicherung aufgenommen, wodurch sie automatisch krankenversichert waren. Finanziert werden konnte dieser Tatbestand mittels der Beitragsüberweisungen der Rentenversicherungsträger an die Krankenkassen (Simon 2010). Mai 1945 organisierten die KVen erneut die medizinische Versorgung (Gerhardt 2013). 5 Nachkriegszeit 1945 erfolgte nach dem Ende des 2. Weltkrieges der Zusammenbruch der PKV, die infolgedessen wieder bei null anfangen musste. Jegliche PKV-Tätigkeit wurde durch die sowjetische Besatzungsmacht verboten, woraufhin eine Vielzahl von Versicherungsunternehmen in die Bundesrepublik übersiedelte (info-krankenversicherung.net 2014, www.) 1948 wurde mit der Währungsreform in den drei Besatzungszonen in Deutschland zwar die Preisbindung allgemein aufgehoben, nicht jedoch die Preugo (Arztwiki 2013 a, www.). 1949 erfolgte die Wiederbegründung des Hartmannbundes. Zudem schlossen sich in Hannover die jungen Landesverbände zum „Verband der niedergelassenen Nicht-Kassenärzte Deutschlands (NKV)“ zusammen (Ortwein 1992, NAV 2010, www.). Der in 1947 gegründete Verband der privaten Krankenversicherung in der britischen Zone mit Sitz in Köln, breitete sich nun auf das gesamte Gebiet der BRD aus (info-krankenversicherung.net 2014, www.). 1950 wurde der NKV in „Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V. (NAV)“ umbenannt (NAV 2010, www.). 1951 erfolgte die Einführung des Selbstverwaltungsgesetzes, das der Wiederherstellung von Strukturen der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung diente. Die Verbände hatten im Vergleich zu 1933 nun einen wesentlich stärkeren Einfluss (Simon 2010). Exkurs in die DDR: Das Gesundheitswesen der DDR wurde in den Grundprinzipien durch die sowjetische Besatzungsmacht beeinflusst, bei dem es sich um ein zentralstaatliches System mit zentralstaatlicher Planung und staatlicher Leistungserbringung handelte. Das 1951 gegründete Ministerium für Arbeit und Gesundheit übernahm hierbei die zentrale Verwaltungsfunktion; die Leistungserbringung erfolgte in staatlichen Einrichtungen und die staatliche Aufsicht lag in den zuständigen Abteilungen der 14 Bezirke. Krankenhäuser, Polikliniken und Ambulatorien waren nach SED-Vorstellung die entsprechenden Anbieter für die ambulante medizinische Versorgung zuständig. Einzelpraxen für niedergelassene Ärzte waren im Gegensatz zum Westen selten und nahmen im Verlauf der DDRGeschichte ab, so dass viele Ärzte vor der Mauererrichtung in den Westen abwanderten. Den volkseigenen Betrieben (VEB) und dem Betriebsgesundheitswesen (BGW), die ihre Schwerpunkte in der Primärprävention, der Unfallverhütung, in der ersten Hilfe und der ambulanten medizinischen Versorgung durch arztsanitätsstellen, Betriebsambulatorien und Betriebspolikliniken hatten, kamen im Bereich der medizinischen Versorgung eine bedeutende Rolle zu. Die DDR setzte im Vergleich zur BRD bereits sehr auf Prävention, Prophylaxe, die einen wesentlichen Beitrag zur Entfaltung der Volkswirtschaft leisten könnte sowie auf die Gesundheitserziehung der gesamten Bevölkerung. Darüber hinaus gab es 1951 eine einheitlich zusammengefasste und zentral gelenkte Sozialversicherung, über die der Staat die Aufsicht hatte, deren Leitung jedoch zunächst noch von Versichertenvertretern gewählt wurde (Simon 2010)16. Für die gesamte DDR gab es lange Zeit nur eine Verrechnungsstelle in Potsdam. Bezahlt wurde nach der persönlich ermittelten Fallpauschale (ArztWiki 2013 a, www.). 1952 forderten Ärzte aufgrund des in diesem Jahr gestiegenen Lohn-Preis-Gefüges, eine Angleichung der Gebührensätze. Die bundeseinheitliche „Preußische Gebührenordnung für approbierte Ärzte und Zahnärzte“ wurde in das Preisrecht als bundesrechtliche Regelung übernommen. Die Ermächtigung 16 Bereits ab 1950 wurden die Sozialversicherungsbeiträge zusammen mit der Einkommens- und Lohnsteuer über das Finanzamt eingezogen (Simon 2010). 19 im Preisgesetz führte letzten Endes zu einer bundeseinheitlichen Regelung für die ärztlichen Honorare (Funke 1988). 1953 wurden die Mindestsätze der Preugo erhöht und zur „amtlichen ärztlichen Gebührenordnung für die Bundesrepublik Deutschland“ ernannt. Allerdings erfolgte noch immer keine entsprechende Aktualisierung (Funke 1988). 1954 standen infolge der in den 50ern und 60ern stark unterfinanzierten Krankenhausversorgung bis hin zur Pflegesatzverordnung nur ein geringes medizinisches Personal und medizinische Versorgung zur Verfügung. Um die finanzgeschwächte GKV zu schonen, sollte den Krankenhäusern die Deckung ihrer Selbstkosten durch die in diesem Jahr erfolgte Pflegesatzverordnung verweigert werden (Simon 2010). 20 1955 wurde mittels der Einführung des Kassenarztrechtes, das im Grundsatz die Regelungen von 1931 wieder herstellte, das System der KVen als Bestandteil der Reichsversicherungsordnung (RVO) bestätigt. Die Institution der KV wurde in das Recht der BRD übernommen und die KVen erhielten die zentrale Funktion im Gesundheitswesen (Körperschaften des öffentlichen Rechts, Sicherstellungsauftrag, Gewährleistungsauftrag17, Vertragsverhandlungsregelungen sowie andere Regularien18) (KVH 2009, PDF). Die Gesamtvergütung konnte nun im Vergleich zu 1931 sogar wahlweise berechnet werden (Kopfpauschale, Fallpauschale oder Einzelleistung) (Tauchnitz 2004). Der in dem Kassenarztrecht enthaltene Sicherstellungsauftrag gab den niedergelassenen Ärzten das Monopol auf die ambulante Versorgung. Dafür mussten sie allerdings auf ihr Streikrecht verzichten (Deneke 2000). Die KVen konnten in den Gesamtvertragsverhandlungen mit den Krankenkassen, wie gesagt, sogar Einzelleistungsvergütungen bewirken. Fortan sollte sich die Gesamtvergütung bei der Anwendung der Kopfpauschale an dem tatsächlichen Versicherten-Versorgungsbedarf, also „der Summe der von der Ärzteschaft im Untersuchungszeitraum erbrachten Leistungen“ (Tauchnitz 2004:348) orientieren19. Die bisherige Kopfpauschale wurde somit zu einer „Pauschalvergütung mit Einzelleistungscharakter“ (Kortmann 1968:43, zit.n. Tauchnitz 2004:348). Dieses Gesetz erbrachte einen honorarpolitischen Wechsel, durch den die in den Kollektivverhandlungen bislang nicht erlangte Einzelleistungsvergütung ermöglicht wurde. Die KVen mussten die entsprechende Honorarverteilung ebenfalls nach Einzelleistungen und nicht mehr nach Kopfpauschale vornehmen. Diese neuen Zustände in der Honorarpolitik hatten zur Folge, dass das Leistungsvolumen pro Versicherten und folglich auch die Vertragsverhandlungen zwischen Kassen und KVen enorm anstiegen. Die Organisationen der Kassenärzte forderten, dass abgesehen von der innerärztlichen Honorarverteilung ebenfalls auch die Gesamthonorarberechnung nach dem Prinzip der Einzelleistungsvergütung erfolgen sollte, was bis Mitte der 60er Jahre auch von den meisten Krankenkassen akzeptiert wurde. Die Beziehungen zwischen Krankenkassem und den Ärzten wurden somit neu geregelt (Tauchnitz 2004). In diesem Jahr wurde ebenfalls die kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) als Rechtsnachfolgerin der Kassenärztlichen Vereinigung Deutschlands gegründet (Wikipedia 2014 e, www.). Aufgrund der Tatsache, dass die Preugo schon lange nicht mehr alle neue medizinischen Leistungen beinhaltete 17 Vertragsärztliche Tätigkeiten gegenüber Krankenkassen und ihren Verbänden adäquat durchzuführen. Qualität der Leistungen und Vertragskonformität (ordnungsgemäße Abrechnung) wird durch die KVen überprüft (KVH 2009, PDF). 