Strategische Sozialberichterstattung 2015

Strategische Sozialberichterstattung 2015
- Deutschland -
Strategic Social Reproting 2015
- Germany -
Strategische Sozialberichterstattung 2015
- Deutschland -
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Strategische Sozialberichterstattung 2015
Deutschland
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ......................................................................................................................... 4 Gesamtwirtschaftlicher Kontext und Soziale Sicherung .................................................... 5 Wesentliche Sozialschutzreformen ................................................................................... 6 2. Beiträge zur Erreichung der Ziele der Strategie Europa 2020 im Bereich der
Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung .................................................... 8 3. Jüngste Reformen und politische Initiativen im Bereich der sozialen Inklusion .... 10 3.1 Zugang für alle zu Ressourcen, Rechten und Dienstleistungen; Vermeidung und
Bekämpfung von Ausgrenzung und aller Formen von Diskriminierung; Unterstützung
beim Eintritt in den Arbeitsmarkt ..................................................................................... 10 Gewährleistung der Angemessenheit von Fürsorgeleistungen ....................................... 10 Deckungsgrad der Sozialschutzsysteme ........................................................................ 11 Unterstützung Jugendlicher beim Berufseinstieg ............................................................ 11 Verbesserung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ..................................... 14 Abbau der geschlechtsspezifischen Segmentierung des Arbeitsmarkts und Erleichterung
der Erwerbsbeteiligung von Frauen ................................................................................ 16 3.2 Investitionen in Kinder ...................................................................................................... 19 Frühe Hilfen..................................................................................................................... 19 Ausbau und Qualität der Kindertagesbetreuung ............................................................. 20 3.3 Obdachlosigkeit ................................................................................................................ 21 3.4 Inklusives Wohnen ........................................................................................................... 21 3.5 Bekämpfung von Diskriminierung..................................................................................... 22 4. Jüngste Reformen zur Erreichung von angemessenen und nachhaltigen Renten 26 Anhebung der Altersgrenzen und aktuelle Reformmaßnahmen ..................................... 26 Rentenanpassung ........................................................................................................... 27 Beitragssatz .................................................................................................................... 28 2
5. Jüngste Reformen im Gesundheitswesen .................................................................. 29 Zugängliche, qualitative hochwertige und nachhaltige Gesundheitsversorgung ............ 29 Erbringung der Gesundheitsdienstleistungen bzw. Gesundheitsvorsorge ...................... 30 Entwicklung der Gesundheitsausgaben .......................................................................... 31 Versorgung von Menschen mit Demenz ......................................................................... 31 6. Jüngste Reformen in der Langzeitpflege .................................................................... 32 Zugängliche, qualitative hochwertige und nachhaltige langzeitpflegerische Versorgung32 Weiterentwicklung der Sozialen Pflegeversicherung ...................................................... 32 Fachkräftesicherung in den Pflegeberufen ..................................................................... 33 Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf ................................................................... 33 Entwicklung der Ausgaben in der Sozialen Pflegeversicherung ..................................... 34 Anhang .................................................................................................................................. 35 Indikatorenübersicht ............................................................................................................... 35 3
1. Einleitung
Im Rahmen der Offenen Methode der Koordinierung im Bereich Soziales (OMK Soziales)
berichten die Mitgliedstaaten der Europäischen Union in der Strategischen Sozialberichterstattung jährlich über neue nationale Entwicklungen und gesetzlich verankerte oder im Parlament anhängige Reformen sowie Maßnahmen hinsichtlich der gemeinsamen Ziele in den
OMK-Bereichen Soziale Inklusion, Rente sowie Gesundheit und Langzeitpflege.
Der Berichtszeitraum erstreckt sich vom 1. Juli 2014 bis zum 30. April 2015. Daneben wird
ein Ausblick auf in nächster Zeit geplante Aktivitäten gegeben. Über bis 30. Juni 2014 eingeführte Maßnahmen ist bereits in der Vergangenheit berichtet worden, sodass diese im Rahmen dieses Berichtes nicht wiederholt werden.
Die Berichte der Mitgliedstaaten bilden die Grundlage für den Bericht des Europäischen
Ausschuss für Sozialschutz (SPC) an den Rat über strukturelle Sozialschutzreformen. In
Deutschland erfolgt die Berichterstattung zeitlich synchron mit dem Nationalen Reformprogramm (NRP) und dem Verfahren des Europäischen Semesters. Die Strategische Sozialberichterstattung, das NRP und der Bericht „Informationen von Deutschland über den Fortschritt bei der Umsetzung des Berichts EU-Rahmen für nationale Strategien zur Integration
der Roma bis 2020 - Integrierte Maßnahmenpakete zur Integration und Teilhabe der Sinti
und Roma in Deutschland“ sind inhaltlich komplementär und verweisen an den relevanten
Stellen aufeinander. Dabei werden soziale Dimension bzw. soziale Themen grundsätzlich
abschließend in der Strategischen Sozialberichterstattung behandelt.
