Academia 2/2015

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Preis: Euro 3,00 . 66. Jahrgang . Erscheinungsort Wien
P.b.b. . Zulassungsnummer: 02Z030510 M
ACADEMIA, Lerchenfelder Straße 14, 1080 Wien
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April 2015
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Zeitschrift des Cartellverbandes der katholischen
österreichischen Studentenverbindungen
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den
Augenblick
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wahrnehmen.
www.uniqa.at
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Fotos
Matthias Mayer
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Inhalt
April 2015 / Nr. 2
ACADEMIA
Titel |
Herausgeber, Medieninhaber:
ÖCV und ÖAHB
Mit der Herausgabe beauftragt:
Mag. Wolfgang Bamberg
Chefredakteur:
Prof. Dr. Herbert Kaspar
6 Andreas Kirschhofer-Bozenhardt
Konservativismus: Das zerrissene
Bewusstsein
8 Florian Tursky
Das Gewissen eines Konservativen
10 Harald Mahrer
Ist die ÖVP eine konservative Partei?
12
Wissenschaft
Layout: Tanja Pichler
19
David Nagiller
Studium für jene, die können und wollen
22
Christopher Tafeit
Moneten Basierte Ausbildung
Alexander Purger
Eine Partei in „Verzopft“-Panik
24
Andreas Zakostelsky
Wer macht sie denn,
die Gesellschaftspolitik in Österreich?
Religion
13
25 Romeo Reichel
Die Eugenik kehrt zurück
Herbert Kohlmaier
Mehr als nur ein „Supermarkt“
15
Kultur
Michael Neischl
Jesus und die Steuern
27
Bengt Sprinzl
Comic-Festival in Angoulême
… und Charlie Hebdo
Bildung
17 Wolfgang Türtscher
Die Neue Mittelschule ist gescheitert
Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5, 31
Leserbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
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Die ACADEMIA ist die Zei
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Studenten- und Akademiker
verbandes Österreichs,
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W
per Mail unter academia@
oecv.at, oder telefonisch
unter 01/405 16 22-30 bes
tellt werden.
Redaktion: Anselm Becker, Gerhard
Hartmann, Johannes Haslhofer,
Paul Hefelle, Peter Hofbauer,
David Nagiller, Christoph Rella,
Klaus-Lukas Zimmermann
Aufruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .33
Kommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
Anno Dazumal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
Verlagsleitung: Wolfgang Bamberg
Redaktionsmanagement:
Nora Wisiak
Anschrift: Lerchenfelder Str. 14,
1080 Wien, Telefon: (01) 405 16
22 DW 30, 31. Fax DW 33,
E-Mail: [email protected]
www.academia.or.at
Repro/Druck:
AV+ Astoria Druckzentrum GmbH
Faradaygasse 6
A-1030 Wien, Tel. 01/797-85-0
Hinweis: Beiträge in der ACADEMIA,
die die offizielle Meinung des
Österreichischen Cartellverbandes
wiedergeben, sind als solche ausdrücklich gekennzeichnet. Alle anderen Veröffentlichungen stellen die
persönliche Meinung des Autors dar.
Fotos/Grafiken:
ACADEMIA-Archiv, ÖCV-Archiv,
www.pixelio.de, www.fotolia.at,
www.pixabay.com, Belvedere,
www.evolution.oevp.at, www.progymnasium.at, IHS Dropoutstudie 2014,
Bengt Sprinzl, Klaus-Lukas Zimmermann, Österreichisches Wörterbuch
Coverfoto: Tanja Pichler
Verkaufspreis:
3 Euro, Abo: 10 Euro/Jahr für Studenten, Normalabo 15 Euro/Jahr.
Für unverlangt eingesandte Manuskripte kann keine Gewähr übernommen werden.
Verkaufsstellen:
Wien 8: ÖCV-Sekretariat,
Lerchenfelder Straße 14
Wien 15: Trafik Evelyne Lippa,
Mareschgasse 32
Bruck/Mur: Trafik Annemarie
Kamper, Herzog-Ernst-G. 23
Hartberg: Trafik Thomas Denkmeyr,
Kircheng. 6
Innsbruck: Trafik Norbert Wacker,
Museumstr. 38
Innsbruck: Trafik Josef Sezemsky,
Brunecker Straße 1
Redaktionell abgeschlossen am:
16. März 2015.
Zum Postversand gegeben am:
26. März 2015.
Präsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
Bei allen personenbezogenen Bezeichnungen gilt
die gewählte Form für
beide Geschlechter.
3
April 2015
Editorial
Liebe Leser!
„,Konservativ‘ wird oft mit ‚reaktionär‘ gleichgesetzt, man wird
manchmal ins ‚rechte‘ = böse Eck gestellt, man verspürt oft starken Gegenwind vom Mainstream. Der ist nämlich ‚modern‘,
‚fortschrittlich‘, ‚tolerant‘ und ‚gegendert‘. Also ‚liberal, links
und gut‘.“, konstatiert die Journalistin Gudula Walterskirchen am 12. Februar 2015 in ihrem Blog. Und weiter: „Vieles
geht einfach zu schnell, zu unüberlegt, zu hastig – und alles
unter dem Druck, nur ja ‚modern‘ sein zu wollen. […] So betrachtet, ist ein neuer Konservativismus ‚modern‘ und sehr angebracht. Er hilft dabei, sich nicht von Moden und dem Zeitgeist
jagen zu lassen, sondern selbst nachzudenken.“ Aber während
in Großbritannien Anhänger der Tories keine Scheu haben,
sich konservativ zu nennen, US-Amerikaner stolz „PROUD
CONSERVATIVE“-Buttons tragen und zahlreiche offen kon-
servative Parteien in Europa mit mehr oder weniger Erfolg
kandidieren, wird Konservativen hierzulande (und somit
auch insbesondere dem Cartellverband) unterstellt, nur
antiquierte und unbrauchbare Lösungsmodelle zu haben
und eine satte und selbstzufriedene Spießbürgerlichkeit zu
vertreten.
Im aktuellen Themenschwerpunkt widmet sich der renommierte Marktforscher Andreas Kirschhofer-Bozenhardt der
konservativen Gesinnung sowie der Frage, wie verbreitet
konservative Gedanken in der Bevölkerung noch sind,
während sich der Amtsträger für Gesellschaftspolitik des
ÖCV, Florian Tursky (AIn), mit den Grundgedanken des
Konservativismus auseinandersetzt. Zwei unterschiedliche
Bestandsaufnahmen zur Frage, ob die ÖVP noch eine konservative Partei ist, legen schließlich Staatssekretär Harald
Mahrer sowie der Journalist Alexander Purger vor.
Auf Phänomene abseits des wissenschaftlich Erklärbaren
verweist Herbert Kohlmaier (Rd EM) und der Steuerberater Michael Neischl (F-B) widmet sich – anlässlich der
Steuerreform – den vielfältigen Berührungspunkten, die
Jesus Christus mit dem Thema Steuern hatte. Nachdem
neben dem Rechnungshof nunmehr auch die Evaluierung durch einen Expertenbericht offen Kritik an der Effizienz der „Neuen Mittelschule“ übt, zeigt der AHS-Lehrer Wolfgang Türtscher (Le) die Schwächen des Modells
auf und plädiert für den Erhalt des Gymnasiums.
Die wenig erfreulichen Studienabbruchszahlen, Erhebung
des Instituts für Höhere Studien und Christopher Tafeit
(ErG) hat interessante Fakten rund um das Thema gekaufter akademischer Titel zusammengetragen. Nach wie vor
polarisiert das „Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetz“ und während ÖVP-Nationalratsabgeordneter
Andreas Zakostelsky (Cl) grundsätzliche Überlegungen
zur Gestaltung von Gesellschaftspolitik in einem Gastkommentar äußert, verweist der Arzt und Diakon Romeo
Reichel (Nc) auf die weitreichenden Auswirkungen des
Gesetzes.
Wolfgang Bamberg (Am), Herausgeber
Herbert Kaspar (Am), Chefredakteur
Redaktionell abgeschlossen am 16. März 2015.
4
Kultur
Darf das sein?
In dem an Jubiläen nicht gerade armen
Jahr 2015 ist auch der Wiener Kongress
ein wichtiges Datum, was durch eine Vielzahl von Publikationen, sowie auch
durch eine Ausstellung im Wiener Belvedere dokumentiert wird. Immerhin war
damals Wien neun Monate lang die
Hauptstadt Europas und es wurde nach
den napoleonischen Kriegen mittels multilateraler Verträge eine Friedensordnung
für Europa geschaffen, die fast 40 Jahre
lang hielt.
Es war eine beachtliche diplomatische
Leistung, da viele Instrumente, die heute
selbstverständlich sind, damals erst mühsam entwickelt wurden. Und das Ergebnis
war immerhin dauerhafter als etwa die
Friedensschlüsse nach dem Ersten Weltkrieg, die schon den Keim des nächsten
Krieges in sich trugen.
Martin Haidinger (BOW) und Günther
Steinbach haben ein gut lesbares Werk
über den Wiener Kongress vorgelegt, das
Jacques Louis David, Napoleon am
Großen St. Bernhard, 1801
© Belvedere, Wien
Thomas Lawrence, Klemens Lothar
Wenzel Fürst von Metternich, um 1815
© Fürst von Metternich Winneburg’sche Domäne
Schloss Johannisberg-Rheingau
Foto: Stanislaw Chomicki, Wiesbaden
den Gegenstand aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet –
vom politischen und kulturellen
Umfeld bis über die handelnden
Personen hin zum Spionagewesen, das damals eine Hochblüte erlebte. Überhaupt war der gesellschaftliche Rahmen mit Redouten,
Praterfesten, Konzerten, Theateraufführungen, Tableaux Vivants, Paraden, Umzügen, Feuerwerken, Jagden,
Schlittenfahrten, kirchlichen Feierlichkeiten und überaus wichtigen „Salons“
überaus üppig ausgestaltet, weshalb man
den Eindruck gewinnt, dass das Rahmenprogramm im Vordergrund stand.
Und so stellen die Autoren auch trocken fest: „Am 9. Juni 1815 war es endlich
so weit. Mit einer Verspätung von neun Monaten und sieben Tagen trat der Wiener Kongress, der am 1. November 1814 beginnen
hätte sollen, zu seiner ersten Sitzung zusammen. Es war zugleich die letzte. Das Ergebnis
Martin Haidinger
/ Günther Steinbach
Der Wiener Kongress
Jahrhundertspektakel
zur Machtverteilung
Edition Steinbauer
Wien, 2014
ISBN: 978-3-902494-73-3
der vielen Verhandlungen, Gespräche, Intrigen und Schachzüge in verschiedenen Hinterzimmern, am Rand von Bällen und Empfängen und auch in dem einen oder anderen
Schlafzimmer konnte abgesegnet werden.“
Ein wichtiges Ergebnis des Wiener Kongresses war auch, dass Russland mit dem
Ende der napoleonischen Kriege als europäische Großmacht etabliert war. Erzherzog Johann meinte damals „Russland
drängt nach Westen – darf das sein?“. 200
Jahre später scheint der Drang nach Westen neue Formen anzunehmen, Zeit für
einen neuen Wiener Kongress?
HK
Europa in Wien
Der Wiener Kongress war aber nicht nur ein
wichtiges politisches Ereignis, er hatte auch eine
große kulturelle Dimension, die eine Ausstellung
im Unteren Belvedere lebendig macht. Es ist eine
kulturelle Leistungsschau Wiens zu Beginn des 19.
Jahrhunderts. Anhand von Kunstwerken aber auch
wichtigen Dokumenten wie etwa der Originalpartitur von Beethovens Eroica oder auch der Schlussakte des Wiener Kongresses wird in neun Sälen
und ebenso vielen Kapiteln das kulturelle Umfeld
beleuchtet.
Selbstverständlich wird – wie beim Belvedere üblich – die Ausstellung wieder durch einen umfangreichen Katalog begleitet.
Der Wiener Kongress 1814/15
20. Februar bis 21. Juni 2015
Infos und Tickets unter: www.belvedere.at
Schlussakte des Wiener Kongresses
(„Österreichisches Exemplar“), 1815
Österreichisches Staatsarchiv, Abteilung HHStA
Foto: © Andy Wenzel/BKA
5
April 2015
Titel
Andreas Kirschhofer-Bozenhardt
Konservativismus:
Das zerrissene Bewusstsein
Politische Gesinnungen treten
nicht nur durch Worte, sondern
auch nonverbal in Erscheinung.
Am deutlichsten zeigt sich das
beim griechischen Finanzminister
Varoufakis, der seine förmlich gekleideten europäischen Amtskollegen krawattenlos, mit heraushängendem
Hemd und mit einer Hand in der Hosentasche von seinem extrem linken
Wirtschaftsverständnis zu überzeugen
versuchte. Ähnlich salopp gekleidet
gefällt sich der ORF-Wetterfrosch Markus Wadsak, wenn er nicht nur krawatten-, sondern auch kragenlos in
betontem Freizeitlook ein Millionenpublikum darüber berät, ob es am
nächsten Tag den Regenschirm mitnehmen soll oder nicht.
Zum modernen Gehabe gehören
häufig auch ein Dreitagebart und –
falls genügend Masse vorhanden – das
Bündeln langer Haare zu einem Knoten oder Pferdeschweif. Hinter all dem
steckt die unausgesprochene Ansage:
„Ich pfeife auf eure altväterischen Traditionen, ich bin nicht so und will auch
nicht so sein wie ihr, ich bin individuell,
unangepasst, progressiv.“
Auch die artverwandten Zeitgenossen aus der quasiintellektuellen Boheme geben durch ihr Outfit (schwarzes Jackett, schwarzes Hemd und
schwarzer Schlips) zu verstehen, dass
sie sich von der Masse und den Traditionalisten bewusst abgrenzen möchten. Die politische Färbung der Krawattenlosen und der Schwarzhemden ist
in der Regel rot oder grün, nur höchst
selten bürgerlich oder konservativ.
6
Welche modischen Allüren und
Charakteristika haben eigentlich die
politischen Antipoden der Progressiven und deren Nachahmer?
Die Antwort darauf ist schwierig,
fast unmöglich. Besitz und Bildung
stellen jedenfalls keine gesicherten
Trennmerkmale dar. Das war einmal
anders. In früheren Zeiten, insbesondere im 19. Jahrhundert, in das die
Entstehung konservativer Parteien in
England und Preußen fiel, hatte die
Zugehörigkeit zu sozialen Milieus
klare Konturen. Die Klammern des
Konservativismus waren einstmals Privateigentum, Selbstständigkeit, wirtschaftlicher, politischer oder militärischer Einfluss, dazu christliche
Frömmigkeit, Patriotismus und eine
starke Bindung zum Staat.
Bewahrer des Bewährten
Der Strukturwandel der Gesellschaft
als Folge der industriellen Revolution
und das Entstehen einer breiten Mittelschicht, in der auch das Heer der
Angestellten, Beamten und Facharbeiter angesiedelt ist, hat die Szene
gründlich verändert und zu einer Spaltung des bürgerlichen Bewusstseins
geführt. Das fand auch in den begrifflichen Verformungen einen Ausdruck,
die den politischen Wandel in
Deutschland markierten, wo die Altkonservativen, die sich nach 1848 die
Verteidigung von Monarchie, ständischer Gliederung und Christentum
zum Ziel gesetzt hatten, zunächst zu
Deutschkonservativen (Reichspartei
genannt) mutierten. In der Folge begann das im weitesten Sinne bürger-
liche Lager bis in die Gegenwart hinein in den verschiedensten Wortprägungen zu schillern. Zur politischen
Kartographie zählten Begriffe wie
rechtskonservativ, linkskonservativ,
bürgerlich-konservativ, fortschrittlichkonservativ oder Ableitungen wie
christlichsozial, christdemokratisch,
nationalliberal, bürgerlich-national,
bürgerlich-liberal, großbürgerlich oder
kleinbürgerlich.
In all diesen Bezeichnungen
steck(t)en mehr oder weniger große
Schnittmengen einer bestimmten
Grundgesinnung. Bindungsfaktoren
waren vor allem die Bejahung des Privateigentums und das Bekenntnis
zum Christentum. Beides hat sich in
einer stark veränderten Welt abgeschwächt. Vor allem durch die zunehmende Säkularisierung sind Teile des
konservativen Markenkerns weggebrochen.
Eine Schwäche des Konservativismus besteht zweifellos darin, dass er
sich hauptsächlich als Abwehrreflex
gegen links manifestiert. Er hat Defensivcharakter, entwickelt keine Konzepte und eignet sich eher zur Beschreibung eines politischen Lebensgefühls
als eines Programms. Sein Grundmuster ist nicht das Verändern, sondern
das Bewahren des Bewährten. Das
rückt ihn zu unrecht in die gedankliche
Nähe von Fortschrittsfeindlichkeit. In
jedem Fall hätte Konservativismus in
der Gegenwart eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe, wenn man
sich die veränderten Wertvorstellungen in den westlichen Industrieländern
vor Augen führt. Kennzeichnend für
die Entwicklung ist die Abkehr von
christlicher Gläubigkeit, nachlassendes
Bildungsstreben, Unlust an Eigeninitiativen, Entfernung vom marktwirtschaftlichen Denken, Hang zur
Promiskuität, Stärkung der Homosexuellenrechte, sinkendes Heimatbewusstsein sowie der Bedeutungsverlust
nationaler Traditionen und Verhaltensweisen. Gefördert wird diese Entwicklung durch die Asymmetrie unserer Medienwelt mit ihrem Übergewicht
an rot-grüner Mainstream-Publizistik,
nicht zuletzt aber auch durch das
Unvermögen der eigenen parlamentarischen
Vertretungen bei der
Verteidigung bürgerlichkonservativer Anliegen.
Unter diesen Umständen ist die Bewusstseinspflege einer bürgerlich konservativen
Wertordnung eine Aufgabe von hohem Rang. Worauf es ankommt ist
nicht moralischer Rigorismus, sondern
eine Leitlinie, die Ernst Jünger, der Vertreter eines konservativen Humanismus, so formulierte: „Konservativ ist
nicht das Hängen an dem, was gestern
war, sondern an dem, was gilt“.
Es stellt sich die Frage, wie verbreitet
das konservative Bewusstsein in der
Bevölkerung ist.