18 Partner der gemeinsamen Selbstverwaltung (Krankenkassen und KVen) handeln Vergütung und andere Regularien (z.B. Impfvereinbarungen) aus. Kommt es zu einer Nichteinigung erfolgt eine Schiedslösung (KVH 2009, PDF). 19 Bislang erfolgten derartige Berechnungen an den „Pro-Kopf-Ausgaben der Krankenkassen“ (Tauchnitz 2004:348) und die Kassenärzte darunter starke finanzielle Nachteile erlitten, wurde eine analoge Bewertungsliste, die allgemein Anerkennung fand, zur Preugo durch die KBV „für die Anwendung in der kassenärztlichen Versorgung“ (Funke 1988:11) herausgebracht. Zwei wichtige Veränderungen Ende der 60er hinsichtlich der sozialen Absicherung: 1956 erfolgte mittels der Krankenversicherung der Rentner in diesem Jahr deren vollständige Einbeziehung in die GKV sowie eine Absicherung im Krankheitsfall, was letzten Endes zur originären Aufgabe der GKV wurde. Die Beitragsüberweisungen der Rentenversicherung an die Krankenversicherungen ermöglichte die Finanzierung der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) (Simon 2010). In diesem Jahr erfolgte in der DDR die Neuordnung der Sozialversicherung, deren Leitung, Kontrolle und Verwaltung in die Hände des Freien Deutschen Gewerkschaftsbunds (FDGB) übergeben wurde. Dies‘ führte letzten Endes dazu, dass die Selbstverwaltung der Sozialversicherung durch ihre Mitglieder abgeschafft wurde. Nun unterlagen alle der Versicherungspflicht; unabhängig davon, wie das Einkommen aussah. Inzwischen waren fast 100% der Wohnbevölkerung versichert, da die Sozialversicherung eine beitragsfreie Mitversicherung von Familienangehörigen leistete. Ansonsten ähnelte das System dem der GKV im Westen, bis auf die Tatsache, dass es in der DDR keine Zuzahlungen, Eigenbeteiligungen oder Rezeptgebühren gab und der Leistungskatalogausbau früher als im Westen begann. Alle Versicherten hatten grundsätzlich Anspruch auf eine freie Arztwahl und kostenlose Heilbehandlung, die insbesondere ärztliche und zahnärztliche Behandlung, Zahnersatz, Arznei-, Heil- und Hilfsmittel, Krankenhausbehandlung und häusliche Krankenpflege beinhaltete. Mittels einer Neuordnung wurde die Sozialversicherung in eine der Arbeiter und der Angestellten (SVAA) und eine Sozialversicherung für Nicht-Mitglieder des FDGB (Bauern, Handwerker, Selbstständige und freiberuflich Tätige) geteilt (Simon 2010). 1957 wurde ein neues Kassenarztrecht im Bundestag verabschiedet (Gerhardt 2013). Die Mindestsätze der Preugo wurden letztmalig erneut erhöht und darüber hinaus wurde ein Lohnfortzahlungsgesetz20 eingeführt, das eine Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten mit sich brachte. Letzteres bewirkte eine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Bislang erhielten Angestellte für maximal sechs Wochen Gehaltfortzahlungen; Arbeiter hingegen bekamen lediglich 50% des Grundlohns von ihrer Krankenkasse. Die Neuregelung verpflichtete die Unternehmen der GKV Zuschüsse zu leisten, so dass die Versicherten im Krankheitsfall insgesamt 90% des Nettoarbeitsentgeltes erreichten (Funke 1988:11, Simon 2010). Darüber hinaus erfolgte die groß angelegte Rentenreform, die das Rentenniveau anhob. Die jährliche Anbindung an die Entwicklung der Löhne und Gehälter sollte sicherstellen, dass die Teilhabe der Rentner an der Einkommensentwicklung der abhängig Beschäftigten ermöglicht werden konnte (Simon 2010). Ende der 50er nahm die Zahl der Medizinstudenten und der niederlassungswilligen Ärzte zu, allerdings konnten letztere aufgrund der bestehenden Beschränkung nicht alle eine Zulassung als niedergelassene Ärzte erhalten (Simon 2010). 1961 wurden die Zulassungsbeschränkungen aufgehoben und eine allgemeine Niederlassungsfreiheit bewirkt, die mit dem im Grundgesetz enthaltenen Artikel über die Freiheit 20 Gesetz zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle. 21 der Berufswahl begründet wurde. Letzteres war die Grundlage für einen deutlichen Anstieg der Arztzahlen; insbesondere in den 70er und 80er Jahren (Simon 2010). Zudem wurde in diesem Jahr die Bundesärzteordnung (BÄrzteO)21 erlassen, welche die Subsidiaritätsklausel für die Gebührenordnung „als Norm für strittige Fälle im Mangel einer Vereinbarung“ (Funke 1988:12) im Gegensatz GewO nicht mehr beinhaltete. 1964 erarbeitete Gesundheitsministerin Elisabeth Schwarzhaupt (CDU) aufgrund der Tatsache, dass die privatärztliche Honorierung nach wie vor auf der bereits 70 Jahre alten Preußischen Gebührenordnung basierte eine Bundes-Gebührenordnung (Bugo) für Ärzte und Zahnärzte (BUGOZ). Die Sätze der Preugo wurden zwar 1957 letztmalig erhöht, aber die Listen ärztlicher Leistungen waren komplett veraltet. Schwarzhaupt schlug hier eine Gebührenerhöhung um durchschnittlich 30 Prozent vor; die Ärzte wollten jedoch 40 Prozent (Arztwiki 2013 a, www.). 22 1965 stimmten nach langen Verhandlungen der Bundestag und Bundesrat der neuen Gebührenordnung zu und es erfolgte die Einführung der Bundesgebührenordnung für Ärzte und Zahnärzte (BUGO(-Z)) in der Bundesrepublik (Arztwiki 2013 a, www. , Scholber 2014, PDF). Letztere enthielt keine Vorschriften über die Gestaltung der ärztlichen Rechnungen. Steigerungssätze waren nicht nachvollziehbar. Hier handelt es sich um eine primär geltende, aber dispositive Gebührenregelung22. Ihre Funktion war insbesondere die Regelung der Fragen für welche Leistungen, in welcher Höhe die Ärzte von Privatpatienten Honorare fordern können und in welcher Form diese Rechnungen zu stellen sind (Funke 1988:6). Ein zentraler Eckpunkt für die Entwicklung der ambulanten ärztlichen Versorgung war die dadurch in diesem Jahr einhergehende Umstellung von Kopfpauschalen- auf Einzelleistungsvergütung (Simon 2010:33). Für Kassenpatienten wurden Verträge ausgehandelt, die sich ungefähr an der Bugo orientierten (Arztwiki 2013 a, www.). Aufgrund der Tatsache, dass die E-ADGO die Vergütung von Einzelleistungen und die Tendenz zur Begrenzung der Leistungsexpansion „(…) durch Überwachung der vertragsärztlichen Tätigkeit und eine von den Ärzteorganisationen durchzuführende Prüfung der Arztrechnungen (…)“ anstrebte, „(...) war sie und nicht die Preugo die Grundlage für die neue Gebührenordnung“ (Tauchnitz 2004:345). Die BUGO enthielt etwa 1000 Gebührenordnungspositionen; die Preugo hingegen hatte ursprünglich nur etwa 200 vorzuweisen. Zudem wurde in der neuen Verordnung der Spielraum zwischen Mindest- und Höchstsatz vom 1-10fachen auf das 1-6fache verringert. Darüber hinaus wurde das Gebührenniveau ebenfalls um 28% angehoben (Funke 1988). Die neue Gebührenverordnung konnte ohne Einhaltung einer bestimmten Form voll ‚abbedungen23 werden‘ (Funke 