Vorlesung „Lehren des Strafrecht AT und Delikte gegen die Person “ Professor Dr. Felix Herzog Sommersemester 2015 Mord und Totschlag II/Täterschaft und Teilnahme Marktanteile - Fall A will seinen Konkurrenten töten, um dessen „Marktanteile“ zu übernehmen. B überlässt A aus Freundschaft eine Pistole, mit der A die Tat ausführt. Abwandlung 1 A erschießt seinen Konkurrenten aus dem Hinterhalt, während dieser auf dem Balkon ein Mittagsschläfchen hält. B war dieser Plan bekannt. Abwandlung 2 A überredet B, den Konkurrenten zu erschießen. B erklärt sich aus Freundschaft zu A bereit, die Tat auszuführen. Abwandlung 3 B erklärt sich – was A bekannt ist – deshalb bereit, die Tat auszuführen, weil er Spaß am Töten hat. Anstiftung 1. Prüfung der Strafbarkeit des Haupttäters 2. Anstiftung zur Haupttat Tatbestandsmäßigkeit: Objektiver Tatbestand: vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat Herbeiführen des Tatentschlusses beim Haupttäter Subjektiver Tatbestand: Vorsatz bzgl. der objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale Vorsatz bezüglich der Herbeiführung des Tatentschlusses ggf. besondere subjektive Tatbestandsmerkmale ggf. Tatbestandsverschiebung Rechtswidrigkeit und Schuld Beihilfe 1. Prüfung der Strafbarkeit des Haupttäters 2. Prüfung der Beihilfe zur Haupttat Tatbestandsmäßigkeit: Objektiver Tatbestand: vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat Förderung der Haupttat oder Rat oder Tat Subjektiver Tatbestand: Vorsatz bzgl. der objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale der Haupttat Vorsatz bezüglich der Förderung der Haupttat ggf. Tatbestandsverschiebung (§ 28 II) Rechtswidrigkeit und Schuld Akzessorietät und limitierte Akzessorietät Grundsatz: Die Teilnahme an einer Straftat ist stets vom Vorliegen einer Haupttat abhängig, die Teilnahme ist also akzessorisch zur Haupttat. Limitierte Akzessorietät: §§ 26, 27 StGB (Anstiftung und Beihilfe) setzen nicht voraus, dass die Haupttat schuldhaft begangen worden ist. Insoweit ist die Akzessorietät also limitiert. Voraussetzung für die Teilnahme ist folglich das Vorliegen einer vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat. § 29 StGB „Bestätigung“ des Prinzips der limitierten Akzessorietät – Bestrafung nach der Schuld des Teilnehmers – Allgemeines Schuldprinzip Akzessorietätslockerungen § 27 Abs. 2 StGB – Obligatorische Strafmilderung nach § 49 I StGB für den Gehilfen Hauptvorschrift: § 28 StGB: § 28 Besondere persönliche Merkmale (1) Fehlen besondere persönliche Merkmale (§ 14 Abs. 1), welche die Strafbarkeit des Täters begründen, beim Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe), so ist dessen Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern. (2) Bestimmt das Gesetz, daß besondere persönliche Merkmale die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen, so gilt das nur für den Beteiligten (Täter oder Teilnehmer), bei dem sie vorliegen. § 28 StGB Zweck der Vorschrift „besondere persönliche Merkmale“ – vgl. Legaldefinition in § 14 I StGB besondere persönliche Eigenschaften, z.B. Geschlecht Alter etc. besondere persönliche Verhältnisse, z.B. Amtsträger Treueverhältnis etc. besondere persönliche Umstände, z.B. böswillig, rücksichtslos etc. täterbezogene Mordmerkmale Anwendungsbereich und Verhältnis der Absätze 1 und 2 § 28 Absatz 1 StGB betrifft Fälle, in denen die besonderen persönlichen Merkmale strafbarkeitsbegründend sind. Fehlt ein solches Merkmal beim Teilnehmer ist die Strafe nach § 49 I StGB zu mildern. Akzessorietätslockerung bezieht sich auf die Strafmilderung. Absatz 2 hingegen gilt dann, wenn besondere persönliche Merkmale betroffen sind, die strafschärfend, oder strafausschließend sind. strafmildernd Strafschärfung, -milderung oder -ausschluss gelten gemäß Absatz 2 nur für den Beteiligten, sei es Täter oder Teilnehmer, bei dem sie vorliegen. Auswirkungen der Akzessorietätslockerung aus § 28 II sind str.; h.L.: § 28 II ermöglicht eine Tatbestandsverschiebung. Zur Wiederholung: § 211 Mord I. Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. II. Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet. Mordmerkmale der 1. und 3. Gruppe sind täterbezogen. Mordmerkmale der 2. Gruppe sind tatbezogen. Rspr.: § 211 StGB ist im Verhältnis zum Totschlag gemäß § 212 StGB ein eigenständiges Delikt. h.L.: § 211 StGB ist eine Qualifikation zum Grundtatbestand aus § 212 StGB (Totschlag) Mordmerkmale als „besondere persönliche Merkmale“ Können Mordmerkmale überhaupt „besondere persönliche Merkmale“ i.S.d. § 28 StGB sein? Welche Mordmerkmale sind als „besondere persönliche Merkmale“ geeignet? Wie wirkt sich der Meinungsstreit zum Verhältnis von Mord und Totschlag auf die Einordnung bei § 28 StGB aus? Folgt man der Rechtsprechung, sind die täterbezogenen Mordmerkmale als strafbegründend einzustufen. Folge: § 28 I StGB ist einschlägig. Schließt man sich der h.L. an, wirken die täterbezogenen Mordmerkmale strafschärfend. Folge: § 28 II StGB ist anzuwenden. Gekränkter Fotograf-Fall (1) Fotograf T hatte mit Künstlerin F ein fünfjähriges Projekt vereinbart, indem es um Ablichtung und Portraitierung prominenter Personen ging. Als nach fünf Jahren die gemeinsame Ausstellung eröffnet werden soll, kommt F nur mit wenigen (noch nicht einmal fertig gestellten) Bildern und etlichen leeren Leinwänden in die Ausstellungsräume. T ist verärgert und will dies nicht auf sich sitzen lassen. Er findet, dass F nicht so davon kommen dürfe und ersticht sie daraufhin aus niedrigen Beweggründen auf einem oberbayerischen Autobahnparkplatz. Den dabei verwendeten Dolch hatte ihm die B verschafft, die die niedrigen Beweggründe des T kannte, aber kein eigenes Mordmerkmal verwirklicht. Gekränkter Fotograf-Fall (2) Strafbarkeit des T: Rspr.: §§ 211, 25 I 1. Alt. StGB h.L.: §§ 211, 212, 25 I 1. Alt. StGB Strafbarkeit der B: Rspr.: §§ 211, 27, 28 I StGB h.L.: §§ 212, 27, 28 II StGB Abwandlung 1 (1) Sachverhalt: B kennt die niedrigen Beweggründe des T. Ihre Beihilfehandlungen tätigt sie aus Habgier, weil die F ihr im Falle des Todes ihre komplette künstlerische Ausstattung vererbt. Problem der sog. gekreuzten Mordmerkmale! d.h. Täter und Teilnehmer verwirklichen voneinander abweichende täterbezogene Mordmerkmale. Der Teilnehmer ist dabei in Kenntnis des vom Täter verwirklichten Mordmerkmals Abwandlung 1 (2) Strafbarkeit des T: Rspr.: §§ 211, 25 I 1. Alt. StGB h.L.: §§ 211, 212, 25 I 1. Alt. StGB Strafbarkeit der B: Rspr.: §§ 211, 27 StGB Achtung: „Kunstgriff“ h.L.: §§ 211, 212, 27, 28 II StGB Abwandlung 2 Sachverhalt: B kennt die niedrigen Beweggründe des T nicht. Sie half T aus Mordlust. Strafbarkeit des T: Rspr.: §§ 211, 25 I 1. Alt. StGB h.L.: §§ 211, 212, 25 I 1. Alt. StGB Strafbarkeit der B: Rspr.: §§ 212, 27 StGB h.L.: §§ 211, 212, 27, 28 II StGB Abwandlung 3 Sachverhalt: B kennt die niedrigen Beweggründe des T nicht. Sie glaubte, dass der T die körperlich schwerkranke und dem Tode geweihte F von ihren Leiden befreien wollte. Strafbarkeit des T: Rspr.: §§ 211, 25 I 1. Alt. StGB h.L.: §§ 211, 212, 25 I 1. Alt. StGB Strafbarkeit der B: Rspr.: §§ 212, 27 StGB h.L.: §§ 212, 27 StGB
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