Um Aufschluss darüber zu gewinnen, hat das IMAS auf der Basis von
skaliert abgefragten Erwartungen nach
Bewusstseinsfamilien gesucht und ist
dabei auf drei deutlich unterscheidbare Denkmuster gestoßen.
Die mit Abstand größte Bewusstseinsfamilie lässt sich als bürgerlich/konservative Ordnungsidealisten
beschreiben. Ihre typologischen Merkmale bestehen aus der Forderung nach
Anpassung der Ausländer an unsere
Lebensweise, dem Bewahren österreichischer Traditionen, der Förderung
kinderreicher Familien und dem Eintreten für Sitte und Moral. 46 Prozent
der Erwachsenen vertreten diese Auffassungen in massiver Weise, 21 Prozent in einer mittleren Intensität, die
restlichen 33 Prozent so gut wie gar
nicht.
Der zweitgrößte Cluster besteht aus
Personen, die ein marktwirtschaftliches
Denken kennzeichnet. Bei 26 Prozent
der Österreicher ist das marktwirtschaftliche Bewusstsein in ausgeprägter Form und bei weiteren 41 Prozent
in mittlerer Stärke vorhanden.
Wör
Quelle: Österreichisches
terbuch
Vergleichsweise am seltensten stieß
die demoskopische Sonde auf nivellierende Forderungen wie etwa unterschiedslose Einkommen, Einführung
von Höchstgrenzen für Gehälter oder
die Aufhebung der Klassen in den
Krankenhäusern. Lediglich elf Prozent
wünschen sich solche Dinge sehr intensiv, 41 Prozent in mittlerer Ausprägung, 48 Prozent gar nicht. Die soziale
Einebnung der Gesellschaft wird trotz
aller Kritik am Auseinanderklaffen
von Arm und Reich von der Bevölkerung also kaum befürwortet.
Stabilitätspräferenz
Angesichts dieser Bewusstseinslage
ließe sich vermuten, dass die Österreicher sich selbst in großer Zahl eine
konservative Denkweise bescheinigen. Dies ist jedoch keineswegs der
Fall. Im Gegenteil: Als das IMAS einen
repräsentativen Querschnitt anhand
einer Listenvorlage bat, jene Personengruppen zu benennen, denen
man sich zugehörig fühlt, identifizierten sich nur acht Prozent der Befrag-
ten mit „Konservativen“. Auch von
den ÖVP-Anhängern halten nur 15
Prozent diesen Begriff als passend für
sich selbst.
Zum Vergleich: 61 Prozent der
Österreicher sehen sich selbst als Familienmenschen, 38 Prozent als Heimatverbundene, 33 Prozent als Mittelschicht, 26 Prozent als Angehörige der
Arbeiterklasse, 24 Prozent als Bürgerliche, 13 Prozent als Europagesinnte, acht
Prozent als Liberale. Am allerwenigsten
identifiziert sich die Bevölkerung (nämlich zu
lediglich drei Prozent)
mit Leuten, die eine
starke Linksorientierung
haben.
Es ist unverkennbar, dass die Österreicher politisch
nicht besonders bekenntnisfreudig
sind und eine Scheu davor haben,
sich zu deklarieren. Das ändert nichts
daran, dass die Wähler von den Politikern und Parteien sehr wohl klare
Positionen und das Einhalten von
Grundsätzen erwarten. Der deutsche
Publizist Alan Posener brachte es kürzlich in der Tageszeitung „Die Welt“
auf die einfache Formel: „Wer rechts
wählt, will auch eine Politik rechts der
Mitte haben, wer links wählt, links der
Mitte“.
Und noch etwas entspricht einer
empirischen Erkenntnis: Wahlen werden heutzutage mit lautstarken Versprechen von Reformen und Veränderungen vorbereitet, von der rasch
alternden Gesellschaft aber insgeheim
nach dem Eindruck von Stabilität entschieden.
Das muss nicht immer ein Nachteil
sein.
Der Autor
Andreas Kirschhofer-Bozenhardt ist Gründer
des Linzer Marktforschungsinstitutes IMAS.
7
April 2015
Titel
Florian Tursky
Das Gewissen
eines Konservativen
In der Schulzeit eines heutigen
Studenten wird einem von allen
Lehrern, Mentoren und auch oft von
so manchem Elternteil eingeredet,
dass das Wort konservativ prinzipiell
negativ behaftet ist.
Fortschritt, Solidarität und Weltoffenheit werden mit Liberalität und
Sozialismus assoziiert – Konservativismus hingegen mit Altem, Verstaubtem und Rückschrittlichem verbunden. Doch was ist eigentlich
„konservativ“ und warum bezeichnen die Außenwelt und oft auch wir
den Cartellverband als konservativ?
Ist es unsere Ideologie, konservativ zu
sein?
Eine Zeitreise zu unseren
Anfängen
Wenn man im Lexikon nachschlägt, wird der Konservativismus –
neben dem Liberalismus und Sozialismus – als eine der großen politischen
Ideologien der letzten Jahrhunderte
bezeichnet. Nach Gustav Eduard Kafka sind Grundideen des Konservatismus unter anderem der Glaube an
das Walten der göttlichen Vorsehung
in der Geschichte und die Einsicht in
die Unzulänglichkeit der menschlichen Vernunft, die Vielfalt des historisch Gewachsenen in der Gesellschaft
im Unterschied zur uniformen Freiheit für alle, die Tradition in der Gestalt der unbewussten Weisheit der
Ahnen oder die Einheit von bürgerlicher Freiheit und Privateigentum. Als
sich die katholischen Studentenver-
8
bindungen gegen die antiklerikalen
und liberalen Strömungen des 19.
Jahrhunderts auflehnten, verfolgten
sie klar diese konservativen Leitwerte.
Durch die Wahl des Prinzips Religio
in Verbindung mit einer „pro-österreichischen“ Gesinnung – ursprünglich gegenüber dem Herrscherhaus –
wurden der Konservativismus und der
Ultramontanismus – also der romtreue politische Katholizismus – sowie
die Ideen der späteren Katholischen
Soziallehre zur Ideologie des Cartellverbandes.
„Zu Anfang der 60er Jahre machte sich
ja eine allgemeine Ermüdung und Verdrossenheit des katholischen Lebens bemerkbar. Abgestoßen von den Auswüchsen des politischen Kampfes zogen viele
Katholiken sich ganz aus dem öffentlichen Leben zurück. Kluge, klarblickende
Männer suchten nach Kräften, dieser
Stimmung entgegenzuwirken.“ So charakterisierte Karl Bachem 1932 die Zeit
der Gründung der ersten katholischen
Verbindungen und Vereine in
Deutschland und Österreich im 19.
Jahrhundert.
Katholische Verbindungen haben
sich in einem politischen Klima gegründet, das dem heutigen sehr ähnlich ist. Die Zeiten haben sich also
scheinbar wenig geändert: Heute wird
den als „konservativ“ bezeichneten
Menschen eine gewisse Rückschrittlichkeit nachgesagt. In vielen Medien
wird alles, was nicht den ständigen
Fortschritt und das Zerwürfnis von bestehenden Systemen und Werten beinhaltet, als Rückschritt bezeichnet.
Veränderung wird automatisch mit
Fortschritt und Beibehaltung automatisch als Stillstand bezeichnet. Viele
politische Debatten der letzten Jahre
zeugen davon. Insbesondere kommt
uns dabei die Abtreibungsdebatte ins
Gedächtnis. Doch eines hat sich in
den vergangenen Jahrzehnten massiv
verändert: Der Konservative der
50/60er Jahre stand noch überzeugt
für seine Meinung und Ideologie ein
und versuchte andere davon zu überzeugen. Heute kommt einem vor, dass
die Konservativen ohnmächtig und
mit einer gewissen Resignation zusehen, wie sich die Gesellschaft Schritt
für Schritt weg von ihren Wertvorstellungen entwickelt. Dazu kommt noch
eine spürbare Zunahme von Religions- und Kirchenfeindlichkeit in den
Medien.
Schweigende Masse
Der Grundgedanke des Konservativismus ist dabei jedoch nicht der
immerwährende Stillstand und die
Beibehaltung anachronistischer Gesellschaftsvorstellungen. Es geht darum, nicht jedes alte System und alte
Werte als negativ zu sehen, sondern
gute, bewährte Systeme beizubehal-
ÖCV-Bildarchiv, Gerhard Labschütz
Tradition und studentisches Brauchtum sind für
den ÖCV auch wichtig,
aber nicht nur. Inhaltlich
denken die über 150 Jahre
alten Verbindungen – basierend auf einem soliden
Wertefundament – über
heutige Lösungen in Staat
und Gesellschaft nach.
ten, an Werten festzuhalten, aber auch überholte Systeme zu erneuern. In der politischen
Debatte lässt sich heute
der Konservative jedoch
gerne in die Ecke treiben, er lässt sich als
„Blockierer“ darstellen,
wenn er nicht jeder sozialistischen oder angeblich liberalen Idee nachgibt. Die bürgerliche und oft auch konservative
Masse sieht dabei schweigend zu, da
es nicht ratsam ist, sich gegen den vermeintlichen Fortschritt zu stellen.
Stattdessen müsste man als Konservativer unseren sozialistischen-liberalen-Freunden sagen bis hierhin und
nicht weiter. Der Schlüssel wird sein,
als Konservativer wieder Mut zu seiner Ideologie zu haben, dafür einzustehen, auch wenn der mediale Mainstream (der übrigens oftmals weit weg
ist vom Mainstream der Menschen)
entgegenbläst. Ein Konservativer wägt
die Sinnhaftigkeit von Veränderungen ab. Er überprüft, ob sie seinem
Wertesystem entsprechen, ob sie Verbesserungen gegenüber dem alten
System mit sich bringen und lehnt sie
nicht aus Prinzip oder aus Angst vor
Neuerungen ab.
Konservative müssen davon überzeugt sein, dass ihre Idee, wie die Gesellschaft funktionieren soll, die richtige ist eine Grundannahme jeder
politischen Ideologie. Aber ein Konservativer stellt dabei niemals den totalen Wahrheitsanspruch. Die Linke
hat nicht diese Bereitschaft zum Abwägen und Differenzieren, denn sie
weiß sich im Besitz der Wahrheit, womit jede davon abweichende Meinung als falsch, demokratiefeindlich
und böse qualifiziert wird. Die linke
Meinungsfreiheit endet bei der eigenen Meinung. Für differenziert denkende Konservative ist der Umgang
mit einem solchen Wahrheitsanspruch, der auch nichts mit einem
christlichen Menschenbild zu tun
hat, besonders schwierig, und vermittelt ein Gefühl der Ohnmacht. Deshalb wird es umso wichtiger sein, für
Dinge zu kämpfen, fest in Glaube und
Ideologie zu sein und mit gutem Gewissen stolz ein Konservativer zu sein.
Chance für den CV
Die aktuelle Chance liegt dabei klar
auf der Hand: Der Cartellverband ist
eine der letzten (fast) geschlossenen
konservativen Organisationen in
Österreich. Er kann, gerade als Verband von Akademikern, als wichtiger
Ideengeber und Think Tank für unsere
Republik arbeiten. Aufgrund der innenpolitischen Verhältnisse sind Koalitionen und damit Kompromisse angesagt. Die Aufgabe der Konservativen
sollte dabei sein zu versuchen, wieder
mehr Menschen von den Vorteilen einer werteorientierten konservativen
Politik zu begeistern.
Darin wird am Ende die Chance für
ein bürgerliches Österreich liegen, das
von Werten wie Solidarität, Subsidiarität, Leistungsbereitschaft und Eigenverantwortung dominiert wird und
nicht von populistischer Nivellierungs- und Neidpolitik.
Der Autor
Florian Tursky (AIn) war Vorortspräsident
im Studienjahr 2013/14 und ist Amtsträger
für Gesellschaftspolitik des ÖCV.
9
April 2015
Titel
Harald Mahrer
In der Fragestellung, ob die ÖVP eine
konservative Partei sei, spiegelt sich
eine traditionsreiche innerparteiliche
www.fotolia.com
Ist die ÖVP eine
konservative Partei?
und vor allem mediale Debatte wider.
Soll die ÖVP eher konservativ,
eher christlich-sozial oder eher
liberal ausgerichtet sein?
Diese Debatte mag Journalisten,
programmatische Connaisseure und
andere professionelle Rechthaber beschäftigen. Relevant ist, ob und wie
die unterschiedlichen ideengeschichtlichen Perspektiven der Volkspartei
gemeinsam einen Beitrag leisten können, die Welt von heute besser zu verstehen und auf dieser Basis überzeugende Antworten der politischen
Gestaltung zu geben.
Das Konzept einer christdemokratischen Volkspartei, in welcher die politischen Ideen des Konservativismus,
des Liberalismus und der christlichen
Soziallehre in einem internen, produktiven Wettbewerb stehen, ist ein
Erfolgskonzept. Der in Princeton lehrende Experte für Politische Theorie
und Ideengeschichte, Jan-Werner
Müller, bezeichnet
in seinem Buch „Das
demokratische Zeitalter“ (Suhrkamp,
2013) die Christdemokratie als eine der
„wichtigsten ideologischen Innovationen
der Nachkriegszeit und eine der bedeutendsten des europäischen 20. Jahrhunderts überhaupt.“ Ihre Anführer seien
zu politischen Neuerungen bereit gewesen, während ihre Intellektuellen
diese Neuerungen in weitestgehend
10
traditionelle Vokabulare zu kleiden
vermochten.
Diese Qualitäten sind mit Blick auf
die Zukunft wichtiger denn je. Deshalb ist es von großer Bedeutung, alle
drei programmatischen Wurzeln der
Volkspartei gemeinsam weiterzuentwickeln – und sie nicht gegeneinander
auszuspielen:
sich zu bewähren. Aber bewähren
muss es sich natürlich.
• Als Volkspartei liberal sein heißt
heute vor allem, es nicht zuzulassen,
wenn jemand an unserer Freiheit rüttelt. Sei es in Form von überbordender
staatlicher Regierung und (Daten-)
Kontrolle, sei es in Form der Beschränkung unserer wirtschaftlichen
Freiheit und unserer Eigentumsrechte, etwa in Form übermäßiger Besteuerung.
• Als Volkspartei konservativ sein
heißt heute vor allem, skeptisch zu
sein. Wir Bürgerliche sind kritisch gegenüber politischen Marktschreiern.
Wir glauben nicht alles, was uns als
neu, besser und anders verkauft wird.
Wir geben dem Neuen die Chance,
• Als Volkspartei christlich-sozial
zu sein heißt heute vor allem, das
Sozialwesen und die Sozialpolitik weiterzuentwickeln. Wir sind uns dessen
bewusst, dass das Recht einer Person
auf eine soziale Leistung die Pflicht
für eine andere bedeutet, diese zu erbringen oder zu finanzieren. Es ist
Drei Wurzeln
wichtig, dass im Sozial- und Wohlfahrtsstaat Rechte und Pflichten
transparent sind.
Die Weiterentwicklung und Ausformulierung der programmatischen
Wurzeln der Volkspartei ist Gegenstand des groß angelegten Evolutionsprozesses. An seinem Ende soll
und wird nicht eine konservativere,
eine christlich-sozialere oder eine liberalere Volkspartei stehen, sondern
eine Volkspartei auf der Höhe der
Zeit.
Mittelstand im Focus
So werden wir uns sehr klar auf
den Mittelstand ausrichten. Er ist
und bleibt der Dreh- und Angelpunkt unseres Gesellschaftsmodells.
Der Mittelstand sind letztlich alle,
die durch Leistung, Fleiß, Einsatzbe-
reitschaft, Verantwortung, Verlässlichkeit, aber auch mit Augenmaß,
etwas für sich, ihre Familien, die Unternehmen und das Land bewegen
wollen.
Wir werden uns auch verstärkt auf
unser Wirtschafts- und Sozialmodell
der Ökosozialen Marktwirtschaft konzentrieren – eine ordnungspolitische
Innovation, die das Copyright der
ÖVP trägt. Nach den Verwerfungen
der Finanz- und Wirtschaftskrise ist
die Ökosoziale Marktwirtschaft mit
ihren Kernwerten der Freiheit, Leistung, Solidarität und Nachhaltigkeit
ein wirklich zukunftsfähiger Rahmen
für die Marktwirtschaft – in Österreich
und in Europa.
Ein zentrales Thema im Evolutionsprozess und im neuen Programm ist
auch die digitale Welt. Unser konkretes Ziel ist, dass Österreich auf Basis
erstklassiger Ausbildung und bester
infrastruktureller Rahmenbedingungen eine führende Rolle in der Entwicklung digitaler Medien einnimmt
– und nicht länger auf der Zuschauerbank sitzt.
Klarer ordnungspolitischer Rahmen, starke Mitte, offen für die Zukunft: Das sollen künftig Markenzeichen der Volkspartei sein. Einer
Volkspartei, die mit ihrer Politik Maß
an der Wirklichkeit und am Menschen nimmt. Und die in der Mitte
der Gesellschaft daheim ist. Dafür sind
christdemokratische Volksparteien
nun einmal da.
Der Autor
Dr. Harald Mahrer ist Staatssekretär im
Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft sowie Präsident der
Julius-Raab-Stiftung.
Arbeitsplätze
schaffen.
Österreichs Industrie sichert direkt und indirekt 2,4 Millionen Jobs.
Die Menschen und die Unternehmen brauchen eine Entlastung bei den Arbeitskosten.
Eine Vermögensbesteuerung aber würde heimische Arbeitsplätze vernichten.
Foto: dieindustrie.at/Mathias Kniepeiss
www.iv-net.at
11
April 2015
Titel
Alexander Purger
Eine Partei in „Verzopft“-Panik
Warum die ehemals konservative
ÖVP so ist, wie sie heute ist.
Der Niedergang der Printmedien
hat einen hausgemachten Grund: Sie
vertreiben ihre alten Leser. Irgendwelche Werbefuzzis haben den Zeitungen
eingeredet, dass nur junge Leser zählen, weil nur junge Leser für die Inserenten interessant seien. Das ist natürlich blanker Unsinn, aber die
Zeitungen richten sich danach. Sie
vollführen die abenteuerlichsten Verrenkungen, um Leser aus der Generation Internet anzulocken (die sie ohnehin nicht bekommen) und stoßen
damit ihre alten, treuen Leser vor den
Kopf. Im Endeffekt haben sie beide
Gruppen nicht – weder die Alten noch
die Jungen.
