Document

Der rechtliche Schutz von Menschen
mit Hydrocephalus im
Arbeitsverhältnis
Rechtsanwalt Carsten Paulini
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Familienrecht
Rechtsanwälte Amthauer Rohde & Paulini, Waageplatz 2, 37073 Göttingen
http://www.paulini-rechtsanwaelte.de
https://www.facebook.com/rechtsanwalt.paulini
Schwerpunkte:
 Schwerbehinderung / Gleichstellung
 Kindergeld für Menschen mit Behinderung
 Arbeitsrechtlicher Schutz für schwerbehinderte und diesen
gleichgestellten Menschen
ASBH Kongress 18.04.2015 - Carsten Paulini
Versorgungsmedizin-Verordnung
3. Nervensystem und Psyche
3.1 Hirnschäden
d) Bei einem mit Ventil versorgten Hydrozephalus ist ein
GdS von wenigstens 30 anzusetzen.
3.1.2 Epileptische Anfälle
nach drei Jahren Anfallsfreiheit bei weiterer
Notwendigkeit antikonvulsiver Behandlung
3.6-3.8 Psychische Erkrankungen
ASBH Kongress 18.04.2015 - Carsten Paulini
30
Beispielsfall
Paul hat einen Hydrocephalus, nimmt Medikamente zur
Vermeidung von epileptischen Anfällen und hat ein
posttrombotisches Syndrom.
Welchen Grad der Behinderung hat er?
Hydrocephalus
30
Anfallsleiden
30
posttrombotisches Syndrom
10
Gesamtgrad d. Behinderung 40
+ dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit
ASBH Kongress 18.04.2015 - Carsten Paulini
Kindergeld für Menschen mit Behinderung
Paula (95 Jahre) alt beantragt für ihre Tochter Pauline (70 Jahre), Kindergeld.
 Eltern – Kind –Verhältnis
 Behinderung
 Eintritt der Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahrs
 finanzielle Mittel des Kindes überschreiten nicht bestimmte Grenzwerte
allgemeiner Lebensbedarf: 8.354 €
behinderungsbedingter Mehrbedarf:
GdB 50 jährlich
GdB 60 jährlich
GdB 70 jährlich
GdB 80 jährlich
GdB 90 jährlich
GdB 100 jährlich
Merkmal H („hilflos“)
570 Euro
720 Euro
890 Euro
1060 Euro
1230 Euro
1420 Euro
3700 Euro
 Behinderung als Grund für die fehlende Deckung des Lebensbedarfs.
Dieses wird bei voller Erwerbsminderungsrente oder Merkmal H
vermutet (FamEStG DA 63.3.6.4 Abs. 4 S. 2)
ASBH Kongress 18.04.2015 - Carsten Paulini
Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen
 Menschen sind im Sinne des SGB IX schwerbehindert,
wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von
wenigstens 50
 Personen mit einem Grad der Behinderung von 30
oder 40 können auf Antrag von der Agentur für Arbeit
schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden,
wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die
Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht
erlangen oder behalten können.
ASBH Kongress 18.04.2015 - Carsten Paulini
Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen
Auswirkungen:
 besonderer Kündigungsschutz,
 besondere Einstellungs-/ Beschäftigungsanreize für Arbeitgeber
durch Lohnkostenzuschüsse sowie
Berücksichtigung bei der Beschäftigungspflicht,
 Hilfen zur Arbeitsplatzausstattung,
 Betreuung durch spezielle Fachdienste.
 Freistellung von Mehrarbeit (über 8 Stunden werktäglich
hinausgehend)
jedoch nicht:
 Zusatzurlaub
ASBH Kongress 18.04.2015 - Carsten Paulini
Gleichstellung, Bundessozialgericht v. 09.10.2014
Die Klägerin war seit 2002 Justizfachangestellt im mittleren
Dienst in Vollzeit. Bei ihr wurde ein GdB von 30 festgestellt.