1988:38). Auch wenn das Prinzip der vollen Abdingbarkeiten24 bestehen blieb, so konnte seit der RVO in 1935 durchaus ein Wandel des Verständnisses vom Freiraum ärztlicher Honorargestaltung festgestellt werden: Die Tendenz bei der BUGO zum Subsidiaritätsprinzip von der aus dem vorherigen Jahrhundert stammenden 21 Hintergrund des BÄrzteO war, dass mittels der Approbation der Arzt ein Pflichtmitglied der Ärztekammer seines Wohnund Berufsortes wurde. Zudem sind fortan die ärztlichen Honorare nicht in beliebiger Höhe festsetzbar, sondern an Gesetze einer staatlichen Gebührenordnung gebunden. Die ärztliche Tätigkeit war nun ein öffentlich-rechtlich gebundener Beruf und kein Gewerbe mehr; eine auf den Erwerb ausgerichtete Tätigkeit. Die Ausübung des Berufes fiel nun unter ‚Anwendung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb‘ (UWG). Frei praktizierende Ärzte waren fortan im Sinne des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWG) als Unternehmer anzusehen und unterlagen somit auch den Vorschriften dieses Gesetzes. Durch die Freiberuflichkeit erfolgte keine Einschränkung der Sozialbindung mehr (Funke 1988). 22 Primär-dispositive Taxen greifen grundsätzlich immer ein und können abgedungen werden (s. folgende Fußnote) 23 „Durch Vereinbarung kann eine von dieser Verordnung abweichende Regelung getroffen werden.“ (§ 1 Satz 2 GOÄ 1965 in Funke 1988:38) 24 Abdingbarkeit oder auch Dispositivität (dispositives Recht) beschreibt die Möglichkeit, durch eine vertragliche Vereinbarung rechtliche Regelungen zu ändern oder aufzuheben. „Eine Abdingung ist nur erforderlich, wenn etwas primär – also nicht schon von vornherein nur hilfsweise – gilt“ (Funke 1988:36). Gewerbeordnung sowie aus der Preugo entfiel zusehends (Funke 1988:42). Die Ärzte kritisierten bei der BUGO eine existierende Anlehnung an die Krankenkassengebührenordnung, der E-Adgo, und befürchteten, dass die neue Verordnung nur eine Übergangslösung, die sogenannte ÜGO, wäre (Funke 1988). Dieser Übergang belief sich somit auf 17 Jahre bis zur neuen GOÄ in 1982 (Arztwiki 2013 a, www.). 1969 strengt der NAV eine Verfassungsklage aufgrund der Tatsache an, dass die freie Kassenzulassung die Voraussetzung für die freie Berufsausübung ist (NAV 2010, www.). 6 Siebziger Jahre und das Kostendämpfungsgesetz 1971 entschlossen sich die KBV und Bundesverbände der Krankenkassen zur Einführung einer verbindlichen bundeseinheitlichen Rechnungsgrundlage für die Kassenärzte. Dem zugrunde liegend wurde der auf der Gebührenverordnung von 196525 aufgebaute Bewertungsmaßstab-Ärzte (BMÄ) eingeführt. Der BMÄ galt für den Bereich der RVO-Kassen (Funke 1988:13). Mitte der 70er-Jahre setzte ein grundlegender Wandel in der Gesundheitspolitik ein, infolge dessen der Kapazitätenausbau und die Verbesserung der Bedarfsdeckung hintergründig und die Begrenzung der Ausgabenentwicklung in der GKV vordergründig behandelt wurden. Die Ausgabensteigerungen zu Beginn der 70er führten zu einer bedrohlichen Kostenentwicklung (Simon 2010). Bis dahin und dem folgenden Kostendämpfungsgesetz in 1977 konnten Kassenärzte von dem wirtschaftlichen Konjunkturaufschwung und den damit einhergehenden Wohlstand profitieren (Gerhardt 2013). 1977 wurde das sogenannte Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz (KVKG) erlassen, um die Ausgabenentwicklung zu dämpfen und strukturelle Verbesserungen in der GKV bewirken zu können. Es beinhaltete das Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetz (KVEG), das Rentenanpassungs- und Sozialversicherungsgesetz (RAÄG) sowie das Haushaltsbegleitgesetz. Politische Hauptansatzpunkte in der alten BRD waren hierbei Veränderungen an den Vergütungssystemen der ambulanten ärztlichen Versorgung und Krankenhausversorgung und zudem eine Ausweitung und Erhöhung von Zuzahlungen der Versicherten. Das KVKG bewirkte, dass eine Anbindung der kassenärztlichen Vergütungen an die Entwicklung der beitragspflichtigen Einnahmen der Krankenkassenmitglieder (Grundlohnsumme) zu erfolgen hatte (Simon 2010). Die Zuständigkeit für das ärztliche Gebührenrecht ging durch den Organisationserlass des Bundeskanzlers vom Bundesgesundheits- auf das Bundesarbeitsministerium über (Funke 1988:16). Zunächst wurde eine Vereinheitlichung der RVO- und Ersatzkassenabrechnung angestrebt. Folglich sollten die Spitzenverbände der Kassenärzte und Krankenkassen einen einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) zur Abrechnung für die ärztlichen Leistungen bei gesetzlich Versicherten schaffen. Der EBM wird nach wie vor fortlaufend durch den Bewertungsausschuss weiterentwickelt. Die Kosten im Gesundheitswesen zu dämpfen und somit die Belastung der Beitragszahler und der Wirtschaft zu begrenzen waren ebenfalls zentrale Gesichtspunkte. Darüber hinaus sollte unter Beachtung der Freiberuflichkeit der Kassenärzte, Vertragsfreiheit, Selbstverwaltung der 25 Bis jetzt lagen daneben für die privat- und kassenärztliche Abrechnung drei weitere Gebührenordnungen vor: P-Adgo; BMÄ; E-Adgo. Die beiden letzteren wurden bis 1978 laufend fortentwickelt (Funke 1988). 23 Krankenkassen sowie die Stärkung der Ärzte und Krankenhäuser im Fokus stehen. Entsprechende Maßnahmen wurden bereits in der RVO verankert (Simon 2010, KBV 2013 a, www., Funke 1988). Ab diesem Jahr folgte ein Gesetz dem anderen, an denen die KVen mehr beteiligt waren als gewollt. Die sog. ‚Plausibilitätsprüfung‘ wurde eingeführt, als diverse Vertragsärzte dem Abrechnungsbetrug bezichtigt wurden. Seitdem übernehmen die KVen die Arbeit des Staatsanwaltes, müssen ihn aber bei bestimmten Tatbeständen jedoch einschalten (Gerhardt 2013). 1978 hatten einzelne Kassenarten (AOK, BKK, Ersatzkassen etc.) in der GKV verschieden konstruierte Gebührenordnungen mit der KBV und den KVen vereinbart, was aus Sicht des Gesetzgebers die damals gewollte stärkere Ausgabenbegrenzung erschwerte. Aufgrund dessen regelte letzterer, dass ab diesem Jahr der bereits entwickelte EBM für alle Krankenkassen Anwendung finden müsse („BMÄ 78“).26 Die Ersatzkassen erhielten eine eigene Gebührenordnung, die sogenannten ErsatzkassenGebührenordnung (E-GO) (Wirtschaftslexikon.co 2013, www.). 1979 wurde ein Eckdatenpapier durch die ärztlichen Spitzenorganisationen und Vertretern der zur der Gebühren Verpflichteten erstellt, das bereits die wesentlichsten Zielvorstellungen des Ministeriums beinhaltete: „Anhebung des Einfachsatzes unter Orientierung an den Vergütungen im Bereich der sozialen Krankenversicherung, Neugestaltung des Gebührenrahmens, Erhöhung der Transparenz bei Rechnungen, bessere Ausgewogenheit der Bewertung von persönlichen ärztlichen im Verhältnis zum medizinisch-technischen Leistungen, Übernahme des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) aus dem Kassenarztbereich für das Leistungsverzeichnis, Erhaltung des allg. ärztlichen Vergütungsniveaus („Kostenneutralität“)“ (Funke 1988:16) 24 In den 80ern blieben die Gesundheitsstrukturen im Wesentlichen unverändert; allerdings wurden die Vergütungssysteme reformiert: Als Alternative zu dem KrankenversicherungsKostendämpfungsgesetz (1977) stand nun die Anbindung an die Inflationsrate zur Disposition. Die Ärzteschaft entschloss sich jedoch für die Grundlohnbindung, was sich letzen Endes nachhaltig als sehr negative Entscheidung für sie herauskristallisierte, da die ärztliche Forderung im Nachhinein in einer leistungsorientierten Vergütung bestand. Es wurde eine Vereinbarung zwischen den Landesverbänden und der entsprechenden KV eine Gesamtvergütung für die Honorierung sämtlicher ambulanter ärztlicher Leistungen abgeschlossen, deren Erhöhung sich an der Grundlohnsummenentwicklung orientieren muss. Die ärztliche Forderung bestand im Nachhinein jedoch in einer leistungsorientierten Vergütung (Simon 2010). 