Innerhalb der Bundesregierung ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)
für die Strategische Sozialberichterstattung federführend. Wesentlich beteiligt sind das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend (BMFSFJ), das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und das
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB).
Mit dem Ziel einer hohen Transparenz und der breiten Beteiligung aller Akteure hat das
BMAS die Sozialpartner, Wohlfahrts- und Sozialverbände sowie die Länder- und Kommunalebene im gesamten Prozess zur Erstellung der Strategischen Sozialberichterstattung 2015
einbezogen. Diese haben zum Prozessauftakt Stellungnahmen zu möglichen Themen und
Schwerpunkten des Berichts formuliert, die von den Fachressorts bei der Erstellung der
Fachbeiträge berücksichtigt wurden. Im weiteren Verfahren fand ein gemeinsamer Austausch zwischen allen Interessenvertretern und den Fachressorts statt, wonach die Interes4
sensvertreter die Gelegenheit erhielten zum Entwurf der Strategischen Sozialberichterstattung 2015 Stellung zu nehmen.
Die Sozialpartner, Wohlfahrts- und Sozialverbände sowie die Länder- und Kommunalebene
leisten in Deutschland einen bedeutenden Beitrag zur Umsetzung der Ziele der OMK Soziales und der Strategie Europa 2020, vor allem im Bereich der sozialen Eingliederung und Armutsvermeidung.
Die Strategische Sozialberichterstattung 2015 wurde am 25. März 2015 im Bundeskabinett
verabschiedet.
Gesamtwirtschaftlicher Kontext und Soziale Sicherung
Die deutsche Wirtschaft ist weiterhin in einer guten Verfassung. Zwar hatte sich das Wirtschaftswachstum im Verlauf des vergangenen Jahres 2014 nach einem starken ersten Quartal deutlich abgeschwächt, wobei insbesondere die Investitionsdynamik vor dem Hintergrund
einer enttäuschenden weltwirtschaftlichen Entwicklung und der Verunsicherung durch erhöhte geopolitische Risiken hinter den Erwartungen zurückblieb. In den letzten Monaten des
Jahres setzte jedoch eine Erholung ein, getrieben von einer starken Beschäftigungsentwicklung und starkem Konsum. Insgesamt legte nach dem vorläufigen Jahresergebnis des Statistischen Bundesamtes das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt in Deutschland im Jahresdurchschnitt 2014 um 1,6% zu. Diese günstige Entwicklung dürfte sich im Jahr 2015 fortsetzen. Die Bundesregierung erwartet für den Jahresdurchschnitt einen Anstieg des realen BIP
von 1,5%, der fast ausschließlich binnenwirtschaftlich getragen sein wird.
Der deutsche Arbeitsmarkt blieb von der vorübergehenden konjunkturellen Abschwächung
weitgehend unberührt. Erwerbstätigkeit und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung haben weiter zugenommen. Die Zahl der Erwerbstätigen lag im 4. Quartal 2014 bei 43,0 Mio.
Personen. Das waren 412.000 Personen (+1,0%) mehr als im Vorjahreszeitraum.
Die Zahl der Arbeitslosen sank im Februar 2015 gegenüber dem Vormonat um 14.600 auf
3,02 Mio. Personen. Im Vergleich zum Februar 2014 waren 121.000 weniger Arbeitslose
registriert (-3,9%). Die bundesweite Arbeitslosenquote lag im Februar 2015 bei 6,9% (Ost:
10,2%, West: 6,2%) und damit 0,4 Prozentpunkte unter dem Vorjahresniveau. Im Jahresdurchschnitt 2014 lag die Arbeitslosigkeit bei 2,9 Mio. Personen, das ist ein Rückgang um
2% im Vergleich zum Vorjahr und gemeinsam mit 2012 der niedrigste Stand seit 1991.