Im Juli 2009 bewarb sie sich für die Ausbildung zur DiplomFinanzwirtin im öffentlichen Dienst. Nach erfolgreichen
Gesprächen lehnte die Finanzbehörde die Einstellung in das
Beamtenverhältnis ab, da die gesundheitliche Eignung fehle.
Die Klägerin beantragte die Gleichstellung bei der
Bundesagentur für Arbeit, da sie anderenfalls die Stelle als
Beamtin nicht erlangen könne.
Die Bundesagentur für Arbeit lehnte den Antrag ab, da sie
einen sicheren Arbeitsplatz habe und die Gleichstellung
nicht den beruflichen Aufstieg fördern solle.
ASBH Kongress 18.04.2015 - Carsten Paulini
BSG v. 09.10.14, B 11 AL 5/14 R
 Die Klägerin brauche die Gleichstellung, um den
konkret angestrebten neuen Arbeitsplatz zu erlangen.
 Sie besitze die gesundheitliche Eignung für die
Tätigkeit, da sie eine Bürotätigkeit bereits ausübe.
 Da für schwerbehinderte und gleichgestellte Personen
weniger strenge gesundheitliche
Einstellungsanforderungen gelten würden, ist davon
auszugehen, dass sie den Arbeitsplatz mit
Gleichstellung bekommen werde.
 Das BSG verpflichtete die Bundesagentur für Arbeit
zur Gleichstellung
ASBH Kongress 18.04.2015 - Carsten Paulini
Beschäftigungsquote, § 71 SGB IX
Voraussetzung:
 Arbeitgeber beschäftigt mindestens 20 Arbeitnehmer.
 5 % der Arbeitsplätze sind mit schwerbehinderten
Menschen zu besetzen
ASBH Kongress 18.04.2015 - Carsten Paulini
Ausgleichsabgabe, § 77 SGB IX
Die Ausgleichsabgabe beträgt je unbesetzten
Pflichtarbeitsplatz
 105 Euro bei einer Beschäftigungsquote von 3 % bis
weniger als 5 %
 180 Euro bei einer Beschäftigungsquote von 2 % bis
weniger als 3 %
 260 Euro bei einer Beschäftigungsquote von weniger
als 2 %
ASBH Kongress 18.04.2015 - Carsten Paulini
Besondere Pflichten bei öffentlichen
Arbeitgebern
Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen im
öffentlichen Dienst:
 Pflicht zur Einladung zum
Vorstellungsgespräch, § 82 SGB IX
Ausnahme: fachliche Eignung fehlt offensichtlich
ASBH Kongress 18.04.2015 - Carsten Paulini
Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen
Der Kläger ist schwerbehinderter Mensch mit einem GdB 50. Im Juni 2010 bewarb
er sich erstmalig bei der Beklagten. Dieses Bewerbungsverfahren, zu dem auch die
Schwerbehindertenvertretung hinzugezogen worden war, blieb erfolglos.
Ende Juli 2010 bewarb sich der Kläger für eine andere, neu ausgeschriebene Stelle
bei der Beklagten. Die Bewerbung wurde bei der Beklagten von einer anderen
personalführenden Stelle als die erste Bewerbung bearbeitet.
Weder im Bewerbungsanschreiben noch im Lebenslauf wies der Kläger auf seine
Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch hin. Allerdings hatte er einem
Konvolut von Anlagen (Umfang 29 Blatt) als Blatt 24 eine Fotokopie seines
Schwerbehindertenausweises beigefügt. Auch diese Bewerbung scheiterte, ohne
dass der Kläger von der Beklagten, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zu
einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden war.
Der Kläger verlangt eine Entschädigung, weil er sich wegen seiner
Schwerbehinderung benachteiligt sieht. Als Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes
hätte ihn die Beklagte aufgrund seiner Schwerbehinderung in jedem Fall zu einem
Vorstellungsgespräch einladen müssen.
