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Hohe Schule: ERP-Systeme wirtschaftlich betreiben
Von Dr. Karsten Sontow, Trovarit
Kaum ein Unternehmensbereich kann angesichts der heutigen Anforderungen durch steigende
Digitalisierung und immer stärkeren Wettbewerbsdruck noch ohne die Unterstützung von
Business Software (wie ERP, CRM, ECM/DMS etc.) effizient gesteuert und wirtschaftlich
betrieben werden. Aber auch der Einsatz von Business Software selbst muss letztendlich unter
Wirtschaftlichkeitsaspekten betrachtet werden: Die Aufwände für Anschaffung, Pflege,
regelmäßige Optimierung etc. und der Nutzen, wie z.B. die Beschleunigung und Vereinfachung
von Unternehmensprozessen und die Steigerung der Informationsqualität im Unternehmen,
müssen sich die Waage halten.
ERP-Lösungen kommt im Rahmen der betrieblichen Software-Landschaft eine Zentrale Rolle zu: Sie
dienen als „Single Source of Truth“ für die zentralen Stamm- und Bewegungsdaten entlang der
Wertschöpfungskette (z.B. Material-, Artikel- und Kundenstamm). Gleichzeitig fungieren ERP-Systeme
als „Taktgeber“ für nahezu alle Aktivitäten im Rahmen der inner- und überbetrieblichen
Auftragsabwicklung. Ihr Einsatz dient dazu, die Effizienz und Transparenz der Aufgaben und Abläufe
im Finanzwesen ebenso wie wesentlicher Bereiche der Auftragsabwicklung (Vertrieb, Waren/Materialwirtschaft, Produktionsplanung und –steuerung und Projektmanagement) zu steigern.
ERP-Software gehört aufgrund ihrer Charakteristik zu den anspruchsvollsten Applikationen der
Business Software-Landschaft und ERP-Projekte – egal ob es um eine Ablösung, den Ausbau oder die
Einsatzoptimierung im laufenden Betrieb geht – gehören zu den größten Herausforderungen für ein
Unternehmen: Sie sind meist mit erheblichen Risiken, hohen Kosten und Aufwänden sowie einer hohen
Komplexität behaftet.
Wie bei allen betrieblichen Infrastrukturen muss auch bei einer ERP-Lösung das Verhältnis von Nutzen
und Aufwand stimmen.
Nutzen von ERP-Lösungen
Die Nutzenaspekte des ERP-Einsatzes können allerdings nur selten eindeutig gemessen oder bewertet
werden. Sie lassen sich vor allem durch den Beitrag umschreiben, den eine ERP-Lösung zur besseren
Beherrschung der Geschäftsprozesse von Unternehmen leistet. Demnach können die Prozesse durch
den ERP-Einsatz schneller, einfacher, flexibler und transparenter werden. Bei größeren Unternehmen
spielt diesbzgl. auch die Beherrschung bzw. Reduzierung von Komplexität, die Standardisierung von
Prozessen sowie die Vernetzung und Synchronisation standort- und länderübergreifender Prozesse
eine besondere Rolle.
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Business-Nutzen
Kürzere Bearbeitungszeiten (z.B.
Bestellabwicklung)
Geringerer Kapitaleinsatz
(z.B. Lagerbestände)
Höhere Kapazitätsauslastung
Bessere Informationsversorgung
(Reporting, Datenqualität)
Schnellere Informationsversorgung
Schnellere Entscheidungen
Geringere Fehlerquoten (z.B.
Rechnungserstellung)
Einheitliche & robuste Prozesse
Rückverfolgbarkeit von Prozessen &
Produkten (u.a. FDA/GMP)
Nachweisbarkeit von Entscheidungen &
Maßnahmen (u.a. GDPdU)
IT-Sicherheit (Zugriff, Recovery)
…
ERP-Aufwand
Nutzungsrechte (z.B. Lizenzgebühren)
Anschaffungskosten für Infrastruktur
Implementierung (z.B. Konzeption,
Installation, Programmierung)
Schnittstellenkonzeption &
-programmierung
(Integrations-)Tests
Systemdokumentation & Schulungsunterlagen
Datenaufbereitung & -migration
Administratoren- & Anwenderschulung
Administration & Anwender-Support
Wartung (z.B. Wartungsgebühren)
Anpassung der Software
Modernisierung & Release-Wechsel
Datenpflege & -sicherung
Infrastrukturbetrieb (z.B. Rechenzentrum)
…
Abbildung 1: Wirtschaftlichkeitsaspekte von ERP-Installationen
Aufschluss darüber, welche Unterstützung der Einsatz von ERP-Software bei der Umsetzung dieser
Strategien leistet, gibt die Studie "ERP in der Praxis: Anwenderzufriedenheit, Nutzen & Perspektiven
2014/2015", an der sich knapp 2.400 Anwenderunternehmen beteiligten. Die größten Nutzenbeiträge
des ERP-Einsatzes aus Sicht der Studienteilnehmer sind demnach Nutzenbeiträge im Sinne der
Beschleunigung und Vereinfachung von Unternehmensprozessen. Darüber hinaus tragen ERPSysteme vor allem dazu bei, korrekte und – für den jeweiligen Anwendungsfall - nützliche Informationen
zu liefern, deren Ursprung nachvollziehbar und belegbar bleibt.
