Die Medien haben einen alten Slogan

Die Medien haben einen alten Slogan aufgewärmt, der im ganzen asiatischen Raum zu
Träumen anregt: Chinas neue Seidenstrasse. Politisch lanciert ist ein milliardenschweres
Entwicklungsprojekt, das Pakistan mit dem Westen Chinas verbinden und vor allem der
Energieversorgung des Riesenlandes dienen soll. Das neu-alte Schlagwort verleiht aber
auch zahlreichen anderen Plänen und Ideen Flügel, ganz besonders in Südostasien, wo die
enge Strasse von Malakka für Schiffstransporte seit langer Zeit als strategisches Handicap betrachtet wird, nicht nur für China. Deshalb schlagen Interessenten eine neue maritime Seidenstrasse vor und lancieren eine schon sehr alte Idee neu: den Bau eines Kanals,
der die Andamanensee mit dem Golf von Siam verbinden würde. Aber auch sonst tut sich
im westlichen Teil der malaiischen Halbinsel etwas in Sachen Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur mit den – allerdings umstrittenen - Plänen für neue Tiefseehäfen. Bereits
weiter fortgeschritten in der Planung ist der Ausbau des thailändischen Eisenbahnnetzes
Richtung Norden und Nordosten mit chinesischer Hilfe und mit angedachter Fernverbindung durch Laos bis nach China.
Aufgewärmte Idee
Von Südwestthailands Provinzstadt Ranong aus
zieht sich Richtung Kraburi eine Art Fjord rund
70 Kilometer ins Landesinnere. Am Ende liegt
mit knapp 60 Kilometern die schmalste Stelle
der malaiischen Halbinsel, der Isthmus von Kra.
Genau hier könnte ein Kanal dereinst einen Teil
des Schiffsverkehrs aufnehmen, der sich heute
durch die Strasse von Malakka quält. Neu ist
diese Idee nicht.
Aufgrund von archäologischen Forschungen ist
davon auszugehen, dass schon vor der christlichen Zeit ein wichtiger west-östlicher Handelsweg die Gegend passierte und den indischen
Ozean mit dem südchinesischen Meer verband.
Im 17. Jahrhundert, zu der Zeit König Narais,
wurde der Plan für einen schiffbaren Kanal erstellt, der die Andamanensee mit dem Golf von
Siam hätte verbinden sollen. 1843 und 1881
tauchten erneut Pläne für einen Kanalbau auf.
Doch aus technischen, finanziellen wie auch aus
politischen Gründen kam es nie zu einem ausführungsreifen Projekt. Die Diskussionen um den Kanal sind bis heute nicht verstummt und
werden je nach politischer Grosswetterlage immer wieder hochgespült.
Für eine Kanalverbindung zwischen dem Indischen Ozean und dem Golf von Siam kämen mehrere Stellen in Frage, nicht nur der Isthmus von Kra (90 Kilometer), sondern beispielsweise
auch eine Durchquerung der Halbinsel auf der Höhe von Satun und Songkhla (102 Kilometer)
oder von Nakhon Si Thamarat und Phathalung (110 Kilometer). Ökologische Überlegungen
sprechen am ehesten für eine Variante in der Gegend von Satun.
Die Befürworter eines Kanals punkten vor allem mit dem Argument, dass der Umweg für Güter
nach Thailand, China und Japan und umgekehrt über die Strasse von Malakka vermieden würde
und dass dadurch erhebliche Einsparungen erzielt werden könnten. Ausserdem sei die Strasse
von Malakka schon heute überlastet, was zu häufigen Havarien führe. Sie war immer auch wieder durch schwer bewaffnete Piraten bedroht. Der Bau eines Kanals würde Thailand einen gewaltigen Investitionsschub geben und auch langfristig Arbeitsplätze für den Betrieb des Kanals
und angeschlossener Umlade- und Containerhäfen schaffen. Die Skeptiker weisen auf die
Schwierigkeiten des Geländes hin. So müsste beispielsweise bei Kraburi ein Berg von 639 Metern Höhe überwunden oder umfahren werden. Militärstrategen äussern schwerwiegende Bedenken, dass ein Kanal den ohnehin labilen Süden definitiv vom Mutterland abtrennen würde.
Ähnlich tönt es aus ökologisch orientierten Kreisen: Die über Jahrtausende geschaffene Mischzone zwischen dem asiatischen Kontinent und der malaiischen Halbinsel würde künstlich getrennt, und die Lebenswelt der Fauna würde für immer verändert. Zu befürchten wäre eine
schwere Beeinträchtigung der biologischen Vielfalt und des ökologischen Gleichgewichts in
der Andamanensee; nicht auszudenken, wenn es beispielsweise zu einer Ölkatastrophe käme.
Die Befürworter behaupten dagegen, dass eine Ölkatastrophe im Kanal viel besser zu kontrol-
© Thaihom Enterprises und Josef Burri 2015 – Die Spezialisten für Kultur und Geschichte
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lieren wäre als auf dem offenen Meer, da sich der Ölteppich nicht ausbreiten könne; das havarierte Schiff würde an Ort und Stelle verbleiben; Wehre würden das ausgelaufene Öl eingrenzen, so dass es schliesslich abgesaugt werden könnte.