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Die Zahl der Leistungsberechtigten in der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist im Jahr
2014 wiederholt leicht auf nun 6,1 Mio. Personen oder um 0,4% zurückgegangen. Im Jahr
2013 hatten noch 6,13 Mio. Personen Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende
bezogen (der Rückgang gegenüber dem Vorjahr 2012 betrug 0,3%). Der Anteil der Leistungsberechtigten an der gleichaltrigen Bevölkerung ist dabei weitgehend konstant geblieben
(2014: 9,5%; 2013: 9,6%). Die Zahl der Leistungsberechtigten von Grundsicherung im Alter
und bei Erwerbsminderung war hingegen am Jahresende 2013 mit rund 962.000 Personen
um 6,9% höher als am Jahresende 2012 (900.000 Personen). Der Anteil der Leistungsberechtigten ab 65 Jahren an der Bevölkerung in dieser Altersgruppe stieg mit rund 499.000
Personen auf 3,0% (gegenüber 2,8% Ende 2012). Auch wenn der Anteil an der entsprechenden Bevölkerung in den letzten Jahren leicht gestiegen ist, ist Altersarmut nach wie vor
kein weit verbreitetes Problem.
Wesentliche Sozialschutzreformen
Die Bundesregierung hat im Berichtszeitraum Maßnahmen ergriffen, um die soziale Situation
in Deutschland weiter zu verbessern. Zum 1. Januar 2015 trat ein allgemeiner gesetzlicher
Mindestlohn von 8,50 Euro je Zeitstunde in Kraft, der eine angemessene Lohnuntergrenze
für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sicherstellt. Die Bundesregierung hat dabei auf
eine möglichst beschäftigungsfreundliche Ausgestaltung des Mindestlohns geachtet. In einigen Branchen kann der gesetzlich festgelegte Mindestlohn noch bis Ende des Jahres 2017
auf der Grundlage von Branchenmindestlöhnen nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz
unterschritten werden, muss aber zum 1. Januar 2017 mindestens 8,50 Euro betragen.
Im Rentenrecht wurden Leistungsverbesserungen eingeführt. Seit 1. Juli 2014 können besonders langjährig Versicherte, die mindestens 45 Jahre in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert waren, schon mit 63 Jahren ohne Abschläge in Rente gehen. Für Versicherte
ab Jahrgang 1953 steigt diese Altersgrenze für die abschlagsfreie Rente wieder schrittweise
auf wie bislang 65 Jahre an. Darüber hinaus sorgt die Mütterrente für eine bessere rentenrechtliche Anerkennung von Erziehungszeiten für Kinder, die vor 1992 geboren wurden.
Auch die Leistungen der Erwerbsminderungsrente wurden verbessert. Rückwirkend zum 1.
Januar 2014 wird bei der jährlichen Anpassung des Reha-Budgets künftig neben der voraussichtlichen Lohnentwicklung zusätzlich die demografische Entwicklung berücksichtigt.
Ziel der Bundesregierung war und ist es, die sozialen Sicherungssysteme so auszugestalten,
dass den Versicherten weiterhin qualitativ hochwertige und angemessene Sozialleistungen
im Leistungsfall zustehen, gleichzeitig aber die Tragfähigkeit der Sozialversicherungssysteme und der öffentlichen Finanzen gewährleistet wird, Anreize zu guter und fairer Arbeit ge6
setzt werden und Teilhabe ermöglicht bzw. Armut vermieden wird. Daneben müssen nachhaltige und sinnvolle Investitionen in das Sozialwesen, in Bildung und gesellschaftliche Inklusion vorgenommen werden.
Sozialpolitik und Sozialstaat müssen auf gesellschaftlichen Wandel flexibel reagieren und
diesen verlässlich gestalten, damit soziale Sicherheit und wirtschaftliche Dynamik weiterhin
sinnvoll und angemessen ineinandergreifen. Denn sowohl eine moderne und solidarische
Gesellschaft als auch ein widerstandsfähiges, erfolgreiches und effektives Wirtschaftssystem
beruhen auf einem starken sozialen Element. Gleichzeitig dürfen Leistungs- und Beschäftigungsanreize nicht geschwächt werden. Denn nur eine effiziente und wettbewerbsfähige
Wirtschaftsordnung ist dauerhaft in der Lage, sozialen Ausgleich und Teilhabe in angemessener Weise zu organisieren.