Für den Nutzen, den eine ERP-Software im konkreten Fall stiftet, ist eine Vielzahl von Aspekten
ausschlaggebend: So ist z.B. die Verfügbarkeit entsprechender Software-Funktionen Voraussetzung
dafür, ob die jeweiligen Geschäftsprozesse überhaupt unterstützt werden können. Dies schließt neben
branchentypischen Aufgaben auch die Möglichkeiten für Analysen und Reporting sowie die Abbildung
länderspezifischer Besonderheiten, z.B. im Finanz- und Personalwesen ein. Auch beeinflussen die
Gestaltung der Benutzeroberfläche sowie die Performance der Software in hohem Maße die Effizienz,
mit der ein ERP-gestützter Geschäftsprozess bearbeitet werden kann. Und schließlich sind Technologie
und Architektur der ERP-Software maßgeblich dafür verantwortlich, wie bzw. mit welchem Aufwand eine
ERP-Lösung an sich ändernde Anforderungen angepasst werden kann.
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Prozesse schnell & einf ach
59.2%
Inf ormationen schnell & einf ach
51.7%
Inf ormationen korrekt & nützlich
41.4%
Durchgängige Prozess-Unterstützung
37.7%
Rückverf olgbarkeit von Inf ormationen
35.2%
Prozessautomatisierung
26.7%
Transparenz & Prozessverständnis
26.6%
Aussagekräf tige Kennzahlen
25.1%
Reduziert Fehlerhäuf igkeit & -Folgen
19.1%
Reduziert Dokumentationsauf wand
12.1%
Einf ache & schnelle externe Zusammenarbeit
10.2%
Reduziert IT-Komplexität
8.1%
Reduziert Prozesskosten
7.3%
Höhere IT-Sicherheit
6.3%
Reduziert IT-Auf wand & -Kosten
5.0%
Einf achere internationale Zusammenarbeit
4.6%
Schnellere Entscheidungen
4.3%
Sonstiger Nutzen
n = 2.358
0.7%
0%
© 2014, Trovarit AG, Aachen
20%
40%
60%
Anteil der Installationen
80%
Abbildung 2: Nutzen von ERP-Software aus Anwendersicht
Aufwand von ERP-Lösungen
Bei der Bewertung des ERP-Einsatzes lassen sich die relevanten Aufwandskategorien relativ klar
fassen und zum größten Teil auch konkret messen. Es handelt sich z.B. um Anschaffungskosten für
Software, Hardware und Dienstleistungen zur Software-Einführung, interne Personalaufwand für
Implementierung, Schulung, Nutzung und Administration sowie laufende bzw. regelmäßige Kosten für
Wartung, Support und Modernisierung der Software.
Dabei ist festzustellen, dass es DEN einen Marktpreis für einen ERP-Arbeitsplatz nicht gibt.
Erfahrungsgemäß schwanken sämtliche Kostenpositionen bei ERP-Projekten in erheblichem Maße.
Dies ist zum großen Teil mit sehr unterschiedlichen Anforderungen und Randbedingungen bei einzelnen
Projekten zu erklären: Dazu zählen z.B. unterschiedliche Installationsgrößen (Anzahl der ERPArbeitsplätze), der implementierte Leistungsumfang (Funktionsspektrum) oder Organisationsstrukturen
(z.B. Anzahl Standorte, Länder).
Dennoch bietet die Trovarit-Studie „ERP in der Praxis 2014/2015“ Anhaltspunkte für die wesentlichen
Aufwands- bzw. Kostengrößen von ERP-Anschaffung und –Betrieb. Demnach liegen die
Anschaffungskosten einer ERP-Installation im Mittelstand (Unternehmen zwischen 50 und 250
Mitarbeiter) fast immer im sechs-stelligen Bereich, nicht selten mit Tendenz nach oben. Dabei bewegt
sich der interne Personalaufwand der ERP-Einführung in der Größenordnung von Personenjahren.