Warum dieser Umstand hier so ausgewalzt wird? Weil die Parallelen zur
ÖVP unübersehbar sind. Irgendwelche Werbefuzzis haben dieser Partei
eingeredet, dass nur junge Wechselwähler zählen, weil nur sie die Zukunft seien. Das ist natürlich der blanke Unsinn, aber die ÖVP richtet sich
danach. Sie vollführt die abenteuerlichsten Verrenkungen, um junge
Wechselwähler anzulocken (die sie
ohnehin nicht bekommt)
und stößt damit ihre alten,
treuen Wähler vor den
Kopf. Im Endeffekt hat sie
beide Gruppen nicht – weder die Alten noch die
Jungen.
Auf der Jagd nach dem unbekannten Wechselwähler ist die ÖVP bereit,
jegliche Grundsätze über Bord zu werfen. Die von ihr federführend gestaltete Anti-Familien-Politik der Großen
Koalition besticht seit Jahrzehnten
durch ihre eiserne Konsequenz, ihre
12
Steuerpolitik gefällt sich in immer horrenderen Strafsteuern für Fleiß und
Intelligenz. Dazu die Anbetung der
„Gesellschaft“ als Löserin aller Probleme, das aufreizende Desinteresse an
der Landesverteidigung – es gibt
unendlich
viele Beispiele
dafür, dass
sich die ÖVP
von
ihrem
ewigen Koalitionspartner SPÖ höchstens noch in den Sonntagsreden, aber
längst nicht mehr in der konkreten
Politik unterscheidet. Die meisten
handelnden Personen der BundesÖVP kann man sich problemlos auch
bei der SPÖ vorstellen. Man denke nur
an die Frau Familienminister.
Auf dem Todestrip
Dass sich eine Partei allein aus krausen PR-Überlegungen auf einen derartigen Todestrip begibt, ist erstaunlich, aber nur die halbe Wahrheit. Die
andere Hälfte der Erklärung liegt im
nicht mehr vorhandenen Selbstbewusstsein der Konservativen begründet. „Konservativ“ ist heute ein Etikett, das sich kein Politiker mehr
freiwillig anheften lässt. Klingt ja
schon wie auf dem halben Weg zum
Rechtsradikalen. Noch schlimmer ist
„verzopft“. Jeder ÖVP-Politiker hat panische Angst davor, als verzopft bezeichnet zu werden. Und da es mittlerweile schon als verzopft gilt, für den
Pflichtschulabschluss auch nur ein
Mindestmaß an Leistung und Wissen
zu verlangen, lebt die ÖVP permanent
in panischer „Verzopft“-Angst.
Einzig allein aus diesem Grund hat
die ÖVP 2011 übrigens der Einführung der Neuen Mittelschule zugestimmt. Logisch
wäre es gewesen,
vor der Übernahme dieser
Schmalspur-Gesamtschule ins
Regelschulwesen einen wenigstens
vierjährigen Probelauf abzuwarten,
um zu prüfen, was diese neue Schulform eigentlich bringt. Aber das wäre
eindeutig verzopft gewesen. Also
stimmte die ÖVP der Erfindung aus
dem Hause Claudia Schmied eilig und
ohne ausreichende Erprobung zu. Die
Effekte dieser Entscheidung kann man
heute in Rechnungshof-Berichten
nachlesen. Die Neue Mittelschule kostet 300 Millionen Euro und liefert
schlechtere Bildungsergebnisse als die
gute, alte Hauptschule. Aber immerhin: Die ÖVP galt drei Tage lang nicht
als verzopft, sondern als modern. Das
muss dem Steuerzahler schon 300 Millionen Euro wert sein.
Doch hat es der ÖVP eine einzige
Stimme gebracht? Davon wäre nichts
bekannt. Und hat die ÖVP aus ihrer
damaligen Fehlentscheidung gelernt?
Auch davon wäre nichts bekannt. Im
Gegenteil. Die von „Verzopft“-Ängsten gebeutelten Landeshauptleute im
Westen überlegen gerade, nach der
Schmalspur- jetzt auch die echte Gesamtschule einzuführen. Sie wollen
halt auch einmal modern sein.
Der Autor
Alexander Purger ist Redakteur im Ressort
Innenpolitik der „Salzburger Nachrichten“
und stellvertretender Leiter der Wiener
Redaktion.
Religion
Herbert Kohlmaier
Mehr als nur ein „Supermarkt“
Replik auf den Artikel
„Supermarkt Esoterik“ von
Lukas Zimmermann (F-B) in der
ACADEMIA, Oktober 2014.
Es ist verständlich, dass es in Bezug auf die „Esoterik“ Ablehnung
gibt. Nicht wenige machen ja ihr Geschäft mit allerlei Praktiken, die auf
Einbildung oder gar Täuschung beruhen. Man denke nur an die dümmlichen Zeitungshoroskope oder an
den in elektronischen Medien boomenden Supermarkt des Irrationalen.
All diese Erscheinungen sind als Fehlentwicklungen und Missbrauch in einem Gesamtkomplex anzusehen, der
höchst vielfältig und keineswegs nur
unseriös ist. Wir sind nicht nur von
Realem und naturwissenschaftlich
Erforschbarem umgeben, sondern leben sehr wohl auch in Sphären des
Unerklärlichen. Der bekannte Quantenphysiker Anton Zeilinger (M-D)
sagt dazu, dass es ein Leben „außerhalb der materiellen Welt“ gebe, näm-
lich in einer „geistigen Welt“.
Diese zu erforschen stellt sich die
Menschheit seit je her als Aufgabe.
Nüchtern betrachtet tun auch die Religionen nichts anderes. Auch sie bewegen sich im nicht Beweisbaren,
weswegen sie von einer rein rationalen Weltsicht abgelehnt werden. Seit
einiger Zeit bemüht man sich aber um
einander respektierende Nichteinmischung – das Geschehen in der Natur
soll nicht aus dem Glauben und dieser
wiederum nicht naturwissenschaftlich
beurteilt werden. Doch der Atheismus
drängt voran.
Jenseits des Rationalen
So sehr die Religionen „Wahrheiten“ verkünden und sich auf Akte
göttlicher Offenbarung berufen, stehen auch sie auf dem unsicheren Boden jenseits des Rationalen. Das gilt
auch für unseren katholischen Glauben, dessen Schriften zahlreiche Geschehnisse beschreiben, die man eigentlich in den „esoterischen“ Bereich
verweisen müsste: Dämonen werden
ausgetrieben, in Träumen werden
göttliche Weisungen empfangen und
Verborgenes wird prophetisch erkannt. Auch hier geht es um Wahrnehmungen und – etwa bei der Brotvermehrung – um Vorgänge jenseits
allem Naturwissenschaftlichem.
Wie ist wirklich mit all dem umzugehen? Zwei jüngst erschienene lesenswerte Bücher befassen sich damit
aus wissenschaftlicher Sicht. Der USPhysiker Russel
Targ („Die Welt ist
anders, als sie zu
sein scheint“) beschreibt anhand
von zuverlässigen
Experimenten,
wie Menschen in
der Lage sind,
über örtliche und
zeitliche Distanz
hinweg Situationen zu beschreiben.
Der deutsche Informatikprofessor Eckhard Kruse („Der Geist in der Materie –
13
April 2015
Religion
Die Begegnung von
Wissenschaft und Spiritualität“) lässt „Schuwi“ (Abkürzung für
Schulwissenschafter)
und „Eso“ (Esoteriker) aufeinandertreffen, aber beide haben
für ihn sehr wohl
ihre Daseinsberechtigung!
Was also wesentlich ist: Die unendlich weite Welt des Geistes kann von
den (akademischen) Wissenschaften
nicht erforscht und erklärt werden.
Uns fehlt das Instrumentarium, um
das, was unter den Sammelbegriff Esoterik fällt, exakt auf Seriosität oder Unhaltbarkeit zu überprüfen. Wenn etwa
Mediziner Nahtoderlebnissen oder außerkörperlichen Erfahrungen nachgehen, nehmen sie Phänomene wahr,
deren Deutung letzten Endes ungewiss bleibt. Aber durch die gesamte
Geschichte der Menschheit wird
glaubhaft von unerklärlichen Ereignissen und Fähigkeiten berichtet.
Immer zeigt sich aber für den, der
sich mit unerklärlichen Phänomenen
oder Fähigkeiten forschend auseinandersetzt, neben eindeutig Feststellbarem das Phänomen einer Unschärfe,
des nicht Präzisen und Exakten. Kann
systematisches Gebet Gesundung fördern? Durchgeführte Experimente
sollen das angeblich belegen oder
auch widerlegen. In der Kirche ist Voraussetzung einer Selig- oder Heiligsprechung, dass die Anrufung des
betreffenden Verstorbenen eine unerklärliche Heilung bewirkte. Jedoch:
Gibt es eine heilende Kraft des Gebets
nur im kirchlichen Umfeld oder ist sie
allen Menschen gegeben? Damit wäre
es unredlich, samt und sonders jene
als Scharlatane abzutun, die mit Einsatz geistiger Kräfte Heilung versuchen. (Übrigens: Der Vatikan fördert
14
den Exorzismus kräftig!)
Die medizinische Wissenschaft ist sich uneinig, ob die Homöopathie
tatsächlich wirksam ist.
Manche halten es für absurd, dass die Wirkung einer Substanz durch Verdünnung gar verstärkt
werden könne – dies widerspräche den Gesetzen
der Chemie! Die Vertreter
dieser alternativen Methode meinen
hingegen, dass durch Flüssigkeiten
oder andere Stoffe Informationen
„transportiert“ würden, die eben nicht
exakt messbar seien, aber wirken. Viele Menschen schwören auf das „belebte“ Granderwasser, während andere das als Unfug abtun. Findet ein
Wünschelrutengänger mit überzeugender Sicherheit Wasser unter der
Erde auf, leiten ihn keine „Strahlen“
oder „Felder“ physikalischer Art, sie
sind nicht nachweisbar. Offenbar
„spürt“ er das einfach und die Rute
wird aus seinem Unterbewusstsein bewegt.
Alles nur Einbildung?
Man sieht also: Einfach ist es nicht,
sich im weiten Feld des Unerforschbaren zurechtzufinden! Ein besonderes Kapitel stellt die Astrologie dar. Geradezu wütend wird sie von vielen
Naturwissenschaftlern bekämpft – Planeten und Sternbilder wären doch
ganz einfach nicht in der Lage, Charaktereigenschaften oder Schicksalsabläufe zu beeinflussen! Aber ihre
Kunst ernsthaft betreibende Astrologen behaupten das gar nicht. Sie gehen davon aus, dass es eine sich stets
ändernde Qualität der Zeit gibt, die
sich in den Konstellationen des Kosmos entsprechend einer allumfassenden Einheit („holistisch“) widerspieg-
le, dort ablesbar sei und prägende Wirkung habe.
Wenig bekannt ist, dass auch der
Evangelist Matthäus darauf hinweist.
Bekanntlich waren die heiligen drei
Könige in Wahrheit „Magier“, die zur
Zeit der Geburt Jesu ein auffälliges
Himmelsphänomen wahrnahmen,
nämlich eine Konjunktion von Jupiter
und Saturn im Zeichen der Fische.
Werden Horoskope lege artis erstellt,
ergibt sich oft eine nicht einfach zu
leugnende Aussagekraft, der seit 5000
Jahren nach gleichbleibenden Regeln
nachgegangen wird. Alles nur Einbildung? Weil vom Evangelium die Rede
war: Die Meinung, „Esoteriker“ hätten
keinen Glauben oder nur eine Ersatzreligion, ist falsch. Meist steht im Hintergrund ihres Tuns sehr wohl eine
Überzeugung göttlichen Wirkens.
Einst lehrten vatikanische Akademien
Astrologie.
Jedes Pauschalurteil über Esoterik
ist also unzulässig. Vieles findet sich
hier, was nicht einfach verworfen werden kann. Aber es bedarf unbedingt
des prüfenden kritischen Verstandes,
um sich damit zu befassen, wie es die
als Wissenschaft anerkannte Parapsychologie unternimmt. Das Abgleiten
ins Irrationale oder gar in (Selbst)Täuschung droht, Leichtgläubigkeit wird
ausgenutzt. Doch es bleibt genug, das
man nicht einfach abtun kann, und
uns herausfordert, damit recht umzugehen! Das hat unsere wissenschaftsgläubige Zeit noch nicht geschafft und
neigt zu unbedachten Vorurteilen.
Eine Aufgabe ernsthafter Forschung
bleibt also unerfüllt.
Der Autor
Dr. Herbert Kohlmaier (Rd EM) war führender ÖVP-Politiker und Volksanwalt. Zum
Thema Esoterik schrieb er das Buch
„Schwebende Wirklichkeit – Esoterik und
Christentum – ein Widerspruch?“.
Michael Neischl
Auch das Leben Jesu war, wie
unser eigenes, von Steuergesetzen
und Zahlungen an die Machthaber
beeinflusst, weshalb er sich auch
Dieter Schütz / pixelio.de
Jesus und die Steuern
immer wieder zu diesem Thema
geäußert hat.
Steuern sind seit etwa 5000 Jahren bekannt. Im Laufe der Zeiten
musste eine wahre Fülle verschiedener Steuern und Abgaben als Opfergaben, Zehent, Frondienst oder gar
als Leibeigenschaft geleistet werden.
Zur Zeit Jesu unterschied man neben
den Tempelabgaben zwei Arten von
Steuern: den „Tributum Soli“, die
Grund- oder Dachsteuer, und den
„Tributum Capitis“, die Kopf- oder
Personensteuer. Steuern wurden einerseits eingehoben um das Gemeinwesen zu finanzieren, waren aber immer auch ein Instrument der Macht.
Die üppig fließenden Steuergelder
sorgten für Reichtum und Wohlergehen der Herrscher und wurden zur
Machtdemonstration und Unterdrückung des Volkes eingesetzt. Es verwundert nicht, dass Jesus Christus,
der wie alle Menschen unmittelbar
von den Steuern betroffen war, ganz
bewusst zu diesem Thema Stellung
bezog.
Wie sehr die Steuerregelung auf Jesus Einfluss genommen hat, erkennt
man schon an seinem Geburtsort
(Lk 2, 1-5). Josef sehen wir hier als
Steuerpflichtigen, der bei der Einhebung der Steuern aktiv mitzuwirken
hatte. Da die Steuer noch sehr an
die Familie und Sippe geknüpft war,
musste er zu seinem Sippenstandort
nach Betlehem ziehen und sich dort
eintragen lassen. Das Verfahren war
wie heute amtswegig: der Zensor
Quirinius, vom Kaiser nach Judäa
gesendet, organisierte die Steuereinhebung. Die Veranlagung, die wir
heute über FinanzOnline kennen,
wurde mündlich durch eine eidesstattliche Erklärung durchgeführt.
Ein schönes Bild der Steuern und
Abgaben zeigen die Geschenke der
Heiligen Drei Könige, die höchstwahrscheinlich Gelehrte, hochrangige Verwaltungsbeamte oder Angehörige des persischen Priesterstandes
waren. Geschenkgaben als Opfer
und damit Steuergeschenke waren
zu der damaligen Zeit durchaus üblich. (Der Name „Kaspar“ bedeutet
!"#$%&''
(!)$#*$#+$#
!"#$%&'()*+#,!&+-.)*##
(/#01$+21+$3
4445!162+!"7.1$+2-+2&+25!$
in der persischen Sprache „Schatzmeister“.)
Die Steuerfrage
Als Jesus bereits seine Jünger um
sich geschart hatte und predigte,
herrschte in den Ausläufern des Römischen Reiches großer Unmut in
den Völkern, die hier der römischen
Gesetzgebung unterworfen waren.
Und so wurde eine doppelte Fangfrage von zwei Gruppen an Jesus herangetragen. Auf der einen Seite standen
die Pharisäer, aus denen später die Bewegung der Zeloten entstand, die radikal für Widerstand und Steuerverweigerung eintraten. Auf der anderen
Seite standen Anhänger des Herodes,
die mit den Römern paktierten und
die Steueransprüche der römischen
Herrscher unterstützten: „Ist es erlaubt,
dem Kaiser Steuern zu zahlen, oder
15
April 2015
Religion
nicht? Sollen wir sie zahlen oder nicht
zahlen? Er aber durchschaute ihre Heuchelei und sagte zu ihnen: Warum stellt
ihr mir eine Falle? Bringt mir einen Denar, ich will ihn sehen. Man brachte ihm
einen. Da fragte er sie: Wessen Bild und
Aufschrift ist das? Sie antworteten ihm:
Des Kaisers. Da sagte Jesus zu ihnen: So
gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört,
und Gott, was Gott gehört! Und sie waren
sehr erstaunt über ihn.“ (Mk 12, 13-17)
Der erste Teil der Frage, ob es erlaubt sei, dem Kaiser Steuern zu zahlen, spiegelt die religiöse Ansicht der
Pharisäer wider, die die alleinige und
allumfassende Souveränität ihres Gottes voraussetzten und daher irdischen
Herrschern keine Ansprüche zubilligten. Angeheizt wurde dieser religiöse
Konflikt durch die Münzen der römischen Besatzungsmacht, die das Bild
des Kaisers zeigten. Die Verehrung,
die die Römer ihren als gottgleich betrachteten Kaisern entgegenbrachten,
rief den Unmut des jüdischen Volkes
hervor, das alle fremden Götter ablehnte. Überdies war es strenggläubigen Juden vorgeschrieben, sich kein
Bild von ihrem Gott zu machen.
Der zweite Teil der Frage: „Sollen wir
die Steuern zahlen oder nicht?“ ist eher
als politisch oder steuerrechtlich relevant zu betrachten. Juristisch gilt
bis heute der Grundsatz, dass das Besatzungsrecht dem Recht des besetzten Landes vorgeht. Jesus antwortete
mit zwei Imperativen und bei oberflächlicher Betrachtung könnte man
meinen, Jesus würde zur uneingeschränkten Steuerpflicht seines Volkes Stellung beziehen. Bei genauerem
Hinsehen ist zu erkennen, dass der
zweite Imperativ den ersten bei weitem übertrifft. Zuvor jedoch ließ sich
Jesus einen Silberdenar zeigen, der
vermutlich das Bildnis des Tiberius
(Kaiser von 14 bis 37 nach Christus)
trug. Damit nimmt er den Pharisäern
16
den Wind aus den Segeln, denn diese
lehnten ja die Besteuerung durch die
römische Besatzungsmacht ab. Sie
lehnten auch die Münzen mit dem
Bild des gottgleichen Kaisers ab – und
dennoch hatten sie das Geld bei sich.
„Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört
…“ könnte man auch so interpretieren: „Gebt ihm zurück …“ Der Kaiser
als irdische Macht kann sein irdisches
Geld verlangen. Wichtiger ist jedoch
der zweite Imperativ: Gott hat Anspruch auf sein Eigentum! Als Schöpfer aller Menschen überragt er in seinem Anspruch bei weitem die
römische Besatzungsmacht. Die Antwort, die Jesus gibt, lässt jedem offen,
wie weit er den Anspruch der Besatzungsmacht anerkennt.
Jesus und die Steuermoral
Steuermoral muss es auf beiden Seiten geben. Jesus selbst zahlt Steuern
(Mt 17,24) und er entbindet niemanden von der Bezahlung angemessener
Steuern. Andererseits fordert er auch
die Steuerbehörden zu einer ausgewogenen und gerechten Steuereinhebung auf. Über all dies stellt Jesus immer das Grundgebot der Liebe (Mt 5,
43-45).
Jesus und die Steuerbehörde
Geldwechsler, die im Tempel arbeiteten, waren Mitarbeiter des Tempels
und gleichsam Steuerbehörde, denn
die Tempelabgaben mussten bewertet
und gegebenenfalls auch in landesübliches Geld umgewechselt werden.
Mit der Tempelreinigung (Mt 21, 12)
greift Jesus diese Steuerbehörde und
damit auch indirekt den Hohepriester
des Tempels an. So harsch er in diesem Fall mit den Geldwechslern des
Hohepriesters umgeht, so liebevoll
wendet er sich einem anderen Zöllner
zu und nimmt diesen in die Schar der
Jünger auf (Mt 9, 9-12).
Der Ruf der Zöllner und Steuerpächter war in der damaligen Zeit
nicht besonders gut; sie werden in einem Atemzug mit den Sündern genannt. Umso stärker ist das Zeichen,
das Jesus setzt, als er mit einem Mann,
von dem die Juden annehmen, dass
er mit der Besatzungsmacht kollaboriert, gegen religiöse Regeln verstößt
und die Steuerhoheit des irdischen
Herrschers anerkennt, isst und ihn in
den Kreis seiner Vertrauten aufnimmt.
Der Prozess gegen Jesus
Dass Jesus die Pharisäer vor den Kopf
stößt und indirekt den Hohepriester
Kaiphas durch die Tempelreinigung
angreift, bleibt nicht ohne Wirkung.
Die Pharisäer nützen die Antwort Jesu,
um ihre Absichten durchzusetzen (Lk
23, 2). Um Jesus der römischen Gerichtsbarkeit unterstellen und seinen
Tod fordern zu können, musste der
Messiasanspruch auch auf die weltliche Herrschaft ausgelegt werden. Über
den Vorwurf, Jesus würde die römische
Steuerherrschaft ablehnen und sein
Messiasanspruch würde daher auch
auf die weltliche Herrschaft durchgreifen, gelang es den Pharisäern, Jesus zu
Pontius Pilatus, der auch Finanzverwalter und Steuerrichter war, zu bringen und ihn schließlich kreuzigen zu
lassen.
Möge uns bei der nächsten Steuervorschreibung der Blick auf den differenzierten Umgang und die vielfältigen
Berührungspunkte, die Jesus mit dem
Thema Steuern hatte, trösten.
Der Autor
Mag. Michael Neischl (F-B) ist Steuerberater
in Wien und Ersatzmitglied des Vorstandes
der Kammer der Wirtschaftstreuhänder.
Bildung
Wolfgang Türtscher
Nicht nur der Rechnungshof,
sondern auch eine Expertenkommission haben aktuell das Schei-
www.fotolia.com
Die Neue Mittelschule
ist gescheitert
tern des teuren Experiments der
„Neuen Mittelschule“ bestätigt.
Die 2012 – ohne entsprechenden
Probelauf und Evaluierung! – gesetzwidrig eingeführte „Neue Mittelschule“ (NMS) wird als „Vorläuferin der Gesamtschule“ – so jedenfalls Gabriele
Heinisch-Hosek und Claudia Schmied
– den Erwartungen keinesfalls gerecht.
Ein Anfang März 2015 veröffentlichter
Evaluierungsbericht beklagt, dass die
NMS keine verbesserte Förderung der
leistungsschwächsten Schüler zustande gebracht habe; ja es habe sich die
Lernsituation der Lernschwächeren
sogar noch verschlechtert. Den Grund
dafür sehen Experten in der Tatsache,
dass beim Eintritt in die NMS bereits
wesentliche Weichenstellungen getroffen wurden, und prägende Einflüsse auf das Vorwissen und das Lernverhalten der Schüler bereits stattgefunden haben und nicht mehr grundlegend modifiziert werden können.
Die Bildungsdebatte in Österreich
läuft, wie das nicht-sozialistische Fachleute immer schon betont haben,
grundlegend falsch: statt über bestmögliche Bildung in Kindergärten
und Volksschule zu reden, dreht sich
die politische Debatte seit vielen Jahren um die Gesamtschule der Zehnbis 14-jährigen, die heilige „Schulkuh“
der SPÖ.
Auch inhaltlich fiel die NMS durch,
da sie keine besseren Schulleistungen
erbringt als in den Hauptschulen –
und das bei zusätzlichen Kosten von
rund 300 Millionen Euro, wie der
Rechnungshof bereits festgestellt hat.
Das Hauptproblem ist, dass es durch
die Auflösung der Leistungsgruppen
keine Differenzierungsmöglichkeiten
mehr gibt. Das Geschwätz von der
„Heterogenität als Chance begreifen“
kann nur von Leuten kommen, die
nicht im Unterricht stehen.
Leistungsabfall
Die Direktoren aller weiterführenden Schulen – ORG, HTL, HAK, et cetera – beklagen sich über den gewaltigen Leistungsabfall der NMS
gegenüber der „alten Hauptschule“
(HS). In Vorarlberg haben sich ursprünglich sechs Hauptschulen – momentan sind es mit Bezau, Lingenau
und Egg nur noch drei – geweigert, zu
NMS umgewandelt zu werden. Jos
Franz, der frühere Direktor der HS Bezau, sagt dazu in der „Presse“ vom 11.
Februar 2015: „Als ich Direktor war, sah
ich keinen Grund, meine Hauptschule
umzuwandeln. […]. Man kann kein besseres Niveau garantieren, wenn man alle
Schüler zusammenwirft und mehr Lehrer
einsetzt.“
Ein intelligenter Siebtklässler einer
Vorarlberger AHS hat kürzlich bemerkt, dass die Chancengerechtigkeit
beim Teufel sei, wenn NMS-Absolventen nicht mehr oberstufentauglich
sind. Dann verstärkt sich der Druck
aufs Gymnasium, die dann als Schule
der Mehrheit zur „Gesamtschule“
wird – wie in Wien, Graz, et cetera.
Haben dann die Gesamtschulbefürworter ihr Ziel erreicht?
17
April 2015
Bildung
Es gibt aber auch noch andere
gute Gründe für den Erhalt des bewährten differenzierten österreichischen Schulwesens als Grundlage
für weitere Entwicklungen:
• Die Bevölkerung befürwortet in
vielen Umfragen mit großer Mehrheit
die Beibehaltung und Weiterentwicklung der Hauptschulen und Gymnasien und lehnt die flächendeckende
Gesamtschule ab.
• Die drängenden Herausforderungen für das österreichische Bildungswesen werden durch eine Umorganisation der Schule für die Zehn- bis
14jährigen nicht gelöst
• Die auf acht Jahre ausgelegte Langform des Gymnasiums vermittelt
nachgewiesener Maßen eine breite
und fundierte Allgemeinbildung als
optimale Voraussetzung für weiterführende Aus- und Weiterbildungswege und für die Studierfähigkeit.
• Das Gerede von der endgültigen
„Selektion“ mit zehn Jahren entbehrt
jeder sachlichen Grundlage. In Tirol
kommen rund 70 Prozent der Maturanten aus der Hauptschule. Das
heißt: Durch die große Durchlässigkeit
unseres Schulsystems stehen nach der
achten Schulstufe auch Schülern der
Haupt- und Neuen Mittelschulen alle
Wege offen, für viele praktische Berufssparten haben diese sogar die Nase
vorne.
Bei Einführung der flächendeckenden Gesamtschule würden die Eltern,
die es sich leisten können, ihre Kinder
in neu entstehende gewinnorientierte
Privatschulen geben. Die vorgeworfene „soziale Selektion“ würde also
nicht kleiner, sondern größer werden.
Ein Blick nach England oder in die
USA genügt.
• Internationale Erfahrungen und
Studien zeigen deutlich, dass Gesamtschulen kein Schlüssel zum Erfolg
18
Für schulische Vielfalt und Erhalt des
achtjährigen Gymnasiums
Die Forderungen der Initiative sind:
1. Aufhebung der Blockade einer sachlichen Bildungsdebatte durch
Beendigung der Gesamtschuldiskussion
2. Erhalt des achtjährigen Gymnasiums (Vielfalt des Angebotes für
Vielfalt der Begabungen und Interessen; Wahlmöglichkeit für
Eltern)
3. Änderung der Aufnahmekriterien am Gymnasium, längerfristiges
Prognoseverfahren statt Notendruck am Ende der Volksschule
4. Errichtung zusätzlicher Oberstufen-Standorte (ORG, BMHS) zur
Erhöhung der Durchlässigkeit (insbesondere in ländlichen Regionen)
5. Mehr Wertschätzung gegenüber der beruflichen Bildung und den
Lehr- (Handwerks-)berufen
6. Verstärktes Erkennen und Beheben von Defiziten im Kindergarten-,
Vorschul- und Volksschulalter, aber auch in der Erwachsenenbildung
7. Mehr Unterstützungspersonal für Lehrer und Schüler (zum Beispiel
Psychologen, Sozialarbeiter) und Stärkung der Schulpartnerschaft
8. Qualitativer Ausbau der ganztägigen Angebote und Verstärkung
des kostenlosen Förderunterrichts sowohl für Begabungen als auch
für die Kompensation von Defiziten
Die Initiative kann auf www.progymnasium.at unterstützt werden.
sind. Deutsche Bundesländer wie Bayern oder Baden-Württemberg haben
ein differenziertes Schulwesen und
stehen bildungsmäßig wie wirtschaftlich im Gegensatz zu anderen Bundesländern hervorragend da, während
vier von fünf skandinavischen Gesamtschulländern im Bildungsvergleich hinter Österreich liegen.
Am 2. Oktober 2014 wurde in Innsbruck die Initiative www.progymnasium.at durch Vizerektor Univ.-Prof.
Dr. Norbert Mutz (AIn), den Tiroler
Elternvereinsobmann Peter Retter,
Florian Dengg, den stellvertretenden
AHS-Schulsprecher in Tirol, Sozialar-
beiterin Marina Floriani und VHSDirektor Mag. Ronald Zecha (The) der
Öffentlichkeit vorgestellt. Zahlreiche
Persönlichkeiten stehen dahinter
– unter anderen Univ.-Prof. Dr.
Konrad Paul Liessmann und die ehemalige Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer.
Der Autor
OStR. Mag. Wolfgang Türtscher (Le) ist seit
1984 AHS-Professor für Deutsch, Geschichte, Ethik am BG Bregenz und war von 19862014 Geschäftsführer beziehungsweise Direktor der VHS Bregenz. Weiters ist er seit
1990 Obmann der VHS Götzis und seit 1995
Bildungsreferent des ÖAAB Vorarlberg.
Wissenschaft
David Nagiller
Einer Studie des Instituts für
Höhere Studien (IHS) aus 2014
zufolge absolvieren 40 Prozent
www.fotolia.com
Studium für jene,
die können und wollen
der Studienanfänger an den
österreichischen Universitäten in
den ersten beiden Semestern
kaum Prüfungen.
24 Prozent der Betroffenen sind
demnach komplett studieninaktiv,
weitere 16 Prozent absolvieren nur
im Umfang von weniger als 16 ECTSPunkten (Anmerkung: Für ein Studium in Mindestzeit sind 60 ECTS pro
Semester erforderlich). Negativer
Spitzenreiter ist dabei die Wirtschaftsuniversität (WU) mit 53 Prozent Leistungs-Verweigerern, gefolgt
von der Universität Wien mit 50 Prozent. Die wenigsten „Problem-Studierenden“ gibt es demnach mit 35
Prozent an der Universität Innsbruck. Noch besser schneiden nur
Medizin-Unis und Kunsthochschulen ab, Einrichtungen also, für deren
Besuch man eine Aufnahmeprüfung
absolvieren muss.
Was die Studienabbrecher-Quote
betreffe, so greife die Statistik hier zu
hoch, so die IHS-Studie, 38 Prozent
der gelisteten „Abbrecher“ sind demnach eigentlich keine solchen. Während aber Studierende, die eine tertiäre
Ausbildung vor dem 25. Lebensjahr
abbrechen, zu einem überwiegenden
Teil ein anderes Studium oder eine andere Ausbildung aufnehmen, treten
Ältere vermehrt direkt in eine Erwerbstätigkeit über, soweit dieser Übertritt
überhaupt gelingt. Abbrecher aus
technischen, rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Studienrichtungen
finden dabei allerdings leichter eine
Arbeitsstelle als solche anderer Fachrichtungen.
Inaktive Studenten
Die Studie war für den Rektor der
WU, Christoph Badelt, Anlass genug,
anlässlich einer Pressekonferenz das
„extrem liberale Studienrecht” in Österreich in Frage zu stellen und Zugangsbeschränkungen zu fordern, andererseits aber auch höhere Stipendien für
Studierende aus der sozialen Unterschicht zu verlangen.
Dabei ist die Erkenntnis, dass das
Leistungsbewusstsein an Österreichs
Hochschulen nicht wirklich befriedi-
gend ist, durchaus nichts Neues: Immer wieder wurden entsprechende
Studien veröffentlicht, so etwa auch
im März 2013, ebenfalls vom IHS.
Demnach hatten rund zehn Prozent
der Studierenden im Sommersemester
2011 nach eigenen Angaben keine
Prüfung abgelegt oder kein Zeugnis
erworben. Begründet hatten dies die
Studierenden mit beruflichen Belastungen (40 Prozent), aber auch mit
19
April 2015
Quelle: IHS-Dropoutstudie 2014
Wissenschaft
„privaten Gründen“ (20 Prozent), Auslandsaufenthalten (13 Prozent) oder
„Trägheit“ (12 Prozent). Die damaligen Zahlen betrafen allerdings nur
jene Studierenden, die nach ihrem Semester ohne Leistungsnachweis auch
weiterhin inskribiert waren, Studienabbrecher waren also bereits herausgerechnet worden.
Ein wesentliches Problem dabei ist
eines, das sich auf vielen Gebieten
findet: Fehlendes Kostenbewusstsein.
Leistungen, für die man nicht (unmittelbar) selbst zahlt, werden als
selbstverständlich betrachtet und
Studienabbruchszahlen 2014
Im Untersuchungszeitraum zwischen Wintersemester
2009/10 bis Sommersemester 2012 wurden durchschnittlich etwas mehr als 16.000 Abgänge pro Semester gezählt:
• 28 Prozent davon setzten eine akademische Laufbahn fort und weitere neun Prozent hatten bereits einen
akademischen Abschluss, waren also keine echten Dropouts.
• Etwa 25 Prozent traten regulär ins Erwerbsleben ein,
weitere 14 Prozent waren großteils internationale Studierende, zwei Prozent betreuten Kinder und ein Prozent
leistete Präsenzdienst.
• Das sind zusammen 79 Prozent. Das restliche Fünftel
(über 3.200 Personen pro Semester) wies einen mehr oder
weniger unklaren Status zwischen Arbeitslosigkeit, geringfügiger Beschäftigung, nichtakademischen Ausbildungen und völliger Perspektivenlosigkeit auf.
Der Anteil der Abgänge ohne Dropout ist an Spezialuniversitäten höher als an Volluniversitäten (Zahlen
jeweils inklusive Wechseln an FHs):
• WU 63 Prozent
• Medizinische Universität Innsbruck 60 Prozent
• Boku 58 Prozent
• TU Wien und TU Graz je etwa 56 Prozent
An den meisten Volluniversitäten und einigen Kunstuniversitäten beträgt dieser Anteil dagegen weniger als
40 Prozent. Übertritte in den Arbeitsmarkt sind am häufigsten an den Universitäten Linz (39 Prozent) und Kla-
20
genfurt (32 Prozent) zu beobachten, jenen beiden Universitäten mit den durchschnittlich ältesten und einem
geringen Anteil ausländischer Abgänger.
Nach Studiengruppen fällt auf:
• Etwa ein Drittel der Abgänger von Kunstuniversitäten
hatte den Status „unbekannt“, verzog also vermutlich
ins Ausland. Hinzu kamen 18 Prozent Rückkehrer an die
eigene Universität.
• Überdurchschnittlich hohe Universitätswechsel waren mit etwa 33 Prozent der Abgänge aus der Medizin
(inklusive Veterinärmedizin und Pflegewissenschaften)
zu verzeichnen, überdurchschnittliche Wechsel an Pädagogische Hochschulen (zehn Prozent) sowie Fachhochschulen (sechs Prozent) aus Lehramtsstudien.
• Etwas häufiger sind die Übertritte in den Arbeitsmarkt
aus den Rechts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften
sowie der Technik.
