Deutsche Haiku-Gesellschaft e.V.

Deutsche Haiku-Gesellschaft e.V.
Die Deutsche Haiku-Gesellschaft e.V.1 unterstützt die Förderung und
Verbreitung deutschsprachiger Lyrik in traditionellen japanischen Gattungen (Haiku, Tanka, Haibun, Haiga und Kettendichtungen) sowie die
Vermittlung japanischer Kultur. Sie organisiert den Kontakt der
deutschsprachigen Haiku-Dichter/-innen untereinander und pflegt
Beziehungen zu entsprechenden Gesellschaften in anderen Ländern.
Der Vorstand unterstützt mehrere Arbeits- und Freundeskreise in
Deutschland sowie Österreich, die wiederum Mitglieder verschiedener Regionen betreuen und
weiterbilden.
Der Mitgliedsbeitrag beträgt 40 € im Jahr und beinhaltet die Lieferung der Zeitschrift.
Anschrift:
Deutsche Haiku-Gesellschaft e.V., z. Hd. Stefan Wolfschütz,
Postfach 202548, 20218 Hamburg
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der DHG quittieren wir mit Spendenbescheinigungen.
1Mitglied
der Federation of International Poetry Associations (assoziiertes Mitglied
der UNESCO), der Haiku International Association, Tôkyô, der Gesellschaft für
zeitgenössische Lyrik e.V., Leipzig, Ehrenmitglied der Haiku Society of America, New
Orleans.
Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
in der Kleinheit steckt seine Größe – und so wirft die kleinste Lyrikgattung – das Haiku – mutig seine langen Schatten voraus. Dass die
Herbstzeit die Länge dieser Schatten mitzeichnet, ist ein Aspekt: Gemütliche Abende laden ein, das eine oder andere Buch zur Hand zu
nehmen. Vielleicht jenen Band, welcher – im Sommer gekauft –, noch
unberührt seinem Öffnen unter der Leselampe harrt?
Und eine gute Zeit, um sich innerlich aufzumachen, dem Schatten
zu folgen – und sich auf unsere kommende DHG-Haiku-Tagung zu
freuen. Die Wiesbadener Haiku-Gruppe hat dafür die Zügel in die
Hand genommen, vor Ort Unterkunft und Unterhaltung geplant und
organisiert.
Sei es der Ginko (Haiku-Spaziergang) im Kurpark-Ambiente oder
die besondere Rundfahrt mit der THermine, lassen Sie sich locken und
nehmen Sie Platz im Kaminzimmer zum gemütlichen Beisammensein
und Austausch. Ein reichhaltiges Workshop-Angebot – vom HaikuQuiz bis zum Tanka – erwartet Sie am Samstag, der seinen Abend mit
Haiku-Lesung und Koto-Spiel ausklingen lässt. Zudem hat sich die
Wiesbadener Haiku-Gruppe noch eine Besonderheit ausgedacht ...
Habe ich Sie jetzt neugierig gemacht?
Bevor die weihnachtlichen Vorbereitungen Sie in Anspruch nehmen,
sollten Sie sich gerade jetzt die Zeit nehmen und im Kalender 2015
nicht nur das erste Wochenende im Juli für dieses DHG-Treffen vormerken, sondern auch das diesem Heft beigelegte Programm studieren,
das Sie unweigerlich verleiten wird, die Anmeldung auszufüllen und
sich so ein interessantes und kurzweiliges Gesamtpaket rund ums Haiku
zu sichern.
Kommen Sie gut durch die Winterzeit!
Ich wünsche Ihnen ein gesundes und kreatives 2015 und freue mich,
Sie in Wiesbaden zu treffen.
Es grüßt Sie herzlich
Ihre Claudia Brefeld
2
Inhalt
EDITORIAL
Claudia Brefeld
2
AUFSÄTZE/ESSAYS
Klaus-Dieter Wirth: Grundbausteine des Haiku (XXI) – Literarischer Bezug
4
BERICHTE
Georges Hartmann: Die französische Ecke
Silvia Kempen: Ein Porträt – Horst Ludwig
Haiga: Angelika Holweger
LESERTEXTE
20
24
28
Ausgezeichnete Werke
Haiku- und Tanka-Auswahl
Haiga: Gabriele Hartmann
Haibun
Tan-Renga
Rengay
Kettengedichte, Sequenzen
29
31
40
41
45
47
50
HAIKU UND TANKA AUS DEM INTERNET
Haiga: Margareta Hihn
52
56
REZENSIONEN
Reinhard Dellbrügge: Hink-stap-sprong. essays over haiku von Mark Meekers
Claudia Brefeld: Durch Shikis Garten von Petra Lueken
Haiga: Ion Codrescu und Christa Beau
Rüdiger Jung: Zauber eines Augenblicks. Das Haiku im Wandel der Jahreszeiten
von Regina F. Fischer.
Claudius Gottstein: Shirley – Visionen der Realität
Klaus-Dieter Wirth: FONTANA DI TREVI von Ralph Günther Mohnnau
Haiga: Simone K. Busch und Bea Bareis
MITTEILUNGEN
Haiga: Ion Codrescu und Rüdiger Jung
57
59
61
62
63
65
67
68
71
3
Aufsätze und Essays
Klaus-Dieter Wirth
Grundbausteine des Haiku (XXI)
dargestellt an ausgewählten fremdsprachlichen Beispielen
Literarischer Bezug
Honka-dori, die geschickte Bezugnahme auf einen älteren, bekannten
Text der Haiku-Literatur hat in Japan eine lange Tradition. Einmal ruft
das sogenannte Déjà-vu-Erlebnis, das Wiedererkennen von Vertrautem,
beim Leser ein gewisses Gefühl der freudigen Überraschung, wenn
nicht des Stolzes auf die eigenen Kenntnisse hervor, zum anderen
kommt hier natürlich auch das Problem des Plagiats ins Spiel. Bei japanischen Haijin galt diese Echo- bzw. Anspielungspraxis jedoch grundsätzlich eher als ein Zeichen der besonderen Wertschätzung des Originals, des Respekts vor seinem Autor. Es ist ein In-den-Dialog-treten
mit Texten aus der Vergangenheit, keine bloße Paraphrasierung des
erinnerten Inhalts, keine gezielte Parodie, vielmehr formal eine gekonnt
spielerische Übernahme, inhaltlich eine Ablenkung von der Erwartungshaltung beim neuen Rezipienten, so gesehen also ein durchaus
ehrwürdiges Verfahren. Da gerade beim traditionellen Haiku die Thematik ziemlich eng gefasst ist, wurden auch kleinste Änderungen schon
als legitime Möglichkeiten anerkannt, um zu neuen Texten zu gelangen.
Haruo Shirane äußerte sich zu dieser besonderen Form der direkten
oder indirekten Anlehnung an frühere Vorlagen, sei es durch gewisse
wörtliche oder auch nur gedankliche Übernahmen und ihren Abänderungen wie folgt: „Bezeichnenderweise ist honka-dori, die ‚anspielende Abweichung‘, eine der fundamentalsten Techniken der japanischen Poesie, wenn nicht der
gesamten japanischen Literatur, … Es bindet das Gedicht, wie das Jahreszeitenwort, in die poetische Tradition als ganze ein.“1 Und ähnlich Doreen King:
1
Haruo Shirane: „The 21st Century Ehime Haiku Prizes“ (translated by D.
Burleigh and T. Kimiyo), Culture Foundation, Japan, 2003, S. 23.
4
„Bei einer derart komprimierten Gedichtform wie dem Haiku können schon ein
oder zwei andere Wörter eine ganz neue Dimension erzeugen und beim honka-dori
hilft das Wiederholen, historische Aspekte und traditionelle Kontinuität zu bewahren.“2
Auch in der westlichen Welt galt die „Imitatio“, die „Nachahmung von
musterhaften Vorbildern durch Anpassung an deren Stil, Wortgebrauch, Metrik,
Figuren und Bilder“3 lange als ein positiv besetztes Grundprinzip, entstanden schon in der Antike, als die Römer griechischen Literaten
nachzueifern begannen. Noch im deutschen Barock empfiehlt Martin
Opitz (1597–1639) in seiner Publikation Teutsche Poemata und Aristarchus
wieder die Verachtung teutscher Sprach zur Eindeutschung der maßgeblichen
Formen der europäischen Lyrik sowie in seinem Leitfaden Buch von der
deutschen Poeterey (beide 1624) ausdrücklich das Mittel der Imitation
namhafter Vorgänger.4 Und auch Georg Philipp Harsdörffer (1607–
1658) – sein Poetischer Trichter, später Nürnberger Trichter genannt, gilt als
Grundlegung der deutschen Verslehre – bezeichnet das „Abborgen einen
rühmlichen Diebstahl“. Ein Umdenken setzte erst in der zweiten Hälfte
des 17. Jahrhunderts mit der französischen „klassischen Generation“
ein, als Charles Perrault seine programmatische Rede in der Französischen Akademie hielt (27.1.1687) und damit den „Streit zwischen den
Altertumsfreunden und den Anhängern der Moderne“ auslöste.5 „Erst mit wachsendem Originalitätsstreben, Selbstbewußtsein und Eigenständigkeit der modernen
Literatur erhält der Begriff den negativen Sinn bloßer epigonaler, sklavischer Nachahmung.“6 Trotzdem verfügte das gebildete Bürgertum noch bis ins 20.
Jahrhundert hinein über einen relativ großen Grundstock an klassischantikem, mythologischem, biblischem wie auch westlich-literarischem
Wissen. Heute lässt sich jedoch kaum mehr darauf zurückgreifen. In
2Doreen
King: „The Honkadori“, in Frogpond (American Haiku Society) Vol
XXX, N° 3, p. 53.
3Gero von Wilpert: „Sachwörterbuch der Literatur“, Stuttgart 1989, S. 406.
4„Harenbergs Lexikon der Weltliteratur, Autoren-Werke-Begriffe“, Dortmund
1989, Bd. 4, S. 2197.
5P.-G. Castex et P. Surer: « Manuel des études littéraires françaises », Tome I,
Hachette 1954, p. 426-428.
6Gero von Wilpert (s.o.)
5
Japan dagegen sind trotz ähnlicher Tendenzen zumindest im Haiku-Bereich entsprechende Kenntnisse deutlich verlässlicher vorhanden.
Trotz alledem hat sich auch im westlichen Haiku schon eine gewisse
Kultur der Intertextualität herausgebildet, und zwar weniger als allgemeine Bezugnahme auf literarische Werke als vielmehr durch einzelne
Auseinandersetzung mit genre-internen Vorbildern, zum Teil sogar
über die Sprachgrenzen hinweg, umso erstaunlicher für eine Gattung
mit so junger Importgeschichte. Neben diesem bewussten Zurückgreifen auf Beispiele der Haiku-Literatur selbst tauchen eher ungewollt
gelegentlich ebenso mehr oder weniger starke Ähnlichkeiten, wenn
nicht Übereinstimmungen auf, die allein schon durch den nur knappen
Raum, der dem Haiku zur Verfügung steht, zu erklären sind. Hinzu
kommt die aus der Warte des traditionellen Rahmens weiter eingeschränkte Thematik an sich. Man denke nur an die unüberschaubare
Menge der Kirschblüten- und Mondgedichte. Nichtsdestoweniger blicken vergleichbare Inhalte und Anspielungen in der japanischen Lyrik
auf eine lange Geschichte zurück. Bezüglich dieser allgemeinen Problematik des Honka-dori noch drei Stimmen zu seiner Rezeption im westlichen Lager:
„… the variation on certain subjects in haiku is one of the most interesting challenges the genre offers a poet, and can result in refreshingly different ways of ‘seeing
anew’ for the reader.“7 („… die Variation gewisser thematischer Gegenstände im Haiku ist eine der interessantesten Herausforderungen, die
das Genre dem Dichter zu bieten hat, und sie kann zu erfrischend anderen, neuen Sichtweisen beim Leser führen.“)
„… sometimes a haiku will move us so much that we might want to respond to
it with one of our own.”8 („… manchmal bewegt uns ein Haiku so sehr,
dass wir mit einem eigenen darauf antworten möchten.“)
„… To ‘echo’ another haiku takes skill. To enhance the earlier haiku is a gift,
an homage. We recognize many similarities but usually these are written by happen7
Cor van den Heuvel (editor): The Haiku Anthology – English Language
Haiku by Contemporary American and Canadian Poets, 31999.
8Bruce Ross: How to Haiku: A Writer's Guide to Haiku and Related Forms,
2002.
6
stance.”9 („… Ein anderes Haiku ‚widerhallen‘ zu lassen erfordert Kompetenz. Das frühere Haiku möglicherweise zu verbessern ist eine Gabe,
eine Huldigung. Wir erkennen viele Ähnlichkeiten wieder, doch für
gewöhnlich gelangen sie eher zufällig zu Papier.“)
Beginnen wir mit Beispielen aus der japanischen Haiku-Literatur
selbst:
Como el poeta Saigyô
croa en cuclillas
la rana.
Wie der Dichter Saigyô*
quakt in der Hocke
der Frosch.
Kobayashi Issa (1763–1828)
*Saigyô Hôshi (1118–1190) stammte aus einer Samurai-Familie und
ging schon als junger Mönch auf Wanderschaft durch ganz Japan. Seine
Gedichtsammlung Sankashû (Sammlung eines Priesters) enthält 1552
Waka. Weniger vom Stil der Klassiker (shin kokinshû) geprägt, teilt sie
die Gefühle und Erfahrungen des Autors stilistisch einfach, gerade heraus mit. Issa bezieht sich hier auf eine zeichnerische Darstellung von
Saigyô in der klassischen, japanischen Anthologie Ogura Hyakunin Isshu,
die 100 Waka von 100 verschiedenen Dichtern vorstellt.
Auch von Matsuo Bashô (1644-1694) kennen wir eine ähnliche,
diesmal jedoch auf ihn selbst zurückweisende, direkte Bezugnahme:
This life, now
I am living long, just like
Sôgi sheltering under eaves from rain
Dieses Leben, das ich jetzt
schon so lange lebe, gleicht dem von
Sôgi, der sich vor dem Regen unterstellt.
Sôgi (1421-1501), ein Priester, hatte den Vergleich seiner eigenen Lebenserfahrung zuvor so formuliert:
9Hans
Jongman: The Honkadori Revisited: Have I read this before? Déjà vu in
Haiku, Haiku Canada Review, Vol. 5, October 2011, N0 2, p. 24.