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Ca. 6.000 €
Anschaffungskosten
je Arbeitsplatz
Alle 5 Jahre
ca. 1/3 der AK für
die Modernisierung
Ca. 12 Monate
Projektdauer
Aufwand
Ca. 500€ p.a. je
Arbeitsplatz für den
Wartungsvertrag
1,5 Mitarbeiter (VZÄ) für
die Administration
Anschaffung
Ca. 5 interne und
2,5 externe Mitarbeiter im
Kern-Team
Betrieb
* 50 bis 250 Mitarbeiter
Abbildung 3: Aufwand für ERP-Einführung und -Betrieb im Mittelstand
Bei üblichen Wartungssätzen zwischen 12% und 22% der Lizenzpreise liegen die jährlichen
Wartungskosten im fünf-stelligen EURO-Bereich und der interne Personalaufwand für die ERPAdministration und –Support bewegt sich in der Größenordnung einer Vollzeitstelle. Hinzu kommen
regelmäßige Modernisierungsinvestitionen von beträchtlicher Größenordnung, z.B. anlässlich größerer
Release-Umstellungen.
Wirtschaftlichkeit von ERP-Lösungen
Ein Blick auf die Nutzenpotenziale, die aus Sicht der Anwender im Kontext des ERP-Einsatzes die
größte Rolle spielen, zeigt den vielfach qualitativen Charakter des ERP-Nutzens. Klassische
Bewertungsansätze, z.B. die Berechnung des Return on Investment (RoI), versagen bei ERPInstallationen regelmäßig, da sich ein großer Teil des Nutzens von ERP-Lösungen einer belastbaren
monetären Bewertung entzieht. Relativ einfach zu quantifizierende Rationalisierungspotenziale sind in
einem reifen ERP-Anwendermarkt, mit einem ERP-Verbreitungsgrad von über 90% der Unternehmen
und langjährigem ERP-Einsatz, vielfach bereits gehoben. Insofern ist ein wesentlicher Nutzen von
Ersatz- aber auch Erweiterungsinvestitionen im ERP-Umfeld eher der Erhalt des erreichten
Rationalisierungsniveaus als z.B. eine signifikante Effizienzsteigerung.
Angesichts einer steigenden Komplexität von Organisationsstrukturen (z.B. Internationalisierung,
Regulierung) stellt allerdings schon der Erhalt des vorhandenen Rationalisierungsniveaus einen
fundamentalen Nutzen der ERP-Investition dar. Insofern ist die Wirtschaftlichkeit einer ERP-Investition
eher aus der Perspektive des „Nutzen-Verlustes bei Nicht-Investition“ (Loss on Non-Investment/LoNI)
als aus der klassischen RoI-Perspektive zu betrachten.
Investitionssicherheit bei ERP-Lösungen
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In der Praxis bedeutet Investitionssicherheit bei ERP-Lösungen daher, die notwendige Unterstützung
der Geschäftsprozesse mit angemessenem Aufwand sicher zu stellen. Diesbzgl. bestehen relevante
Risiken, die sich auf vielfältige Ursachen wie z.B. auf fehlende Funktionalität zur Unterstützung der
Geschäftsprozesse, mangelnde Flexibilität der Software, fehlerhafte Schnittstellen, schlechte
Benutzerführung oder eine mangelnde Dokumentation der Software, zurückführen lassen. Manche
dieser Defizite lassen sich zwar beheben, allerdings erfahrungsgemäß nur um den Preis deutlich
steigender Aufwände. Angesichts ihrer Komplexität bergen ERP-Projekten als solche ebenfalls eine
Vielzahl von Termin- und Kostenrisiken. Ursachen hierfür sind u.a. unklare Anforderungen, mangelnde
Abstimmung unter den Beteiligten, mangelnde Kapazität im Projektteam, fehlende oder unrealistische
Planungen etc. Und schließlich offenbaren sich im ERP-Betrieb weitere Risiken, die die
Wirtschaftlichkeit einer ERP-Investition im Laufe der Zeit zunehmend beeinträchtigen können. Hierzu
zählen unerwartete Aufwände bei Release-Wechseln aber auch eine zunehmende „Entkopplung“ der
einmal installierten ERP-Lösung von den – sich ändernden – Geschäftsprozessen.
