03 Mord und Totschlag II _TuT – FINAL

Vorlesung „Lehren des Strafrecht AT und
Delikte gegen die Person “
Professor Dr. Felix Herzog
Sommersemester 2015
Mord und Totschlag II/Täterschaft und Teilnahme
Marktanteile - Fall
A will seinen Konkurrenten töten, um dessen
„Marktanteile“ zu übernehmen. B überlässt A
aus Freundschaft eine Pistole, mit der A die
Tat ausführt.
Abwandlung 1
A erschießt seinen Konkurrenten aus dem
Hinterhalt, während dieser auf dem Balkon
ein Mittagsschläfchen hält. B war dieser
Plan bekannt.
Abwandlung 2
A überredet B, den Konkurrenten zu
erschießen. B erklärt sich aus Freundschaft
zu A bereit, die Tat auszuführen.
Abwandlung 3
B erklärt sich – was A bekannt ist – deshalb
bereit, die Tat auszuführen, weil er Spaß am
Töten hat.
Anstiftung
1. Prüfung der Strafbarkeit des Haupttäters
2. Anstiftung zur Haupttat
Tatbestandsmäßigkeit:
 Objektiver Tatbestand:
 vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat
 Herbeiführen des Tatentschlusses beim Haupttäter
 Subjektiver Tatbestand:
 Vorsatz bzgl. der objektiven und subjektiven
Tatbestandsmerkmale
 Vorsatz bezüglich der Herbeiführung des Tatentschlusses
 ggf. besondere subjektive Tatbestandsmerkmale
 ggf. Tatbestandsverschiebung
Rechtswidrigkeit und Schuld
Beihilfe
1. Prüfung der Strafbarkeit des Haupttäters
2. Prüfung der Beihilfe zur Haupttat
Tatbestandsmäßigkeit:
 Objektiver Tatbestand:
 vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat
 Förderung der Haupttat oder Rat oder Tat
 Subjektiver Tatbestand:
 Vorsatz bzgl. der objektiven und subjektiven
Tatbestandsmerkmale der Haupttat
 Vorsatz bezüglich der Förderung der Haupttat
 ggf. Tatbestandsverschiebung (§ 28 II)
Rechtswidrigkeit und Schuld
Akzessorietät und limitierte Akzessorietät
Grundsatz:
Die Teilnahme an einer Straftat ist stets vom Vorliegen einer
Haupttat abhängig, die Teilnahme ist also akzessorisch zur
Haupttat.
Limitierte Akzessorietät:
§§ 26, 27 StGB (Anstiftung und Beihilfe) setzen nicht voraus,
dass die Haupttat schuldhaft begangen worden ist. Insoweit ist
die Akzessorietät also limitiert. Voraussetzung für die
Teilnahme ist folglich das Vorliegen einer vorsätzlichen
rechtswidrigen Haupttat.
§ 29 StGB „Bestätigung“ des Prinzips der limitierten
Akzessorietät – Bestrafung nach der Schuld des Teilnehmers
– Allgemeines Schuldprinzip
Akzessorietätslockerungen
 § 27 Abs. 2 StGB – Obligatorische Strafmilderung nach
§ 49 I StGB für den Gehilfen
 Hauptvorschrift: § 28 StGB:
§ 28
Besondere persönliche Merkmale
(1) Fehlen besondere persönliche Merkmale (§ 14 Abs. 1),
welche die Strafbarkeit des Täters begründen, beim
Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe), so ist dessen Strafe
nach § 49 Abs. 1 zu mildern.
(2) Bestimmt das Gesetz, daß besondere persönliche
Merkmale die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen,
so gilt das nur für den Beteiligten (Täter oder Teilnehmer),
bei dem sie vorliegen.
§ 28 StGB
 Zweck der Vorschrift
 „besondere persönliche Merkmale“ – vgl. Legaldefinition in
§ 14 I StGB
 besondere persönliche Eigenschaften, z.B.
 Geschlecht
 Alter etc.
 besondere persönliche Verhältnisse, z.B.
 Amtsträger
 Treueverhältnis etc.
 besondere persönliche Umstände, z.B.
 böswillig, rücksichtslos etc.
 täterbezogene Mordmerkmale
Anwendungsbereich und Verhältnis der Absätze 1 und 2
§
28 Absatz 1 StGB betrifft Fälle, in denen die
besonderen
persönlichen
Merkmale
strafbarkeitsbegründend sind. Fehlt ein solches Merkmal
beim Teilnehmer ist die Strafe nach § 49 I StGB zu
mildern.  Akzessorietätslockerung bezieht sich auf die
Strafmilderung.
 Absatz 2
hingegen gilt dann, wenn besondere
persönliche Merkmale betroffen sind, die strafschärfend,
oder
strafausschließend
sind.
strafmildernd
Strafschärfung, -milderung oder -ausschluss gelten
gemäß Absatz 2 nur für den Beteiligten, sei es Täter oder
Teilnehmer,
bei
dem
sie
vorliegen.
