PM_Nr_34 - Verfassungsschutz

Ministerium des Innern
und für Kommunales
Pressesprecher
Henning-von-Tresckow-Straße 9-13
14467 Potsdam
Pressemitteilung
Nr. 34 vom 06.05.2015
Verfassungsschutzbericht 2014
Schröter: Rechtsextremistischer Aktionsschwerpunkt
verlagert sich von Süd- nach Nordwestbrandenburg
Potsdam - Der Rechtsextremismus bleibt unter den Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung weiterhin die größte Herausforderung für
Brandenburg. Das geht aus dem heute von Innenminister Karl-Heinz Schröter in
Potsdam vorgestellten Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2014 hervor. Jedoch verändert sich die Gefahrenlage im Bereich des islamistischen Extremismus.
Auf ihn konzentrieren sich auch in Brandenburg zunehmend technische wie personelle Maßnahmen.
Rechtsextremismus: Neonationalsozialisten wachsen weiter
2014 wurden in Brandenburg insgesamt 1.160 (+ 35) Rechtsextremisten gezählt.
Auf „rechtsextremistische Parteien“ entfallen 315 (+ 20) Personen. Darunter ist die
„Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD) mit unverändert 290 Mitgliedern, wovon 35 (+ 15) den „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) angehören. „Die
Rechte“ kommt auf 25 (+ 20). Auf anhaltend hohem und weiterhin steigendem
Niveau bewegen sich neonationalsozialistische Strukturen mit 450 (+ 20) Personen. Gestiegen ist ebenfalls das Personenpotenzial gewaltbereiter Rechtsextremisten. Es lag 2014 bei 420 (+ 30).
Nach Angaben von Innenminister Schröter hat sich das rechtsextremistische
Schwerpunktgebiet verlagert. „Früher war es überwiegend der Süden Brandenburgs. Dort sind zwar nach wie vor hohe Aktivitäten zu verzeichnen. Doch eine
Region weist mittlerweile eine höhere und insgesamt szeneübergreifende Dynamik auf. Sie umfasst die Landkreise Havelland und Potsdam-Mittelmark, den südlichen Teil von Oberhavel und den süd-östlichen Teil von Ostprignitz-Ruppin. Getragen von persönlichen Kontakten überschneiden sich dort vor allem Strukturen
von NPD, JN und Neonationalsozialisten. Ebenso rückt Frankfurt (Oder) samt
Umland in den Fokus. Hier stellen sich zunehmend neue Herausforderungen für
die wehrhafte Demokratie.“
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In Brandenburg unterhält die NPD unverändert 8 mehr oder weniger aktive Kreisverbände. Von den 24 (+ 1) Ortsverbänden existieren viele nur virtuell im Internet.
Hinzu kommen unverändert 4 JN-Stützpunkte. Seit 2014 besteht ein JNLandesverband. Bei den Kommunalwahlen 2014 erzielte die NPD 49 kommunale
Mandate; zwei weniger als 2008 zusammen mit der DVU. Eines ihrer 49 kommunalen Mandate hatte die NPD Ende 2014 bereits wieder verloren. Bei allen Wahlen des Jahres 2014 blieb sie weit unter ihren Erwartungen.
Carlo Weber, Leiter des brandenburgischen Verfassungsschutzes: „Die NPD hat
letztes Jahr ihre seit 2013 betriebene, ausnahmslos rassistisch motivierte AntiAsylkampagne fortgesetzt. Dazu zählen insbesondere Kundgebungen und zahlreiche zumindest NPD-beeinflusste Internetauftritte. Angelehnt an die Dresdener
Demonstrationen ‚Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes‘ (Pegida) ist die Partei seit Dezember 2014 bemüht, dieses Format auf Brandenburg zu übertragen. So will sie ihre erfolglose Anti-Asyl-Kampagne neu befeuern. Andere Rechtsextremisten tun es ihr gleich. Dabei kann die NPD weiterhin
mit Unterstützung von neonationalsozialistischen ‚Freien Kräften‘ rechnen. Aufgrund ihrer strukturellen und personellen Defizite ist sie auch zwingend darauf
angewiesen. Diese Aktivitäten stellen eine ständige und wachsende Bedrohung
für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung dar.“
Das Zusammenwachsen von NPD und Teilen der neonationalsozialistischen Szene hat in den letzten Jahren eine maßgebliche Nazifizierung der Partei bewirkt. Im
Werben um Neonationalsozialisten steht die NPD zusehends in Konkurrenz mit
„Die Rechte“ und „Der III. Weg“. Beide Organisationen beanspruchen das Parteienprivileg. Trotz des Eintritts zahlreicher Angehöriger der „Kameradschaft Märkisch Oder Barnim“ sind die regional begrenzten Aktivitäten von „Die Rechte“ im
Laufe des letzten Jahres weitgehend zum Erliegen gekommen. Jedoch ist „Der III.
Weg“ offenbar bestrebt, eigene Strukturen im Land zu etablieren und aktiv in Erscheinung zu treten. Dahinter steht insbesondere der ehemalige JN-Aktivist und
Neonationalsozialist Maik Eminger. Er versucht ebenso eine „Gefangenenhilfe“
aufzubauen und ist der Bruder des im Münchener NSU-Verfahren angeklagten
André Eminger.