1982 erfolgte durch das Bundeskabinett ein Verordnungsentwurf einer Gebührenordnung für Ärzte nachdem die Bundesärztekammer die geplante Novellierung stark kritisiert hatte. Der ursprünglich einplanten Einschränkung der Abdingbarkeit, bei der eine von der Gebührenordnung abweichende Vereinbarung nur noch im Hinblick auf die Vergütung möglich sein sollte, wurde nicht zugestimmt, woraufhin wieder eine freie Abdingbarkeit in die Verordnung aufgenommen wurde (Funke 1988). Anfang 1983 wurde die seit 1965 in der Bundesrepublik geltende Gebührenordnung nun durch ein neues Punktesystem in der novellierten GOÄ abgelöst, infolge dessen Punktwerte anstelle von DMBeiträgen verwendet wurden (Funke 1988): Helmut Schmidt hatte die erste BUGO mit einem neuen Punktesystem reformiert. Fortan erbrachte jeder Leistungspunkt dem Arzt 10 Pfennig. Ein Patientengespräch brachte so beispielsweise bereits 80 Punkte. Diese Sätze sind wurden bis heute kaum erhöht. Seitdem haben die Ärzte allerdings die Möglichkeit, die Grundgebühren zu 26 Einheitlicher Bewertungsmaßstab für Zahnärzte: „Bewertungsmaßstab zahnärztlicher Leistungen“ (BEMA) überschreiten, was allerdings nicht unproblematisch ist. Eine Reform wäre daher unbedingt erforderlich (WDR 2005, www.) Zuständig für GOÄ-Aktualisierung ist das BMG (Funke 1988). Entsprechend den amtlichen Daten von 1982 erfolgten etwa 14% des Einkommens der niedergelassenen Ärzte durch private Liquidation; 85% auf kassenärztlicher und etwa 1% auf sonstigen Tätigkeiten (vor allem Gutachtertätigkeit). In der Bevölkerung waren zu dem Zeitpunkt etwa 8,4 Mio. (13,6% von der Bevölkerung) von der GOÄ ‚betroffen‘; 4,6 Mio. Privatversicherte und 3,7 Mio., die in der GKV waren, aber zusätzlich mit den Privaten Verträge abgeschlossen hatten. Lediglich 0,14 Mio. Personen waren nicht freiwillig versichert, sondern Selbstzahler und somit ebenfalls GOÄ-gebunden (Funke 1988). Seit 1965 beibehaltene Regelungen Seit 1965 erfolgte Neuerungen (insbesondere bzgl. Leistungen, Gebührenspanne, Begründungspflicht, Bemessungskriterien, Abdingung, Wirtschaftsgesichtspunkten, Rechnungstransparenz) Als Verordnungsanlage erfolgte eine Aufteilung Inzwischen gab es nicht mehr nur noch ca. 1000 in Verordnungstext und Gebührenverzeichnis sondern etwa 2400 Positionen. Abdingungszulässigkeit; inzwischen ist diese Weitgehende Übernahme des EBM in 1978 jedoch stark eingeschränkt bewirkte eine neue Gebührenstruktur, wodurch es zu einer Aufwertung der persönlichen ärztlichen Leistungen (gegenüber den primär medizinisch-technischen Leistungen) kam. Ärztliche Vergütungen wurden eingeteilt in Für die einzelnen Leistungen wurden die Gebühren, Entschädigungen und Auslagen Einfachsätze27 um durchschnittlich 45% auf das Niveau der GKV-Vergütungen angehoben. Orientiert wurde sich nun an dem EBM. Dadurch wurde eine neuartige Gebührenstruktur geschaffen, die an Aufwertung der persönlich ärztlichen Leistungen gegenüber den primär medizinisch-technischen Leistungen gekoppelt war (Funke 1988). Praxiskostenabgeltung (Personal- und Von nun an gab es nicht mehr den 1 bis 6fachen Sachkosten) mit Gebühren Steigerungssatz sondern nur noch den 13,5fachen Satz bei ärztlichen und 1-2,5fachen bei überwiegend medizinisch-technischen Leistungen. Die Bemessung der Gebührenhöhe ist fortan abhängig von dem Schwierigkeitsgrad28 bei der Ausführung der jeweiligen einzelnen Leistungen. Dabei geht es um die jeweilige konkrete Leistung bei den einzelnen Patienten, die jedoch nicht nach subjektivem Ermessen bewertet wird. Auch bei den medizinischtechnischen Leistungen ist die durch die Art des Krankheitsfalles bedingte Schwierigkeit von Diagnostik und Therapie ausschlaggebend. Zwischen Mindest- und Höchstsätzen bestand Einführung eines Schwellenwertes (=Höchstsatz ein Vergütungsspielraum, „der durch der Regelspanne), bis zu dem die Gebührenhöhe Anwendung bestimmter Bemessungskriterien zu bemessen ist. Nun erfolgt für persönliche 27 Der Einfachsatz entspricht dem Gebührensatz (Funke 1988). Bei der Festsetzung des Einfachsatzes wurde bereits der unterschiedliche Schwierigkeitsgrad der verschiedenen ärztlichen Leistungen berücksichtigt (Funke 1988). 28 25 durch den Arzt auszufüllen ist“ (Funke 1988:18) Analoge Bewertungsmöglichkeiten durch den Arzt von ärztlichen Leistungen, die nicht im Gebührenverzeichnis enthalten sind 26 29 Leistungen des Arztes der 2,3fache Gebührensatz; für medizinisch-technische der 1,8 Satz. Nur in besonderen Fällen darf überschritten werden; allerdings muss der Arzt dies auch extra schriftlich begründen (Funke 1988, Simon 2010). Ebenfalls neuartig waren auch die „Umstände bei der Ausführung“ (Funke 1988:50) bzw. der Aufwand bei der Art und Weise der Leistungsausführung, der beim Überschreiten vergleichbarer Fälle, z.B. bei besonderen Wünschen des Patienten, den Arzt zu einer höheren Honorarbemessung berechtigt. Die Vermögens- und Einkommens-verhältnisse der Zahlungspflichtigen waren daher nicht mehr relevant. Fortan „(…) steht nun nicht mehr die gesamte Gebührenordnung, sondern lediglich die Höhe der Vergütung zur Disposition des Arztes und des Zahlungspflichtigen (…)“ (Funke 1988: 38). Dafür wurde ein Formerfordernis aufgestellt. Die Abdingungsmöglichkeit beschränkt sich auf die Höhe der Vergütung und muss zudem das Leistungsverzeichnis der GOÄ die Honorarbemessungsgrundlage sein, wodurch keine Geltung eines anderen Gebührenverzeichnisses vereinbart werden kann. Vor der Leistungserbringung muss von dem behandelnden Arzt eine schriftliche Vereinbarung mit dem Patienten erfolgen (Transparenz für den Patienten). Aufgrund der eingeschränkten Abdingungsmöglichkeit handelt es sich um eine primärteildispositive Gebührenordnung. Neue GOÄ ist aufgrund der eingeschränkten Abdingungsmöglichkeit nur noch primärteildispositiv29 , somit nicht mehr subsidiär- oder primär dispositiv. Auch handelt es sich nicht um ein zwingendes Recht, da die Gebührenbemessung im Hinblick „auf die Höhe durch Honorarvereinbarungen abweichend“ (S.39) geregelt werden kann. Einführung des ‚Kriteriums der örtlichen Verhältnisse für die Honorarabmessung‘. Fortan werden die jeweiligen Bundesländern und die entsprechenden Lebensumständen (z.B. Lebenshaltungskosten) berücksichtigt, in denen der Arzt praktiziert und aus denen der Patient