FORUM QZ101758 6000 ZEICHEN Prozessorientierung – aber wie? Hermann J. Schmelzer, München Die ISO 9001:2000 gibt auf die Frage, wie die Prozessorientierung realisiert werden soll, kaum Hinweise. Die oft geübte Praxis, aus der Norm ein Prozessmodell abzuleiten und dieses normgerecht umzusetzen, wird der Kunden-, Prozess- und Wertschöpfungsorientierung nicht gerecht. Der bessere Weg ist, sich bei der Umsetzung an Geschäftsprozessen und ihrem Management zu orientieren. Die ISO 9000:2000 definiert Prozess als einen „Satz von in Wechselbeziehung oder Wechselwirkung stehenden Tätigkeiten, der Eingaben in Ergebnisse umwandelt”. Nach dieser Definition ist bereits die Verknüpfung weniger Tätigkeiten ein Prozess. Anstoß, Inhalt und Begrenzung eines Prozesses lässt die ISODefinition offen. Derart definierte Prozesse gibt es in einem Unternehmen zu Hunderten, wenn nicht zu Tausenden. Gleichzeitig gibt die Norm kaum Hinweise auf die entscheidende und schwierige Frage, wie die von ihr definierten Prozesse strukturiert, verknüpft, geleitet und gelenkt werden müssen, damit die Grundsätze des Qualitätsmanagements erfüllt werden: ■ Kundenorientierung, ■ Prozessorientierung, ■ systemorientierter Ansatz und ■ ständige Verbesserung. Ein Lösungsweg besteht darin, den abstrakten Prozessbegriff der ISO 9000: 2000 zu konkretisieren, sich dabei an die Definition von Geschäftsprozessen anzulehnen und das Konzept des Geschäftsprozessmanagements anzuwenden. Führung, Organisation, Planung und Kontrolle der Geschäftsprozesse liegen in der Hand des Geschäftsprozessmanagements, das von den Verantwortlichen der Geschäftsprozesse (Prozesseigner), den Prozessteams und Prozessmitarbeitern wahrgenommen wird. Das Geschäftsprozessmanagement erfüllt wichtige Anforderungen und Anleitungen des prozessorientierten Qualitätsmanagements nach ISO 9001:2000 bzw. nach ISO 9004:2000: ■ Es unterscheidet zwischen Wertschöpfungsprozessen und unterstützenden Prozessen und ermöglicht dadurch eine wertorientierte Lenkung der Prozesse und der Organisation. ■ Es definiert Prozessziele, die aus den Unternehmenszielen abgeleitet werden. ■ Es misst und kontrolliert laufend die Effizienz der Prozesse und überwacht die Zufriedenheit der Kunden bzw. der Interessengruppen mit den Prozessergebnissen. ■ Es nutzt die Leistungsmessungen und -bewertungen als Basis für ständige Verbesserungen. ■ Es schafft Transparenz über die Wechselwirkungen innerhalb der Geschäftsprozesse und zwischen diesen. ■ Es stellt sicher, dass die Prozesse als wirksames und effizientes Netzwerk arbeiten. Konkrete Antworten gesucht Ein Geschäftsprozess kann definiert werden als funktionsüberschreitende Verkettung wertschöpfender Aktivitäten, die spezifische, von Kunden bzw. Interessengruppen (interessierte Parteien) erwartete Leistungen erzeugen und deren Ergebnisse strategische Bedeutung für das Unternehmen haben [1]. Geschäftsprozesse bündeln die fragmentierten Einzelprozesse und richten sie auf die Erfordernisse und Erwartungen der Kunden bzw. Interessengruppen aus. Sie stellen damit die gewünschte Verbindung zwischen Organisation und Kunden bzw. Interessengruppen her. 1228 Diskutieren Sie mit! Stimmen Sie zu? Oder sind Sie anderer Ansicht? Melden Sie sich zu Wort im Internet-Diskussionsforum „Prozesse und Geschäftsprozessmanagement” www.qm-infocenter.de Eine Orientierung an Geschäftsprozessen und dem Geschäftsprozessmanagement