Große Sorge bereitet den Sicherheitsbehörden das stetige Anwachsen neonationalsozialistischer Strukturen. Sie bilden seit dem Jahr 2012 die größte Einzelkategorie im brandenburgischen Rechtsextremismus. 21 (+13) Gruppierungen waren
2014 in Brandenburg aktiv. Die Zunahme beruht im Wesentlichen auf der Neuaufnahme kleiner, am Rocker-Lifestyle orientierter Personenzusammenschlüsse. Sie
bilden „Chapter“, tragen Kutten und vergeben an Interessenten einen „Anwärter“Status. Im Gegensatz zu eher agitationsorientierten Neonationalsozialisten wirken
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diese „Nazi-Rocker“ eher nach innen, meiden die Öffentlichkeit und lassen sich
beispielsweise im Zusammenhang mit rechtsextremistischen Musikveranstaltungen als „Supporter“ einbinden.
Die Zahl rechtsextremistischer Hass-Bands bleibt mit 23 (- 1) hoch. Insgesamt 15
(+ 3) neue Tonträgerproduktionen wurden festgestellt. Ein (- 4) Konzert hat stattgefunden. Aufgrund des hohen Drucks der Sicherheitsbehörden treten brandenburgische Hass-Bands oft außerhalb des Landes auf. Die Liegenschaft des „Die
Rechte“-Funktionärs Klaus Mann in Schorfheide, Ortsteil Finowfurt (BAR), hat
erheblich an Attraktivität verloren. Neben Bands erfreuen sich Liedermacher zunehmender Szene-Beliebtheit. Zehn Liedermacher werden erstmals im Verfassungsschutzbericht erwähnt. Sie haben drei Liederabende durchgeführt. Einer
wurde verhindert.
Linksextremismus: „Rote Hilfe“ legt zu
Im Linksextremismus ist das Personenpotenzial auf 490 (+ 5) leicht gestiegen. Die
Zahl gewaltbereiter Autonomer liegt weiterhin bei 190. In unverändert zehn Kommunen beziehungsweise Regionen sind sie aktiv. Auf nur noch 70 (-10) Mitglieder
bringt es die „Deutsche Kommunistische Partei“ (DKP). Ihre Reststrukturen werden absehbar zerfallen. Erneut gewachsen ist die „Rote Hilfe e.V.“ Sie zählt etwa
200 Mitglieder (+ 20). Innerhalb des Linksextremismus behauptet sie ihre Rolle als
übergreifende, zwischen allen Strömungen vermittelnde Konsensorganisation und
kümmert sich unter anderem um Rechtsbeistand für politisch-motivierte Straftäter.
Islamistischer Extremismus: Ausreisen in Kriegsgebiete des Nahen Ostens
Für den Bereich islamistischer Extremismus gibt der Verfassungsschutzbericht 40
(+ 10) Personen an. Erneut konnten keine entsprechenden Strukturen festgestellt
werden. Allerdings gibt es in Berlin islamistisch beeinflusste Einrichtungen, die in
Brandenburg lebenden Einzelpersonen als Anlaufpunkte dienen. Darüber hinaus
liegen wie im Vorjahr Erkenntnisse vor, dass Einzelpersonen erneut Richtung
Naher Osten ausgereist sind, um dort mit hoher Wahrscheinlichkeit an Kampfhandlungen teilzunehmen. Innenminister Schröter: „Es geht hier um kleine Fallzahlen. Doch von diesen Personen und ihren Netzwerken gehen außerordentlich
hohe, wenn auch abstrakte Gefahren aus. Bereits Einzelpersonen binden zahlreiche technische wie personelle Ressourcen unserer Sicherheitsbehörden. Der
damit verbundene finanzielle und personelle Aufwand ist enorm. All dies dient
aber der Sicherheit unseres Landes. Den in diesem Bereich eingesetzten Mitarbeitern gebührt unser Dank. Sie stellen sich professionell und engagiert schwierigsten Aufgaben.“
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Das größte Personenpotenzial im Bereich Ausländerextremismus weist in Brandenburg unverändert die bundesweit mit einem Betätigungsverbot belegte „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) auf. Ende 2014 wurden ihr rund 100 (- 15) Personen
zugerechnet.
Zuverlässigkeitsüberprüfungen stark steigend
Der Verfassungsschutz ist in Zuverlässigkeitsüberprüfungen eingebunden. 2014
gingen insgesamt 6.144 (+ 3.349) entsprechende Anfragen ein: davon 5.561 gemäß Luftsicherheitsgesetz, 29 gemäß Atomgesetz, 254 gemäß Sprengstoffgesetz
und 300 auf der Grundlage der Bewachungsverordnung.
Verfassungsschutz als Partner der Zivilgesellschaft
Informationsangebote des Verfassungsschutzes waren 2014 erneut stark nachgefragt. In 70 Veranstaltungen wurden Vorträge gehalten. Rund 2.100 Bürger nahmen teil. Fortgesetzt wurde unter anderem die seit 2008 bestehende strategische
Kooperation mit den Einrichtungen „Tolerantes Brandenburg“, „Brandenburgisches Institut für Gemeinwesenberatung – demos“, „Brandenburgische Kommunalakademie“, Landkreistag, „Städte- und Gemeindebund“ sowie Landesjugendamt. Gemeinsam wurden vier Veranstaltungen zum Thema „Rechtsextremisten im
Wahlkampf“ mit 190 Teilnehmern durchgeführt, zwei davon in Kooperation mit
dem sächsischen Verfassungsschutz in Südbrandenburg.