Bei den Studiengruppen getrennt nach Studienart sind
vor allem die Rechtswissenschaften interessant, da 19
Prozent aller Abgänge aus einem juristischen Bachelor
bereits einen akademischen Abschluss haben, von den
Abgängen aus einem rechtswissenschaftlichen Diplomstudium sind dies nur sechs Prozent. Unter den Abgängen
aus Diplomstudien weisen dagegen die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften mit 20 Prozent einen überdurchschnittlich hohen Wert an Abgängern mit früherem Abschluss auf (besonders viele der WU).
nicht entsprechend gewürdigt. Oder
anders formuliert: Die fehlende Beziehung zwischen den Kosten einer
Leistung und dem Bezieher der Leistung führt zu einem fehlgeleiteten
Einsatz von Ressourcen. Insofern
wäre die Wiedereinführung von Studiengebühren jedenfalls zu begrüßen
und zwar nicht nur (aber jedenfalls
auch) für Studierende mit nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft, sondern für alle, wobei die Gebühr mit
jedem Semester, das über die Mindestzeit hinaus benötigt wird, steigen
muss.
Ein weiterer Ansatzpunkt, der freilich schon vor dem Studienbeginn geregelt werden müsste, ist die Tatsache,
dass in Österreich – wie auch in anderen europäischen Staaten – zu viele
junge Menschen Bildungswege anstreben, für die sie eigentlich nicht geeignet sind. Ein von einem gleichmacherischen politischen Willen getragenen
Bildungssystem, das nach Maturanten- und Akademikerquoten lechzt
und das den Anspruch von Schullaufbahnen so nivelliert, dass möglichst
viele bestimmte Abschlüsse (vor allem
auch die Matura) erreichen können,
erzeugt bei vielen allenfalls mittelmäßig begabten jungen Menschen und
ihren Eltern die Illusion, eine Hochschulausbildung sei der richtige Bildungsweg für sie.
Trend zur Niveau-Senkung
Es beginnt schon damit, dass junge
Menschen eine Schullaufbahn – teilweise schon beginnend ab der Volksschule – trotz des allgemeinen Trends
zur Niveau-Senkung nur durch regelmäßige Nachhilfe in meist mehr als
nur einem Fach bewältigen können.
Dieses klare Alarmzeichen, das eigentlich Anlass sein müsste, den eigenen
Sprössling sofort nach dem Pflichtschulabschluss in einen Lehrberuf zu
manövrieren, wird jedoch nur allzu
leisten kann, soll das tun. Das sollte
gerne von Eltern ignoriert, deren Anallerdings nicht zu Lasten der Allgespruch von der Wirklichkeit deutlich
meinheit gehen.
abweicht.
Insofern ist es schon längst an der
Aufnahmeprüfungen auf allen EbeZeit, dass eine Politik der Entschlosnen (Übertritt von der Volksschule in
senheit, die sich weder von den Prodie Sekundarstufe I, Übertritt von der
testen diverser ÖH-Lobby-Gruppen
Sekundarstufe I in die Sekundarstufe
noch von linken Fantasien wie „AkaII und schließlich auch beim allfällidemikerquoten“ und „Studienabgen Übertritt an tertiäre Einrichtunschluss für alle“ beeindrucken lässt,
gen) könnten diesem negativen Trend
auch im Bildungsbereich Platz greift
gegensteuern. Durchgeführt werden
und effizient die Spreu vom Weizen
müssen diese allerdings ausschließlich
trennt. Ein Studium muss wieder ein
von unabhängigen Einrichtungen,
geschätztes Gut werden, das jenen zuum diverse Interessen sowohl der Abkommt, die Leistung erbringen köngangs-Bildungseinrichtung als auch
nen und wollen.
der Aufnahme-Einrichtung auszuschließen.
Schließlich ist auch die EigenverDer Autor
antwortung der Studierenden geforMag. David Nagiller (AIn) ist Lehrer, war
Journalist sowie parlamentarischer Mitardert: Wer sich seinen Tag nicht sinnbeiter.
voll einzuteilen in der Lage ist oder
einfach die Muse zum
Lernen nicht findet,
ist an einer Universität schlichtweg deplatziert. Zudem muss
auch erwartet werden
können, dass die eigenen ökonomischen
Parameter bei [email protected] | www.tuv-akademie.at
enwahl und -organisation entsprechend
einkalkuliert werden.
Wer einen schwachen finanziellen
Hintergrund hat, wird
vernünftigerweise
eine nahe am Wohnort gelegene Hochschule oder Universität auswählen und
Studienrichtungen
präferieren, die einen
zeitnahen Abschluss
ebenso wie eine rasche Chance auf einen Arbeitsplatz versprechen. Wer sich
FÜR IHRE QUALITÄT.
akademische LiebhaMIT SICHERHEIT.
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21
April 2015
Wissenschaft
Christopher Tafeit
Es wirkt als gute österreichische Tradition,
den Marktwert durch das Voranstellen
einzelner Buchstaben – gemeinhin
www.fotolia.com
Moneten Basierte Ausbildung
als akademische Grade bekannt – zu
steigern. Doch wie aktuell ist die These,
von geführten Titeln könne man auf die
Kompetenz und Expertise der Person
schließen, tatsächlich? Recherche und
Hintergrundgespräche zeichnen ein
zwiespältiges Bild. Berufsbegleitende
Angebote, akademische Weiterbildungen, Fernstudien bei ausländischen oder
europäischen Universitäten wuchern;
nicht alle im seriösen Bereich.
„Wir leben in einer Zeit der Titelinflation. Nie gab es so viele akademische
Titel ohne jegliche Reputation!“. Der
deutsche Aphoristiker Peter E. Schumacher bringt in zwei pragmatischen
Sätzen jene Stimmungen auf den
Punkt, die Teile der kritischen, akademischen Öffentlichkeit erfasst haben. Eingekesselt in einem Wirrwarr
aus Abkürzungen fällt es schwer, mit
einem Blick auf Visitenkarten den tatsächlichen Bildungsweg oder die
fachliche Kompetenz einzuordnen.
Mastergrade durch (universitäre) Weiterbildung unterscheiden sich im Titel nicht von bis zu zehnsemestrigen
Masterstudien: Master of Science
(MSc) oder Master of Arts (MA) sind
auf beiden Wegen erreichbar. Abseits
der „traditionellen Inskription“ an einer österreichischen Universität oder
Fachhochschule stehen mehrere –
mitunter dubiose – Angebote offen,
die heute zielgruppenspezifisch via
Facebook-Promotion offeriert werden.
22
Kein singulär österreichisches
Problem
„Das Problem der unverdienten Titelsucht lässt sich – entgegen aller Vorurteile
– nicht auf Österreich konzentrieren. Dafür ist der österreichische Markt viel zu
klein, um all die Kosten, die in diesem
Subumfeld für die Anbieter entstehen,
rentabel zu tragen.“, berichten Experten, die es wissen müssen, die seit Jahren beruflich mit dieser Thematik
beschäftigt sind und – aus verständlichen Gründen – anonym bleiben
möchten. „Wichtig ist vor allem eine
Unterscheidung: Bei weitem nicht alles,
was angeboten wird, ist illegal. Zahlreiche
alternative Studienwege – vor allem jene
in staatlichen Universitäten – in europäischen Mitgliedsländern sind grundsolide
und garantieren eine fundierte Ausbildung.“
Es gäbe auch gute Gründe für ein
vollständiges Studium im Ausland.
„Wieso sollte man auch der russischen
Minderheit in den baltischen Staaten ein
Studium in Russland – oder Kärntnern in
Slowenien – nicht voll anerkennen?“
„Wenn aber Universitäten ihr Jahresbudget oder Professoren ein zu geringes Gehalt
aufbessern, indem sie Zeugnisse gegen
Bezahlung ausstellen, beginnen unsere
Probleme. Wenn Universität und Professoren hier die Mauer machen, ist es unmöglich, das Gegenteil zu beweisen.“ Ans
Tageslicht kommen solche Fälle nur,
wenn einer der Beteiligten sein
Schweigen bricht, da er vom System
nicht mehr profitiert oder Gewissensbisse bekommt. Eine Häufung findet
sich vor allem in Staaten mit schwachem Rechtssystem, so wie etwa im
Kosovo noch vor einigen Jahren.
Ghostwriter als gesellschaftlich akzeptierte Hilfe?
Nahezu als Kavaliersdelikt muten
diverse – inzwischen auf Facebook
omnipräsente – Ghostwriter-Angebote an. Wenn Accounts mit Klarnamen, die zudem ihre Universität öf-
Blender und Geblendete
Bei problematischen Studienangeboten – mit dem Ziel, einen Titel mit
möglichst wenig Eigenleistung zu ergattern – beginnen die Kosten bereits
bei einigen tausend Euro. Nach oben
sind preislich keine Grenzen gesetzt.
Internetportale wie gwriters.at offerieren hier moralisch und rechtlich
fragwürdige Hilfestellungen und sehen sich selbst als Unterstützer bei der
„klassischen Karrierebeschleunigung“.
Studieren sei ein langwieriger Weg,
doch „wie hart man sich diesen Weg allerdings macht, bleibt jedem selbst überlassen“, heißt es in der vollmundigen
Werbeversprechung. Angeboten werden Musterlösungen zu allen wissenschaftlichen Fragestellungen, Literaturrecherche für die Seminar- und
Abschlussarbeiten sowie ein umfassendes Lektorat – was allesamt, nach
forderungen und Beweggründe für den
eigenen Angaben, rechtlich unbeausländischen Abschluss waren ist besser,
denklich sein soll.
als sich von einzelnen Buchstaben ehrWeniger diskret agiert hier titel-verfürchtig täuschen zu lassen.“, raten Kenmittlung.de. In offenen Worten
ner der düsteren Materie.
spricht man Studienabbrecher und
Eine gesellschaftliche GrundprobleLangzeitstudenten an: „Erfahrene Prakmatik sei die nicht vorhandene Kultur
tiker und Studienabbrecher haben besondes Scheiterns. Wenn man glaube, Geders gute Chancen, ihr weltweit anersellschaft, Eltern, Freunde und Arbeitkanntes Degree in kurzer Zeit zu
geber erwarten von einem einen Titel,
erwerben.“ Neben E-Learning und Life
sei die Versuchung, auf dubiose AnExperience Evaluation gäbe es noch
gebote einzusteigen, für viele zu groß.
die Möglichkeit von Exams, die von
Jedoch erleichtert so eine Entscheiverschiedenen Organisationen online
dung das Leben nicht. Im Gegenteil:
durchgeführt werden. 90 Prozent der
Die permanente Angst, enttarnt zu
deutschen Klienten kämen nach Anwerden, kann für schlaflose Nächte
gabe des Consulters aber ohne Exams
sorgen.
zum Ziel.
Die Plattform www.iaad.de geht
hier noch einen Schritt weiter und ofDer Autor
feriert gleich „Gast- und HonorarproChristopher Tafeit (ErG) studiert Softwarefessuren“ an anerkannten, ausländientwicklung und Wirtschaft in Graz.
schen Universitäten. Zudem wird auf
die Vorzüge eines „Dr.
h.c.“, der bei namhaften
Geldspenden in Aussicht
gestellt wird, hingewiesen.
Es braucht zwei Seiten
in diesem Verschleierungstanz. Jene, die sich
bewusst für diesen Weg
entscheiden – und jene,
die sich blenden lassen.
„MBA und sonstige MasterAbschlüsse sind untereinander kaum vergleichbar. Bei
manchen benötigt man
nicht einmal eine Matura,
andere entsprechen einem
vollwertigen Bachelor-/Masterstudium mit 300 ECTS.
In Indien verwischen manLagergasse/Schleppbahngasse
gels einheitlicher Regelung
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die Grenzen zwischen
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Highschool und Universität
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und manche Universitäten
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in China entsprechen maxi02742/204 250
mal einem österreichischen
Kolleg. Einmal öfter nachwww.alpenland.ag
zufragen, was denn die An-
HWB: 19 kWh/m²a
fentlich sichtbar im Profil angegeben
haben, Ghostwriter-Agenturen „liken“ und sogar am Agenturstandort
mittels Facebook-Applikation „einchecken“, ist in der Bewusstseinsbildung offensichtlich noch Luft nach
oben vorhanden. Vor allem jene berufsbegleitenden Studien, die kaum
Anwesenheit, sondern hauptsächlich
Hausarbeiten fordern, sind hier potenziell besonders anfällig.
Eine Art der „Last line of defense“
sehen Insider bei den „reglementierten Berufen“: „Wer beispielsweise als
Jurist mit ausländischem Abschluss den
Rechtsanwaltsberuf in Österreich ausüben möchte, muss eine Nostrifizierung
durchlaufen. Diese beinhaltet zahlreiche
schriftliche und mündliche Prüfungen.
Wer sein Studium als Luftschloss aufgebaut hat, scheitert spätestens hier.“ Bei
Berufen ohne diese Nostrifizierung
wird es schwieriger. „Wer als Softwareentwickler arbeitet, aber keine Ahnung
vom Programmieren hat, wird seinen Job
– trotz Titel – nicht lange behalten.“
2700 Wr. Neustadt
23
April 2015
Wissenschaft
Andreas Zakostelsky
Wer macht sie denn,
die Gesellschaftspolitik in Österreich?
Andreas Zakostelsky (Cl) war einer
der wenigen Abgeordneten, die gegen das Fortpflanzungsmedizingesetz gestimmt haben. In seinem
Gastkommentar erklärt er, wie er
wertorientierte Politik versteht.
Der Mensch wurde schon von
Aristoteles als „Zoon politikon“ beschrieben. Manche Forscher interpretieren Aristoteles so, dass er den
Menschen damit als ein soziales Wesen charakterisieren wollte, welches
auf die Bildung von Gemeinschaft
angelegt ist. Andere dagegen sehen
den unmittelbaren Bezug auf die
„Polisgemeinschaft“ – den Menschen damit als von Natur aus politisches Wesen. So beschreibt auch
Plato den Menschen und sieht diesen dadurch im Stande, „Kardinaltugenden“ zu entwickeln.
Um nicht zu sehr in eine rein philosophische Betrachtung zu gehen,
möchte ich mit einer Frage unmittelbar zur Gestaltung der Gesellschaft in
Österreich kommen: Ist es die Aufgabe
der Politik (das heißt der Parteien und
letztlich der einzelnen Politiker), die
Gesellschaft zu gestalten, oder lediglich die laufende Entwicklung der Gesellschaft passiv zur Kenntnis zu nehmen? Letzteres würde bedeuten, diese
Entwicklung mittels der Gesetzgebung
lediglich abzubilden, also schlicht,
diese nachzuvollziehen (schließlich
ist jeder Mensch selbst „Zoon politikon“…).
Um meine eigene Sichtweise gleich
offenzulegen: Ich meine, dass es die
grundlegende Aufgabe der Politik ist,
die Gesellschaft nach einer idealen
Zielvorstellung zu gestalten. Grund-
24
lage dafür sind die verschiedenen Gesellschaftsentwürfe, die die politische
Ideengeschichte hervorgebracht hat
und von denen man zumindest annehmen darf, dass sie die Grundlage
für das Handeln der politischen Akteure bilden. Letztlich sind diese Gesellschaftsbilder, konkreter ausgeformt
in den Parteiprogrammen, die Grundlage für eine rationale Entscheidung
der Wähler, welcher Partei oder welcher Person sie ihre Stimme anvertrauen.
Wertorientierte Vorbilder?
An und für sich sollte dieses Verständnis der Aufgabe von Politik
selbstverständlich sein, doch nehme
ich gerade in den vergangenen Jahren zusehends Äußerungen wahr, in
denen die Rede davon ist, „…dass
man den Menschen nicht vorschreiben
kann, wie sie zu leben haben…“ oder
„…dass eine bestimmte Entwicklung
schon längst gesellschaftliche Realität
ist und daher gesetzlich umzusetzen
sei…“ – und dies stimmt mich nachdenklich.
Klarerweise muss die Grenze zu einer Bevormundung der Menschen
deutlich gezogen werden. Die Aufgabenstellung jedoch, der Bevölkerung Idealbilder aufzuzeigen und
Menschen argumentativ sowie durch
eigenes Vorleben von wertorientierten Gesellschaftsformen zu überzeugen, ist sicher mühsam. Aber eben
dieser persönliche Einsatz ist eine unumgängliche Notwendigkeit, wenn
man die Gesellschaft im Sinne der eigenen Wertvorstellungen mitgestalten will.
Wenn folglich die Christen in unserem Lande die Entwicklung der Gesellschaft entsprechend ihrer, also
unserer Wertvorstellungen gestalten
wollen, dann müssen diese auch aktiv werden. Jesus Christus hat die
Christen als „Salz der Erde“ bezeichnet, in diesem Sinne auch gemeint
als „Salz der Gesellschaft“. Das bedeutet, dass gerade die kirchlichen
Organisationen ebenso wie die katholischen Vereine sich zu gesellschaftspolitischen Themen auch artikulieren und selbst Konzepte
vorlegen müssen, wenn sie gehört
werden wollen. Gerade in unserer
schnellebigen und durch die Vielzahl
unterschiedlichster Medienkanäle geprägten Zeit werden nur diejenigen
gehört, die ihre gut fundierten Überlegungen auch entsprechend artikulieren. In diesem Sinne reicht es
nicht, wenn sich diejenigen, die sich
als „christlich orientierte Wähler“ bezeichnen, lediglich vor Wahlen ein
Bild machen, welche Partei im österreichischen Parteienspektrum am
ehesten ihre Wertvorstellungen vertritt (und diese dann hoffentlich
auch wählen!). Dazwischen wird oftmals lediglich besprochen oder kritisiert, welche Politiker oder welche
Partei die „christlichen Grundsätze“
nicht stark genug vertreten hat.
Linke Dominanz
Politik ist unter anderem sehr stark
die Aufgabe, einen Interessensausgleich herzustellen und daher sind die
Spitzenrepräsentanten einer Partei natürlich auch aufgerufen, die Mehrheit
ihrer Wähler und deren Anliegen zu
Wissenschaft
vertreten. Wenn sich in der Folge manche Gruppierungen sehr dezent oder
gar nicht artikulieren, andere jedoch
laufend und dies in einem lauten Ausmaß, so werden diese naturgemäß
auch deutlicher wahrgenommen und
– zugegebener Maßen vielleicht vorschnell – als Mehrheit vermutet.
Daher sollte gerade die Gestaltung der
Gesellschaftspolitik in Österreich auch
für Christen ein zentrales – und vor allem laufendes (!) – Anliegen sein, wofür
auch Zeit und Energie aufgewendet
wird. Ansonsten ist es nicht glaubwürdig, sich zu wundern, warum die Gesellschaftspolitik in Österreich sehr
stark von so genannten linken oder
linksliberalen Gruppierungen geprägt
wird, die tatsächlich heute in einem
viel stärken Ausmaß aktiv und jedenfalls deutlich vernehmbar sind.