7
This life, now
I am living long, is as short as
sheltering under eaves for wintry drizzle to pass.
Dieses Leben, das ich jetzt
schon so lange lebe, ist so kurz, wie
wenn man sich unter einem Dachvorsprung unterstellte, um zu warten, bis der winterliche Sprühregen vorbeigezogen ist.
Einen anderen Rückgriff nimmt Katô Shûson (1905–1993) vor, wenn
er sein Haiku mit der Wiedergabe des ersten Verses (hyakudai no kakaku) von Bashôs Reisebericht „Auf schmalen Pfaden durchs Hinterland“
beginnen lässt, Wegzehrung so vieler Haiku-Dichter: „Monate und Tage
sind ständige Passanten, und auch die Jahre, die sich ablösen, sind Reisende.“ Diese Reisende der Vergangenheit sind hier die nachfolgenden Generationen von Haijin, an die auch der Dichter anknüpft. Katô Shûson war bekannt für seine Liebe zu Katzen, und man sieht, inwieweit er selbst das
Bild des Kätzchens in rührender Weise in die Reihe der verstorbenen
Dichter einordnet:
Longue lignée de voyageurs
un chaton
ferme la marche
Lange Nachkommenschaft von Reisenden
ein Kätzchen
beschließt den Marsch
Noch ein zeitgenössisches Beispiel von Katô Ikuya (1929-2012), in dem
er Bashôs berühmtes Herbstgedicht humoristisch parodiert:
on the withered branch
alighted a crow –
autumn evening
auf kahlem Ast
ist eine Krähe gelandet –
Herbstabend
Matsuo Bashô
a day passed by
without a crow cawing
on the withered branch
ein Tag ging vorbei
ohne dass eine Krähe krähte
auf dem kahlen Ast
Katô Ikuya
Kommen wir nun zu einer erfreulichen Vielfalt von Beispielen, die zei8
gen, wie sehr inzwischen gewisse klassische japanische Haiku zum allgemeinen Literaturgut auch schon im Westen geworden sind. Erwartungsgemäß hat hier Bashôs „Froschteichgedicht“ den größten Reiz
ausgeübt. Doch zuvor noch in direktem Vergleich quasi als Übergang
eine „Antwort“ aus dem „Land der aufgehenden Sonne“ selbst:
ein alter Teich …
ein Frosch springt hinein
der Klang des Wassers
Matsuo Bashô
the frog’s pond
now a shopping mall
sound of money
ein alter Teich …
nicht einmal der Klang
eines hineinspringenden Froschs
Ryôkan (1758-1831)
der Froschteich
jetzt ein Einkaufszentrum –
der Klang des Geldes
Anne LB Davidson (USA)
Froschteich …
ein Blatt fällt hinein
ohne Geräusch
Bernard Einbond (USA)
Übersetzung von Dietmar Tauchner,
nach Haruo Shirane: „Traces of Dreams“
poetry meeting
I try to read my haiku …
a frog in my throat
Dichtertreffen
ich versuche, mein Haiku vorzulesen
ein Frosch im Hals
Betty Kaplan (USA)
a long dry spell
but there is the old pond
pink water lilies
Trockenperiode
doch da ist der alte Teich
rosa Seerosen
Bruce Ross (USA)
ach oude vijver
een jongetje plast erin
geluid van water
ach alter Weiher
ein kleiner Junge pieselt hinein
Geräusch von Wasser
Luc Lambrecht (B)
9
au vieux temple de l'ombre
la mailloche au métal plonge
gong! Le bruit de l'onde
im alten verschatteten Tempel
der Aufschlag des Metallschlägels
gong! Der Klang der Welle
Francis Kretz (F)
Der Autor selbst versicherte, dass er bei „plonge“ und „le bruit de
l‘onde“ ausdrücklich an Bashôs Haiku gedacht hat.
den Stein geworfen
Bashôs Frosch ist
nicht hier
Traude Veran (A)
Fügen wir in diesem Zusammenhang ausnahmsweise auch noch ein
Tanka des deutschen Autors Reiner Bonack an:
Am Teich
leise
jene Worte sprechen
mizu no oto
dann wieder Stille
Selbst Bashôs Allgemeinempfehlung „Was eine Kiefer ist, lerne von der
Kiefer! Was Bambus ist, lerne vom Bambus!“, wurde wiederholt aufgegriffen:
learning from the bamboo,
but my nose wanders
to the rose
vom Bambus lernen,
aber meine Nase wandert
zur Rose
Sabine Miller (USA)
Nicht vom Wind, vom Schnee
haben die Bambusblätter
das Schweigen gelernt
Klaus-Dieter Wirth
Auch Bashôs historisierendes „Sommergras-Gedicht“, nach dem ja
unsere Haiku-Zeitschrift benannt wurde, war von weiterführendem
Interesse:
10
Sommergras …!
Von all den Ruhmesträumen
die letzte Spur …
Übersetzung G. S. Dombrady
young grasses …
a mountain bleeds from the helmet
full of dreams
junge Gräser …
ein Berg blutet aus dem Helm
voll von Träumen
Dimitar Anakiev (SRB/SLO)
Aber schon Bashôs Vorläufer fanden gleichfalls Beachtung. So bezog
sich etwa Michael Fessler (USA/J), genauso wie Kobayashi Issa (s. o.),
auf Saigyô Hôshi und eins seiner berühmten Waka:
Even a person free of passion
would be moved
to sadness
autumn evening
in a marsh where snipes fly up
Selbst eine leidenschaftslose Person
würde von Traurigkeit
ergriffen sein:
Herbstabend
im Sumpfgebiet, wo Schnepfen auffliegen
coming to the place
where Saigyô was moved
by the snipe's fluttering
komme zu der Stelle
wo Saigyô gerührt war
von dem Aufflattern einer Schnepfe
Und auch Moritake (1472–1549), Shinto-Priester am Schrein zu Ise,
fand seine Nachahmer:
Ein Blütenblatt,
das zurückkehrt zu seinem Zweig? –
Ein Schmetterling!
Übersetzung Dietrich Krusche
Pale pink butterflies
released from mountain cherries
by the breeze it seems
Barbara Casterline (USA/J)
Blassrosa Schmetterlinge
von Bergkirschbäumen
durch die Brise freigesetzt, wie es scheint
11
fresh start
cherry blossoms back
on the tree
Neustart
Kirschblüten zurück
am Baum
Robert Epstein (USA)
Als nächstes Beispiel das recht bekannte Haiku von Ryôkan (s.o.):
Den Mond im Fenster
hat der Dieb
zurückgelassen.
Übersetzung Dietrich Krusche
Hout voor de haard –
ook de geur naam hij mee
de dief in de nacht.
Gré Wansdronk (NL)
Holz für den Herd –
auch den Geruch nahm er mit
der Dieb in der Nacht.
Es wäre kaum zu glauben, wenn nicht auch Kobayashi Issa (s.o.) seine
speziellen Bewunderer gefunden hätte. In den folgenden Haiku geht
man allgemein auf seine besonders auffallende Beziehung zu Insekten
ein:
Oh Issa …
what would you think
of flea collars?
Oh Issa …
was würdest du von
Flohhalsbändern halten?
Garry Gay (USA)
comme les vrais haijins
moi aussi je suis piquée
par les puces!
Isabel Asúnsolo (F/E)
oh, Issa Issa
it's hard to love
the flies
wie die wahren Haijin
werde auch ich von den Flöhen
gestochen
bzw. als Wortspiel:
bin auch ich über die Flöhe pikiert
oh, Issa, Issa
es ist nicht einfach,
die Fliegen zu lieben
Marinko Španović (HR)
Höchstwahrscheinlich hat sogar der Amerikaner Stephen Addiss eins
der bekanntesten Haiku von Issa, nämlich
12
Ja, Schnecke,
besteig den Fuji, aber
langsam, langsam!
Übersetzung Dietrich Krusche
vor Augen gehabt, als er sich zu seiner folgenden Beobachtung inspiriert fühlte, was wiederum die große Spannweite dieses HaikuGrundbausteins bezeugt:
slowly slowly
November sunlight
ages the rocks
langsam langsam
lässt Novembersonnenlicht
die Felsen altern
Auch der letzte der vier Haikuväter, Masaoka Shiki (1867–1902), geriet
ins Blickfeld:
deep in the woods
the pond's ice
so thick
tief im Wald
das Eis des Teichs
so dick
Deep in our argument
my boyfriend's head
so thick
Tief in unserm Disput
mein Freund so schwer
von Begriff
Adele Kenny (CDN)
Takahama Kyoshi (1874–1959), neben Kawahigashi Hekigotô
(1873–1937) der wichtigste Schüler Shikis, beeindruckte mit diesem
Haiku:
Die Schlange glitt davon,
doch ihre Augen
blieben im Gras.
Übersetzung Dietrich Krusche
a grass snake
escaping into
my thought of it
eine Grasschlange
flieht in
meine Gedanken an sie
A. Kudryavitsky (IRL/RUS)
Möglicherweise unabhängig davon entstanden sind:
13
crossing the road
and still on both sides
the reticulous python
überquert die Straße
und ist noch auf beiden Seiten
der Netzpython
Karen Hoy (GB)
under the stone ledge
the rattlesnake's
absence
unter dem Steinvorsprung
die Abwesenheit
der Klapperschlange
Ruth Mittelholtz (CDN)
Selbst an die Exaltiertheit des zeitgenössischen Gendai-Haiku-Autors Ban‘ya
Natsuishi mit seiner „Flying Pope“(„Fliegender Papst“)-Sequenz wurde bereits angeknüpft:
The Flying Pope
lands in Sacramento
the cardinals sing
Der Fliegende Papst
landet in Sacramento
die Kardinäle* singen
*auch ein amerikanischer Sperlingsvogel mit
kardinalrotem Gefieder
Monarchs mass
for the visit
of the Flying Pope
Monarchen* kommen
in Massen zum Besuch
des Fliegenden Papstes
Jann Wirtz (GB)
*auch ein in Amerika weit verbreiteter Edelfalter, der sich in Riesenschwärmen auf den
Weg nach Süden macht
Als dritte Kategorie ist – einigermaßen erstaunlich – auch schon im
Westen eine junge eigenständige Honka-dori-Tradition nachweisbar. So
hat etwa der berühmte Zweizeiler
In a Station of the Metro
The apparition of these faces in the crowd;
Petals on a wet, black bough.
In einer U-Bahn-Station
Die Erscheinung dieser Gesichter in der Menge;
Blütenblätter auf einem nassen, schwarzen Zweig.
14
des amerikanischen Imagisten Ezra Pound (1885-1972), der zwar nicht
unumstritten als „the first fully realized haiku in English“ (Jim Kacian), also
als „das erste, bewusst als solches wahrgenommene, englischsprachige
Haiku“ gilt, zu folgenden „Wiederaufnahmen“ angeregt. Zunächst eine
eher ironische Version des Kanadiers George Swede:
an apparition
in the crowd of white petals
the wet black bough
eine Erscheinung
in der Menge weißer Blütenblätter
der nasse, schwarze Zweig
riding the metro
past bare black trees into town
no face in the crowd
mit der U-Bahn
an kahlen, schwarzen Bäumen entlang
in die Stadt
kein Gesicht in der Menge
Chris Boultwood (GB)
Oder der „Klassiker“ des amerikanischen Haiku-Pioniers Nicholas Virgilio (1928–1989):
lily:
out of the water …
out of itself
Seerose:
aus dem Wasser …
aus ihrem Selbst
aching tooth
out of its socket
out of itself
schmerzender Zahn
aus seinem Sockel
aus seinem Selbst
Marsh Muirhead (USA)
Gently his fat weight
sinks the lily pad – and yet
the frog is himself
Sacht senkt sein fettes Gewicht
das Seerosenblatt – und dennoch
der Frosch bleibt er selbst
David E. LeCount (USA)
Ein weiteres amerikanisches Vorzeige-Haiku schrieb James W Hackett
(*1929):
A bitter morning:
sparrows sitting together
without any necks.
Ein bitterer Morgen:
Spatzen sitzen zusammen
ganz ohne Hälse.
15
spring snowfall
on the tucked-in heads
of drifting seabirds
Schneefall im Frühjahr
auf die eingezogenen Köpfe
treibender Seevögel
Tom Noyes (USA/GR)
subway
blast of rigid air
ducking deeper into myself
U-Bahn
steifer Windstoß
sich tiefer in sich selbst ducken
Hans Jongman (CDN)
Ähnlich bekannt ist dieses Haiku von Raphael de Gruttola (USA):
frozen lake –
an oak leaf
half in, half out
gefrorener See –
ein Eichenblatt
halb drinnen, halb draußen
on the snow
a lone leaf
somewhat lost, somewhat found
auf dem Schnee
ein einsames Blatt
irgendwie verloren, irgendwie gefunden
Tom Clausen (USA)
Auch William Wordsworth (1770-1850), einem englischen Romantiker,
wurde bei etlichen Haiku-Autoren ein ehrendes Gedenken zuteil, und
zwar insbesondere im Hinblick auf den Anfang seines folgenden, berühmt gewordenen Gedichts:
I wandered lonely as a cloud
That floats on high o'er vales and hills,
When all at once I saw a crowd,
A host of golden daffodils; …
Ich wanderte einsam wie eine Wolke,
Die hoch über Täler und Hügel schwebt,
Als urplötzlich ich eine Menge sah,
Eine Heerschar goldner Osterglocken; …
From the topmost bough
one last persimmon hanging –
‘lonely as a cloud …‘
James Kirkup (GB/AND/J)
16
Vom obersten Zweig herabhängend
eine letzte Kakipflaume –
‚einsam wie eine Wolke …‘
‘Lonely as a cloud’ –
a handful of daffodils
next to the pond
‚Einsam wie eine Wolke‘–
eine Handvoll Osterglocken
neben dem Teich
David Burleigh (GB)
Besonders interessant ist der internationale Verzahnungshintergrund
bei diesem Haiku des Amerikaners Johnye Strickland:
first snow …
running to the window
to watch for Mother Goose
erster Schnee …
zum Fenster laufen
um Mutter Gans zu beobachten
Mutter Gans ist nämlich eine literarische Figur in Kinderreimen und
Weihnachtsgeschichten, die vor allem in Amerika und Großbritannien
weit verbreitet ist, ihrerseits aber bereits zurückgeht auf den französischen Märchensammler Charles Perrault und seine „Ma Mère l‘Oye“
(1697).