gleichermaßen stammt. Ziel der GOÄ als teildispositive Gebührenordnung ist eine erhöhte Transparenz bei der ärztlichen Honorargestaltung für den Zahlungspflichtigen. Das Grundrecht der Berufsfreiheit der Ärzte wird damit nicht verletzt (Funke 1988). Zwei zentrale Zielkomplexe in der neuen GOÄ-Verordnung: 1. Regelungen über die Vergütung privatärztlicher Leistungen wurden an die inzwischen erfolgten technischen, medizinischen und wirtschaftlichen Entwicklungen angepasst 2. Der Schutz des Zahlungspflichtigen wurde verbessert (z.B. durch die eingetretene Transparenz in den Abrechnungen) Kritikpunkte der neuen GOÄ (Funke 1988:21): - Einschränkung der Abdingbarkeit - Übernahme des EBM - Einschränkung des Gebührenrahmens - Trennung in persönliche ärztliche und primär rechnerischen Leistungen - Begründungspflicht bei Überschreitung des Regelhöchstsatzes - Heftigste Kritik an dem § 2 der GOÄ, der primär deren Rechtscharakter bestimmt 1987 wurde als Ersatz zur BUGO-Z die Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) erlassen, nachdem nun auch die Gebührenordnung für die Zahnärzte nicht mehr den entsprechenden zahnärztlichen Fortschritten gerecht werden konnte (Wikipedia 2014 c,www.). 1988 erfolgte durch die Einführung des SGB V die Neugestaltung des Kassenarztrechtes, wodurch die bisherigen Bestimmungen der RVO abgelöst wurden. Zu den zentralsten Bestimmungen gehörten: - Einführung des Begriffs der Beitragssatzstabilität die Erweiterung Wirtschaftlichkeitsprüfung Einbeziehung der Ersatzkassen in die gesetzlichen Regelungen (KVH 2009, PDF) Darüber hinaus trat eine 10%ige Punktwertanhebung von 0,10 DM auf 0,11 DM mit der 3. Änderungsverordnung zur amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) in Kraft (Hess 1993). 1989 trat das Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) in Kraft, wodurch das Krankenversicherungsrecht aus der seit 1911 existierenden RVO in das SGB V übernommen und um weitere Maßnahmen ergänzt wurde (Ortwein 1992). Darunter fielen insbesondere Leistungen zur Prävention, Kostenerstattung bei kieferorthopädischen Behandlungen sowie bei Schwerpflegebedürftigkeit (Wikipedia 2013 d, www.). Insbesondere wurden Probleme der GKV moniert, wie z. B. die Finanzierung der Krankenversicherung der Rentner, ansteigende Kosten im Krankenhaus und die Tatsache, dass zur Lösung dieser Probleme speziell die Ärzteschaft und die Versicherten aufkommen mussten (KBV 2013 a, www.). 7 Entwicklung bis hin in die Gegenwart 1990 mussten sich die ehemalige DDR bzw. die neuen Bundesländer in Folge der Rechtsgleichung dem westlichen Gesundheitswesen anpassen, weshalb insbesondere das Krankenhauswesen der DDR modernisiert werden musste. Speziell das Prinzip der Kostendämpfung sollte nach wie vor im vereinten Deutschland weiter bestehen bleiben (Simon 2010:53). Der „Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V. (NAV)“ wurde nach der Fusion mit dem gleichnamigen Ostdeutschen Verband in „NAV Virchow-Bund“ umbenannt (Deneke 2000). 27 In diesem Jahr erfolgte ebenfalls die Einführung des Arzneimittelbudgets (s. 1923). Mittels Androhung von Regressforderungen wurde versucht die Ärzteschaft zu einem sparsameren Umgang im Hinblick auf die Arzneimittelverordnung zu bewegen. Letzten Endes wurden die Einsparungen in einigen Versorgungsbereichen (Arzneimittel, Krankengeld) jedoch durch die ansteigenden Arzthonorare überkompensiert, wodurch entsprechend auch keine Entlastung der Kassenhaushalte erzielt werden konnte (Tauchnitz 2004:446). 1993 trat das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) zur Sicherung und Strukturverbesserung der GKV in Kraft. Die Gesamtvergütungen für ambulante vertragsärztliche Versorgung unterlagen fortan einer strikten Anbindung an die Entwicklung beitragspflichtiger Einnahmen der Krankenkassenmitglieder bzw. an die Grundlohnentwicklung. Die zwei grundlegenden Komponenten waren die freie Kassenwahl für die Versicherten (gleichzeitig bestand ein Kontrahierungszwang für die Krankenkassen) sowie die Einführung des Risikostrukturausgleichs (RSA) (Simon 2010, Rosenbrock, Gerlinger 2009). Entsprechende Maßnahmen bzw. Regelungen waren: - 28 - - - 30 Sektorale Budgetierung: Durch ein Einsparvolumen von zunächst 11,4 Mrd. DM (8,2 von den Leistungserbringern; 3,2 Mrd. von den Krankenversicherten) sollte weiteren Kassendefiziten entgegengewirkt werden. Die Erhöhung der Gesamtvergütung wurde gesetzlich begrenzt. Mit der erfolgten Grundlohnanbindung ging die Budgetierung der Ausgaben für Krankenhausleistungen, ambulante ärztliche und zahnärztliche Versorgung, Arzneimittel30, stationäre Kuren und für die Verwaltungsausgaben der Krankenkassen einher (Simon 2010, KBV 2013 a, www.). Steuerung bzw. Begrenzung der Zahl der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte sowie Ausgaben im ambulanten Bereich. Diese Maßnahmen sollten primär mittels der eines neuartigen Honorarbudgets, einer Altersgrenze für Vertragsärzte, einer Bedarfsplanung für Vertragsärzte, einer Neuordnung der Laborleistungen, einer Hausarztpauschale sowie einer Neuregelung der haus- und fachärztlichen Versorgung erfolgen (Ortwein 1992:85). Für die Versicherten erfolgte eine erweiterte Zuzahlungsregelung. Reform der KH-Finanzierung: Das Krankenhaus-Entgeltsystem bestand primär aus Basis- und Abteilungspflegesätzen, Sonderentgelten und Fallpauschalen (Simon 2010). Im Fokus stand nun ebenfalls die Überprüfung der bisherigen Beitragsfinanzierung der Krankenkassen sowie eine teilweise einzuführende Kostenerstattung anstelle des bisherigen Sachleistungsprinzips. Darüber hinaus wurde eine Modifizierung des Solidarprinzips angegangen (Ortwein 1992). Reform der GKV: Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der GKVen sowie um mehr Wahlfreiheit für die Versicherten zu erzielen, wurde die für mehrere Kassen erfolgte Beschränkung auf bestimmte Versicherungsgruppen, zum 1.1.1996 komplett abgeschafft. Seitdem sind sämtliche Ersatzkassen gesetzlich für alle Versicherten geöffnet. Darüber hinaus wurde bei allen Kassen der Risikostrukturausgleich eingeführt um finanzielle Ungleichgewichte durch den Wechsel von Versicherten zu verhindern (Simon 2010). Die Senkung der Arzneimittelkosten sollte durch die Einführung eines Arznei- und Heilmittelbudgets, eines Preismoratoriums, der Einführung und Ausgestaltung von Richtgrößen sowie der Erarbeitung einer Positivliste (für verordnungsfähige Arzneimittel wurde eine Liste erstellt) erfolgen (Ortwein 1992, KBV 2013 a, www.). 1995 wurde durch das Pflegeversicherungs-Gesetz die Pflegeversicherung als fünfte Säule der Sozialversicherung im Sozialgesetzbuch XI etabliert. Fortan besteht die Pflicht für eine gesetzliche oder private Pflegeversicherung (Simon 2010). 1996 erfolgte die vierte Teilnovelle der GOÄ (Wikipedia 2013 a, www.). Des Weiteren erfolgte die Umstellung zur Krankenhausfinanzierungsreform von 1993 (Simon 2010). 