Der Autor
Mag. Andreas Zakostelsky (Cl et mult) ist seit
Oktober 2013 Abgeordneter zum Nationalrat
und seit Dezember 2013 Obmann des Finanzausschusses sowie ÖVP-Finanzsprecher.
Romeo Reichel
Am 21. Jänner dieses Jahres hat
der Nationalrat das „Fortpflanzungsmedizinrechts-Änderungsgesetz“ beschlossen. Mit diesem
Gisela Peter / pixelio.de
Die Eugenik kehrt zurück
wurde der Weg zur Präimplantationsdiagnostik (PID) freigemacht.
Bei der PID werden „vorsätzlich“ so
viele Embryonen erzeugt, wie für die
Selektion „normaler“ Embryonen und
für die Einbringung in die Gebärmutter (Embryotransfer) notwendig sind.
Diese werden im Gesetz irreführend
„entwicklungsfähige Zellen“ genannt,
sie sind aber bereits menschliche Embryonen oder noch besser: „embryonale Menschen“. Denn sie besitzen
schon die gesamte für die weitere Entwicklung notwendigen Informationen und Merkmale. Sie entwickeln
sich nach der Einnistung wie natürlich gezeugte Embryonen.
Bei der Diskussion wurde von Befürwortern der PID die Absicht in den
Vordergrund gestellt, Menschen mit
schweren Erbkrankheiten ein gesundes Kind zu ermöglichen. Was aber
dabei mangels Wissen oder wider besseres Wissen verschwiegen wird ist die
Tatsache, dass dafür eine größere Zahl
von Embryonen erzeugt werden muss,
deren mehrheitliche Tötung oder deren Absterben in Kauf genommen
werden muss: nach Befruchtung von
neun Eizellen entstehen im Durchschnitt sieben entwicklungsfähige
Embryonen, bei fünf von ihnen gelingt eine verwertbare Diagnose, drei
werden aussortiert, die verbleibenden
zwei stehen für den Embryotransfer
zur Verfügung. Da aber nur jeder dritte
bis vierte Embryotransfer zur Geburt
eines Kindes führt, müssen im Durch-
schnitt 24 entwicklungsfähige Embryonen erzeugt werden, von denen
bei 17 eine Diagnose gelingt, zehn davon werden dann aussortiert. Das
nüchterne Ergebnis lautet also: 24 Embryonen pro Geburt eines im Hinblick
auf die durchgeführte Diagnostik „gesunden“ Kindes. Man könnte von einem erheblichen „Kollateralschaden“
sprechen.
Bei der ethischen Bewertung dieser
Fakten ist zu fragen, ob einem Embryo
25
April 2015
Wissenschaft
Menschsein oder Personenwürde zukommt.
In der Europäischen Menschenrechtskonvention heißt es in Artikel 2:
„Das Recht jedes Menschen auf Leben
wird gesetzlich geschützt. Niemand darf
absichtlich getötet werden“, in der Charta der Grundrechte der Europäischen
Union, Artikel 1 bis 3: „Die Würde des
Menschen ist unantastbar (…) Jede Person hat das Recht auf Leben (…) Im Rahmen der Medizin und der Biologie muss
insbesondere Folgendes beachtet werden:
(...) das Verbot eugenischer Praktiken,
insbesondere derjenigen, welche die Selektion von Personen zum Ziel haben ...“.
In der englischen Fassung lauten die
Bestimmungen: „Human dignity is inviolable. It must be respected and protected. (…) Everyone has the right to
life.“ Während also die deutsche Fassung von Personen spricht, ist die
englische Fassung, „everyone“ weiter
gefasst (auf diesen Unterschied weist
Günter Virt (Walth), emeritierter Universitätsprofessor für Moraltheologie
der Universität Wien und früheres
Mitglied der Bioethikkommission
beim Bundeskanzleramt, hin). Die
weitere Erörterung, inwieweit der
menschliche Embryo ein embryonaler Mensch mit Personenwürde ist,
würde den vorgegebenen Rahmen
dieser Betrachtung sprengen. Dass die
PID eine eugenische Praktik darstellt,
ist jedoch evident. Für Axel W. Bauer,
Professor für Geschichte, Theorie und
Ethik der Medizin an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg und Mitglied des
Deutschen Ethikrats, ist die PID „sozusagen die liberale ,fortschrittliche‘
Variante der Eugenik“. („Zeit“ online,
6. Februar 2010).
Würde des Menschen?
Aus katholischer Sicht ist diese Frage
klar zu beantworten: „Jedem Menschen
ist von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod die Würde einer Person zuzuerkennen“. Dies gilt, sobald die Eizelle
durch Befruchtung zur Zygote, einem
eigenen neuen Individuum, wird.
Aber auch für Nicht-Gläubige ist oft –
insbesondere im Zusammenhang mit
der Abtreibungsfrage – die Menschenwürde eines Embryos eine Selbstverständlichkeit.
Wie Abgeordnete einer Partei, die
zumindest laut Parteiprogramm ihre
gesellschaftspolitischen Grundsätze
aus dem christlichen Bekenntnis zur
Würde des Menschen begründen, federführend und in einem Fall sogar
unter Hinweis auf die Katholizität, die
PID legalisieren können, erscheint
nicht nachvollziehbar.
Die Proponenten dieser Partei berufen sich unter anderem auf die Empfehlung der Bioethikkommission und
auf sorgfältige Beratungen. Unerwähnt
bleibt, dass es sich bei der Empfehlung
der Bioethikkommission um ein
Mehrheitsvotum von 15 Mitgliedern
handelt, und dass sechs Mitglieder ein
abweichendes Votum abgegeben haben, auf das inhaltlich in der Empfehlung vom 28. November 2014 gar
nicht mehr eingegangen und das am
Schluss – durchaus übersehbar – eher
nur beiläufig erwähnt wurde.
Der Autor
Diakon Dr. med. Romeo Reichel (Nc) ist Präsident der Vereinigung Katholischer Ärzte
Österreichs und Mitglied des Theologenforums des ÖCV.
26
Kultur
Bengt Sprinzl
Wenn in eine malerische Kleinstadt
mit 42.000 Einwohnern im Südwesten Frankreichs innerhalb von
Bengt Sprinzl
Comic-Festival in Angoulême
… und Charlie Hebdo
vier Tagen über 200.000 Besucher
einfallen, dann handelt es sich um
das „Festival International de la
Bande Dessinée“ in Angoulême,
rund 120 km von Bordeaux entfernt
und in der Nähe von Cognac, der
weltberühmten Stadt des EdelWeinbrands gleichen Namens.
Auf diesem größten Comic-Festival
Europas treffen sich alljährlich Ende
Jänner in mehreren Zelthallen und diversen anderen Räumlichkeiten Autoren, Zeichner, Verlage, Händler und
zahlreiche Fans, vor allem aus dem
frankobelgischen Raum, aber auch aus
ganz Europa.
Angoulême hat sich komplett den
„BD’s“ – den „Bandes Dessinées“, wie
Comics in Frankreich genannt werden – verschrieben: Dies ist unter anderem auch an Straßenschildern in
Form von Sprechblasen und an Straßen, benannt nach berühmten Zeichnern, erkennbar. So gibt es unter anderem eine „Rue Goscinny“, dem
Autor von „Asterix“, und eine „Rue
Hergé“, dem Zeichner der Abenteuer
von „Tim und Struppi“. Außerdem
schmücken zahlreiche Comic-Figuren
und -Szenen Hauswände, Feuermauern, Stromkästen und Buswartehäuschen. Ganzjährig werden die Werke
internationaler Zeichner in der „Cité
de la Bande Dessinée“ mit einer großen Fachbibliothek und in einem in-
Einer der vielen Live-Zeichner.
ternationalen Comics-Museum gewürdigt.
Anlässlich des Festivals beleuchten
mehrere große Sonderausstellungen
das Werk berühmter nationaler und
internationaler Zeichenkünstler: Heuer, beim 42. Festival, beeindruckte vor
allem der bereits mehrfach preisgekrönte und in vielen Sprachen publizierte Japaner Jirô Taniguchi mit seinen wunderbar poetischen, sensibel
stillen grafischen Novellen etwa über
die besinnliche Rückkehr in seine kleine Heimatstadt, wo er seine Jugend
verbrachte. Nicht nur die Originale
seiner feinen und detailreichen Zeichnungen waren zu bestaunen, sondern
auch er selbst war Ehrengast des heurigen Festivals.
In einem Sonderpavillon wurde ein
kleiner Querschnitt der Comics-Szene
aus China präsentiert. Neben Mangaartigen Figuren für Kinder bezauberten zarte Aquarelle von LotusblumenGeschöpfen und holzschnittartige
Zeichnungen von tapferen Kämpfern.
Sie knüpfen formal an traditionelle
chinesische Kunstformen an.
Kein Kinderkram
Das ausgestellte Lebenswerk der finnischen Zeichnerin Tove Jansson mit
ihrer bunt-phantastischen „Mumin“Welt begeisterte nicht nur Kinder,
während eine Rückblick-Schau auf die
kantig-harten US-Superhelden aus
den 50er Jahren von Jack Kirby nicht
27
April 2015
Kultur
nur die Erwachsenen erfreute. Eine
weitere Sonderausstellung zeigte Werke von fünf amerikanischen Zeichnern, die die schwarze Bluesmusik und
deren Umfeld in ausdrucksstarken
Schwarz-Weiß-Tuschzeichnungen
zum Thema hatten. Auch in der monumentalen Kathedrale aus dem 12.
Jahrhundert (mit einer fast Comic-artigen Fassade mit zahlreichen religiösen Statuen) wurden christliche Themen-Comics ausgestellt und konnten
zahlreiche Alben gekauft werden.
Im Theater von Angoulême gab es
zu Live-Musik Performances von
Zeichnern, deren Arbeiten auf große
Leinwände übertragen wurde. Fachleute aus der Branche diskutierten dort
auf dem Podium vor interessiertem
Publikum über Gegenwart und Zukunft der Branche.
Denn in Frankreich sind Comics
nicht nur „Kinderkram“, sondern werden auch von Erwachsenen geschätzt
und zählen als „9. Kunst“ zur ernsthaften Kultur und sogar die französische Kulturministerin besuchte aus
diesem Grund das Festival. Zudem
sind Comics in Frankreich aber auch
ein wichtiger Wirtschaftszweig: In
über 340 Verlagen erschienen 2014
insgesamt 5500 neue Comic-Alben
oder -Bücher, die mit 35 Millionen
verkauften Exemplaren einen Gesamt-Umsatz von 409 Millionen Euro
erwirtschafteten. Von insgesamt 1500
Autoren leben sogar 500 ausschließlich von Comics. Rare Originalzeichnungen von internationalen Zeichnerstars werden heute um sechsstellige Eurobeträge gehandelt.
Dem zahlreichen Zeichner-Nachwuchs ist beim Festival immer ein eigener Pavillon gewidmet, wo die Besucher von der Vielfalt der Ideen und
grafischen Ausdrucksformen beeindruckt werden. Die kreativsten jungen
Talente werden nicht nur mit Preisen
ausgezeichnet, es gibt für sie sogar Stipendien.
28
Neben harmlos-lustigen „Funnies“
gibt es heute Bilderzählungen mit unterschiedlichsten inhaltlichen und
grafischen Formen: Abenteuergeschichten, Thriller, historische und
utopische Erzählungen, epische Novellen, Sachcomics und individualphilosophische Bildgeschichten. Neben den großen Verlagshäusern
können auch zahlreiche Kleinstverlage mit wenigen Autoren davon leben.
So wie in der Welt der literarischen
Romane findet man auch in der Welt
der Comics unter 100 Erzählungen
nur wenige Meisterwerke, die inhaltlich und grafisch höchsten Ansprüchen genügen. Viele Arbeiten von
jungen Zeichnern erscheinen heute
auch nicht mehr auf Papier, sondern
nur mehr in digitaler Form im Netz,
wobei deren Anteil derzeit (noch) nur
rund ein Prozent des Gesamtvolumens beträgt.
Comics im Kreuzfeuer
Überschattet war das Comic-Festival
heuer von den Polit-Terrormorden
Anfang Jänner in Paris, wo neben fünf
namhaften Karikaturisten und sechs
weiteren Verlagsmitarbeiten der politischen Satire-Zeitung „Charlie Hebdo“ auch ein moslemischer Polizist
und vier jüdische Franzosen im Kugelhagel der islamistisch motivierten
Terroristen den Tod fanden. Spürbar
war dies in Angoulême in vermehrten
Sicherheitskontrollen sowie verstärkten Polizei- und Militär-Patrouillen in
der Stadt und auf den Bahnhöfen in
Paris. Eine kurzfristig zusammengestellte Sonderausstellung blickte auf
das Werk der ermordeten Zeichner,
sowie auf die bisherigen Ausgaben
und auf die Vorläufer der Zeitschrift
zurück. In der ganzen Stadt klebten
auf mobilen Ständern frühere Charlie
Hebdo-Titelblätter. Ein von der Festival-Jury neu gestifteter Sonderpreis für
Freiheit der Meinungsäußerung wurde
posthum an die ermordeten Karikaturisten verliehen.
Die europaweiten Solidaritätsbekundungen unter der Parole „Je suis Charlie“ galten dem Bekenntnis zur Meinungsfreiheit. Auch wenn die
Meinungen, die durch die Zeichnungen ausgedrückt werden, oft aggressiv
kritisch und, wie viele Karikaturen dieser Zeitschrift, blasphemisch – und
zwar gegen alle Religionen – waren
und sind, kann dies niemals die Tötung von Menschen rechtfertigen.
Dies führt aber anlässlich dieser furchtbaren Ereignisse andererseits auch zu
tieferen Reflexionen und Diskussionen: Was können, was dürfen, was sollen im Speziellen Karikaturen oder
Zeichnungen? Sie können wie Worte
berühren. Sie können – und sollen –
entlarven, Missstände aufdecken und
ein Korrektiv sein. Sie können aber
auch Menschen verletzen. Nach unserem Politik- und Kulturverständnis
dürfen sie im Rahmen des Menschenrechts auf Meinungsfreiheit das auch.
Das Recht auf freie Meinungsäußerung
ist eine Errungenschaft, die auch in
unserer Zivilisation erst nach jahrhundertenlangem Kampf fester Bestandteil
der Verfassungen der demokratischen
Länder wurde.
Karikaturen sollen aber – auch das
ist unser Verständnis – nicht Vorurteile gegen Menschen, Volksgruppen,
andere Rassen oder Religionen schüren und gegen Menschen aufhetzen.
Sie sollen auch nicht auf die Verletzung religiöser Gefühle – welcher Religion auch immer – abziehen. Denn
auch die respektvolle Achtung der
Menschenwürde des Nächsten ist ein
elementares Grundrecht.
Der Autor
Architekt DI Bengt Sprinzl (Baj), Planer
zahlreicher Neu- und Umbauten (etwa Totalsanierung des Studentenheims in der Pfeilgasse 4-6) und Grafik-Designer (etwa LayOut und Cover der ACADEMIA von 1968-73
sowie 1977-86).
Leserbriefe
Leserbriefe
Noch nie haben wir in den letzten Jahren
so viele – vor allem zustimmende – Leserbriefe bekommen, wie zu dem IslamSchwerpunkt in der letzten Ausgabe. Interessant, dass einige Leserbriefschreiber uns
zwar zu der Ausgabe gratulierten beziehungsweise sich bedankten, ihre Briefe jedoch nicht abgedruckt sehen wollen, da
sie keine „Diskussionen mit Gutmenschen“
haben wollen. Die Fülle der Reaktionen hat
uns überrascht; weniger überrascht hat uns,
dass man uns „Islamophobie“ vorwirft, weil
wir uns mit dem Thema Islam kritisch beschäftigen. Es ist immer noch erstaunlich,
wie stark – angesichts der aktuellen Attentate und Entwicklungen – Kritik am politischen und radikalen Islam nach wie vor
tabuisiert ist.
Die Redaktion
ACADEMIA 1/2015
Islam und Europa
Der als Aufmacher angekündigte Schwerpunkt zum Islam ist nicht nur sehr dünn,
sondern besteht vor allem aus der Wiedergabe der immer gleichen undifferenzierten Anschuldigungen gegenüber einem als monolithisch (und fast hat man
den Eindruck zentral gesteuerten) Islam.
Das dies im Medium eines katholischen
Verbands geschieht, erscheint mir dabei
in dreifacher Weise paradox: Zum einen,
weil eine der eindringlichsten Aufforderungen von Papst Franziskus an Christinnen und Christen darin besteht, genau
unterscheiden zu lernen, zum zweiten
(und damit verbunden), weil die Beiträge
den Islam als ganz Anderen und zwar als
Gegner wahrnehmen. Sie nehmen aber
nicht die schon biblisch begründete Herausforderung der Begegnung mit dem
Anderen und den Respekt für den Glauben des Anderen wahr. Das dritte Paradox
ist für mich, dass die Beiträge jegliche
Selbstreflexion vermissen lassen. Wie reagiert denn der ÖCV, wenn ihm pauschal
eine reaktionäre Einstellung und die mangelnde Bereitschaft zur Liberalisierung
vorgeworfen wird, oder wenn Zitate aus
seinen Liedern und Traditionsgut (angefangen von der „Kampfbereitschaft“ zum
„Schutze der Altäre“ bis zum „Sterben
gern in jeder Stunde“) als unklares Verhältnis zur Gewalt aufgefasst werden?“
Mag. Dr. Christoph Konrath (Nc)
1170 Wien
e-Mail: [email protected]
Dankenswerter Weise hat die ACADEMIA
diesem brennenden Thema große Aufmerksamkeit gewidmet. Alle Stimmen,
die zu Wort kommen, stellen klar, dass
im Islam Gewalt verankert ist und daher
die von Politikern, Medien und islamfreundlichen Kreisen gepredigte Formel,
dass Islam Friede bedeute und Gewalt von
den „Terroristen“ nur missbräuchlich ausgeübt werde, eine Selbsttäuschung ist.