Aus noch früherer Zeit stammt das Sonett des französischen Renaissancedichters Joachim Du Bellay (1522–1560), dessen Anfangsvers
wohl jedem gebildeten Franzosen geläufig ist:
Heureux qui comme Ulysse, a fait
un beau voyage, …
Glücklich wer, wie Odysseus,
eine schöne Reise gemacht hat …
maison d'enfance
heureux comme Ulysse –
plus de parents
Haus der Kindheit
glücklich wie Odysseus –
keine Eltern mehr
Daniel Salles (F)
Das nächste Beispiel nimmt Bezug auf eine der Fabeln von Jean de la
Fontaine (1621-1695):
La grenouille qui voulait se faire aussi grosse comme un bœuf
Der Frosch, der so groß sein wollte wie ein Ochse
à mon toucher
la grenouille s'est gonflée
effet bœuf
bei meiner Berührung
blies sich der Frosch auf
Ochseneffekt
Carole Melançon (CDN)
17
Der Niederländer Hans Andreus, Pseudonym für Johan Wilhelm van
der Zant (1926–1977), war einer der ersten Schriftsteller seines Landes,
der auch Haiku verfasste, zehn Jahre, bevor das Genre gegen Ende der
Siebzigerjahre des vorigen Jahrhunderts in seinem Sprachraum bekannter wurde. Viele seiner Landsleute werden in den ersten beiden Zeilen
seines folgenden Haiku den Anfang eines klassischen, unverkennbar
romantischen Sonetts wiedererkennen, das Willem Kloos (1859-1938)
geschrieben hatte:
TUINMAN
GÄRTNER
Ik ween om bloemen,
in den knop gebroken: weer
een dag extra werk.
Ich weine um Blumen,
schon an der Knospe abgebrochen: wieder
ein Tag Extraarbeit.
Und offensichtlich an Rainer Maria Rilkes Gedicht “Der Panther“ orientierte sich die Österreicherin Traude Veran:
der jaguar schnürt
sein pfad am gitter entlang
ist ausgetreten
Zur Erinnerung der Anfang von Rilkes Original:
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.
Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte …
Ein vierter Bereich betrifft Parallelen, die mehr oder weniger bewusst
zustande gekommen, entsprechend etwas weiter hergeholt und damit
auch fragwürdiger in ihrer direkten wechselseitigen Beeinflussung sind:
on the wrong train
the fury of the man
with the white stick
im falschen Zug
die Wut des Mannes
mit dem weißen Stock
David Cobb (GB)
out of the haze
the dog brings back
the wrong stick
Max Verhart (NL)
18
aus dem Nebel
bringt der Hund
den falschen Stock zurückgeht
house for sale –
the apricot tree in bloom
as never before
Haus zu verkaufen –
der Aprikosenbaum blüht
wie nie zuvor
Ion Codrescu (ROM)
Das Haus ist verkauft –
Nie duftete der Garten
wie am Abschiedstag
Gerhard Stein (D
Als auf jeden Fall unabhängig voneinander entstanden, wie die Autoren
selbst versicherten, damit aber auch nicht die eigentliche Echofunktion
eines honka-dori erfüllend, sind diese Paarungen:
the clerk's lip ring
I forgot what
I wanted
der Lippenring des Angestellten
ich vergaß was
ich wollte
Yvonne Hardenbrook (USA)
song of a cardinal
I forget the purpose
of my errand
Gesang eines Kardinals (s. o.)
ich vergesse den Zweck
meiner Besorgung
Hans Jongman (CDN)
Vereister Wasserfall.
Wir lauschen dem Klang fallenden Schnees.
Volker Friebel (D)
vereister wasserfall
wir lauschen der tonleiter
aus licht
Bernadette Duncan (D)
Über die bloße Vermittlung dieser besonderen Technik des honka-dori
hinaus sind zwei Ergebnisse festzuhalten: Einmal hat sich dieses Verfahren offensichtlich von einem innerkulturellen Phänomen inzwischen
bereits zu einem interkulturellen weiterentwickelt, zum anderen belegt
es, dass die heftige Diskussion, die in den Neunzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts westliche Haiku-Autoren so sehr bewegt hatte,
grundsätzlich überflüssig war, nämlich bezüglich der Frage, ob es überhaupt gestattet sei, sogenannte Schreibtisch-Haiku zu verfassen, also
solche, die nicht durch unmittelbares Erleben in der Natur entstanden
sind.
19
Berichte
Georges Hartmann
Die französische Ecke
Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin, dass er tun kann, was er will, sondern
dass er nicht tun muss, was er nicht will, hat Jean-Jacques Rousseau irgendwann mal in die Welt gesetzt, während Marie von Ebner-Eschenbach
einen weiteren Aspekt aufspürte und behauptete, dass glückliche Sklaven die erbittertsten Feinde der Freiheit seien. „Ja, was ist das denn jetzt
schon wieder?“, werden Sie sich vielleicht fragen und womöglich ein
„Hat der jetzt noch alle Latten am Zaun?“ anfügen. Nun, ich bin über
den Begriff „liberté“ gestolpert, weil die französische HaikuGesellschaft im aktuellen GONG (das Gegenstück zu unserem SOMMERGRAS) statt eines Haiku-Themas die Parole „En toute liberté“ ausgegeben hatte, was ich in einem ersten Anlauf „In aller Freiheit“ übersetzt habe, mir aber als Aufforderung, ein Haiku nach eigenem Geschmack zu formulieren, nicht so wirklich eingängig erschien. „Sind
denen die Themen ausgegangen?“, habe ich mich dann gefragt und es
mit der Wendung „frei von der Leber weg“ versucht, was aber sicherlich auch nicht so wirklich passt, weil das ja wieder bedeuten würde, all
das aufzulisten, was einem beim Lesen von Haiku schon immer quer im
Hals gesessen hat. Ich habe es dann noch mit „mach mal“ versucht, um
so auf den gefährlichen Trichter zu kommen, dass dieses Motto ebenfalls dazu verleiten kann, die Werke der einzelnen Autoren dahingehend
zu untersuchen, ob diese mit der eigenen Auffassung vom Haiku übereinstimmen, bzw. aus dem eigenen Blickwinkel heraus für gut oder
schlecht gehalten werden. Vielleicht könnte es aber auch eine Aufforderung gewesen sein, etwas „zwischen den Zeilen“ auszudrücken, vornehm wie die Franzosen in ihrer charmanten Art halt manchmal auch
sind …
20
cueillette de cersises
dialogue à bâtons rompus
entre les échelles
Kirschernte
Zwiegespräch über dieses und jenes
durch die Leitersprossen
Hélène Duc
Nein, nein, werden Sie jetzt möglicherweise denken und damit argumentieren, dass man ja auch mal seine Wunschvorstellungen in einem
Haiku verpacken könnte. „Wenn ich mal im Ruhestand bin, werde ich
das Gitarre Spielen lernen“, habe ich mehr als einmal jedem erzählt, der
es nicht hören wollte, bis ich es dann nach genau 46 Jahren auch dem
Westerwälder Ortspfarrer ins Ohr gebrannt hatte, der mich postwendend zu einem Kurs verdonnerte, den ich dann zu seiner Enttäuschung
bereits nach der ersten Unterrichtsstunde geschmissen habe, um mich
anschließend als totalen Narren zu beschimpfen. Man sollte halt das
Sprichwort Schuster bleib bei deinem Leisten verinnerlichen und es zuerst
mal mit ganz normalen Wunschvorstellungen versuchen.
mon réfuge –
une île …
de quatre cents pages
Mein Zufluchtsort –
eine Insel
aus vierhundert Seiten
Christian Cosberg
Aber möglicherweise ist auch solch eine Überlegung manchmal recht
vermessen, wie ich nach dem georderten Probeabonnement der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ messerscharf erkannt habe, weil ich nach vier
Tagen feststellen musste, immer noch keine Zeit gefunden zu haben,
auch nur eine Seite zu lesen, in drei Tagen aber wieder die nächste Ausgabe im Postkasten stecken wird. Da kann man sich schon mal die
Schicksalsfrage stellen, ob man noch alle Tassen im Schrank hat, und
einfach nur zu viel will und damit hoffnungslos an der Realität vorbei
schlittert. Vielleicht mal völlig abschalten und ungestört nur in seine
innere Welt abtauchen …
ami disparu –
encore présente sa voix
sur son répondeur
Der Freund verschollen
seine Stimme noch gegenwärtig
auf dem Anrufbeantworter
Patrick Somprou
21
Man kann es drehen und wenden, wie man will, alles Mögliche versuchen, das selbstbestimmte Leben favorisieren oder auf der freien Willensentscheidung bestehen, bis dann irgendwann der uns allen beschiedene Augenblick heranrückt, wir wieder als in alle Winde zerstreute
Atome nichts mehr von uns wissen und es den Hinterbliebenen beschieden bleibt, in aller Freiheit mal all das über uns loszuwerden, was
sie davor vielleicht allenthalben nur hinter verborgener Hand getan
haben.
arrosoir à la main
une femme à tout petit pas
entre les tombes
Die Gießkanne in der Hand
eine Frau mit kleinen Schritten
zwischen den Gräbern
Damien Gabriels
Wenn Ihnen das jetzt irgendwie zu düster erscheint oder Sie es schon
immer gewusst haben, dass mit mir was nicht stimmen kann, was ich
Ihnen nicht verübele, will ich noch ein abschließendes Haiku in den
Ring werfen, das beinahe zu einem handfesten Streit geführt hätte, aber
an dem sich gut zwei mir wichtig erscheinende Dinge darstellen lassen …
Début d’automne
Dans ses yeux le même bleu
qu’autrefois
Herbstanfang
In ihren (seinen) Augen dasselbe Blau
wie damals
Isabelle Ypsilantis
Ein Haiku, das möglicherweise wieder die Sehnsucht nach jener Person
wachruft und aus der Erinnerung neuerlich das damals unerfüllt gebliebene Begehren, eine aus Angst nicht umgesetzte Annäherung oder das
abrupt beendete Miteinander wachruft. „So weit, so gut“, werden Sie
jetzt vielleicht denken, während ich noch an der Übersetzung herumkaute und dabei an jenen Punkt stieß, den ich nicht für möglich gehalten hätte, weil das Französische für den Ausdruck „le (même) bleu“
auch weitere Bezeichnungen bereithält, von denen eine richtig gut zu
Gesicht stand und dem Haiku aus meiner Sicht plötzlich eine deutlich
andere, weniger bedeutungsschwere, eher unbeschwerte Wendung gibt.
22
Herbstanfang
In ihren (seinen) Augen derselbe Grünschnabel
wie früher
Als ich mich dann dann zu fragen anfing, ob das nun alles richtig ist,
was man da so ins Blaue hinein übersetzt, präsentierte mir die französische Verwandtschaft in Person meiner Cousine noch eine weitere Möglichkeit, nämlich, dass die Frau oder der Mann auch den herbstlich
blauen Himmel gemeint haben könnte, den sie oder er mit dem Blau
verglich, das ihr oder ihm noch aus einem früheren Urlaub gegenwärtig
war. Woraufhin der Gatte meiner Cousine aus dem Hintergrund kaum
noch zu halten war und verkündete, dass die Person im Haiku eindeutig
eine Frau sei, und man mit „le bleu“ auch einen „Anfänger“ bezeichnet …, was der Textaussage dann allerdings eine sehr private Wendung
gäbe …
Ich will damit andeuten, dass man in der ständigen Gefahr steht,
nicht immer den tatsächlichen Hintergrund der fremdsprachigen Autoren zu erfassen, und selbst die Wortwahl der Übersetzung (damals bzw.
früher) rein gefühlsmäßig eine andere Tonlage ergeben kann.
Ich ermuntere an dieser Stelle auch dazu, die Haiku nicht bloß zu
konsumieren, sondern sich möglichst oft mit anderen darüber auszusprechen, um dadurch auf dem eigenen Haiku-Weg nicht an der nächsten Kreuzung womöglich in eine Richtung zu laufen, die nur einem
aktuellen Massengeschmack entspricht. Haiku schreiben ist nicht die
Kunst, um jeden Preis veröffentlicht zu werden, sondern auch dazu da,
mehr über sich selbst kennenzulernen. Und weil das Haiku ebenfalls
den Effekt hat, mit anderen in Kontakt zu kommen, sich miteinander
auszutauschen oder Gemeinsames zu gestalten, ermuntere ich an dieser
Stelle „en toute liberté“ dazu, die Mitgliederversammlung 2015 auch mit
Ihrer Gegenwart zu bereichern, und Sie dazu, jetzt kein „Nein“, sondern ein kräftiges „Yes, I will“ von sich zu geben, Sie also in Übereinstimmung mit Rousseau dann genau das tun, was Sie schon immer mal
vorhatten, aber bis heute nicht verwirklichen konnten.
23
Silvia Kempen
Ein Porträt – Horst Ludwig
Zur Einstimmung eine Passage aus „Beate Conrad, Reflektierende Sichten, Ein Feature zu Horst Ludwig, in Chrysanthemum Nr. 12, Oktober
2012,
online unter: http://www.bregengemme.net/chrysanthemum/media/
aktuell/Chrysanthemum_12.pdf (Quellen innerhalb des Zitats ebenda.):
„… gilt sein größtes Interesse dem Auffinden von einfacher, aber klarer Sprache, die
präzise das Beabsichtigte ausdrückt, mit realistischen und zurückhaltenden poetischen Bildern. Das Ergebnis ist Kunst, die kunstlos zu sein scheint (4; 5). Aber sie
ermöglicht die Schönheit der Form und des Klanges, Originalität des Ausdrucks,
Objektivität und Subjektivität, Bedeutungstiefe und Komplexität. Kurz: Haikukunst ist für ihn solides Handwerk, das den Anschein erweckt, daß sich Haiku ohne
Anstrengung ganz natürlich ergibt (5). Wie sich herausstellt, ist bei ihm dessen
ungezwungene und einfache Ausdrucksweise das effektivste Strukturelement (1).“
Persönliche Daten
Horst Ludwig wurde am 10. Mai 1936 in Ritterswalde bei Neisse in
Oberschlesien geboren. Nach dem Abitur 1956 am Gymnasium Martino-Katharineum in Braunschweig studierte er zunächst an der Technischen Hochschule Braunschweig Deutsch, Englisch und Philosophie,
wechselte aber noch im selben Jahr an die Freie Universität Berlin, wo
er Germanistik, Amerikanistik, Publizistik, Philosophie und Pädagogik
studierte. Zwischenzeitlich war er als Fulbright-Austauschstudent an
der Universität von Minnesota und studierte dort Deutsch und Englisch.