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2. Beiträge zur Erreichung der Ziele der Strategie Europa 2020 im Bereich der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung
Langzeiterwerbslosigkeit ist ein wesentliches Risiko, Armut und soziale Ausgrenzung zu erfahren. Deshalb hat die Bundesregierung ihr quantitatives Ziel zur Bekämpfung von Armut
und zur Förderung der sozialen Eingliederung anhand der Personenzahl definiert, die in von
Langzeiterwerbslosigkeit betroffenen Haushalten lebt. Die Anzahl der langzeiterwerbslosen
Personen (länger als ein Jahr erwerbslos gemäß IAO-Abgrenzung) soll bis 2020 um 20%
(gemessen am Jahresdurchschnitt 2008) reduziert werden. Dies entspricht einem Rückgang
um etwa 320.000 Langzeiterwerbslose (Jahresdurchschnitt 2008: 1,62 Mio.). Bei – konservativ geschätzt – zwei Personen pro Erwerbslosenhaushalt reduziert dies die Zahl der armutsgefährdeten Personen um 640.000. Diese Zielvorgabe wird bereits aktuell deutlich übertroffen. Mit der außerordentlich positiven Beschäftigungsentwicklung in Deutschland hat sich in
den letzten Jahren die Langzeiterwerbslosigkeit deutlich verringert. Im dritten Quartal 2014
lag die Zahl der Langzeiterwerbslosen bei rd. 865.000 Personen. Gegenüber dem dritten
Quartal 2008 ging sie damit um rund 44% bzw. 674.000 Personen zurück (Daten auf Basis
der Arbeitskräfteerhebung von Eurostat).
Für die Bundesregierung ist die weitere Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit ein
Schwerpunkt der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Denn obwohl die Langzeitarbeitslosigkeit in
den letzten Jahren tendenziell abgenommen hat, profitieren Langzeitarbeitslose weniger von
den positiven Entwicklungen am Arbeitsmarkt. Oft ist eine dauerhafte Eingliederung in Arbeit
aufgrund komplexer individueller Problemlagen nur mit viel Einsatz aller Beteiligten über einen längeren Zeitraum zu erreichen.
Die Bundesregierung verfolgt deshalb weiterhin das Ziel, Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose verstärkt in existenzsichernde Arbeit zu vermitteln, sie passgenau zu qualifizieren
und zu begleiten, sowie bei Bedarf - auch nach erfolgreicher Eingliederung in Arbeit - zu betreuen und dafür die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Hierzu hat die Bundesregierung das Konzept „Chancen eröffnen - soziale Teilhabe sichern“ zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit vorgelegt. Das Konzept beinhaltet vielfältige Maßnahmen, Programme
und Handlungsansätze, die darauf abzielen, die Chancen von Langzeitarbeitslosen zu verbessern und soziale Teilhabe zu ermöglichen.
Einen wichtigen Beitrag dazu leisten die Mittel des Europäischen Sozialfonds (ESF). So sehen die Strukturfondsverordnungen für die Förderperiode 2014 bis 2020 vor, dass auf nationaler Ebene mindestens 20% der ESF-Mittel in der Investitionspriorität der Förderung der
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sozialen Eingliederung und Bekämpfung der Armut eingesetzt werden. Im ESFBundesprogramm der Förderperiode 2014 bis 2020 wird dieses Ziel insbesondere durch die
Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit durch dauerhafte Integration von Langzeitarbeitslosen in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis, durch die Förderung von
Migrantinnen und Migranten und deren nachhaltige Vermittlung in Arbeit und Ausbildung und
durch die Verbesserung des Zugangs zu Beschäftigung, Ausbildung und Bildung für Benachteiligte (auch bildungs- und arbeitsmarktferne Jugendliche und junge Erwachsene) umgesetzt.
Einen niederschwelligeren Ansatz ermöglicht der Europäische Hilfsfonds für die am stärksten
benachteiligten Personen (EHAP). Er wird in Deutschland im Jahr 2015 umgesetzt. Mit dem
EHAP wird die soziale Eingliederung von Personen gefördert, die von Beratungs- und Unterstützungsleistungen des regulären Hilfesystems nicht erreicht werden. Dazu gehören ein Teil
der zugewanderten Menschen aus EU-Mitgliedsstaaten und deren Kinder sowie Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen. Während die erwachsenen EUZuwanderer sowie die Wohnungslosen und von Wohnungslosigkeit bedrohten Personen an
das reguläre Hilfesystem, wie beispielsweise Sprachkurse oder zielgerichtete Beratung herangeführt werden sollen, soll für die zugewanderten Kinder der Zugang zu Angeboten der
frühen Bildung und der sozialen Inklusion, wie beispielsweise Kindertageseinrichtungen, verbessert werden.
Die qualitativen Ziele Deutschlands im Bereich der Verringerung von Armut und sozialer
Ausgrenzung beziehen sich weiterhin vor allem auf die Zielgruppen Kinder, Jugendliche,
Frauen, Alleinerziehende, Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit Behinderungen und ältere Menschen. Hier haben Bund und Länder im vergangenen Jahr vielfältige
Strategien und Konzepte entwickelt. Ziel ist, die sozialen und ökonomischen Teilhabechancen der benachteiligten Personengruppen zu verbessern. In jeder Lebensphase müssen alle
die Chance erhalten, ihre individuellen Möglichkeiten auszuschöpfen. Dazu sollen u.a. die
Chancen für Bildung und gesellschaftliche Teilhabe sowie bei der Integration in die Gesellschaft und den Arbeitsmarkt verbessert und Altersarmut vermieden werden.