Bedauerlicher Weise unterlässt das neue
Islamgesetz die überfällige Klärung und
bringt sogar eine Verschlechterung gegenüber der bisherigen Rechtslage. Hat das
alte Gesetz den „Lehren des Islams“ Religionsfreiheit mit der Bedingung gewährt,
dass sie „nicht mit den Staatsgesetzen
im Widerspruch stehen“, begnügt sich die
Behörde nunmehr mit einer Darstellung
der Lehre nach Gutdünken der Religionsgesellschaft. Gesetzwidrige Glaubensgrundsätze werden dadurch tabuisiert. Mit
dieser Tabuisierung des Islam diskriminiert der Staat alle anderen Lebenswelten.
Ohne korrekte Gefahrenanalyse kann der
Staat aber seine Bürger gegen die Gewalt
des „politischen Islam“ nicht mehr schützen. Was in Paris und Kopenhagen geschah, ist morgen auch in Wien möglich!
Gleichzeitig öffnet der Staat dadurch dem
realen Islam in den Moscheevereinen Tür
und Tor bis zu den verpönten Praktiken
der Scharia. „Gläubiger Moslem und stolzer Österreicher“ zu sein, bleiben ebenso
wie der „Modellcharakter des neuen Gesetzes für andere Europäische Staaten“
reines Wunschdenken.
Dr. Harald Fiegl (Merc)
1130 Wien
Der Eindruck nach der Lektüre der Statements zum Titel „Islam und Europa“ ist
niederschmetternd bis verstörend. Alle
Titel, einschließlich dem Editorial, zeichnen ein vernichtendes Bild des Islam.
Wie soll man diese Artikel bewerten? Ist
das der Ausdruck von Panik oder bewusste Provokation? Eigenerfahrungen mit
dem Islam als österreichischer Offizier
im Dienste der Vereinten Nationen in Damaskus in der Dauer von etwa zwei Jahren, waren absolut positiv, auch als Christ
konnte man unbehindert christliche Gotteshäuser und Gottesdienste besuchen
ohne mit einer feindlichen Haltung konfrontiert zu sein, auch als neugieriger Mo-
scheebesucher war man willkommen. Im
gesellschaftlichen Umgang mit dem Islam und den Muslimen gab es aber klare
Grenzen, welche von beiden Seiten respektiert wurden.
Alles muss sich erst in den letzten Jahren
geändert haben, dieser beinahe pathologische Hass auf den Westen und seine
(Un)kultur, auf die (in ihren Augen) permissive Art der westlichen Lebensführung und auf die medialen Schamlosigkeiten in Wort und Bild. Zumindest bei
jenen Muslimen, die bei uns leben und
diese Vorgänge täglich miterleben. Auch
dass sich jeder ungestraft über Religion
ganz allgemein und über den christlichen
Glauben im Besonderen lustig machen
kann bis hin zur Beleidigung (und kaum
jemand wehrt sich wirklich dagegen) –
führt bei den Muslimen nur zur Verachtung unserer Gesellschaft. Ja, sie sehen
den Westen als absolut dekadent und sie
fühlen sich quasi zu einer Neuorientierung unserer nach ihrer Auffassung verkommenen Gesellschaft berufen. Aber
im islamischen Sinn.
Was kann man darauf antworten? Das
wäre halt unser Lebensstil und wir lassen
uns davon nicht abbringen. Schließlich
seien die Moslems zu uns gekommen und
wenn ihnen unser Lebensstil bei uns nicht
passt, könnten sie ja wieder gehen. Dazu
scheint es aber zu spät. Ja, der Islam ist
bereits durch die Bevölkerungsstruktur
ein Teil Europas. Ob er allerdings wirklich
zu einem (immer weniger) christlichen
Europa gehört, darf hinterfragt werden.
Zumindest in Österreich haben dies in einer Umfrage zuletzt 69 Prozent der Befragten verneint. Aber wenn es so bleiben
soll, dann muss man auch die eigene
christliche Identität vorleben. Der Islam
stößt ja nur, einem physikalischen Gesetz
folgend, in ein bereits existierendes, von
allgemeiner Orientierungslosigkeit gekennzeichnetes Vakuum vor. Ob dieser Vorgang
noch umkehrbar ist? Das dürfte nur von
uns Europäern selbst abhängen.
BgdriR Manfred Wagner (Rd)
1180 Wien
Leserbriefe sind der
ACADEMIA immer willkommen, können aber
nicht in jedem Fall
schriftlich beantwortet
werden. Abgedruckte
Zuschriften müssen sich
inhaltlich nicht unbedingt mit der Meinung
der ACADEMIA decken.
Die Redaktion behält
sich Kürzungen vor und
veröffenlicht nur Schreiben mit voller Nennung
des Absenders.
Die veröffentlichten Aussagen zum Thema „Islam“ haben mich zutiefst betroffen
gemacht. Warum, zum Teufel, haben wir
dem gewaltbereiten Islam so wenig entgegenzusetzen? Ist es wirklich unsere De-
29
April 2015
Leserbriefe
Leserbriefe sind der
ACADEMIA immer willkommen, können aber
nicht in jedem Fall
schriftlich beantwortet
werden. Abgedruckte
Zuschriften müssen sich
inhaltlich nicht unbedingt mit der Meinung
der ACADEMIA decken.
Die Redaktion behält
sich Kürzungen vor und
veröffenlicht nur Schreiben mit voller Nennung
des Absenders.
kadenz? Ich sehe die Sache so: Die Islamisten bekämpfen in erster Linie nicht
das Christentum, sondern die westliche
Ideologie. Diese huldigt in religiöser Inbrunst einem Wirtschaftssystem, das auf
Wachstum fixiert ist, und das mit seinem
Ressourcenverbrauch die Lebensgrundlagen auf unserem Planeten irreversibel
zerstört. Unsere Güterproduktion überfordert seit Jahrzehnten die Natur. Der
Umweltschutz und die erneuerbaren
Energien bieten keinen Ausweg, da sie
zusätzliche Natur verbrauchen. Inzwischen fühlen sich aber auch die allermeisten Menschen überfordert. Doch obwohl es an allen Ecken und Enden
bedrohlich knirscht, hängen unsere Eliten
weiterhin an ihrem aberwitzigen Glauben,
der menschliche Geist wäre unendlich
und dürfe nicht nur die Grenzen unserer
Erde ignorieren, sondern auch ihre physikalischen Gesetze. Dass die freiheitliche
Demokratie dem nichts entgegenzusetzen
hat, war eigentlich zu erwarten. Aber es
ist eine Tragödie, dass auch das Christentum nicht genug moralische Autorität zum
Gegensteuern aufbringt! In genau diese
offene Flanke stößt der radikale Islam. Hat
er auch das Recht dazu? Der Kampf ist sicherlich legitim. Wie weit der Terror gehen
darf, wage ich nicht zu beantworten. Eines
aber glaube ich: Nur wenn es uns, den
westlichen Gesellschaften, gelingt, den
Wachstumsfuror zu beenden, werden wir
den Dschihadisten den Wind aus den Segeln nehmen. Ansonsten torkeln wir in eine
sehr, sehr ungemütliche Zukunft.
Karl Heinz Marschner (Rg)
D-40593 Düsseldorf
Das Titelthema behandelt leider weniger
die Islamisierung Europas, sondern verurteilt pauschal die islamische Religion. So
handelt es sich bei den im ersten Beitrag
ausgewählten Zitaten zwar um Aussagen
von aus islamischen Ländern stammenden
Personen, diese stehen aber der Religion
des Islams (zumindest deren „Mainstream“) kritisch bis ablehnend gegenüber.
Auch die beiden anderen Artikel schlagen
in die islamophobe Kerbe. Richtig ist natürlich, dass Europas nur noch auf Unverbindlichkeiten (Aufklärung, Demokratie,
Rechtsstaat) gegründete Gesellschaft gegenüber einem von einer religiösen Weltanschauung geprägten Immigrantenstrom
prinzipiell im Nachteil sein muss. Auch
wurde ein Terrorismus, der sich auf den
Islam beruft, zur globalen Bedrohung.
Theo Faulhaber und David Nagiller (AIn)
behandeln aber weniger diese Phänomene,
30
sondern attackieren die islamische Religion als solche. Dabei ist vieles nicht korrekt. Einige Beispiele: Es gibt einen Islam
ebenso wenig, wie es ein Christentum gibt
– beide Weltreligionen haben sich durch
die Jahrhunderte in eine Vielzahl von
„Konfessionen“ aufgespaltet. Unrichtig
ist die Behauptung, im Islam sei „Bildung
verpönt“. Tatsächlich verdankt die
Menschheit viele Fortschritte in Natur- und
Geisteswissenschaften sowie kulturelle
Leistungen dem Islam. Auch beim so
scharf kritisierten Dschihad bringt man
wenig passende Beispiele. Der letzte offiziell erklärte „heilige Krieg“ war übrigens
der Erste Weltkrieg, den der türkische Sultan als Kalif des Islams an die Entente erklärte – allerdings auf Drängen des deutschen Auswärtigen Amtes (!). Mit der
historischen Wahrheit sollte man sich also
durchaus konfrontieren, nur sollte man sie
kennen. Es ist problematisch, im 21. Jahrhundert die zweitgrößte Weltreligion mit
über 1,6 Milliarden Anhängern, die anderthalb Jahrtausende hindurch die
Menschheitsgeschichte entscheidend beeinflusst und zur Entwicklung der menschlichen Kultur Wesentliches beigetragen
hat, pauschal als „gefährlich“ abzustempeln. Österreich besitzt eine lange Tradition
der wissenschaftlichen Erforschung des
Islams seit Maria Theresia bis heute. Ich
würde meinen, wir hätten genügend ausgewiesene Experten auf diesem Fachgebiet. Denn auch ein erfahrener Journalist
verfügt kaum über das hier erforderliche
Sachwissen. Daher reflektieren die Beiträge der letzten ACADEMIA eher „viel Gerede über den Islam, aber wenig Wissen“
(Zitat vom Interview mit dem Ordinarius
für Islamwissenschaften an der Universität
Wien, Prof. Rüdiger Lohlker, im „Standard“ vom 14. Jänner).
Botschafter i.R. Dr. Michael
Stigelbauer (Am)
1140 Wien
Das neue Islamgesetz basiert auf wahrlich
grenzenloser Naivität. Die in der ACADEMIA
veröffentlichten Fakten und Meinungen
hätten Anlass zu einer gründlichen Überarbeitung sein können. Aber zu groß war
wohl die Angst vor den diversen Redaktionen, in denen eine intellektuelle Unterschicht mit der Faschismuskeule jeden
mundtot schlägt, der dem Mainstream
Vernunft entgegenzusetzen wagt. Dank
gebührt der ACADEMIA auch für die Veröffentlichung des vielfach unbekannten
Textes des sozialdemokratischen Wiener
Stadtrats Dr. Julius Tandler, nach dem in
der Bundeshauptstadt immer noch ein
Platz benannt ist. Er wollte 1924 der öffentlichen Hand Kosten ersparen (!) und
lieferte den Nazis die theoretischen
Grundlagen für die Vernichtung „lebensunwerten Lebens“. Heute errichten die
Sozialdemokraten Denkmäler gegen die
nationalsozialistische Euthanasie (der
sich damals nur katholische Kräfte widersetzten) und fordern gleichzeitig als neuesten Fortschritt die nun als „Sterbehilfe“
verkleidete Euthanasie.
Prof. Willi Sauberer (VBW ILH)
5020 Salzburg
Gratulation zur Islam-Nummer!
Ich habe die ACADEMIA gestern bekommen und am selben Abend noch ausgelesen. Jeder Beitrag verdient Beachtung.
Der Wiener Bürgermeister kann von seinem
Kollegen aus Rotterdam Entscheidendes
lernen. Danke, dass die ACADEMIA – entgegen dem Mainstream – Fakten ohne falsch
verstandene „political correctness“ aufzeigt.
Mag. Dr. Johannes Schönner (AW)
3400 Klosterneuburg
15 Jahre EU-Sanktionen
Was Martin Schulz sich leistet ist obzön.
Anfang 2000 war er einer der ärgsten Hetzer gegen die schwarz-blaue Regierung von
Wolfgang Schüssel und hat sich leidenschaftlich für vertragswidrige Sanktionen
gegen das EU-Mitglied Österreich eingesetzt. Anfang 2015 umarmt und herzt der
gleiche Martin Schulz als EU-Parlamentspräsident den griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras, einen Neokommunisten, Linkspopulisten und großmäuligen
Selbstdarsteller, der noch dazu mit einer
radikalnationalistischen Fraktion koaliert.
Auch als der ORF vor der EU-Wahl 2014
seine Redakteurin Ingrid Thurnher eigens
zur Diskussion zwischen Schulz und JeanClaude Juncker nach Berlin geschickt hat,
brachte diese schillernde Dame es zwei
Stunden lang zustande, die üble Rolle von
Schulz am Beginn dieses Jahrtausends
überhaupt nicht anzusprechen. Verschweigen ist die gröbste Form der Manipulation.
Wenn Rechts gegen Links abgewogen
wird, dann fällt das Ergebnis immer zugunsten der Roten aus. Und ich glaubte
immer, die EVP-Fraktion sei die stärkste
Gruppierung im EU-Parlament. Kein Wunder, dass die Österreicher an der Seriosität
der in Brüssel Agierenden immer mehr zu
zweifeln beginnen!
Mag. Heinrich Kolussi (F-B)
1230 Wien
Kultur
Mildes, wildes ÖTSCHER:REICH
Hilfe: Lebensrisken und Lebenschancen
Texte, Infografiken, Symbole und interaktive Installationen
sind die Mittel, mit denen die Landesausstellung 2015 soziale
Herausforderungen wie Armut, Krankheit, Behinderung oder
Leben am Rand der Gesellschaft begreifbar, einfühlbar und
verstehbar macht. Inhaltliches Zentrum der Landesausstellung 2015 ist das System der sozialen Sicherung. Dieses basiert
auf der Idee einer Gesellschaft, deren Pflicht es ist, sich um
Menschen in Problemlagen anzunehmen.
Den architektonisch interessanten Rahmen stellt das Haus
Bethanien in Gallneukirchen, Mutterhaus der Diakonie, dar.
Als soziale Institutionen ist die Diakonie damit nicht nur
Ort, sondern gleichzeitig Gegenstand der Ausstellung.
Oberösterreichische Landessonderausstellung 2015
30. April bis 2. November 2015
www.landesausstellung.at
Wikinger!
Vom 28. März bis 8. November besetzten die Wikinger die
Schallaburg in Melk. Mit über 500 Exponaten wird die bislang
umfassendste Wikinger-Ausstellung in Österreich versuchen,
die wahre Geschichte der skandinavischen Völker anhand neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse aus aktuellen archäologischen Grabungen spannend und umfassend zu präsentieren.
Wie immer wird es auch diesmal ein umfangreiches Rahmenprogramm geben
und insbesondere
auch einen informativen Katalog.
Ausstellung auf
der Schallaburg
28. März bis
8. November 2015
www.schallaburg.at
Der erste markante Gipfel der Ostalpen vor Wien, der
Ötscher, ist Ausgangspunkt für die Entdeckungsreise in
die alpine Welt der Ostalpen. Im ÖTSCHER:REICH lernt
man das Leben in den Bergen kennen, das von den Extremen der Landschaft bestimmt ist. In Neubruck bei Scheibbs
und in Frankenfels-Laubenbachmühle staunt man über
die Geschichte und Geschichten von Menschen, wie sie
ihren Alltag in und mit der Natur bestreiten. Mit der Mariazellerbahn geht es zum neuen Naturparkzentrum Ötscher-Basis in Wienerbruck, wo man diese außergewöhnliche Landschaft hautnah erleben kann. Oder man wandert
um den Ötscher auf zwei neuen Rundwanderwegen, wo
das ÖTSCHER:REICH auf 15 Stationen von seiner ursprünglichsten Seite zu sehen ist.
Niederösterreichische Landesausstellung 2015
25. April bis 1. November 2015
www.noe-landesausstellung.at
The 39 Steps
Vor genau 100 Jahren hat der schottische Schriftsteller
John Buchan seinen Spionagereißer, der auch mehrmals
verfilmt wurde, geschrieben. Insbesondere ist noch die
erste Verfilmung aus dem Jahr 1935 von Alfred Hitchcock
in Erinnerung.
Patrick Barlow hat das Buch für das Theater bearbeitet,
wobei er dem Werk einen parodistisch satirischen Spin
gibt. Das Stück feierte bereits in London und New York
Triumphe und wurde mehrfach ausgezeichnet.
Richard Hannay, perfekter Gentleman und schneidiger
Held, macht in einem Londoner Theater die Bekanntschaft
einer mysteriösen Frau, die ihn anfleht, bei ihm übernachten zu dürfen. Bald gesteht sie ihm, eine Spionin auf der
Spur einer geheimen Organisation namens „39 Stufen“
zu sein. In derselben Nacht wird sie in seiner Wohnung
erstochen und damit beginnt für ihn eine wahnwitzig Verfolgungsjagd von London bis ins schottische Hochland.
Eine besondere Pointe des Stücks ist, dass die immerhin
139 Rollen(!) von nur vier Schauspielern bravourös bestritten werden.
HK
Bis 30. April 2015 im English Theatre.
Tickets und Infos unter www.englishtheatre.at
31
April 2015
Medienecho
Medien
Vom CV zu Syriza
Ein schönes Beispiel für die von
Alexander Purger (siehe Seite 12) beschriebene Etikettierung von Parteien
und Politikern findet sich im „profil“
vom 24. Jänner 2015. Unter dem Titel
„Konservativer Widerstand gegen Mitterlehners liberalen Kurs“ behauptet das
Magazin, dass Mitterlehner „seiner Partei eine gesellschaftspolitische
Schockkur verpasst. Den Aufbruch in die Moderne können nicht
alle nachvollziehen. Im konservativen Lager formiert sich
Widerstand“. Immer wieder versuchen
interessensgeleitete Medien – durchaus erfolgreich – ihren Lesern, aber
auch etwa der ÖVP, einzureden, dass
sie eigentlich vormoderne Sumper
sind, die noch nicht einmal im 21.
Jahrhundert angekommen sind.
Wörtlich heißt es in dem Beitrag –
konkret ging es um das neue Fortpflanzungsmedizingesetz – unter anderen: „Das neue Gesetz war von konservativen Kreisen inner- und außerhalb
der Volkspartei hintertrieben worden.