1997 traten zunehmend immer größere Finanzierungsprobleme bei der GKV auf, denen die bisherigen Maßnahmen, GRG und GSG, nicht mehr gerecht werden konnten. Infolge dessen wurde ein GKV-Neuordnungsgesetz und Beitragsentlastungsgesetz erlassen, um die GKV-Selbstverwaltung in den Vordergrund zu stellen (KBV 2013 a, www.). 1998 trat das Psychotherapeutengesetz (PsychThG) in Kraft, in dem nichtärztliche Psychotherapeuten in das KV-System aufgenommen wurden. Voraussetzung war eine Approbation nach §12 des Psychotherapeutengesetzes, ein entsprechender Fachkundenachweis (Richtlinienpsychotherapie) sowie ein Eintrag ins Arztregister (KBV 2013 a, www.). 1999 sorgte das in diesem Jahr erlassene GKV-Solidaritätsgesetz (GKV-SoldG) für unbefristete Arznei- und Heilmittelbudgets sowie für unbefristete Budgetierung der Gesamtvergütung (KBV 2013 a, www.). 2000: In dem ‚GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000‘ erfolgte insbesondere eine Festlegung der Einzelbudgets für die Ärzte. Darüber hinaus wurden speziell Regelungen wie Präventionsleistungsausbau der Krankenkassen (€5,- pro Mitglied), Bonusprogramme bei Hausarztmodellen, die Einführung der integrierten Versorgung, eine bessere Ausschöpfung der Wirtschaftlichkeitsreserven in den Krankenhäusern Arzneimittelversorgungsregelung, eine Reform der Krankenhaus Finanzierung (DRG-System) sowie das Einbringen eines leistungsorientierten Vergütungssystems eingeführt (KVH 2009, PDF, Simon 2010, AOK 2012 b, www.) Zur Stärkung der hausärztlichen Versorgung sah das Gesetz für die ambulante ärztliche Versorgung mehrere Maßnahmen vor. Insbesondere sollten die Hausärzte mit zentralen Funktionen hinsichtlich der Lenkung der Patientenströme innerhalb des Gesundheitswesens beauftragt werden („Hausarzt als Lotse im System“) (Simon 2010:56). Mittels der Reform sollte ein sektorübergreifendes Globalbudget die starren sektoralen Budgetgrenzen zwischen dem ambulanten und stationären Bereich auflösen. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch bereits im Gesetzgebungsprozess. Die primäre Neuerung innerhalb der Reform war die Einführung der integrierten Versorgungsformen, die für mehr Wettbewerb im Gesundheitssystem sorgen sollte, letzten Endes auch in das Gesetz aufgenommen, aber im Nachhinein kaum in die Praxis umgesetzt wurden (Simon 2010). Ebenfalls sollte durch das GKVGesundheitsreformgesetz 2000 schlussendlich ein weiteres Ansteigen der Krankenkassenbeiträge verhindert werden. Es folgten insbesondere 2001 und 2002 entsprechend weitere Gesetze31. Einige der aufgekommenen Reformen führten regelrecht zu einer ‚Durchlöcherung‘ des Sicherstellungsauftrags der KVen. Der Gesetzgeber strebte mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen an, jedoch war keine Wettbewerbsordnung wie in anderen Berufen festgelegt (KBV 2013 a, www., 31 2001: Gesetz zur Neuregelung der Krankenkassenwahlrechte; Gesetz zur Reform des Risikostrukturausgleichs in der GKV; Zehntes Gesetz zur Änderung der V.SGB (KBV 2013 a, www.). 2002: Arzneimittelbudget-Ablösungsgesetz; Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz; Gesetz zur Einführung der DRG für Krankenhäuser; Rechtsverordnung zu den DMPs für Diabetes- und Brustkrebspatienten (KBV 2013 a, www.). 29 KVH 2009, PDF). Ebenfalls in diesem Jahr wurde die Gebührenordnung für Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (GOP) eingeführt (Wikipedia 2015 b, www.). 2004 wurde das GKV-Modernisierungsgesetz eingeführt, dessen Maßnahmen nicht nur die GKVen finanziell entlasteten sondern darüber hinaus ebenfalls eine erweiterte Vertragskompetenz erzielten: Wie es bereits schon die KVen taten, übernahmen nun teilweise auch die Krankenkassen „die Arbeit des Staatsanwalts“ (Gerhard 2013) , der fortan nur noch bei bestimmten Tatbeständen eingeschaltet werden muss (KBV 2013 a, www.) Seit 1982 bis 2005 konnte lediglich ein Anstieg von 14% bei der GOÄ (GOÄ-Punktwertanhebung) verzeichnet werden (GOÄ Arzt Wiki). Die Bundesärztekammer kommentierte diesen Tatbestand auf dem deutschen Ärztetag 2005 folgendermaßen: „Die geltende GOÄ datiert in wesentlichen Teilen immer noch aus dem Jahre 1982, der letztmaligen umfassenden Reform; wobei das damals neu gefasste Gebührenverzeichnis auf der ErsatzkassenGebührenordnung – E-Adgo – von 1978 basiert. Dies bedeutet, dass von den insgesamt 37 Abschnitten des Leistungsverzeichnisses der geltenden GOÄ seit 1982 bzw. 1978 26 Kapitel nicht mehr grundlegend aktualisiert worden sind; sie sind 27 Jahre alt. Die restlichen 11 Kapitel des Verzeichnisses sind mit der vierten Änderungsverordnung vom 18. Dezember 1995 neu gefasst worden: sie sind inzwischen mehr als 10 Jahre alt. Der Fortschritt der Medizin der letzten 3 Jahrzehnte ist somit nicht systematisch in die GOÄ einbezogen worden.“ (Pressemitteilung der Bundesärztekammer zum Ärztetag 2005, zit.n. Wikipedia 2013 a, www.) Seit 2006 wird im Rahmen von acht Teilprojekten laufend eine Umsetzung des GOÄReformkonzeptes vorgenommen (GOÄ-Arzt Wiki). 30 2007 erfolgte das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz und reformierte den EBM in den Jahren 2008 bis 2009 grundlegend in zwei Stufen (s. 2008) (AOK 2012 a, www.). Darüber hinaus wurden an den KVen vorbei organisierte Einzelvertragsformen durch dieses Gesetz weiter gestärkt (KVH 2009, PDF). 2008 trat der „EBM 2008“ in Kraft. Er beruhte weitgehend auf Leistungspauschalen und der inzwischen bestehenden Gliederung in haus- und fachärztliche Bereiche. Vergütet werden die hausärztlichen Leistungen mit Versichertenpauschalen. Fachärzte hingegen erhielten für hoch spezialisierte Leistungen spezifische Vergütungen sowie arztgruppenspezifische Grund- und Zusatzpauschalen (AOK 2012 a, www.). Bis Ende 2008 galt im ambulanten Bereich bzw. bei der vertragsärztlichen Versorgung die Budgetierung. Für die Ärzte war es bislang üblich, dass sie erst nach Ablauf des Quartals bzw. Jahres wussten, wie hoch die tatsächliche Vergütung für die erbrachten Leistungen war: Die Höhe des Punktwertes war dabei abhängig von der Menge der in der betreffenden KV und der in der Arztgruppe insgesamt erbrachten Leistungen (Simon 2010:55). 