Insofern lassen sich einige Ansatzpunkte zur Absicherung der Wirtschaftlichkeit von ERP-Investitionen
aufzeigen:

Die Auswahl einer passenden Software und des passenden Software-Anbieters - Die
grundlegenden Weichen für den wirtschaftlichen Betrieb der Business Software werden bereits in
der Auswahlphase gestellt, denn die Festlegung auf ein Produkt bestimmt die Möglichkeiten zur
Unterstützung der Geschäftsprozesse sowie das Niveau der Anschaffungs- und Folgekosten für
Wartung und spätere Anpassungen. Die Auswahlentscheidung erstreckt sich darüber hinaus in
gleicher Weise auch auf den Dienstleister, mit dem der Anwender in der Regel eine sehr langfristige
Partnerschaft eingeht. Mit der Festlegung auf einen Lieferanten werden die verfügbaren Beratungs, Implementierungs- bzw. Support-Kompetenzen und Ressourcen sowie letztlich die ServiceQualität definiert.

Die richtige Implementierung der ERP-Lösung – Dabei hat die Einrichtung und Planung des
Projektes hat grundlegenden Einfluss auf dessen gesamten Verlauf: Vom Projektorganigramm mit
klaren Rollen und Verantwortlichkeiten bei Anbieter und Anwender über den Projektstrukturplan und
den Projektterminplan bis hin zur Budgetplanung, von klaren Regeln für bestimmte Abläufe (z.B.
Change Requests), über die Kommunikation und Dokumentation im Projekt, bis hin zur
Maßnahmenverfolgung und Fortschrittsmessung – letztlich geht es in allem darum, eine klare und
funktionierende Struktur zu schaffen, die es erlaubt, konstruktiv zu arbeiten, entscheidungsfähig zu
bleiben und das Projekt effizient zu steuern.

Der nachhaltige Betrieb der ERP-Lösung - Schließlich gilt es, während des laufenden Betriebs,
die Geschäftsprozesse und ihre Unterstützung durch Software-Infrastruktur regelmäßig zu
überprüfen. Eine solche Bestandsaufnahme in Form einer umfassenden Einsatzanalyse der
Business Software-Landschaft sollte angesichts der heutigen Dynamik in Unternehmen spätestens
alle drei Jahre erfolgen, wenn nicht besondere Ereignisse eine derartige Analyse früher erforderlich
machen. Neue Impulse für Optimierungen kann neben Verbesserungsvorschlägen der Mitarbeiter
nicht zuletzt auch ein Gespräch mit dem betreuenden Software-Anbieter liefern, der letztlich das
Potenzial seines Lösungsangebotes am besten kennt: unter Umständen wurden sogar
lösungsseitige Innovationen bereits über Updates bereitgestellt, bisher aber nicht eingesetzt.
Wirft man aber einen kritischen Blick auf die Realität in den heutigen ERP-Einführungsprojekten, stellt
sich oft heraus, dass die verfügbaren Methoden und Werkzeuge nicht durchgängig und konsequent
genutzt werden. Dabei gilt es für das Anwenderunternehmen im eigenen Interesse, die Zügel in der
Hand zu halten und sich bei Auswahl, Einführung sowie beim ERP-Betrieb immer daran zu orientieren,
den angestrebten Nutzen der ERP-Infrastruktur zu erzielen und zu erhalten.
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Auswahl /
Auftragsvergabe
Implementierung
Vorauswahl /
Ausschreibung
Anbieter
präsentation
Lastenheft
Feinkonzeption
Pflichtenheft
Fachliche
Projektsteuerung
Abnahmeprotokoll
Vertragsgestaltung
Vertrag
Echtstart
Abnahme
Abnahme
Abbildung 4: Lasten- und Pflichtenheft als Rückgrat von ERP-Projekten
Dem Lasten- bzw. Pflichtenheft kommt bei der nutzenorientierten Steuerung von ERP-Investitionen eine
ganz zentrale Rolle zu: Im Lastenheft werden alle Anforderungen aus den Geschäftsprozessen definiert
um auf dieser Grundlage eine geeignete ERP-Lösung auszuwählen. Mit dem präferierten ERPLieferanten wird das Lastenheft im Zuge der Vertragsgestaltung in ein Pflichtenheft überführt, das als
Leistungsbeschreibung den inhaltlichen Kern des Lizenz- und Implementierungsvertrags darstellt. Das
Pflichtenheft dient damit wiederum als Grundlage für die inhaltliche Projektsteuerung, indem es als
Prüfungsgrundlage im Zuge der Abnahme dient.
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Wirtschaftlichkeit beim Einsatz von Business
Investitionen in Business Software absichern
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