Horst Ludwig erwarb folgende Abschlüsse: Philosophikum (Berlin,
1963), Magister Artium (University of Minnesota, 1965) und die Erste
(Wissenschaftliche) Staatsprüfung mit der Abschlussarbeit (Thesis):
Emersons Theorie der Lyrik: Ihr Verhältnis zu Struktur und Thema
seiner Gedichte (Berlin, 1964).
Von 1965 bis 2012 lehrte er als Associate Professor deutsche Spra24
che und Literatur am Gustavus Adolphus College in St. Peter, Minnesota, USA, wo er auch einige Haiku-Seminare durchführte. Seine Spezialgebiete sind die Strukturen des Deutschen und anderer Fremdsprachen
sowie die kulturellen Unterschiede, die ihre Literaturen reflektieren.
1977 und 1994 unterrichtete er im Rahmen einer Austauschprofessur
an der Kansai Gaidai University in Osaka, Japan.
Horst Ludwig bereiste diverse europäische und amerikanische Länder sowie Japan, Singapur und die UdSSR.
Er lebt weiterhin im Bundesstaat Minnesota in den Vereinigten Staaten von Amerika und nimmt dort nach wie vor am kulturellen Leben,
besonders „seines Colleges“, teil.
Berührung mit Haiku
„Bereits im Gymnasium in den fünfziger Jahren, gleich nachdem Coudenhoves
Vollmond und Zikadenklänge erschien, begann Horst Ludwig Haiku in deutscher
Sprache zu verfassen. Während seines ersten Japanaufenthalts wurde er unter der
Anleitung von Yukio Kotani, einem Professor für Französisch und Deutsch, der
auch einem Kasenzirkel in Tokio vorsaß, dann besonders mit der Geschichte und
der Struktur des Haiku vertraut (6). Nach seiner Rückkehr aus Japan beschäftigte
sich Horst Ludwig kontinuierlich mit dem Haiku …“ (So Beate Conrad)
Haiku-Werdegang
60 Jahre Haiku schreiben, das ist ein langer Zeitraum, und da ist es
kaum möglich, alle Stationen aufzuzeigen. Von Anfang an hat Horst
Ludwig seine Haiku in der traditionellen 5-7-5-Silbenform geschrieben
und ist dieser Form weitgehend treu geblieben.
Als mit der deutschen Sprache Aufgewachsener und mehrere Jahrzehnte in Nordamerika Lebender schreibt er seine Haiku sowohl in
deutscher als auch in englischer Sprache.
Er ist mit seinen Haiku national und international vertreten in den
Medien (elektronisch (Zeitschriften, Internetportale, Werkstätten) und
auf Papier (Zeitschriften, Anthologien usw.) diverser HaikuGesellschaften und anderer Herausgeber. Haiku und Tanka von ihm
haben auch Preise in nationalen und internationalen Wettbewerben
gewonnen; z. B. wurde er 1993 für seine Lyrik mit dem Robert-L.25
Kahn-Preis ausgezeichnet, 2002 erhielt er den 3. Preis beim 7. Internationalen Kusamakura-Haiku-Wettbewerb und beim 4. Hoshi to Mori
Tanka Contest einen Supplementary Award.
Neben der Haiku-Dichtung befasst sich Horst Ludwig auch mit dem
Schreiben von Tanka, Haibun und Ketten- bzw. Partnerdichtung. Außerdem gibt es von ihm Artikel zum Haiku-Schreiben und Analysen
und Auseinandersetzungen zu Haiku anderer Autoren.
Einige Literaturangaben:
- Wind im Bambusspiel: Sechsunddreißig Haiku. Waisenhaus-Druckerei
und Verlag, 1981 – 36 Seiten (1991 mit einer englischen Übersetzung
von Nancy Hanson Nash neu aufgelegt.)
- Blicke in ein Jahr. Eine Pastellbilderserie von Beate Conrad mit neunzehn Haiku von Horst Ludwig. Zu beziehen über:
http://www.haikuglobus.org/Blickindex.html
- Zwölf Monde: Eine zweisprachige Rengeeserie mit Max Verhart, Nachwort:
Charles Trumbull, 's-Hertogenbosch: 't Schrijverke, 2005
- Minnesota Month, (Gedichte), in mehrfachen Ausgaben
Haiku-Verständnis
Dazu Horst Ludwig: „Beim eigenen Schreiben versuche ich, Texte zu schaffen,
die literarisch wertvoll, sprachliches Kunstwerk sind, also etwas bringen, was lesenswert ist. Dabei bin ich in meiner Haltung sehr von Adalbert Stifter beeinflußt, in
dessen südostdeutschem Kulturraum auch ich zu Hause bin, wie ich immer mehr
herausfinde, und dem das Wunderbare gerade das so Einfache ist (das „sanfte Gesetz“ [Vorwort zu *Bunte Steine*]).
Auf ähnliche Weise beeindruckt mich auch das japanische Haiku. Selbst die
Tragik des Lebens kommt da ganz einfach zur Sprache, – so in Bashôs „Sommergras“ und dem für mich größten Haiku der Moderne von Yamaguchi Seishi, „Einmal überm Meer / kehren die Winterwinde / niemals mehr wieder (Dt. Fassung
meine); und in dem Zusammenhang dürfen wir nicht vergessen, daß bei all dem
allgemeinen und ja schier unaufhörlichen Preis der Kirschblüte in Japan immer mitschwingt, daß sie nicht dauert und sogar schon sehr bald zu Ende ist. – Lesenswert
macht Haiku als sprachliches Kunstwerk natürlich auch, daß der Klang wesentlich
Strukturelement ist. Was viele Autoren und Leute von bewertenden Haikurabbinaten bei Haiku als inhaltlich neu ansehen, ist meist gar nicht so neu für den, dem
26
Literatur ein wichtiger Lebensteil ist. Es die saubere Feinarbeit zusammen mit der
empfindsamen Sicht, die einem Haiku besonderen „Lesenswert“ verleihen.
Bei meiner Haikukritik steht für mich immer im Vordergrund, daß sich Menschen soviel ihnen möglich mit Haikuschreiben versuchen sollen. Ich meine, Versuche
zur künstlerischen sprachlichen Wiedergabe dessen, was man erfährt, tragen zur
Hebung der eigenen Kultur bei und damit auch zur Kultur überhaupt. Ich vergleiche
das oft mit Chorsingen: Nicht alles da ist größte Leistung und müßte der Nachwelt
auf Tonträgern aufgezeichnet werden. Aber daß man da mitmacht, das ist etwas
sehr Gutes fürs Leben überhaupt; es bereichert es.
Das größte Geschenk, das Japan mit seiner Haikukultur der Welt gemacht hat,
ist aufzuzeigen, daß erstmal jeder Haiku schreiben kann: Man muß nur einfach
hinblicken und das so Erblickte einfach sagen. Derartiges Geschenk trägt zur
Wahrheit im Leben bei. Und die ist Kultur.“
Haiku-Beispiele:
unterm Apfelbaum
so viele Spuren im Schnee,
und schon die Knospen
Ein blauer Reiher
gleitet tief über den Strom
ans andre Ufer.
Sag, was tust du, Mond,
wenn die Wolke dich bedeckt?
Lächelst du dann auch?
Asche auf der Stirn.
Eiliger gehn die Leute
in den kalten Tag.
Am steinernen Kreuz,
manchmal zittert es etwas,
das trockene Gras.
Die Sonne versinkt.
Er geht am Ufer entlang,
ein alternder Mann.
Außerdem ein Haibun:
Grenzsituation
„Und das hier …“
„Sind Haikubücher.“
„Von Ihnen.“
„Ja.“
„Wie viele?“
27
„Fünfzehn Expemplare.“
„Das ist Ware.“
„Ja. Was macht‘s?“
„Ach, nennen wir‘s Geschenke.“
„Sind's auch.“
‘ne Zigeunerin
bietet mir Maiglöckchen an. –
Ich hab noch kein Geld.
Haiga: Angelika Holweger
28
Lesertexte
Ausgezeichnete Werke
zusammengestellt von Claudius Gottstein
Vancouver Cherry Blossom Festival Haiku Invitational 2014
Zum neunten Mal gab es einen Haikuwettbewerb zum Vancouver
Cherry Blossom Festival. Die Einsendungen zum Wettbewerb wurden
in fünf Regional- (Vancouver, British Columbia, Kanada, USA und
International) und eine Jugendkategorie eingeteilt. In jeder Kategorie
kürte Richter Marco Fraticelli ein Gewinnerhaiku. Darüber hinaus wurden die nächstplatzierten Haiku mit dem Sakura Award bzw. Ehrenden
Erwähnungen (Honourable Mentions) ausgezeichnet.
In allen Kategorien gab es insgesamt 1099 Einsendungen. Die Internationale Kategorie gewann Helen Davison aus Australien. Weiter vergab
Marco Fraticelli in dieser Kategorie fünfmal den Sakura Award (u. a.
Heike Stehr) und 23 Ehrende Erwähnungen (u.a. Claudia Brefeld und
Bernadette Duncan).
Fukushima commemoration
the cherry blossom petals
between the cobblestones
Heike Stehr
blossom shower …
carefully I clear
only his name
Claudia Brefeld
still no call
just blossoms
rustling
Bernadette Duncan
29
Festival International de Haïku de l’AFH 2014
Vom 9.–12. Oktober lud die Association Francophone de Haiku (AFH)
in Vannes zu ihrem sechsten Internationalen Haikufestival ein. Neben
Workshops, Vorträgen und Diskussionsrunden gab es auch drei Kukai.
Im Festival-Wettbewerb zum Thema „Die Elemente“ erreichte Eleonore Nickolay den ersten Platz. Die Übersetzung stammt ebenfalls von
ihr.
champs vendus
dans sa paume ratatinée
une poignée de terre
die Felder verkauft
in seiner welken Hand
ein wenig Erde
Eleonore Nickolay
Nagoya City Board of Education Award
Hier war Klaus-Dieter Wirth gleich doppelt erfolgreich. Er erhielt zwei
ehrende Erwähnungen (Honourable Mentions). Das erste Haiku wurde
in der Kategorie Herbst/Winter 2013 ausgezeichnet. Das zweite Haiku
bekam seine Auszeichnung in der Kategorie Frühling/Sommer 2014.
Beide Übersetzungen stammen von Autor.
lonely seagull
on a rock – in its wings
remains of wind
einsame Möwe
auf dem Fels – in den Flügeln
noch Reste vom Wind
Klaus-Dieter Wirth
a herd of cattle
crossing the river
for a green taste of grass
Klaus-Dieter Wirth
30
Rinder durchqueren
den Fluss – dorthin, wo
das Gras grüner schmeckt
Haiku- und Tanka-Auswahl Dezember 2014
Im Zeitraum August bis Oktober 2014 wurden insgesamt 300 Haiku
und 11 Tanka von 71 Autorinnen und Autoren für diese Auswahl eingereicht. Einsendeschluss war der 15. Oktober 2014. Jeder Teilnehmer
konnte bis zu 5 Haiku oder Tanka einsenden.
Diese Texte wurden vor Beginn der Auswahl von mir anonymisiert.
Die Jury bestand aus Birgit Schaldach-Helmlechner, Gabriele
Brunsch und Birgit Heid. Die Mitglieder der Auswahlgruppe reichten
keine eigenen Texte ein.
Alle ausgewählten Texte (47 Haiku und 1 Tanka) sind nachfolgend
alphabetisch nach Autorennamen aufgelistet – es wurden bis zu max.
drei Texte pro Autor/-in aufgenommen.
„Ein Haiku/ein Tanka, das mich besonders anspricht“ – unter diesem Motto besteht für jedes Jurymitglied die Möglichkeit, ein oder bis
zu drei Texte auszusuchen (noch anonymisiert), hier vorzustellen und
zu kommentieren.
Der nächste Einsendeschluss für die Haiku/Tanka-Auswahl
ist der 15. Januar 2015.
Es können nur bisher unveröffentlichte Werke eingereicht werden.
Keine Simultaneinsendungen. Die Einsendungen bitte im Mail-Body,
keine angehängten Dateien.
Bitte senden an:
[email protected]
Da die Jury sich aus wechselnden Teilnehmern zusammensetzen soll,
möchte ich an dieser Stelle ganz herzlich alle interessierten DHGMitglieder einladen, als Jurymitglied bei kommenden Auswahl-Runden
mitzuwirken. Das macht Spaß und man lernt viel dazu.
Petra Klingl
31
Ein Haiku, das mich besonders anspricht
Blaulicht
Pflastersteine werfen
Schatten
Hans Jürgen Göhrung
Bereits der Begriff „Blaulicht“ führt den Leser in Sekundenschnelle auf
die Dramatik eines Notfalls hin. Es sind ebenfalls Sekunden, die in einer solchen Situation von entscheidender Bedeutung sein können. Ein
herannahendes Blaulicht taucht die Umgebung in ein unwirkliches
Licht, vor allem in der Dunkelheit. Es lässt auch Unbeteiligte erahnen,
dass es neben dem gewohnten Leben auch eine Daseinsmöglichkeit
unter äußerst schweren und dramatischen Bedingungen gibt.
Pflastersteine erheben sich aus Gründen der Trittsicherheit in der
Regel nur unbedeutend vom Untergrund ab, das heißt, die Fugen liegen
etwa einen Zentimeter unter der Oberfläche der Pflastersteine.
Wenn nur geringe Erhebungen Schatten werfen, bedeutet das für
mich, dass man mit den Augen nah dran ist. Ich ahne aus der Formulierung, dass jemand auf der Straße liegt, als das Blaulicht herankommt.
Möglicherweise könnte auch ein Kleinkind die Entdeckung machen,
dass Pflastersteine kleine Schatten werfen, aber die dichte Wortwahl
und die Kombination mit dem Wort „Blaulicht“ lässt mir kaum eine
andere Möglichkeit, als anzunehmen, jemand habe einen Unfall erlitten
oder seine Gesundheit sei in akuter Gefahr und die Sanitäter kämen in
diesem Moment. Die beiden Bilder fügen sich!
Von der Beobachtung, dass Pflastersteine Schatten werfen, lässt sich
der oder die Betroffene womöglich kurzzeitig von der schmerzhaften
Lage ablenken, die kleinen Pflastersteinschatten werden ebenso bedeutsam wie der Schatten, der über den notleidenden Menschen gekommen
ist.