erleichtert und beschleunigt die Umsetzung des prozessorientierten Ansatzes. Insbesondere werden folgende Fragen konkret beantwortet: ■ Wie geht man bei der Konzeption und Implementierung des prozessorientierten Ansatzes vor? ■ Wie werden Geschäftsprozesse identifiziert, beschrieben, geändert und dokumentiert? ■ Wie wird die Kundenorientierung des Unternehmens durch Geschäftsprozesse verstärkt? ■ Wie kann die Organisation über Geschäftsprozesse gelenkt und geleitet werden? ■ Wie werden Effektivität und Effizienz in Geschäftsprozessen gemessen und die Prozessleistung bewertet? ■ Wie werden Geschäftsprozesse laufend verbessert? ■ Wie wird die Einbeziehung von Personen durch Geschäftsprozesse intensiviert? © Carl Hanser Verlag, München Jahrg. 47 (2002) 12 FORUM QZ101758 ■ 6000 ZEICHEN Wie werden Hindernisse bei der Einführung von Geschäftsprozessen überwunden? Wider die simple Umdeklaration Aus Unsicherheit über ein geeignetes Vorgehen wählen Unternehmen häufig den Weg, aus den Kapiteln 6 bis 8 der ISO 9001:2000 ein Prozessmodell mit folgenden (Geschäfts-) Prozessen abzuleiten: ■ Management der Ressourcen, ■ Produktrealisierung (Planung der Produktrealisierung, kundenbezogene Prozesse, Entwicklung, Beschaffung, Produktion und Dienstleistungserbringung, Lenkung von Überwachungs- und Messmitteln) sowie ■ Messung, Analyse und Verbesserung. Dieses Vorgehen wird der Kunden-, Prozess- und Wertschöpfungsorientierung nicht gerecht. Es werden wertschöpfende und unterstützende Prozesse sowie verschiedene Prozessebenen miteinander vermischt. Beispielsweise werden die für Jahrg. 47 (2002) 12 das Unternehmen erfolgskritischen “ „kundenbezogenen Prozesse” mit dem unterstützenden Teilprozess „Lenkung von Überwachungs- und Messmitteln” auf die gleiche Stufe gestellt. Das aus der Norm abgeleitete Prozessmodell ist nicht geeignet, die Grundsätze der ISO-9000Familie optimal zu erfüllen. Bei Anwendung des Geschäftsprozessmanagements werden derartige Unzulänglichkeiten vermieden. Auch widerspricht die oft praktizierte Umdeklarierung bestehender Funktionen in Prozesse zusammen mit der Ernennung von Funktionsträgern zu Prozessverantwortlichen dem Konzept des Geschäftsprozessmanagements. Mit diesen Namensänderungen und Umwidmungen sind in der Regel keine inhaltlichen Verbesserungen und Leistungssteigerungen verbunden. Es ist zu hoffen, dass die ISO-9000-Familie in Zukunft eine engere Verbindung zwischen Qualitätsmanagement und Geschäftsprozessmanagement herstellt und nicht bei der Frage nach der Reali- sierung alles offen lässt. Dies würde kostspielige Irrwege und Scheinlösungen verhindern und sich positiv auf die Wirksamkeit und Effizienz des Qualitätssystems auswirken. Ferner würden dadurch Prozessorientierung, Kundenorientierung, systemorientierter Ansatz und ständige Verbesserung deutlich gestärkt. Literatur 1 Schmelzer, H. J.; Sesselmann, W.: Geschäftsprozessmanagement in der Praxis. Carl Hanser Verlag, München 2002 Der Autor dieses Beitrags Dr. Hermann J. Schmelzer, geb. 1937, studierte Maschinenbau an der Ingenieurschule in Siegen und Betriebswirtschaftslehre an der Universität München. In der Siemens AG sammelte er umfangreiche Erfahrungen im Qualitäts- und Prozessmanagement sowie im F&E -Management. Derzeit ist er als Berater, Fachautor und Lehrbeauftragter auf diesen Gebieten tätig. 1229
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