ÖVP-Abgeordnete wurden mit Protestmails bombardiert, vor allem der einflussreiche Cartellverband versuchte,
Druck auf seine prominenten Mitglieder
Reinhold Mitterlehner, Gernot Blümel,
Justizminister Wolfgang Brandstetter,
Klubobmann Reinhold Lopatka und Seniorenbund-Präsident Andreas Khol
auszuüben“. Was uns „profil“ allerdings nicht erklärt ist, wie ein so „liberaler“ Mitterlehner aus dem so illiberalen CV kommen kann.
Im Februar strapazierte der „Standard“ wieder einmal ein Lieblingsthema, dass CVer bei Postenbesetzungen im Land Salzburg zum Zuge
32
kamen. Es verwundert immer wieder,
dass sich der „Standard“ wundert, dass
Mitglieder eines Akademikerverbandes, der über hervorragende Fachleute
verfügt, bei Postenbesetzungen nicht
ganz zu umgehen sind, obwohl es immer wieder versucht wird und gele-
gentlich auch CVer – eben weil sie diesem Verband angehören – nicht zum
Zuge kommen (was aber dann nicht
im „Standard“ steht)!
Eine CV-Tangente hatte auch ein
Portrait des radikal-linken Ökono-
Eine kommunikationstechnisch kluge
Strategie ist es, Reinhold Mitterlehners
(A-D) Couleurnamen gezielt einzusetzen; das schafft Bekanntheit und
Sympathie und führt in den Medien
auch regelmäßig zu entsprechenden
Verweisen auf den ÖCV.
men Stephan Schulmeister in der
„Sonntag Presse“ vom 15. Februar.
Der Sohn des legendären katholischkonservativen „Presse“-Chefredakteurs Otto Schulmeister war „als er
sein Ökonomiestudium begann, sogar
Mitglied des CV“ – so die „Presse“ –
die weiters feststellte,
dass seine „politische
Wandlung dann im
Zuge der 68er-Bewegung“ erfolgte. „Er
fuhr mit einer Gruppe
CVer nach Berlin, um
mit Dutschke zu diskutieren. Und war
danach überaus angetan vom Studentenführer.“ Heute sorgt Stephan
Schulmeister bei volkswirtschaftlichen Debatten regelmäßig für unkonventionelle Wortmeldungen –
aktuell etwa in Zusammenhang mit
seiner Sympathie für die neue Linksregierung in Griechenland.
Im „UniStandard“ befand sich im
März ein ganzseitiger Artikel über das
besondere Verhältnis der zwölf Studentenverbindungen zur Leobner
Montanuniversität. Selbstverständlich ging es wieder gegen die „völkischen Verbindungen“, wie ein „Experte“ zitiert wird, der zwar einen
Unterschied zum CV ausmacht, aber
auch Gemeinsamkeiten entdeckt:
„Bei katholischen [Verbindungen] steht
die Religion im Vordergrund. Gemeinsam
ist ihnen eine männerbündische wie konservative Weltanschauung.“ Der Artikel
beschreibt auch Leobner Bräuche und
Sitten, wie etwa den Ledersprungkommers. Ein wenig bedauernd wird
festgestellt, dass in der ÖH Leoben die
AG mit Zweidrittelmehrheit regiert
und dort CVer eine wichtige Rolle
spielen.
Herbert Kaspar (Am)
Aufruf
Die Familien entlasten!
Mit 100 Millionen Euro Entlastung –
die erst konkretisiert werden müssen –
ist die „größte Steuerreform aller Zeiten“ für die Familien eine Enttäuschung. Die Familienverbände werden
daher weiterhin für eine steuerliche Berücksichtigung der Familien kämpfen –
die Diskussion geht weiter!
Der Katholische Familienverband und
der ÖCV sind schon immer für die steuerliche Berücksichtigung der Sorgepflichten der Eltern im Steuerrecht eingetreten. Wer für Kinder sorgt, muss mit
einem Einkommen für mehrere Menschen auskommen, daher darf die Steuer
nicht schon davor zu viel vom Einkommen wegnehmen. Das Existenzminimum der ganzen Familie soll steuerfrei
gestellt sein. Jetzt werden die Weichen
für die steuerliche Gestaltung der nächsten Jahre gestellt.
Bei der Nationalratswahl ist die ÖVP mit
der Forderung nach einem Kinderfreibetrag von 7.000 Euro pro Familie angetreten, daran ist sie jetzt zu messen. Die SPÖ
hat das Steuerkonzept des ÖGB übernommen, bei diesem kommt auf 15 Seiten das
Wort Familie nicht vor (!). Im Koalitionsübereinkommen dieser beiden Parteien
steht „im Rahmen der Steuerreform sollen Familien besonders berücksichtigt werden.“
Auch das können Bürger jetzt einfordern.
Es ist unsere Aufgabe und Verantwortung als katholische Verbände, für die Familien die Stimme zu erheben und auch
Familien dazu zu bewegen, sich selber mit
uns um ihre Anliegen zu kümmern. Deshalb ergeht die dringende Einladung, bei
den Mitgliedern der Steuerreformkommission höflich, aber bestimmt, die steuerliche Berücksichtigung der Eltern bei
der Steuerreform per Mail einzufordern.
Dazu einige Argumente:
• Familien sind die Leistungsträger
unserer Gesellschaft. Aus Sicht des Katholischen Familienverbandes findet das
im derzeitigen Steuerrecht keinen Niederschlag, weil zu wenig Rücksicht darauf genommen wird, wie viele Personen
von einem Einkommen leben müssen
beziehungsweise ob Sorgepflichten bestehen.
• Das österreichische Steuerrecht
nimmt – im Unterschied zu den meisten
europäischen Ländern – kaum Rücksicht
darauf, wie viele Personen von einem
Einkommen leben müssen. Steuerlich
ist es in Österreich relativ egal, ob jemand für Kinder zu sorgen hat oder
nicht. Dies widerspricht klar dem
Gleichheitsgrundsatz.
• In unserem Steuersystem geht es
um Leistungsfähigkeit. Wer mehr verdient, zahlt höhere Ertrags-Steuern. Das
ist legitim und allgemein akzeptiert.
Wenn aber aufgrund von Unterhaltspflichten das disponible Einkommen –
jener Teil des Einkommens, der hauptsächlich für privaten Konsum zur Verfügung steht – deutlich sinkt, weil steuerlich so gut wie nicht berücksichtigt
wird, dass Kinder auch Geld kosten, ist
das eigentlich ein Skandal.
• Dass Österreich Weltmeister bei
Familienleistungen sein soll ist eine Mär,
die sich hartnäckig hält. Eine Studie der
OECD aus dem Jahr 2011 belegt: Österreich liegt bei Maßnahmen der Familienförderung an 14. Stelle: Direktleistungen gut, Infrastruktur noch gut,
steuerliche Berücksichtigung nicht existent, so der Befund der OECD-Studie.
• Die Steuerprogression verringert die
Einkommen aller, aber Eltern sind davon mit ihren Kindern überdurchschnittlich betroffen!
• Wie kann man vor der Wahl die
deutliche Erhöhung des Kinderfreibetrags
in Aussicht stellen und bei der konkreten
Umsetzung nicht mehr davon sprechen?
• Die Berücksichtigung der Familien
bei der Steuerreform ist nicht nur eine
Frage der Fairness, Familien geben auch
mit Abstand am meisten wieder im Kon-
sum aus, jeder Euro für Familien kommt
daher wieder als Steuerleistung ins Budget zurück!
Einige konkrete Vorschläge:
• Verlängerung der Absetzbarkeit der
Kinderbetreuungskosten bis zum 14. Lebensjahr und automatische Berücksichtigung bei der Arbeitnehmerveranlagung !
• Die Negativsteuer bei niedrigem
Einkommen soll bei Eltern auch für jedes
Kind erfolgen.
• Deutliche Erhöhung des Kinderfreibetrags – die derzeitige Höhe von 220
Euro pro Kind ergibt eine Mini-Steuerentlastung.
• Die Abschaffung des Alleinverdienerabsetzbetrags wäre ein klares Foul an
Mehrkindfamilien und allen Familien,
die sich selber um ihre Kinder kümmern.
Mails schreiben!
Hier die Mail-Adressen der Mitglieder
der politischen Verhandlungsgruppe zur
Steuerreform sowie auch die Mail-Adresse von Landeshauptmann Erwin Pröll
(Rt-D EM):
[email protected]
[email protected].
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
Je mehr Familien angesprochen und
informiert werden, desto besser.
Mag. Dr. Alfred Trendl (NbW) ist Präsident
des Katholischen Familienverbandes.
Der Katholische Familienverband bietet
in Familiensteuerfragen einen kostenlosen
Mail-Service unter: [email protected]
33
April 2015
Kommentar
Die ÖVP gibt sich auf
„Ich glaube nicht, dass das jetzt der
große Wurf ist“, meinte Finanzminister
Hans Jörg Schelling, und damit hat er
Recht. Das von Kanzler Faymann als
„größte Steuerreform aller Zeiten“ gefeierte Umverteilungspaket ist in Wahrheit eine Kanzler-Rettungs-Aktion
gewesen, bei der die ÖVP aus unerfindlichen Gründen zugestimmt hat.
Natürlich ist es erfreulich, wenn einige Steuertarife angepasst werden, um
die kalte Progression ein wenig abzumildern. Aber dieser Effekt wird – wie
der Chef des Wirtschaftsforschungsinstitutes betont – in zwei Jahren verpufft sein, während wir unter den
negativen Aspekten dieses Belastungspaketes noch länger leiden werden.
Kein Wunder, dass die SPÖ jubelt
und schon am Sonntag, 15. März, Inserate schaltete, was sie „erkämpft“ hat.
Im Gleichschritt sehen auch die von
SPÖ-Politikern mit Inseraten aus Steuergeld gut geschmierten Boulevardzeitungen dieses unverschämte Belastungspaket positiv. So spricht etwa
Claus Pándi in der „Kronenzeitung“
von einer „grosso modo gelungenen
Steuerreform“. Und Faymann-Freund
Wolfgang Fellner jubelt in seinem
Gratis-Blatt über den SPÖ-Erfolg und
merkt zynisch über den VP-Chef an:
„Er hat durch seine Kompromissbereitschaft diese Steuer-Reform erst möglich
gemacht“. Das ist keine falsche Einschätzung, weshalb sich viele fragen,
warum die ÖVP diesem Belastungspaket für die Familien, den Mittelstand
und die Wirtschaft zugestimmt hat.
Damit ist auch der neue Finanzminister, in den viele ihre Hoffnung gesetzt haben, entzaubert. Er hatte zu
Beginn der Verhandlungen völlig
richtig festgestellt, dass Österreich kein
Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem hat. Und er hat auf Ausga-
34
bensenkungen gepocht. Diese sind
praktisch nicht gekommen, beziehungsweise in nebulosen Ankündigungen versteckt – etwa einer
Verwaltungsreform, die uns ja schon
seit Jahrzehnten versprochen wird.
Und der Kampf gegen den Steuerbetrug hat nichts mit einer Steuerreform
zu tun. Betrugsbekämpfung sollte jeder
Finanzminister, der sich ernst nimmt,
jederzeit auf der Agenda haben.
Verlorene Faymann-Jahre
Man muss daran erinnern: Michael
Spindelegger (Nc) ist zurückgetreten,
weil er sich „nicht verbiegen“ wollte.
Nunmehr hat sich die ÖVP unter seinem Nachfolger gewaltig verbogen.
Über die Motive kann man nur rätseln. Aber möglicherweise sitzen auch
bereits in der ÖVP so viele Sozialisten
– wie etwa der neue Vorarlberger Landeshauptmann –, dass es der Faymann-SPÖ ein Leichtes war, die
Schwarzen über den Tisch zu ziehen.
Dabei wurde eine primitive PR-Strategie angewandt: Es wurden noch größere Grausamkeiten wie etwa „echte
Erbschafts- oder Vermögenssteuern“
angekündigt, die dann „verhindert“
wurden. Dafür wurden durch die
Hintertür eine familien- und mittelstandsfeindliche Erhöhung der
Grunderwerbssteuer (als neue Erbschaftssteuer), die Erhöhung der Steuern auf Dividenden, eine weitere Aushöhlung des Bankgeheimnisses sowie
die Erhöhung des Spitzensteuersatzes
durchgesetzt.
Es wurde keine einzige Strukturverbesserung, keine einzige konkrete Ausgabenreduktion beschlossen; weder
bei den Pensionen und Subventionen,
noch bei der teuren Schulverwaltung
oder beim teuren Gesundheitssystem
– ein Wahnsinn, wie eine ÖVP hier
zustimmen konnte. Und die SPÖ
macht sich weiter über die ÖVP lustig,
indem sie betont, dass selbstverständlich Vermögens- und Erbschaftssteuern weiterhin auf der Agenda der SPÖ
stehen. Sie wird ihre Salami-Taktik ungehindert weiter fortsetzen.
Aber angeblich soll es jetzt mit den
Reformen zügig (!) weitergehen. So
wünscht sich etwa Faymann eine
Schulreform, die ÖVP andererseits
wünscht sich eine Pensionsreform.
Man kann jetzt schon Wetten abschließen, welche Reformen (nicht)
kommen werden und wie diese aussehen werden.
In der Pensionsreform etwa blockiert die SPÖ Hand in Hand mit dem
ÖGB seit 1995. Ältere Semester können sich noch an den rührenden
Vranitzky-Brief zu Weihnachten erinnern. An der nächsten Pensionsreform
scheiterte Viktor Klima und es kam die
schwarz-blaue Regierung. Seit 2006 ist
wieder die SPÖ Kanzlerpartei und da
ist etwa ein Gusenbauer-Brief aus 2008
an die Pensionisten in Erinnerung.
Dass eine ÖGB-getriebene SPÖ seit
Jahren bei Reformen – besonders bei
den Pensionen – mauert, ist ja kein
Geheimnis. Dadurch hat sich in den
Faymann-Jahren die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs dramatisch verschlechtert. Das zeigen internationale
Vergleiche mit erschreckender Deutlichkeit und Regelmäßigkeit.
Es scheint, dass sich Werner Faymann, der ja neulich in Alexis Tsipras
„einen guten Freund gefunden hat“, eher
Griechenland als Vorbild nimmt als
etwa Reformstaaten wie Schweden.
Unter diesem Kanzler wird Österreich
weiter absandeln – und die ÖVP
schaut zu.
Herbert Kaspar (Am)
Präsentation
In der ACADEMIA-Ausgabe vor 25 Jahren finden sich zwei interessante Beiträge zum Thema „Medien“. Während ein gewisser Wolfgang Brandstetter (Nc), damals noch Assistent an der Uni Wien, in einem Beitrag „Missbrauch der
Freiheit“ die Frage stellt, wer den Einzelnen vor den Medien
schützt, bricht der damalige stellvertretende Chefredakteur der
„Wochenpresse“ Gerald Freihofner (Nc) verständlicherweise
eine Lanze für die Pressefreiheit.
Freihofner, selbst ein investigativer Journalist höchster Qualität – man denke etwa an die Causa Lucona – sieht allerdings auch schon vor
einem Vierteljahrhundert negative Entwicklungen in seiner Branche, wenn
etwa schon damals sachlich unfundierte
Hetzjagden auf Politiker durchgeführt
wurden.
25 Jahre später ist die Situation sicherlich nicht besser geworden. Aber der
unerträgliche, permanente Amtsmissbrauch, wenn vertrauliche Akteninhalte Medien zugespielt werden, wird
nach wie vor nicht geahndet.
Es wäre eine interessante Aufgabe für den nunmehrigen Justizminister Brandstetter, zumindest in diesem Bereich den Schutz
der Grundrechte des einzelnen Staatsbürgers zu gewährleisten.
Ein zweiter großer Themenbereich dieses Heftes war das wichtige Projekt der „Neuevangelisierung – oder Re-Evangelisierung –
Europas.“ Schon vor einem Vierteljahrhundert hat sich die fortschreitende Erosion der Religion deutlich abgezeichnet – auch
auf diesem Gebiet ist in den letzten Jahren wohl keine Wende
zum Besseren eingetreten.
Herbert Kaspar (Am)
Stadt.Druckerei.Wien:
Qualitätsdruck findet Stadt
AV+Astoria
Druckzentrum GmbH
Faradaygasse 6, A-1030 Wien
Tel. +43/1/797 85-0
Fax +43/1/797 85-218
[email protected], www.av-astoria.at
Zertifizierungen
Permanenter Amtsmissbrauch
R ProzessStandard Offsetdruck (ISO 12647-2) – geprüfter Qualitätsbetrieb
R Österreichisches Umweltzeichen – umweltfreundliche Druckprodukte
R PEFC – Förderung nachhaltiger Waldwirtschaft
R FSC – Das Zeichen für verantwortungsvolle Waldwirtschaft
R Print CO 2 geprüft – Klimaneutraler Druck (Klimaschutz zertifikatkauf)
ACADEMIA-Präsentation
Bereits zum zehnten Mal war es der ACADEMIA vergönnt,
in den gastfreundlichen Räumen der Österreichischen Hagelversicherung die Präsentation des ersten Heftes des Jahres vorzunehmen. Vorstandsdirektor Josef Schmid (Merc) konnte den
zahlreich erschienen Gästen von einem guten Geschäftsjahr
2014 der Hagelversicherung berichten, denn es gab im abgelaufenen Jahr keine großflächigen Hagelereignisse.
Besonders hob er die Bodenschutzinitiative der Hagelversicherung gegen die zunehmende Versiegelung der landwirtschaftlichen Flächen in Österreich hervor, durch die jährlich
rund 8.400 ha fruchtbaren Bodens verloren gehen. Es handelt
sich dabei um eine bedenkliche Entwicklung, denn dadurch
Josef Schmid, Abg.z.NR Andreas Zakostelsky (Cl), VF-x Georg Feith
(GIL) und AHS-x Alexander Dörfel (Rd).
ist die Lebensmittelautarkie Österreichs gefährdet, mit der Konsequenz, dass Lebensmittel aus dem Ausland importiert werden
müssen. Auch geht der versiegelte Boden als CO2-Speicher verloren und beschleunigt damit den Klimawandel.
Die ACADEMIA wird sich in einer ihrer nächsten Ausgaben
mit diesem wichtigen Thema beschäftigen.
HK
35
April 2015
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