So wandelt sich durch mein Lesen und meine Überlegung der Eindruck eines akuten Notfalls in das Mitfühlen einer Dankbarkeit gegenüber den eintreffenden Sanitätern, einem Gesundheitssystem gegenüber, das einem die berechtigte Hoffnung auf ärztliche Hilfe gibt.
Ausgesucht und kommentiert von Birgit Heid
32
stille Post
was wissen die Alten schon
von Liebe
Gabriele Hartmann
Da ist sie wieder, die Flüsterkette aus Kindertagen. Was der Letzte in
der Tuschelreihe laut vorträgt, hat wenig mit der Ursprungsnachricht zu
tun, sorgt aber, längst vor dem Abgleich mit dem Original, für Gelächter. Ich gebe hier gerne schmunzelnd meinem gedanklichen Spieltrieb
nach. Eine harmlose Variante, die beim leisen Transport der Wörter aus
der zweiten und dritten Zeile entstehen könnte, soll genügen: Die Kissen
lallten vor schönen Dieben. Während (jüngere) Kinder sich noch trauen,
solche Satzgebilde unzensiert herauszuposaunen, versuchen Erwachsene in der Regel das Lückenhafte, wo etwas nicht genau verstanden wurde, mit eigenem Erfahrungsschatz aufzufüllen. Schon ist unter Umständen eine Ölspur in die Gerüchteküche gelegt. Es sei hier kurz erwähnt, weil sich darin ebenfalls das Bedürfnis nach Mitteilung und der
Wunsch nach Zugehörigkeit zeigen. Was wissen die Alten schon …
wage ich zu verallgemeinern, trifft mit der Pubertät alle Eltern. Urplötzlich sind sie peinlich, stellen dumme Regeln auf, sind Hinterwäldler, die
null Ahnung haben, was Sache ist, und sollen sich deshalb am besten
aus allem raushalten. Hormonausschüttungen und Umbaumaßnahmen
in den verschiedenen Gehirnstuben läuten einen Aufbruch ein. Von
bisher gültigen Ansichten abrücken, heißt doch aber auch, auf die Suche gehen, um eigene zu finden. Dass auf diesem Weg Kommunikationspartner außerhalb der Familie an erster Stelle stehen, unterscheidet
sich nicht vom Abgrenzungsverhalten aus früheren Zeiten. Rasant verändern sich allerdings die Möglichkeiten der Beziehungsgestaltung über
die Netzkommunikation. WhatsApp, posten, bloggen, twittern,
Chatiquette, Avatar etc. … da komme ich nicht mit. Nostalgia – einer
Alten wie mir darf man heute gerne mal den Stempel aufdrücken, dem
aktuellen Stand hinterherzudappeln, das heißt nicht gleich, dass ich ein
Offline-Leben führe. In meiner Jugend hatte das einzige Telefon im
Haus seinem festen Platz im Flur. Kein Ort für Liebesgeflüster oder
große Geheimniskrämerei. Dafür zog ich lieber drei Straßen weiter.
33
Hinter den gläsernen Wänden des öffentlichen Fernsprechhäuschens
schickte ich meine ersten Küsse und Schwüre in den Hörer, hauchte die
Scheiben an, malte Herzen und schrieb unsere Namen hinein, hatte
seine Worte, seine Stimme, jedes Lachen, sehnsüchtige Seufzer im
Ohr … Moderne Flirts beginnen schon mal mit sanften Strichen über
den Touchscreen. Die stille Post der Chats benutzt Symbole, Kürzel,
Inflektive, verschlüsselte Gefühlsbekundungen. Eine Sprache, die der
User, will er dazugehören, lernen muss. In den Augen „der Alten“ vielleicht eine unverständliche Verstümmelung, von Regellosigkeit kann
dennoch keine Rede sein. Missverständnisse, hoax, zum falschen Wort
gegriffen, wie im Gespräch vis-à-vis, seufz, alles menschlich. Es braucht
den Austausch, die Reibung, die (Er)Klärung. Hoffentlich sind im virtuellen Freundeskreis die richtigen Empfängerantennen online – wenn
fib keinen Landeplatz mehr haben und ein dsh Häufchen Elend dringend Trost braucht. Hoffentlich sind dann aber auch jene wieder gefragt, die live zuhören, in den Arm nehmen, die verstehen, wie es sich
anfühlt, weil sie es selber ja auch erlebt haben und weil sich nichts daran geändert hat, an der abgrundtiefen Traurigkeit, wenn die Liebe
geht … Ein starkes, stilles Haiku, das den steten Kreislauf im Zeichen
der Herausforderungen des Wandels beschreibt. Eine Ewigkeit scheint
es her zu sein, seit Großmutter sagte: „Wart‘s nur ab, da kommst ganz
von alleine hin.“ Wohin auch immer, es geht weiter. Doch zunächst ist
hier e i s (es ist Schluss)!
Kommentiert und ausgesucht von Birgit Schaldach-Helmlechner
arbeitslos …
in meinem Haus
ein Tiger
Heike Gericke
Alles ist schlicht und knapp. Drei Zeilen, sechs Wörter.
Mit dem Auftakt: arbeitslos … und den Punkten dahinter, wird ein
Kapitel Lebensgeschichte aufgeschlagen, das einer breiten Palette an
34
Interpretationen Raum gibt. Jeder kennt das Wort, weiß, was es bedeutet, doch nicht jeder hat am eigenen Leibe erfahren, was es bedeutet, in
diesem Zustand zu sein. Das Wort und auch die folgenden sagen nichts
darüber, ob der Zustand schon einige Zeit lang angehalten hat. Wir
erfahren nichts über die Gründe, aus denen es dazu gekommen ist.
Wenn es uns jedoch nicht gelingt, uns in diesen Zustand hinein zu versetzen, dann wird es uns nicht gelingen, die ganze Schwere und Bedeutung dieses kleinen, unscheinbaren Haiku in uns aufzunehmen.
Arbeitslos … Die anfängliche Hoffnung, bald eine gute Arbeit zu
finden, ist geschwunden. Der Stolz, man wolle nicht aufgeben, man
möchte eine Arbeit auf dem Niveau, das man sich selbst schuldig sei, so
hatte man argumentiert, war erst zur Mutlosigkeit, dann aber zur Aggression mutiert. Aggression gegen sich selbst, gegen die Welt und gegen alle, die einen umgeben.
Rastlosigkeit und Tatendrang, gemischt mit Wut, Traurigkeit und
Resignation sind ein ungutes Wirrwarr an Gefühlen, das den Menschen
für sich und die Umwelt unerträglich macht. Diese Unruhe und Seelennot, die fortwährenden Selbstzweifel, die Angst, der Familie nicht mehr
das bieten zu können, was sie gewohnt war, die Not, erkennen zu müssen, dass man dabei war zu versagen, dass man vom eigenen Selbst
abrückt, schwach wird, verachtenswert, böse …
in meinem Haus deutet an, dass es der Schreiber ist, in dessen Haus
ein Mensch lebt, der sich im Zustand der Arbeitslosigkeit in einen Tiger
verwandelt hat. Da ist er, der Tiger, der vielleicht, wie Rilkes Panther,
unruhig hin und her geht, die Räume durchwandernd den Blick ins Leere richtet und trotzdem wachsam, nervös und bedrohlich ist. Was vormals als Problemchen gewertet wurde, führt jetzt zu schweren Auseinandersetzungen, der Tonfall wird anfallsweise aufbrausend und verletzend.
Während sich die Interpretationsmöglichkeiten ausbreiten, bleibt das
Haiku schlicht und knapp, um nicht zu sagen unaufgeregt sachlich. Da
ist nichts, als nur dieser erzwungene Zustand, der mein Haus zu einem
Käfig macht, in welchem jetzt ein wildes Tier eingesperrt ist – mit mir
und an meiner Seite.
35
Bettlägerig –
zum Takt des Windes
der Tanz der Bäume
Eleonore Nickolay
Ein vierzehnsilbiges Haiku, das mich in mehrfacher Hinsicht sofort
angesprochen hat. Es spricht meine Musikalität an, mein Gefühl für
Rhythmus, Musik und Takt. Gezwungen sein im Bett zu liegen, warum
auch immer, die bedrückende Langeweile, die Leere, die Unfähigkeit
sich zu erheben, vielleicht erzwungene Bewegungslosigkeit. Man wendet den Kopf zur Seite und blickt zum Fenster hinaus, wo sich plötzlich
ein besonderes Spektakel vollführt, das sich einem erst nach einer Weile
erschließt.
Man sieht das Schwingen der Bäume vor dem Fenster, sieht, wie sie
sich neigen und wieder hochgehen, die Zweige, die Äste. Ihr Wiegen
und Schaukeln, mal stärker, mal schwächer …
Und mit einem Mal erkennt man darin einen Rhythmus, eine Wiederholung, die sich im gleichen Schema vollzieht und man ist versucht,
mitzuklatschen und die Taktschläge zu zählen. Man weiß, dass der
Wind den Takt angibt, dass er den Tanz der Bäume dirigiert – und mit
einem Mal löst sich die Zeit auf und man scheint aufgesogen von diesem bewegten Spiel vor dem Fenster. An diesem Haiku ist nichts geheimnisvoll, alles wird klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, und
trotzdem liegt genau in dieser rhythmisierten Wiederholung, die ja eine
Vielzahl von Wiederholungen und vielleicht auch Abwandlungen in
sich trägt, der Reiz für mich, weil ich spüre, wie mich dieses Schwingen
ergreift, ich sehe Blätter wirbeln, spüre mich an den Rand des Lebens in
einen Herbst hineingedrängt, der mit Sturm und Wind einhergeht, und
fühle mich gleichermaßen eingeladen von der Natur, meinen unnatürlichen Zustand der Bettlägerigkeit zu vergessen und trotz der widrigen
Umstände in Gedanken mitzutanzen.
Ausgesucht und kommentiert von Gabriele Brunsch
36
Die Auswahl
überlandfahrt
ich pflücke wiesenblumen
mit den augen
Sylvia Bacher
Ein Stück Himmel
löst sich vom Himmel im Teich –
libellenblau
Reiner Bonack
aus heiterem Himmel
das Echo eines Seufzers
Gerd Börner
Halloween
die Geister poltern
in Kinderschuhen
Christa Beau
Großvater
starrt den Schatten an
Klezmer
Gerd Börner
Abendlicht –
im kleinen Meer
mein zweites Gesicht
Gerd Börner
Sonntagsfrühstück
das Flüstern des Hauses
in die Stille
Brigitte ten Brink
alles was war
vor dem Vergessen
sternklare Nacht
Simone K. Busch
das Blau des Himmels
dort wo mein Sohn ertrank
eine Wellenlänge
erster Frost
der Zirkus räumt
die Träume ein
Simone K. Busch
berauschend
die Rhetorik
des Regens
Frank Dietrich
Obdachlos
die Vergangenheit
in einer Schachtel
Frank Dietrich
Hildegard Dohrendorf
Eine Sonnenblume
inmitten
der Flugzeugtrümmer
Erster Schnee.
Katzenspuren auf dem Pfad
zum Mond.
Regina F. Fischer
Volker Friebel
37
Glockenläuten
über dem Schnee – unser Schlitten
hebt ab.
Volker Friebel
arbeitslos …
in meinem Haus
ein Tiger
Heike Gericke
Blaulicht
Pflastersteine werfen
Schatten
Hans-Jürgen Göhrung
Kreischender Stahlstrang die zarte Mauerblume
trotzt der Einsamkeit.
Claus Hansson
stille Post
was wissen die Alten schon
von Liebe
warten …
den ersten Flocken
gebe ich Namen
Gabriele Hartmann
Volkslauf
auf der Überholspur
„Old Spice“
Martina Heinisch
Meeresleuchten
ein Stern fällt
aus der Milchstraße
Margareta Hih
Winterlandschaft
ein Nachtzug skizziert
ihre Formen
Gérard Krebs
Scherbenmond –
eben war da noch ein Traum
Eva Limbach
Gabriele Hartmann
die Schmuckschatulle
aus dem Pflegeheim …
makellose Kastanien
Martina Heinisch
die hortensie,
immer noch zitiert sie
rilke im garten
Norbert Kraas
Sommer-Euphorie
Schwalben ritzen Striche
ins Himmelszelt
Gérard Krebs
Erntemond –
ich betrachte die Linien
in meinem Gesicht
Eva Limbach
38
an den Leuchtturm gelehnt –
suche die Grenze
zwischen Himmel und Meer
Eva Limbach
Festgekettet
am Fahrradständer
der Rollator
Birgit Lockheimer
der alte Wachhunddas leise Rasseln
seiner Träume
Eleonore Nickolay
Bettlägerig –
zum Takt des Windes
der Tanz der Bäume
Eleonore Nickolay
Niederschlag
unter den Lidern
das Ungesagte
Angelica Seithe
Stoppelfelder
Wind wendet
ihren letzten Brie
Helga Stania
Friedensgruppe
mit Megafon ankämpfen
gegen den leeren Platz
Elisabeth Weber-Strobel
Abendhimmel
sie zögert ihr übliches
Abschminken hinaus
Klaus-Dieter Wirth
Uferzone
zwischen Reflexionen die Tiefe
des Himmels
Ramona Linke
Saisonende –
Zwischen den Pappeln wandern
zwei Liegestühle
Claudia Melchior
das Knirschen
unserer Schritte
wohlan zum letzten Gang
Eleonore Nickolay
die wanderschuhe
alt zum abfall geworfen
kehren nachts zurück
Theo Schmich
Sommerdämmerung
im Ofen Asche
alter Feuer
Angelica Seithe
Regenbogen
die Augen des Mädchens
hängen am Smartphone
Helga Stania
handgeknüpft
wie viele Kinderträume
werden getreten …
Elisabeth Weber-Strobel
der Ruf des Hähers
im Trichter des Pilzhuts
ein Rest von Regen
Klaus-Dieter Wirth
39
allein im kreuzgang
für einen moment
außerirdisch sein
familienfeier
vom partyzelt tropft regen
in alte wunden
Peter Wißmann
Peter Wißmann
bahnhofshotel
das pulsieren der stadt
sickert in den schlaf
Peter Wißmann
beim Rotwein
fallen sie aus dem Rahmen
die Bilder
zuerst die Kameradschaft
dann der Granatsplitter
Ralf Bröker
Haiga: Gabriele Hartmann
40
Claudius Gottstein
Haibun
Ordnung
Sergei steigt aus dem Wagen. Er trägt einen langen Mantel und eine
Fellmütze mit einem roten Stern vor der Stirn. In der Hand hält er einen dünnen Papierordner mit Staatswappen darauf. Auch tausend Kilometer südlich des Nordpols arbeitet die Verwaltung reibungslos.