ASBH Kongress 18.04.2015 - Carsten Paulini
BAG v. 18.09.14, 8 AZR 759/13
Auf die Schwerbehinderteneigenschaft ist gegebenenfalls im
Bewerbungsanschreiben oder unter deutlicher
Hervorhebung im Lebenslauf hinzuweisen.
Unauffällige Informationen oder eine in den weiteren
Bewerbungsunterlagen befindliche Kopie des
Schwerbehindertenausweises sind keine ausreichende
Information des angestrebten Arbeitgebers.
Die Mitteilung hat bei jeder einzelnen Bewerbung erneut zu
erfolgen.
Es liegt in der Entscheidung des schwerbehinderten
Menschen, ob er die Schwerbehinderung bei der Bewerbung
nach SGB IX berücksichtigt haben will oder nicht.
Die Klage hatte daher keinen Erfolg.
ASBH Kongress 18.04.2015 - Carsten Paulini
Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 9. April 2014 - 10 AZR 637/13 Arbeitgeber betreibt Krankenhaus mit etwa 2.000 Mitarbeitern.
Die Arbeitnehmerin ist seit 1983 als Krankenschwester im Schichtdienst tätig.
Arbeitsvertragliche Verpflichtung zur Leistung von Sonntags-, Feiertags-, Nacht-,
Wechselschicht- und Schichtarbeit verpflichtet.
Betriebsvereinbarung: gleichmäßige Planung der Schichtfolgen der Beschäftigten.
Die Arbeitnehmerin ist aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage,
Nachtdienste zu leisten, weil sie medikamentös behandelt wird.
Nach einer betriebsärztlichen Untersuchung schickte der Pflegedirektor die
Klägerin am 12. Juni 2012 nach Hause, weil sie wegen ihrer
Nachtdienstuntauglichkeit arbeitsunfähig krank sei.
Die Klägerin bot demgegenüber ihre Arbeitsleistung - mit Ausnahme von
Nachtdiensten - ausdrücklich an. Bis zur Entscheidung des Arbeitsgerichts im
November 2012 wurde sie nicht beschäftigt. Sie erhielt zunächst
Entgeltfortzahlung und bezog dann Arbeitslosengeld.
ASBH Kongress 18.04.2015 - Carsten Paulini
Entscheidung des BAG
 Die Arbeitnehmerin kann alle vertraglich geschuldeten
Tätigkeiten einer Krankenschwester ausführen.
 Sie ist weder arbeitsunfähig krank noch ist ihr die
Arbeitsleistung unmöglich geworden.
 Die Beklagte muss bei der Schichteinteilung auf das
gesundheitliche Defizit der Klägerin Rücksicht nehmen.
 Die Vergütung steht der Klägerin unter dem
Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu, weil sie die Arbeit
ordnungsgemäß angeboten hat und die Beklagte erklärt
hatte, sie werde die Leistung nicht annehmen.
ASBH Kongress 18.04.2015 - Carsten Paulini
Besonderer Kündigungsschutz
Voraussetzungen
 Arbeitsverhältnis besteht länger als 6 Monate
 Feststellung der Schwerbehinderung oder
Gleichstellung
oder
erfolgreicher Antrag mindestens drei Wochen vor
Erhalt der Kündigung.
 Kenntnis des Arbeitgebers von Antragstellung bzw.
Schwerbehinderung spätestens 3 Wochen nach
Zugang der Kündigung
ASBH Kongress 18.04.2015 - Carsten Paulini
Besonderer Kündigungsschutz
 Arbeitgeber beantragt Zustimmung des
Integrationsamtes zur ordentlichen Kündigung
 Integrationsamt holt Stellungnahme von Betriebsrat
und Schwerbehindertenvertretung ein
 Anhörung des Schwerbehinderten Menschen
 ggf. mündliche Verhandlung
 Zustimmung innerhalb eines Monats nach
Beantragung
 ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber
ASBH Kongress 18.04.2015 - Carsten Paulini