Kaum realistische Chancen
Regierungsvertreter rechnen die enormen Kosten vor, die der Bau eines Kanals verursachen
würde (schätzungsweise 20 bis 30 Milliarden US-Dollars1). Es wird an der Wirtschaftlichkeit
des Projektes gezweifelt, da bloss 72 Stunden pro Transportweg eingespart würden. In Bangkok
hatten nach den bitteren Erfahrungen am Ende des 20. Jahrhunderts nur politische Fantasten
Lust, Geld auszugeben, das noch gar nicht erwirtschaftet ist. Ende 2012 sprach kaum mehr
jemand von diesem Kanalprojekt. Im Vordergrund standen Projekte mit Tiefseehäfen, eines in
Satun im Süden, das andere in Dawei (Tavoy, Myanmar, westlich von Kanchanaburi) mit angrenzender Sonderwirtschaftszone und neuen Landverbindungen nach Thailand, Laos und
China. Drei Jahre später und unter veränderten politischen Vorzeichen flammte die Diskussion
um den Kra-Kanal erneut auf. Der Geschäftsmann Pakdee Tanapura, Mitglied des Kra-KanalKomitees, sagte 2015 in einem Interview: "Bisher konnten wir es nicht machen, denn China
war nicht mächtig genug. Aber jetzt liegt der Kra-Kanal auf Chinas maritimer Seidenstrasse." 2
Doch es noch nicht einmal eine Machbarkeitsstudie geplant. So, wie die Dinge liegen, dürfte
noch mancher Regenguss über dem Isthmus von Kra niedergehen, bis hier Schiffe die malaiische Halbinsel durchqueren, auch wenn die eigentliche Bauzeit für einen Kanal auf bloss zehn
Jahre veranschlagt wird.
Ein Tiefseehafen für Satun?
Der Süden bleibt auch für andere Infrastrukturprojekte weiterhin im Gespräch. Von drei Hafenprojekten ist die Rede: Songkla, Chumphon und Satun. Letzteres scheint am weitesten gediehen zu sein, geniesst es doch die Unterstützung von Premierminister Prayut Chan-ocha. Für
25 Milliarden Baht soll im Dorf Pak Bara (Provinz Satun) ein neuer Tiefseehafen gebaut werden. Es wäre der erste Thailands an der Andamanensee. Eine Landbrücke soll den neuen Hafen
von Satun mit der am Golf von Siam gelegenen Stadt Songkla verbinden. Zwar erhielt das
Projekt 2009 den Segen eines staatlichen Büros für Natur und Umwelt. Doch der wirtschaftliche
Nutzen eines solchen Grossprojektes wird in Frage gestellt. Naturschützer befürchten, dass
durch das Projekt Korallenriffe und Seegraswiesen auf einer Fläche von 14,5 Quadratkilometern zerstört werden könnten. Mindestens zwei maritime Nationalpärke wären betroffen. Negative Auswirkungen hätte ein solcher Hafen auch auf die Lebensqualität der Menschen, deren
Vorfahren seit Generationen dort wohnten. Das ganze Ökosystem an der südlichen Andamanensee könnte kollabieren.
Satun ist eine Provinz um die 970 Kilometer südlich von Bangkok. Dazu gehören um die sechzig Inseln. Die Insel Tarutao bildet zusammen mit anderen Inseln den Ko Tarutao Nationalpark.
Auf die Hauptinsel wurden nach der Revolution von 1932 bis 1945 politische Gefangene verbannt. Das kristallklare Wasser und die grüne Dschungellandschaft ziehen immer mehr Touristen auf der Suche nach unbekannten Destinationen an.3 Die Bevölkerung der Provinz sind mehrheitlich Thai sprechende Muslime, die so genannten Sam Sam, die sich von den Yawi sprechenden Muslimen in den drei anderen mehrheitlich muslimischen Provinzen des Südens abheben.
1
Stand 2001, 2015 bestätigt.
Nirmal Ghosh: Thailand's Dreams of Kra. The Straits Times, 9.4.2015.
3
2014 kamen 900'000 Touristen in diese Provinz.
2
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Seidenstrassen mit Stolpersteinen
Solche Projekte gehören zu einem ganzen Strauss von Massnahmen, die dazu beitragen sollen,
den schwächelnden Wirtschaftsstandort Thailand zu stärken und die Verkehrs- und Transportinfrastruktur zu verbessern. Neue Schnellverbindungen auf Schienen sollen die Reisezeit zwischen Bangkok, Rayong im Südosten, Nong Khai im Nordosten und Chiang Mai im Norden
verkürzen. In Dawei (Myanmar) wird eine auf 27 Quadratkilometer (von über 200 Quadratkilometern) verkleinerte Sonderwirtschaftszone errichtet. Obwohl der Standort in Myanmar liegt,
ist die Regierung in Thailand daran interessiert, weil er verkehrsmässig mit den wichtigsten
thailändischen Wirtschaftszentren verbunden werden soll. Allerdings kommt das Projekt nicht
recht vom Fleck und wird noch zahlreiche Hürden bis zu seiner Realisierung nehmen müssen.
Die von der Militärregierung wie auch von der früheren Regierung in Thailand favorisierten
Grossprojekte bergen grosse Risiken in sich: Was ist, wenn die Finanzierung, wie in Dawei, ins
Stocken gerät? Wer schützt Mensch und Umwelt vor den negativen Auswirkungen (Landenteignungen, Vertreibung der Bevölkerung, Ausstoss von Giften, Zerstörungen der Ernährungsgrundlage)? Wer profitiert letzten Endes von den investierten Geldern? Wie anfällig sind solche
Projekte für Korruption? Wie laufen die Entscheidungsprozesse (bei all diesen Projekten von
top down)? In Thailand kommt erschwerend hinzu, dass aufgrund der politischen Stagnation
solche wichtigen und folgenreichen Entscheide demokratisch nicht abgestützt sind. Und die
Entscheidungsfindung von oben herab verweist auf ein ungelöstes Grundproblem der thailändischen Politik. Eine nüchterne Skepsis ist also durchaus angebracht. Die neue Seidenstrasse
weist noch viele Schlaglöcher und Stolpersteine auf.
© Thaihom Enterprises und Josef Burri 2015 – Die Spezialisten für Kultur und Geschichte
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