Nach einem kurzen Gespräch mit dem Kapitän dürfen wir an Land und
haben die Erlaubnis, das ehemalige Kulturhaus zu betreten. Alle sind
gespannt auf das sonst verschlossene Gebäude. Turnhalle, Film-und
Theatersaal, Musik-und Ballettübungsräume sowie eine Bibliothek
grenzen an die aufwendig gestaltete Eingangshalle. Jeder Raum, ob leer
oder noch teilweise gefüllt, enthält eine dicke Staubschicht. Sergei bleibt
unterdessen an Bord und erfreut sich ohne Mantel, Mütze und Papierordner an den Resten unseres ausgiebigen Frühstücksbuffets …
Geräumtes Archiv
Die Filmdiva
vergilbt auf dem Tisch
Grażyna Werner
Haibun
Garten der Kindheit
Das Gras wächst üppig. Keine Spur des früheren Pfades. Bäume verdecken den Blick auf das Haus meiner Großeltern. Nach neunzehn Jahren
erkenne ich kaum noch die einst vertraute Gegend. Die wuchernde
Natur umarmt die alten Gemäuer, den Brunnen vor dem Eingang sehe
ich nicht mehr. Hohe Brennnesseln, Holunder, wilde Obstbäume …
Die kleinen gelben Pflaumen schmecken gut, der Saft weckt Erinnerungen …
41
die alte Hütte –
Zweige des Walnussbaumes
klopfen ans Fenster
Eva Limbach
Haibun
Abendbrot
Schwiegervater ist gekommen.
Und Vater mit seiner neuen Lebensgefährtin.
Sie alle haben als Kind noch den Krieg erlebt. Nach ein paar Gläsern
Rotwein sind die alten Geschichten wieder präsent.
Der nächtliche Bombenalarm, die ungewissen Stunden im Bunker,
die Angst …
Zeitzeugen, denen wir schon so oft zugehört haben.
Wortlos verlässt du den Raum.
windstille Nacht –
niemand hört das Fallen
der Novemberblätter.
Helga Stania
Haibun
unter dem schutzwald
weithin stille, einzig das hecheln des hundes, während wir auf grasbewachsenen wegen bergan steigen.
grau, blattlos stehen die alten apfelbäume, vollbehangen mit prallen
früchten. ich bin eingeladen, meinen rucksack zu füllen.
wie Leben
sich aus dem Nebel schält
Aromen von Rot
42
Helga Stania
Haibun
kleines geständnis
luzern empfängt mich mit hitze. touristen fotografieren.
wie klar sich die berge abzeichnen an diesem spätsommertag.
eine bekannte kommt mir entgegen. sie hakt sich unter: „komm mit
ins café!“ auf der treppe ein wenig unsicher, steuert sie ihren lieblingstisch an und bestellt espresso.
achtzig jahre
die tiefe
tagheller augen
während unseres gesprächs ergreift sie meine hände und flüstert: „ich
genieße das. man braucht ja so wenig … und wenn ich im wald spazieren gehe, dann singe ich.“
Silvia Kempen
Haibun
Herbstliebe
Ein Duftpotpourri. Gebrannte Mandeln, Fischbrötchen, Bratwurst …
Dazwischen Dosenwerfen, Losbuden, Fahrgeschäfte …
auf den Rücken
der Karussellpferde
Oma und Opa
Er hat sie hinauf geschoben. Ihr Lächeln – dankbar und liebevoll. Sein
Bein mit einem Schwung – und er war neben ihr. Kerzengerade.
43
Ramona Linke
Haibun
Wolkenloser Himmel
Noch immer auf der Anhöhe sitzend, betrachte ich die rotbraunen Dächer des Fischerdorfes, menschenleere Gassen.
Weiße rechteckige Sonnenschirme überspannen den Freisitz des
kleinen Restaurants neben der Kirche. Fast alle Fensterläden der hellen
Häuschen sind geschlossen. Die Menschen hüten die Kühle in ihren
Räumen. Eine leichte Brise weht vom Wasser her und bringt den Duft
von Fischsuppe à la maison mit. Heiter verliere ich mich im Lichtspiel
von Sonne, Wind und Meer.
Den Bleistift anspitzen …
wie skizziert man
Glück
Ruth Guggenmos-Walter
Haibun
Die Straße
Es gibt ein Buswartehäuschen bei unserer psychiatrischen Klinik am
Rand der Stadt.
Inmitten ihrer Taschen und Tüten sitzt eine alte, bunt gekleidete
Frau und strickt …
Bei schlechtem Wetter ist sie immer dort. Wenn die Sonne warm
scheint, hockt sie mit ihren Dingen auf der anderen Straßenseite im
Gras.
wegwarte –
blau der ferne
blau der straße
44
Ramona Linke
und Horst Ludwig
Annette Grewe
und Gabriele Hartmann
Tan-Renga
Tan-Renga
Kräutergartenweib,
das Laub an unserm Wege
verfärbt sich wieder.
die Welt, die Zeit …
am Ende aller Fragen
ein Abonnement
Der Berggipfel! – Die Tiefe
spüren unter den Sohlen.
der Blick wandert zum Fenster,
folgt langen Regenspuren
HL / RL
GH / AG
45
Rüdiger Jung
und Conrad Miesen
Gabriele Hartmann
und Brigitte ten Brink
Submarines Ballett
weiterschwimmen
i. m. Günter Eich
Rengay
Seine Maulwürfe
täglich neu gestriegelt –
mit Whisky getauft
Wo lernt man Igelworte?
Natürlich unter Wasser
46
Rengay
summa summarum
dieser Tage vergaß ich
zu lachen
stets die gleiche Melodie
auf der Gedankentonspur
Glücklose Träumer
Tintenfische – Sie warten
auf den Engel
Kreise ziehen
entdecke einen zweiten
Mond
Die Eingabe ist
verworfen –
Was immer das heißt
einsamer Wolf
das graue Fell
im Nacken verfilzt
Seepferde gesattelt
schwimmen gegen den Strom
schneidender Wind
Marilyns Rock
„Mexiko! Mexiko!“
Einfach nicht
aufzuhalten
gegen den Strom
mit gezogenem Stecker
weiterschwimmen
CM: 1, 3, 5 / RJ: 2, 4, 6
GH: 1, 3, 5 / BtB: 2, 4, 6
Eléonore Nickolay
und Silvia Kempen
Gabriele Hartmann
und Brigitte ten Brink
lauschen wir dem Lied
sinnlos
Rengay
Rengay
Teezeremonie
die Blüte an ihrer Brust
fesselt seinen Blick
Traumpfade
am Morgen verliert sich
ihre Spur
Kichern und dann knistern
verwelkte Blätter im Händchen
tief, ganz tief
Felsritzungen
irgendwo ein Blues
zwei Freundinnen eingehakt
zum Klassentreffen
sich nähernd
durch zerbröselnde Stille
Hundegebell
„Amsel“ – das Wort
hat sie vergessen, doch
lauschen wir dem Lied
unterm Sichelmond –
seinen glatten Worten
lauschen
vom Altenheim herüber
Martinshorn mit Blaulicht
sinnlos die Wolljacke
gegen das Frösteln
Hofgang
in der Ferne Rauschen
des Verkehrs
Kafka am Strand
aus dem Seetang gelesen
Bernstein
SK: 1, 3, 5 / EN: 2, 4, 6
BtB: 1, 3, 5 / GH: 2, 4, 6
47
Gabriele Hartmann und Silvia Kempen
Schleier
Doppel-Rengay
48
changierendes Grün
sein eisiger Blick
Herbstblätter
sie färbt ihre Ballerinas
mit Goldspray
auf Zehenspitzen
zum Kühlschrank … das letzte
Stück
wieder nicht zugehört!
panaschierte Iris
im Zwielicht
sein eisiger Blick
kiss the rain
die letzten Akkorde
Abendröte
unendlich tief
mit klammen Fingern
Saiten aufziehen
changierendes Grün
der Fremde verliert
ein Wort
weißt du noch
nach jeder Szene hagelte
es Applaus
durch das Zugfenster
von den Lippen lesen
schneeweiß:
Gretel und der Teufel
Bauernopfer
die Favoritin bleibt
zugeknöpft
beim ersten Frost
ihr Bauchtanz – für ihn
ohne Schleier
SK: 1, 3, 5 / GH: 2, 4, 6
GH: 1, 3, 5 / SK: 2, 4, 6
Claudia Brefeld und Martina Heinisch
Europa – ohne Grenzen*
Rengay-Zyklus – Teil IV (letzter Teil)
Alpha und Omega
Windmühlen
Auf dem Areopag
Der Wind flüstert
„wir haben gesiegt“
Noche de San Juan
all die vielen Sünden
im Meer
Pomeranzenduft
im Schatten von Platanen
Windmühlen - so weit
das Auge reicht – La Mancha
mit jedem Ouzo
Alpha und Omega
geraten ins Wanken
an der Ruta Rosa
Schinken suhlt sich
unter Eichen
Neumond
kaufe Gummistiefel
am Markusplatz
25 de Abril
nach vierzig Jahren
ihre Nelken verblasst
Mitternacht – der Mongibello
öffnet seinen Schlund
Weinen im Publikum
beim Fado
zum Ursulinenkloster
eine Stimme rockt
um die Welt
Cristo Rei
schützend über Stadt und Land
Ein Versprechen
CB: 1, 3, 5 / MH: 2, 4, 6
MH: 1, 3, 5 / CB: 2, 4, 6
*Teil I: Deutschland, Schweiz und Österreich (SG 100)
Teil II: Frankreich und BeNeLux, Großbritannien und Irland (SG 102)
Teil III: Skandinavien, Polen und Tschechien (SG 104)
Teil IV: Griechenland und Italien, Spanien und Portugal
49
Claudia Brefeld und Helga Stania
Vier Renhai
Der goldene Schnitt
Frühling
Pudels Kern
der Zauberbann
eines Pentagramms
HS
Spuren zerteilen das Land
blühend im Goldenen Schnitt
CB
HS
letztes Drittel
der Himmel
unvollendet
CB
Klippen
Sommer
50
Druidenstein
des Sonnenwendfeuers
flackerndes Licht
HS
hineinstürzen ins tiefe Blau
von der Klippe ein Schrei
CB
HS
ägäische Winde
das Segelschiff neigt sich
zum Olymp
CB
Veränderung
Herbst
ein Schatten
huscht vorbei – noch nah
dein Lachen
CB
die Dame mit dem Hündchen
zwischen Augenblick und Herbst
HS
CB
verweht der Duft
von Kürbissuppe
und Elternhaus
HS
Bewegung
Winter
Eulenflügel …
in kahlen Zweigen
klirrt der Mond
CB
die Turmuhr schlägt
Schnee stäubt vom Wasserspeier
HS
CB
als sie den Impfstoff
bringen
nach Nome
HS
51
Haiku und Tanka aus dem Internet
Internet-Haiku-Kollektion
von Claudia Brefeld, Eleonore Nickolay und Maren Schönfeld
Aus der Werkstatt auf haiku.de und aus den Monatsauswahlen August,
September und Oktober auf haiku-heute.de wurde folgende Auswahl
(35 Haiku) für das SOMMERGRAS zusammengestellt:
Im Krankenzimmer
umringt von Teddybären
der alte Mann
Marita Bagdahn
einen Blitz lang
dachte ich:
nimm auch einen Stein
Gerd Börner
breaking news irgendwas mit menschen
Ralf Bröker
Sommernacht
ein Bagger gräbt
den Traum um
Simone K. Busch
Sommerende …
der Schatten des Reihers
immer kleiner
Cezar-Florian Ciobîca
Schwerkraft
… kein Wort das mich noch hält
Gerda Förster
beschwingt
vor dem Premium Outlet
Bettelglöckchenklang
Simone K. Busch
nur die glocke
nimmt es heute auf
mit den bergen
Bernadette Duncan
Trennung –
der dunkle Raum
zwischen den Sternen
Gerda Förster
Der Mond balanciert
auf der Spitze des Berges
… leise …nicht atmen
Irene Friedrich-Preuß
52
Trennungsjahr –
das Besuchen
des Hundes
Heike Gericke
Schiffsreise
Die Kabinenwand
schnarcht
Claudius Gottstein
das einfache
berghotel – mit tausend
sternen
Gérard Krebs
Abendspaziergang –
im Gegenlicht
der Gruß des Fremden
Tobias Krissel
Mittsommer
am Rande der Schatten
Schmetterlinge
Angelika Holweger
Hexenschuss
die Sterne um mich
herum
Gérard Krebs
Mittagsruhe –
im Blumentopf
die Stille gießen.
Tobias Krissel
Sommerregen ihr Lachen ein Riss in den
Wolken
Tobias Krissel
aus deinem Mund
der fremde Klang
meines Namens
Eva Limbach
reife Walnüsse
im alten Baumhaus
wohnt das Licht
Ramona Linke
Herbst –
die Bäume geben uns
den Himmel zurück.
Michael Mintel
Verlorene Münze
bück mich
nach einem Stück Mondlicht
Rudi Pfaller
Mondflucht …
die Schrift des Windes auf dem
Fluss
Ramona Linke
Besetzt.
Ich verbinde mich
mit dem Mond
Claudia Melchior
Sommerregen –
in meinem Buch
verliebt sich ein Paar
Eleonore Nickolay
starkregen
einmal nichts sein
als nass
René Possél
53
Nachtbus –
der Fahrer chauffiert
eine Ladung Licht
Gerd Romahn
meine gedanken
auf und davon
mit den krähen
Ehekrach:
draußen küsst ein Schmetterling
meine Dahlie!
Kiki Suarez
Schlafzimmer plötzlich existiere ich
Dietmar Tauchner
Jörg Schaffelhofer
Nachtdienst
zwischen drei und vier
das Gewicht der Zeit
Elisabeth Weber-Strobel
Frühmesse –
die Leere räuspert sich
Friedrich Winzer
Sattes Grün
zwei Hunde modellieren
eine Schafherde
Friedrich Winzer
regenwolkenwand
im buswartehäuschen
die fliege und ich
Peter Wißmann
Am späten Abend
das Rotweinglas gefüllt
mit Monolog.