2009 wurde das 1993 eingeführte GSG gelockert. Die Krankenkassen zahlen seit diesem Jahr eine Gesamtvergütung an die KVen: Einen Teil vergüten sie pauschal, den anderen bezahlen sie ohne Budgetierung als Einzelleistung (z.B. besonders förderungswürdige Leistungen, wie Hausbesuche). Der größere, von der Höhe her begrenzte Teil, bildet die sogenannte (vorhersehbare) morbiditätsbedingte Gesamtvergütung (MGV), die ebenfalls in diesem Jahr eingeführt wurde (Simon 2010). Für Fach- und Hausärzte gelten hierbei unterschiedliche Kriterien, die im Hinblick auf die hausund fachärztliche Versorgung berücksichtigt werden (AOK 2012 a, www.). Es bestehen keine echten Fachgruppentöpfe mehr sondern lediglich „imaginäre Arztgruppentöpfe“, die die Basisfallwerte der Regelleistungsvolumina (RLV32) und die Basisfallwerte der qualitätsgebundenen Leistungen (QZV; wurde erst 2010 eingeführt; s.u.) ermitteln. Das nach Abzug der verbleibenden Vorweg-Abzüge im haus- bzw. fachärztlichen Versorgungsbereich zur Verfügung stehende Honorar des jeweiligen Quartals wird mit dem entsprechenden Leistungsbedarfsanteil der Arztgruppe multipliziert. Das Ergebnis bzw. die Leistungsbewertung wird nun nicht mehr nur über Punkte sondern in Euros ausgedrückt (Leistungspunktwert x Orientierungspunktwert (2009: 3,5001 Cent)) (KV Niedersachsen 2013, Simon 2010). Basis für die „imaginären Arztgruppentöpfe“ sind die in abgerechneten Punkten ausgedrückten Leistungsbedarfe der Quartale des vergangenen Jahres (KV Niedersachsen 2013). Besonders bedeutsam für die Vertragsärzte war hierbei die Abschaffung „floatender“ bzw. sich ständig wechselnde Punkte und die Einführung fester Punktwerte. Letztere gelten für jegliche vertragsärztliche Leistungen, die der Arzt innerhalb des Regelleistungsvolumens erbringt (Simon 2010). Durch die entfallenden, starren Fachgruppentöpfe kann im Falle überdurchschnittlich ansteigender Leistungsmengen (z.B. durch viele Neuzulassungen) bei den Arztgruppen von dieser Neuregelung profitiert werden: Die in den jeweiligen ersten 4 Quartalen zusätzlich erbrachten Leistungen können fortan ebenfalls abgerechnet werden. Die zusätzlichen, von den Ärzte abgerechneten Leistungen wirken sich durch den Rückgriff auf die (gestiegene) Vorjahresfallzahl im Rahmen von dann sinkenden RLV-/QZV-Fallwerten33 aus (KV Niedersachsen 2013). Seit 2010 werden für die Qualifikationsgebundenen Zusatzvolumen (QZV) zusätzlich Honorarvolumen aus Morbi-GV bereit gestellt. Die Folge der QZVen ist, dass nur wenige vertragsärztliche Leistungen binnen der antizipierbaren, morbiditätsbedingten Gesamtvergütung ohne Begrenzung und ohne Abstaffelung nach Anforderung mit dem Preis des Euro-EBM vergütet werden. Vor der Trennung der MorbiGV sind diese Leistungen insbesondere jene des organisierten Bereitschaftsdienstes sowie Laborleistungen bzw. –kosten. Nach Trennung der MorbiGV in die spezifischen Versorgungsbereiche der Haus- und Fachärzte werden speziell Haus- und Heimbesuche, sonstige Hilfen, einige pathologische Leistungen bei Probeneinsendungen, einige Kostenpauschalen vorab vergütet. Dabei gilt nach wie vor, dass eine erfolgte Leistungsmenge ‚heute‘ steigt, die RLV des betreffenden Versorgungsbereichs in Folgequartalen sinken und ebenfalls umgekehrt (KVBW 2014, www., KV Niedersachsen 2013). 2011 trat das GKV-Finanzierungsgesetz (GKV-FinG) zur Sicherstellung der GKV in Kraft, in dem insbesondere die Erhöhung des Beitragssatzes (Arbeitnehmer: 8,2%; Arbeitgeber: 7,3%), die Option der Einführung von Zusatzbeträgen durch die Krankenkassen, vereinfachter Wechsel in die PKV, ein einmaliger Gesundheitszuschuss (2 Milliarden Euro), Begrenzung bzw. Einfrieren der Verwaltungskosten der Krankenkassen bis 31.12.2012 (dürfen die Gegenwärtigen nicht 32 RLV ist ein Instrument zur Mengensteuerung in der vertragsärztlichen Versorgung. Definiert wird die Leistungsmengenobergrenze, die an Leistungen von einem Vertragsarzt erbracht und abgerechnet werden können. Sofern mehr Leistungen durchgeführt werden als es das Regelleistungsvolumen vorgibt, erfolgt eine abgestaffelte Preisvergütung für die darüber hinausgehenden Leistungen. Sollte eine außergewöhnlich starke Erhöhung der Anzahl der behandelten Versicherten vorliegen, kann hiervon abgewichen werden (AOK 2012 c, www.). 33 „Die Berechnung der zum 01.07.2010 neu eingeführten Qualifikationsgebundenen Zusatzvolumen (QZV) erfolgt analog dem RLV. Dabei wird das Honorarvolumen für die Leistungen eines QZV pro Arztgruppe durch sämtliche RLV-relevanten Fälle der zur Abrechnung berechtigten Ärzte dividiert. Das Resultat ergibt den arztgruppenspezifischen QZV-Fallwert. Die Höhe des Qualifikationsgebundenen Zusatzvolumens eines Arztes errechnet sich schließlich aus diesem Fallwert und seiner RLV-relevanten Fallzahl im Vorjahresquartal. Anspruch auf ein QZV hat ein Arzt, wenn er die zutreffende Gebiets- oder Schwerpunktbezeichnung führt oder die erforderliche Genehmigung der KV zur Erbringung und Abrechnung der spezifischen Leistung eines QZV besitzt. Ab 01. Juli 2010 werden dem Arzt nun RLV und QZV gleichzeitig und in einer Summe zugewiesen. RLV und QZV sind dabei gegenseitig verrechnungsfähig. Das Honorarvolumen bildet also eine Obergrenze, bis zu der alle RLV- und QZV-Leistungen mit den festen Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung vergütet werden. Wird das Honorarvolumen überschritten, wird es nach den bekannten Regeln abgestaffelt.“ (KVBW 2014, www.). 31 überschreiten) und die Begrenzung der Ausgabenzuwächse im stationären und ambulanten Sektor angegangen wurden (KBV 2013 a, www.). Nachdem der NAV-Virchow-Bund 2007 die Gründung der Agentur deutscher Arztnetze e.V. (ADA) initiierte, wurde diese 2011 auch in die Tat umgesetzt (ADA 2015, PDF). 32 2012 erfolgte das GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG), auch das Landärztegesetz genannt, mit dem Ziel insbesondere dem Ärztemangel in ländlichen Regionen entgegenzuwirken. Speziell der drohende Mangel an Psychotherapeuten und Ärzten in Deutschland sowie die Distanzierung von der reinen Kostendämpfung wurde dabei anvisiert. Fortan sollte besonders die Rolle der ärztlichen Selbstverwaltung gestärkt werden und eigenverantwortliche Lösungen für Probleme wurden erwartet (KBV 2013 a, www.). Mittels dieser Gesetzgebung wird den KVen wieder eine eigenständige Honorarverteilung ermöglicht, um eine flächendeckende medizinische Versicherung gewährleisten zu können. Eine bedarfsgerechte Verteilung der Vergütung soll zudem eine schrittweise Weiterentwicklung des EBM ermöglichen, damit dem spezifischen Versorgungsbedarf der Patienten sowie dem Leistungsspektrum der niedergelassenen Ärzte angemessen Beachtung zuteil kommen kann. Neben der Regionalisierung34 der Vergütung werden zudem feste Preise für extrabudgetäre Leistungen, wie z.B ambulante Operationen, festgelegt. Die durch das GKVFinanzierungsgesetz eingeführte Deckelung wird also wieder aufgehoben. Hinsichtlich der Weiterentwicklung des EBM sollen Ärzte fortan ihre erbrachten Leistungen nicht mehr nach Pauschalen sondern primär einzeln vergütet bekommen. Zudem wurde eine ambulante spezialfachärztliche Versorgung in einer vertragsärztlichen Praxis oder ambulant in einer Klinik für seltene und schwere Erkrankungen mit entsprechenden Verlaufsformen vorgesehen (KBV 2012 b, PDF.). Vereinbart wird die Leistungsvergütung auf der Basis des EBM zwischen der KBV, dem GKV-Spitzenverband und der Deutschen Krankenhausgesellschaft (AOK 2012 a, www.). Die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung wird zunächst um alle spezialärztlichen Leistungen herum bereinigt, damit letztere ohne Mengensteuerung bzw. zu festen Preisen vergütet werden kann. Bei einer ansteigenden Leistungsmenge müssen fortan die Krankenkassen zusätzliche Finanzmittel bereitstellen (KBV 2012 b, PDF). Mit Hilfe der VStG 2012 wurden zudem die Praxisnetze das erste Mal in der Geschichte im Sozialgesetzbuch explizit erwähnt. Seitdem können professionelle Netze laut § 87b SGB V im Kontext von Kollektivverträgen anerkannt und gefördert werden. Sofern die Richtlinien der KBV erfüllt sind, kann eine entsprechende, regionsspezifische Förderung durch die KV erfolgen. Dadurch können Netze nicht nur mit Selektivverträgen sondern auch im Kollektivvertragssystem innovativ tätig werden (ADA 2015, pdf). Ebenfalls in diesem Jahr trat die neue Gebührenordnung für Zahnärzte in Kraft, die an die medizinisch-technischen Entwicklungen der vergangenen Jahre angepasst wurde (Arztwiki 2013 a, www.). Die GOÄ-Reform wurde von der Bundesregierung hinter die GOZ-Novellierung gestellt, da zunächst auf eine Einigung zwischen der BÄK und dem Verband der PKV gewartet wurde. Bis Ende Januar 2012 blieben jedoch jegliche Einigungsversuche erfolglos. Daraufhin erklärte die BÄK, dass bis zum Ende der Legislaturperiode eine neue GOÄ nicht mehr möglich wäre (BÄK 2013, www.). 