 Auswirkungen der Akzessorietätslockerung aus § 28 II
sind
str.;
h.L.:
§
28
II
ermöglicht
eine
Tatbestandsverschiebung.
Zur Wiederholung:
§ 211 Mord
I. Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
II. Mörder ist,
wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier
oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.
Mordmerkmale der 1. und 3. Gruppe sind täterbezogen.
Mordmerkmale der 2. Gruppe sind tatbezogen.
Rspr.: § 211 StGB ist im Verhältnis zum Totschlag gemäß
§ 212 StGB ein eigenständiges Delikt.
h.L.: § 211 StGB ist eine Qualifikation zum Grundtatbestand
aus § 212 StGB (Totschlag)
Mordmerkmale als „besondere persönliche Merkmale“
 Können Mordmerkmale überhaupt „besondere
persönliche Merkmale“ i.S.d. § 28 StGB sein?
 Welche Mordmerkmale sind als „besondere persönliche
Merkmale“ geeignet?
 Wie wirkt sich der Meinungsstreit zum Verhältnis von
Mord und Totschlag auf die Einordnung bei § 28 StGB
aus?
 Folgt man der Rechtsprechung, sind die
täterbezogenen Mordmerkmale als strafbegründend
einzustufen. Folge: § 28 I StGB ist einschlägig.
 Schließt man sich der h.L. an, wirken die
täterbezogenen Mordmerkmale strafschärfend.
Folge: § 28 II StGB ist anzuwenden.
Gekränkter Fotograf-Fall (1)
Fotograf T hatte mit Künstlerin F ein fünfjähriges
Projekt vereinbart, indem es um Ablichtung und
Portraitierung prominenter Personen ging. Als nach
fünf Jahren die gemeinsame Ausstellung eröffnet
werden soll, kommt F nur mit wenigen (noch nicht
einmal fertig gestellten) Bildern und etlichen leeren
Leinwänden in die Ausstellungsräume. T ist verärgert
und will dies nicht auf sich sitzen lassen. Er findet,
dass F nicht so davon kommen dürfe und ersticht sie
daraufhin aus niedrigen Beweggründen auf einem
oberbayerischen Autobahnparkplatz. Den dabei
verwendeten Dolch hatte ihm die B verschafft, die die
niedrigen Beweggründe des T kannte, aber kein
eigenes Mordmerkmal verwirklicht.
Gekränkter Fotograf-Fall (2)
Strafbarkeit des T:
Rspr.: §§ 211, 25 I 1. Alt. StGB
h.L.: §§ 211, 212, 25 I 1. Alt. StGB
Strafbarkeit der B:
Rspr.: §§ 211, 27, 28 I StGB
h.L.: §§ 212, 27, 28 II StGB
Abwandlung 1 (1)
Sachverhalt:
B kennt die niedrigen Beweggründe des T. Ihre
Beihilfehandlungen tätigt sie aus Habgier, weil die F ihr
im Falle des Todes ihre komplette künstlerische
Ausstattung vererbt.
Problem der sog. gekreuzten Mordmerkmale!
d.h. Täter und Teilnehmer verwirklichen voneinander
abweichende täterbezogene Mordmerkmale. Der
Teilnehmer ist dabei in Kenntnis des vom Täter
verwirklichten Mordmerkmals
Abwandlung 1 (2)
Strafbarkeit des T:
Rspr.: §§ 211, 25 I 1. Alt. StGB
h.L.: §§ 211, 212, 25 I 1. Alt. StGB
Strafbarkeit der B:
Rspr.: §§ 211, 27 StGB  Achtung: „Kunstgriff“
h.L.: §§ 211, 212, 27, 28 II StGB
Abwandlung 2
Sachverhalt:
B kennt die niedrigen Beweggründe des T nicht. Sie
half T aus Mordlust.
Strafbarkeit des T:
Rspr.: §§ 211, 25 I 1. Alt. StGB
h.L.: §§ 211, 212, 25 I 1. Alt. StGB
Strafbarkeit der B:
Rspr.: §§ 212, 27 StGB
h.L.: §§ 211, 212, 27, 28 II StGB
Abwandlung 3
Sachverhalt:
B kennt die niedrigen Beweggründe des T nicht. Sie
glaubte, dass der T die körperlich schwerkranke und
dem Tode geweihte F von ihren Leiden befreien wollte.
Strafbarkeit des T:
Rspr.: §§ 211, 25 I 1. Alt. StGB
h.L.: §§ 211, 212, 25 I 1. Alt. StGB
Strafbarkeit der B:
Rspr.: §§ 212, 27 StGB
h.L.: §§ 212, 27 StGB