Birgit Zeller
54
Internet-Tanka-Kollektion
von Claudia Brefeld, Eleonore Nickolay und Maren Schönfeld
Aus dem Tanka-Online-Magazin „einunddreißig“ auf
www.einunddreissig.net wurde folgende Auswahl für das SOMMERGRAS zusammengestellt:
Vertieft in den Krimi
und vor dem Fenster
versinkt
die heile Welt
im Nebel
Christa Beau
an diesem Baum
ging uns immer die Sonne
in die Nacht voraus
jetzt liegst du hier wie schlafend
in einem engen Pappkarton
Ralf Bröker
unausweichlich
das Zirpen der Zikaden
im Abendwind
kommen die Erinnerungen
an den toten Bruder
Silvia Kempen
Ganz zu entschweben
mit meiner Gartenschaukel –
Der Himmel dreht sich
und Sonnenblumen neigen
sich über ein leeres Buch.
Conrad Miesen
angekommen
in der neuen Wohnung –
Großmutters Uhr,
der Nierentisch und
jene Angst vor einem Krieg
Tony Böhle
eine Kröte
durchdringt den schwarzen
Spiegel des Teichs –
Mondscherben
und das Klirren des Wassers
Frank Dietrich
In kühlem Winde
wie das Tageslicht verfällt
auf leeren Feldern
die Schreie der Wildgänse
einen aufblicken lassen
Horst Ludwig
auf dem Totenbett
seine Schuhe ungeputzt
an der Sohle noch
das kleine Eichenblatt …
ihr langer Spaziergang mit ihm
für Tatjana A. und Peter Kurzeck
Angelica Seithe
55
Wollgras
Wer immer davonging –
das Leben
im Sommerwind leicht
fliegt dahin
Angelica Seithe
Haiga: Margareta Hihn
56
Rezensionen
Reinhard Dellbrügge
Hink-stap-sprong
Rezension
Hink-stap-sprong. essays over haiku von Mark Meekers. Demer Uitgeverrij, Belgie. 2013. ISBN 978-1-291-13686-9. 100 Seiten.
Der flämische Dichter (auch Haiku-Dichter) und Essayist Mark Meekers, der unter seinem bürgerlichen Namen Marcel Rademakers auch
als bildender Künstler tätig ist, hat ein Buch über Haiku geschrieben. Es
besteht aus neun Essays beziehungsweise Kapiteln, und sein Hauptthema ist die Qualität des niederländischsprachigen, besonders des flämischen Haiku im Vergleich mit der „normalen“ Dichtung. Warum
genießt es nicht, so fragt sich der Autor, volle Anerkennung als eine
Form moderner Poesie unter anderen? Beschäftigt es sich vielleicht zu
sehr mit der Natur, mit Pflanzen, Tieren und den Jahreszeiten und
weicht damit der modernen Lebenswelt aus? Oder ist es schlechterdings
zu kurz? Arbeiten die Haiku-Dichter zu oft mit Klischees? Verfehlt das
Haiku das Wesen moderner Poesie, die nach Meekers hermetisch und
mehrdeutig und folglich metaphernreich ist? Sollte es nicht dem Individualismus und dem Ego mehr Raum geben? Ist es bereits ans Ende seiner
Möglichkeiten gekommen? Die Liste der Fragen ließe sich problemlos
verlängern.
Freilich kommen in Meekers Buch auch Themen zur Sprache, die
nicht oder nicht direkt auf die Maßstäbe moderner Poesie bezogen
werden: die Geschichte der Öffnung Japans im neunzehnten Jahrhundert und die kulturellen Reaktionen darauf in Europa, der Geist des
Haiku, das Jahreszeitenwort, Zen, Realismus, Einfachheit, Authentizität, das moderne Haiku, die Annäherung von Haiku und Senryu – um
nur einige zu nennen. Meekers Abhandlung behandelt alle wichtigen
Aspekte des Haiku und lässt viele Autoren mit sehr unterschiedlichen
Auffassungen zu Wort kommen. Roter Faden und Hintergrund aber
bleibt der Vergleich zwischen moderner Poesie und der angeblich hinterherhinkenden Haiku-Dichtung. Dabei bleiben die Maßstäbe moder57
ner Dichtkunst oftmals undeutlich und könnten nur durch eine Negation des Negativen, also der angeführten Haiku-Defizite, hypothetisch
bestimmt werden, was aber auch nur manchmal möglich ist, da, von
einigen zwar klaren, aber nicht sonderlich aufschlussreichen Mängeln
wie etwa Biederkeit oder Klischeehaftigkeit abgesehen, der kritische
Diskurs vieles in der Schwebe hält. Wie ist zum Beispiel die häufig anzutreffende Charakterisierung des Haiku als Naturgedicht zu bewerten?
Meekers benutzt sie selber, lehnt sie an anderer Stelle als unzeitgemäß
ab, relativiert sie, hebt sie als Möglichkeit hervor, die Entfremdung des
modernen Menschen von der Erde etwas zu verringern, und erweitert
sie, indem er kulturelle Gegebenheiten in den Naturbegriff einbezieht.
Der Autor schreitet nicht dialektisch fort, sondern lässt verschiedene,
zum Teil einander widersprechende Gesichtspunkte einfach unvermittelt nebeneinander bestehen. So baut er Spannungsfelder auf, die zu
keiner Lösung der angehäuften Probleme führen. Ein Leser, der sich
von dieser Abhandlung einigermaßen klare Ergebnisse versprochen hat,
wird nach der Lektüre ratlos sein.
Es sei noch die kleine Stichprobe erwähnt, die den neun Kapiteln
des Buches beigefügt ist. Meekers hat 500 Haiku von 102 Autoren aus
seinem Sprachraum auf die häufigsten benutzten Substantive, Adjektive
und Verben sowie auf sprachliche Eigenheiten hin untersucht. Und er
findet, wie zu erwarten, viel Konventionelles.
Wenn Meekers auch vieles anspricht und dabei wenig klärt, so entwickelt er doch anregende Gedanken und Überlegungen, welche die
Lektüre seines Buches lohnend machen – jedenfalls für einen Leser, der
solche Anregungen zu schätzen weiß und ihnen den Vorzug gegenüber
jenen eindeutigen und verbindlich sein wollenden Resultaten gibt, die
sich, werden sie gewogen, als zu leicht erweisen.
58
Claudia Brefeld
Durch Shikis Garten
Rezension
Durch Shikis Garten von Petra Lueken. Haiku einer Japanreise. Druckservice
Spengler, Bruchköbel. 2014. 76 Seiten.
Zu beziehen unter: [email protected]
Als ich den Haiku-Band auspacke, halte ich ihn für einen Moment ein
wenig ratlos in den Händen. Welche der beiden Seiten ist die Vorderseite? Es erinnert mich daran, dass wir ein japanisches Buch, trotz Wissen,
doch eher intuitiv von der falschen Seite her öffnen. Bei diesem Gedanken muss ich lächeln und schlage die zuoberst liegende Seite auf.
Ich muss es drehen, um dann auf der ersten Seite über die Gestaltung
des Covers zu lesen: Foto (Kimono). Eine schöne Idee. Ich betrachte
die Covergestaltung erneut: stilisierte Zweige auf schwarzem, leicht
strukturierten Untergrund. So kostbar und geheimnisvoll der Umschlag,
so gewichtig der Anlass des Inhalts: Eine Japan-Reise, die im Jahre 2002
von 12 Mitgliedern der Frankfurter Haiku-Gruppe anlässlich des 100.
Todestages Masaoka Shikis (1867–1902) unternommen wurde.
Und so wird der Leser auch gleich Kapitel für Kapitel mit auf die
Reise zu den einzelnen Stationen genommen – er läuft und eilt mit,
immer die Uhr im Auge behaltend, denn Unpünktlichkeit ist in Japan
eine Unhöflichkeit; aber auch tiefe, besinnliche Momente lassen ihn
innehalten und verweilen.
1. Nihon desu (Frankfurt-Tokyo)
Zum Abschied scheint der Mond noch einen letzten Blick auf die Reisetruppe werfen zu wollen.
Der volle Mond
hangelt durch das Gestänge
von Terminal 2
(S. 10)
2. Hände voll Kirschblüten (Kamakura)
3. Wie unsere Jungs (Tokyo)
59
Frühlingswind
der Bambus raschelt
an Shikis Grab
(S. 29)
4. In Netzen gefangen (Im Shinkansen nach Kyoto)
Kaum zu glauben, auf Hochhäuser üben Golfspieler.
Am Meer
in Netzen gefangen
Golfspieler
(S. 40)
5. Kinderglück (Kyoto)
6. Zanken im Friedenspark (Hiroshima)
Mit dem Zeigefinger
fährt das Kind im schwarzen Stein
das Wort Frieden nach
(S. 50)
7. Touristenflut (Miyajima)
8. Ein Kirschschössling (Matsuyama)
Die Schwierigkeit, sich zurechtzufinden, und aus den fremden Zeichen
Vertrautes zu entziffern,
bleibt ein ständiger Begleiter.
Die Schrift auf dem Rollbild
fremd – vertraut
die Chrysantheme
(S. 62)
9. Fremdeln (Heimkehr)
Am Ende bedarf es keiner weiteren Erläuterung. Ein Gepäck voll mit
Erinnerungen und doch …
Alles sicher
nach Hause gebracht
verloren daheim
(S. 76)
Jedes Haiku darf eine eigene Seite beanspruchen und wird zwischen60
durch skizzenhaft von informativen Texten begleitet – ein wirkliches
Reisetagebuch mit wohltuendem Freiraum für den sich jeweils unaufdringlich entwickelnden Nachhall.
So habe ich immer wieder das Buch zur Hand genommen und bin
gedanklich für viele Augenblicke ein Reisebegleiter geworden – inzwischen weiß ich längst, dass die Seite mit dem Zweig und den roten Beeren die Vorderseite ist.
Haiga: Ion Codrescu (Zeichnung) und Christa Beau (Haiku)
61
Rüdiger Jung
Zauber eines Augenblicks.
Zauber eines Augenblicks. Das Haiku im Wandel der Jahreszeiten von Regina
F. Fischer. Literareon im Herbert Utz Verlag, München. 2009. ISBN 978-3-83161408-0. 76 Seiten.
Eine dem Leben zugewandte, lebenserfahrene und sozial engagierte
Autorin findet einen Anker für ihr lyrisches Schaffen im Haiku. Selbst
Japan hat ihr − in Gestalt eines Briefes von Nobuyuki Yuasa − dafür
schon Anerkennung gezollt.
Ein geschulter Blick für das Wesentliche nimmt wahr, was bleibt,
was Bestand hat:
Noch immer
ihr Gedeck
auf dem Esstisch
(S. 20)
Ihr leeres Zimmer
mit den Weihnachtskeksen
in der Dose
(S. 43)
Im Sakko
des Toten
klingelt sein Handy
(S. 53)
Das klassische japanische Haiku atmet Vergänglichkeit und einen leisen
Hauch von Wehmut. Eine Wehmut, in der Regina F. Fischer keineswegs stecken bleibt. Ihre Verse haben Transzendenz, die Amsel wird
zum Signet der Auferstehung:
Zwiesprache am Grab –
in den Wipfeln
der Gesang der Amsel
(S. 17)
Der Blick in die Natur legt Kräfte der Resilienz, der Überwindung frei:
Eis in den
Kaskadenschalen –
Vögel trinken Schnee
62
(S. 43)
Nach Orkanböen
in der Nacht
wieder die Amsel
(S. 13)
Es mutet an wie ein Gruß an Kobayashi Issa, wenn Regina Franziska
Fischer sich sogar in eine Schnecke einfühlen kann:
Am Salatherz
nagen bis zum
Morgensonnenschein
(S. 28)
Hut ab vor der Autorin, die auch eine schwere Lebenskrise in Form
einer Krebserkrankung gemeistert hat und davon u. a. in dem Haibun
„Advenire“ (S. 57ff) Zeugnis ablegt, wo eine unverhofft hilfreiche und
aufbauende Begegnung in dem Haiku kulminiert:
In der Dunkelheit –
eine Stimme
mit Flügeln
(S. 58)
Unter den Haibun gilt ansonsten meine größte Zuneigung dem (verfrühten) „Aprilwetter“ (S. 60f), wo ein „größerer Junge“ es sich auch
von den „Märzgraupeln“ nicht nehmen lässt, „eine mittlere Eistüte“ zu
erwerben, um sie genüsslich zu schlecken.
Claudius Gottstein
Shirley – Visionen der Realität
Filmhinweis
Der Maler Edward Hopper in 13 Bildern
„Shirley – Visionen der Realität“ – Österreich 2013
Regie, Buch: Gustav Deutsch; Darsteller: Stephanie Cumming,
Christoph Bach, Florentin Groll, Elfriede Irrall, Tom Hanslmaier; Länge: 93 Minuten; Kinostart: 18. September 2014Ein Haiku zeigt uns in
seiner Kürze und Schlichtheit ein gegenwärtiges Bild der Realität. In
seinem Nachhall eröffnet uns ein gelungenes Haiku einen tiefgründigen
63
Blick auf die dargestellte Situation. Wie oft produziert das Bild des
Haiku eine Erinnerung an die eigene Vergangenheit? Wie oft versuchen
wir eine Projektion des Beschriebenen in die Zukunft?
Ähnliche Fragen und Empfindungen kann ein Gemälde auslösen,
wenn es eine Alltagssituation zeigt. Der amerikanische Maler Edward
Hopper hat auf seine eigene realistische Weise den American Way of
Life eingefangen. Ein leeres Zimmer, ein Raum mit zwei Personen oder
eine Hotellobby sind, neben seinem berühmtesten Werk Nighthawks
(Nachschwärmer, 1942), nur einige Beispiele seiner Arbeit.
Der österreichische Filmemacher Gustav Deutsch hat sich 13 Gemälden von Edward Hopper angenommen und versucht, ein mögliches
Davor und/oder ein Danach aufzuzeigen. In dreizehn Episoden zeichnet er das Leben seiner Protagonistin Shirley von den 1930ern bis
1960ern nach. Jede Episode basiert auf einem Bild von Edward Hopper. Irgendwann im Laufe jeder Episode entsteht das Hoppersche Bild
genau einmal auf der Leinwand. Folgende Bilder hat Gustav Deutsch
für seinen bemerkenswerten Episodenfilm verwendet:
Hotel Room (1931)
Room in New York (1940)
New York Movie (1939)
Office at night (1940)
Hotel Lobby (1943)
Morning Sun (1952)
Sunlight on Brownstones (1956)
Western Motel (1957)
Excursion into Philosophy (1959)
A Woman in the Sun (1961)
Intermission (1963)
Sun in an Empty Room (1963)
Chair Car (1965)
64
Klaus-Dieter Wirth
FONTANA DI TREVI
Rezension
FONTANA DI TREVI – ein HAIKU Jahr von Ralph Günther Mohnnau. Alpha
Literatur Verlag, Frankfurt am Main. 2014. ISBN 978-3-924510-74-1. 136 Seiten.