34 Durch Anreizmechanismen in der Euro-Gebührenordnung sowie durch die RLV, die für die mengen- und praxisbezogenen Preisstaffelungen verantwortlich sind, erfolgt auf regionaler Ebene die Mengensteuerung (AOK 2012 a, www.). Die Honorarverteilung geht also von Bundes- auf Landesebene über, wobei die KVen die Honorarverteilungsmaßstäbe nicht mit den Krankenkassen vereinbaren müssen (KBV 2012 b, www.). 2013 legte die BÄK einen eigenen GOÄ-Reformentwurf vor, um insbesondere die ärztliche Abrechnung zu erleichtern. Präzise Leistungsbeschreibungen ermöglichen eine konkrete Beschreibung des Leistungsverzeichnis und einzelner Gebührenpositionen, was mehr Rechtssicherheit bei der Abrechnung ermöglicht. Der Reformentwurf beinhaltete u.a. Neuerungen hinsichtlich der Leistungen: Aufgeführt wurden u.a. neue Behandlungs- und Operationsmethoden, technologische Innovationen sowie Neuerungen hinsichtlich des Versorgungsbedarfs. Bezüglich des Versorgungsbedarfs sollten bessere Abbildungen und Höherbewertungen von persönlich erbrachten zuwendungsorientierten ärztlichen Leistungen, wie z.B. der Gesprächsleistungen und Hausbesuchen, erfolgen. Auch hinsichtlich der Vergütung wurden Novellierungen angedacht: Die spezifischen Besonderheiten bei der Betreuung chronisch Kranker wurden durch neue sektorübergreifende und bedarfsgerechte Vergütungskomplexe bedacht. Zudem wurden für interdisziplinäre und multiprofessionelle Konferenzen und Konzile aufgenommen, um in besonderen Fällen innerärztliche und interprofessionelle Kommunikation und Kooperation fördern zu können. Darüber hinaus wurden noch weitere wichtige, die ärztlichen Tätigkeiten unterstützenden Maßnahmen formuliert, wie z.B. Leistungen zur Planung und Koordination, Behandlungspläne, Sichtung und Bewertung von Vorbefunden. Mit dem Anstoß für eine GOÄ-Reform versuchte die BÄK insbesondere die Eigenständigkeit der GOÄ als Taxe zu erhalten, wodurch angemessene Preise für ärztliche Leistungen gesichert werden. Die GOÄ bleibt nach wie vor eines der Hauptmerkmale des freien Arztberufs und soll die Ärzteschaft vor unlauteren Wettbewerben schützen. Zudem soll sie Anwendung finden, wenn der Patient nicht in den GKV-Vergütungsregelungen enthaltene Leistungen verlangt. Wie bereits zuvor erwähnt, spricht man in dem letzteren Fall von einer Subsidiarität, die die Taxe mitsamt ihrem umfassenden ärztlichen Leistungskatalog unentbehrlich macht. Zudem soll der Patienten durch eine detaillierte bzw. transbarente Leistungsdarstellung vor einer finanziellen Überforderung verschont bleiben (Rochell et al. 2013). Unter den geplanten Maßnahmen der schwarz-roten Regierung sind folgende zu nennen: - Öffnung von Krankenhäusern in unterversorgten Gebieten für eine ambulante Versorgung Aufkauf von Arztsitzen Im psychotherapeutischen Bereich sollen die Wartezeiten für Kurzzeittherapien verringert werden Keine weiteren Budgetschmälerung seitens der Haus- und Fachärzte für entsprechende Leistungen Spaltung der Vertreterversammlungen Zulassung arztgruppenidentischer MVZs Hinsichtlich Arzneimittel-Wirtschaftlichkeitsprüfungen sollen regionale Vereinbarungen gelten Koordination des Krankenhausmanagements durch die Krankenkassen Substitution ärztlicher Leistungen Fokus nun auf Selektiv- und weniger auf Kollektivverträge Hausarztverträge müssen weiterhin von Kassen angeboten werden Sanktionen bei Bestechlichkeit im Gesundheitswesen Bei der ambulanten Notfallversorgung bessere und mehr Kooperation (KV-Berlin 2014). Wartezeit auf einen Arzttermin (Fachärzte) verringern (Schnack 2014). 33 Laut dem Bundessozialgericht ist die Gebührenordnung bzw. die ärztliche Honorierung nichtwirtschaftlichen Zwängen unterworfen. Ihr Zweck besteht in dem Erhalt der Gesundheit der Bevölkerung sowie in der Funktionserhaltung des Gesundheitssystems. Eine GOÄ-Anpassung an wirtschaftliche Notwendigkeiten, wie z. B. dem Inflationsausgleich, ist seit Jahrzehnten ausgeblieben. Seit der letzten GOÄ-Aktualisierung in 1982 sind nur Teilnovellierungen erfolgt (Wikipedia 2013 a, www.). Eine nicht aktuelle GOÄ ist problematisch, da ggf. Anwendungsprobleme verursacht und Fehlinterpretationen begünstigt werden können. Die moderne Medizin mit ihren sich stets verbessernden, diagnostischen sowie therapeutischen Verfahren sollte in der GOÄ stets berücksichtigt werden, damit insbesondere eine angemessene Honorierung erfolgen kann (Funke 1988). 8 Fazit 34 Das Gebührenverzeichnis der vor gut 30 Jahren (1982) aus der Bugo hervorgegangenen GOÄ spiegelt längst nicht mehr das aktuelle medizinische Leistungsspektrum wider. Abrechnungsprobleme, Diskussionen über eine angemessene Vergütung der ärztlichen Leistungen sowie intransparente Abrechnungen sind die Folge. Die Vergütungssätze der Gebührenordnungen der Rechtsanwälte, Notare und Zahnärzte wurden inzwischen mehrfach angehoben, nicht aber die der Ärzte. Die Gebührenordnung beziehungsweise die ärztliche Honorierung ist gemäß Bundessozialgericht nichtwirtschaftlichen Zwängen unterworfen: Die übergeordnete Notwendigkeit besteht primär darin, der Volksgesundheit und der Funktionserhaltung des Gesundheitssystems zu dienen. Einer GOÄAnpassung an wirtschaftliche Notwendigkeiten, zum Beispiel dem seit Jahrzehnten ausgebliebenen Inflationsausgleich, sollte folglich nichts mehr im Wege stehen. Freiberuflichkeit wird durch Vorschriften und Bürokratie zusehends erschwert. Ärzte, ob angestellt oder nicht, sollten unbelastet freiberuflich tätig sein können. Die Dualität der Versicherungszweige (PKV und GKV) spielt neben der Wettbewerbsentwicklung eine entscheidende Rolle im Hinblick auf das Verhindern der Rationierung von medizinischen Leistungen. Nur eine novellierte GOÄ ermöglicht echte Therapiefreiheit, was Voraussetzung für das Leben der Freiberuflichkeit ist und dafür, dass den Patienten tatsächlich alle Behandlungsoptionen offenstehen; nur so ist ärztliche Versorgung komplett. Der EBM ist eine Rabattgebührenordnung, die eine neutral entwickelte GOÄ benötigt, um Fehlentwicklungen des EBM erkennen und korrigieren zu können. 9 Literaturverzeichnis (1) Deneke, J. F. V. (2000): 100 Jahre Hartmannbund. 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