Eine eigenwillige Neuerscheinung in vielerlei Hinsicht! Erstaunlich
schon die Auflagenzahl 300, davon 50 signierte und mit Prägestempel
versehene Vorzugsexemplare. Dann die Aufmachung, gedruckt auf
Bütten-Vorsatzpapier, die Schrift gesetzt in Maiandra GD, im ungewöhnlichen Format 18 x 21 cm, also beinahe quadratisch, mit roter
Kordelheftung, wobei die Seitenhöhe mit 14,5 cm von unten beginnt,
um in zwölf Etappen mit der Abfolge in Monaten nach oben auf die
volle Höhe anzuwachsen. Die so sichtbar werdenden Überstände sind
durch verschiedene kräftige Farben, wie bereits die einzelnen Titelbuchstaben des Deckels, hervorgehoben. Ebenso auffällig treten einem
die Haiku im Buchinneren entgegen, und zwar in unsystematisch bunter
Reihung, allein oder bis zu dritt auf einer Seite, zudem durchgängig in
Kleinschreibung. Gelegentlich variieren sogar die Schriftgrößen, und
etliche Haiku werden aus ihrer Zeilenwaagerechten in eine leichte
Schräglage gebracht. Es gibt keine Seitenzahlen. Die linke Blattseite
bleibt jeweils frei. Als Grundeinteilung dienen die zwölf Monate, denen
fünf bis neun Haiku zugeordnet werden. Insgesamt sind es 89. Die den
einzelnen Monatsabschnitten vorangestellten Titel kommen weitgehend
unmotiviert daher. So heißt es etwa als Ankündigung zum April:
„frühmorgens am see“ oder zum Dezember „im gelben zwielicht gehe
ich voran“. Dazu ist keinerlei Verbindung zu einem der Haiku erkennbar. Ebenso vermisst man meistens eine inhaltliche Korrespondenz
zwischen den Monaten und ihren Haiku-Vertretern. Schließlich fehlt
jede nachvollziehbare Linie innerhalb jedes Monatsbereichs selbst. Soweit der formal-systematische Tatbestand.
Wer darin keine Konzeptionslosigkeit sehen möchte, mag diese Art
der Präsentation – ganz aus der Gegenperspektive betrachtet – sogar im
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Sinne einer Tour de force der Überraschungen besonders schätzen. Sei
es, wie es sei, letztlich wichtiger ist natürlich die aussagemäßige Qualität
der Haiku. Auch hier begegnet einem ein buntes Potpourri: Im Juni
zum Beispiel heißt es hintereinander auf derselben Seite:
manchmal besucht mich
ein engel lässt seine flügel
fallen – tanderadei
der regenbogen
wärst du ein falke sähst
du hundert farben
kreidekreise auf
dem pflaster ringelstrümpfe
hüpfen und hüpfen
Dieses letzte Beispiel – ein unbestreitbar gelungenes – ist offensichtlich
dem traditionellen 5-7-5-Silbenschema verpflichtet, zeigt kühne Zeilensprünge in direkter Aufnahme der locker lustigen Alltagsbeobachtung
(kreidekreise – ringelstrümpfe) und konzentriert die Diktion geschickt
auf das Wesentliche. Umso fragwürdiger erscheinen die beiden anderen!
Auffallend ist der relativ große Anteil an Haiku aus dem menschlichen bis hin zum persönlich erotischen Bereich, ohne dass der Autor
dabei je ins plump Provokative abgleitet:
du über mir
das reinste
ikebana
Selten liest man eher Banales, wie
der ice hält
die bremsen vereist – ich schäle
eine banane
(januar)
(juli)
Unhaikuhaft aphoristisch wirkt etwa:
oder auch
liebe sagt sie
ist wie salzwasser trinken
du trinkst und verdurstest
(august)
wer den abgrund liebt
muss flügel haben oder
einen schutzengel
(oktober)
Das Gros bewegt sich zum Glück betont flockig zwischen diesen Polen, stets einem neuen Sujet zugewandt.
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wie doch der frühling
alles öffnet: veilchen klee
deine lippen auch
(märz)
blaue düfte – gibt’s die?
ohja wie blauer wind
blauer schatten blaue zeit
(april)
schief ihre zähne
schief der hut – doch ihr lachen
unverschämt gerade
(april)
Ein offenes Konzept, das – positiv gesehen – auf jeden Fall die Neugierde wachhält. In technischer Hinsicht stören zu oft unausgewogene
Enjambements. Alles Dreizeiler, das wiederum ein Plus! Auch die große
Spannbreite der Themen, die gleichsam unbefangen auf den Leser zustürzen, ihn zur Auseinandersetzung auffordern. Keine Normalkost!
Ein Buch, das man kaum anders als in einem Zug lesen wird.
Haiga: Simone K. Busch (Haiku) und Bea Bareis (Foto)
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Mitteilungen
Neuveröffentlichungen
1. Petra Lueken. Durch Shikis Garten. Druckservice Spengler, Bruchköbel. 2014. 76 Seiten.
Zu beziehen unter: [email protected]
2. Gontran Peer: Neun bis vierzehn. Wiesenburg-Verlag, Schweinfurt.
2014. ISBN 3956321979
3. Stefan Wolfschütz (Hg.): Mitten ins Gesicht. Haiku aus dem Krieg
1914–1918. Junge französische Intellektuelle, mitten im Kriegsgefecht, verwendeten die ihnen kürzest mögliche Form – das Haiku,
um das Unfassbare, grauenhafte Geschehen eines menschenverachtenden Krieges zu dokumentieren. Zusammenstellung der
Sammlung: Dominique Chipot, Übersetzung: Klaus-Dieter Wirth.
Hamburger Haiku-Verlag, Hamburg. 2014. ISBN 978-3-937257-754. 136 Seiten.
4. Rita Rosen: Eefeljold – Eifelgold. Haiku-Sammlung. Dialekt-Haiku
im Eifeler Platt ins Hochdeutsche übertragen. Engelsdorfer Verlag,
Leipzig. ISBN 978-3-95744-322-9. 78 Seiten.
Sonstiges
1. Vorbei am Acker der Kindheit – Angelika Holweger liest Haiku
und Haibun (von Angelika Holweger)
Ein lange gehegter Wunsch geht nun doch unerwartet schnell in Erfüllung. Ich darf im Kloster Kirchberg, Berneuchener Haus, eine Lesung halten. Jener Freitag, 5. September 2014, wird mir lange in guter Erinnerung bleiben.
Das Wetter ist unbeständig, deshalb wird die Veranstaltung kurzfristig nach drinnen in den Kapitelsaal verlegt. Wie gerne hätte ich im
Stillen Garten gelesen. Doch ich kann mich sehr schnell mit dem hellen, freundlichen Raum anfreunden. Mein Sohn Ulrich, der meine
Lyrik mit klassischem Gitarrenspiel umrahmt, ist von der Akustik
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begeistert. Circa 40 Stühle stehen bereit. Und diese sind auch sehr
schnell besetzt. Der Besucherstrom reißt nicht ab, der Hausmeister
schleppt unzählige weitere Stühle herbei. Ich werde etwas nervös.
Vor so vielen Leuten habe ich noch nie vorgetragen. Uli dagegen ist
die Ruhe in Person. Die Stimmung ist wunderbar. Vor den Fenstern
die Abendsonne in den Bäumen, hier im Raum eine wohltuende,
aufmerksame Stille.
Aus meinem neuen Buch „Vorbei am Acker der Kindheit“ trage ich
sommerliche Haiku und Haibun vor. Zwischendurch die weichen
Klänge der Gitarre. Meine Stimme wird immer ruhiger. Fast vergesse ich Raum und Zeit, bin ganz bei mir.
Als Abschluss wähle ich nachfolgendes Haiku, das vom Klostergarten dort inspiriert ist.
Mondesaufgang –
der Klostergarten atmet
alte Stille
Danach lang anhaltender Applaus und ein regelrechtes Blitzlichtgewitter. Begeisterte Rückmeldungen, einige der Zuhörer erwerben
mein Buch oder auch von meinen Kunstkarten. Dies wäre ja schon
Lohn genug, doch wir bekommen noch je eine Flasche Klosterlikör
überreicht.
Diesen gelungen Abend feiere ich anschließend mit Freundinnen unterm alten Kastanienbaum neben dem Klosterladen. Dort steht
schon Rotwein und Gebäck bereit. Zu später Stunde leuchtet uns
der Mond dann heim.
2. Ausschreibung Haiku-Jahrbuch 2014
Für das Haiku-Jahrbuch 2014 werden die besten Haiku gesucht, die
2014 entweder geschrieben oder erstmals veröffentlicht wurden.
Ausdrücklich sind Verse mit und ohne Einhaltung der bekannten 17
Silben, mit und ohne Jahreszeitenwort gleichermaßen erwünscht,
gerne auch in Mundart (zur leichteren Beurteilung bitte mit Übersetzung ins Hochdeutsche). Senden Sie bitte Ihre besten Haiku des Jahres ein (maximal 50). Die Texte müssen keineswegs unveröffentlicht
sein, Sie müssen aber über die Rechte verfügen. Auch Tan-Renga
sind erwünscht. Längere Kettengedichte, Tanka oder Haiku-Prosa
können leider nicht aufgenommen werden. Bitte fügen Sie noch ei69
nige Zeilen zu Ihrer Person hinzu, die, bearbeitet, ins Autorenverzeichnis aufgenommen werden können (Vor- und Nachname, Geburtsjahr, Wohnort, Tätigkeit, Sonstiges).
Das Jahrbuch wird sowohl als Papierdruck als auch elektronisch in
mehreren Formaten veröffentlicht. Freiexemplare des Papierdrucks
können leider nicht verschickt werden. Jeder aufgenommene Autor
erhält aber bei Bestellungen an die Adresse von Volker Friebel bzw.
an Haiku heute einen Mitarbeiter-Rabatt und außerdem, soweit er eine E-Mail-Adresse angibt, kostenfrei eine elektronische Datei. Mit
der Einsendung erklären Sie, dass Sie über die Rechte an den eingereichten Texten verfügen und mit dem kostenfreien Abdruck im
Haiku-Jahrbuch 2014 (Papierdruck sowie E-Buch) unwiderruflich
einverstanden sind. Alle weiteren Rechte bleiben bei Ihnen, Sie können über Ihre Texte also weiterhin frei verfügen.
Einsendungen bitte an: Volker Friebel, Denzenbergstraße 29, 72074
Tübingen (Deutschland), vorzugsweise aber durch Versand an
[email protected] und der Kennzeichnung „Für das Jahrbuch“.
Die Einsendefrist endet am 15. Januar 2015. Benachrichtigungen erfolgen über www.Haiku-heute.de und über die E-Mail-Adressen der
Einsender.
Erratum
SOMMERGRAS Nr. 106
Betrifft: Haibun von Elisabeth Weber-Strobel (Seite 75):
Richtig muss die Überschrift lauten: Spurensuche im Lonetal
Covergestaltung
Das Cover dieser Ausgabe wurde von Angelika Holweger gestaltet
(Jahrgang 1954, wohnt in Epfendorf-Trichtingen).
Im Jahr 2000 wurde wenige Kilometer von Angelika Holwegers
Heimatort entfernt eine private Kunstschule gegründet. Obwohl sie
sich im Malen völlig unbegabt glaubte, belegte sie ein paar Schnuppertage, war fasziniert und blieb dabei. Über 10 Jahre nahm sie dort
regelmäßig Unterricht. In dieser Zeit lernte sie neben unzähligen anderen Möglichkeiten den Linol- und Holzschnitt kennen. Diese
Technik inspiriert sie am meisten. Die Feinheiten dazu lernte sie
dann bei dem Künstler Frieder Preis auf verschiedenen Sommerakademie-Veranstaltungen. Seit einem Jahr beschäftigt sie die Darstel70
lung von Licht und Schatten, fotografiert sie auf Buchenstämmen.
Ebenso auch von der Sonne beleuchtete Blätterkonstellationen. Aus
dieser Serie wurde das Cover für das vorliegende SOMMERGRAS
ausgewählt.
Haiga: Ion Codrescu (Zeichnung) und Rüdiger Jung (Haiku)
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Impressum
Vierteljahresschrift der Deutschen Haiku-Gesellschaft
27. Jahrgang – Dezember 2014 – Nummer 107
Herausgeber:
Vorstand der DHG
Tel.: 040 / 460 95 479
E-Mail: [email protected]
Redaktion:
Claudia Brefeld, Maren Schönfeld, Eleonore Nickolay
Titelillustration:
Holzschnitt von Angelika Holweger
Satz und Layout:
Martina Sylvia Khamphasith
Druck:
Hamburger Haiku Verlag – Erika Wübbena
E-Mail: [email protected]
Vertrieb:
Deutsche Haiku-Gesellschaft e.V.
Georges Hartmann, Ober der Jagdwiese 3, 57629 Höchstenbach
E-Mail: [email protected]
Freie Mitarbeit erwünscht. Ihre Beiträge schicken Sie bitte per
E-Mail an:
Claudia Brefeld, Maren Schönfeld, Eleonore Nickolay
[email protected]
Post an:
Silvia Kempen, Brückenweg 1, 26689 Apen
Einsendeschluss
für die Haiku- und Tanka-Auswahl
Redaktionsschluss:
15. Januar 2014
25. Januar 2014
Jahresabonnement Inland (inkl. Porto) 25 €
Jahresabonnement Ausland (inkl. Porto) 30 €
Einzelheftbezug Inland/Ausland 6 € (zuzügl. Versandkosten)
Auslandsversand nur auf dem Land-/Seeweg.
Für Mitglieder der DHG ist der Bezug im Mitgliedsbeitrag enthalten.
ISSN: 1863-088X
© Alle Rechte bei den Autoren.
Nachdruck nur mit Genehmigung des Herausgebers gestattet.