Das Ziel, die Erwerbstätigenquote der Frauen bis 2020 auf 73% zu steigern, wurde bereits
erreicht. Diese ist im dritten Quartal 2014 auf 73,4% angestiegen. Auch die Erwerbstätigenquote der Älteren (55- bis 64-Jährigen) stieg weiter auf 66,1% im dritten Quartal 2014. Damit
wurde ebenfalls bereits das nationale, auch in der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie verankerte Ziel von 60% bis 2020 deutlich überschritten.
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3. Jüngste Reformen und politische Initiativen im Bereich der sozialen Inklusion
3.1 Zugang für alle zu Ressourcen, Rechten und Dienstleistungen; Vermeidung und
Bekämpfung von Ausgrenzung und aller Formen von Diskriminierung; Unterstützung
beim Eintritt in den Arbeitsmarkt
Gewährleistung der Angemessenheit von Fürsorgeleistungen
Zum 1. März 2015 wurde mit der Reform des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) das
Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 18. Juli 2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11,
BVerfGE 132, 134-179) umgesetzt und eine verfassungskonforme Neuregelung der Geldleistungen nach diesem Gesetz geschaffen. Mit dieser Neuregelung wurden die Geldleistungen nach dem AsylbLG transparent und bedarfsgerecht neu bestimmt und gegenüber den
alten Leistungssätzen deutlich angehoben. Damit werden nunmehr auch die Geldleistungen
für die Bezieher von Grundleistungen nach diesem Gesetz - wie im SGB II und SGB XII - auf
der Grundlage des Statistikmodells der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe ermittelt
und zukünftig nach demselben Fortschreibungsmechanismus wie im SGB XII aktualisiert.
Die Dauer des Grundleistungsbezugs nach dem AsylbLG wurde zugleich deutlich - von 48
auf 15 Monate - verkürzt, sodass Leistungsberechtigte zukünftig bereits nach 15 Monaten
Leistungen entsprechend dem SGB XII erhalten können. Die Inhaber bestimmter humanitärer Aufenthaltstitel wurden aus dem Anwendungsbereich des AsylbLG herausgenommen;
bei Hilfebedürftigkeit erhalten diese Personen zukünftig Leistungen nach dem SGB II oder
SGB XII. Zugleich wurde eine Regelung zum Bildungspaket eingeführt: Hiernach erhalten
alle vom AsylbLG erfassten Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen von Anfang an
Anspruch auf Bildungs- und Teilhabeleistungen entsprechend dem SGB XII. Hierdurch sollen
ihnen frühzeitig Bildungs- und Teilhabechancen eröffnet und ihre Situation verbessert werden.
Für den Personenkreis der Asylbewerber und Geduldeten wurden im November 2014 die
Voraussetzungen für den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt erleichtert. Durch das „Gesetz zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunftsstaaten und zur Erleichterung des
Arbeitsmarktzugangs für Asylbewerber und geduldete Ausländer“, das am 6. November
2014 in Kraft getreten ist, wurde die Wartefrist, in der grundsätzlich keine Beschäftigung erlaubt ist, für Asylbewerber und Geduldete auf einheitlich drei Monate verkürzt. Nach Ablauf
dieser dreimonatigen Wartefrist ist eine Beschäftigung mit Zustimmung der Bundesagentur
für Arbeit möglich. Die Zustimmung wird erteilt, wenn keine bevorrechtigten inländischen
Arbeitsuchenden oder Bewerber aus der Europäischen Union für den Arbeitsplatz zur Verfügung stehen (Vorrangprüfung) und die Beschäftigungsbedingungen denen inländischer Ar10
beitnehmer entsprechen. Durch die am 11. November 2014 in Kraft getretene Änderung der
Beschäftigungsverordnung entfällt die Vorrangprüfung, wenn es sich um qualifizierte Fachkräfte handelt, bei denen auch sonst kein Vermittlungsvorrang geprüft wird, oder wenn der
Aufenthalt im Inland bereits seit 15 Monaten ununterbrochen erlaubt, geduldet oder gestattet
besteht. Wie bisher, entfällt das Zustimmungserfordernis nach vier Jahren Aufenthalt insgesamt.
Deckungsgrad der Sozialschutzsysteme
0,06% der Bevölkerung von 15 bis unter 25 Jahren beziehen Hilfe zum Lebensunterhalt
(HLU) außerhalb von Einrichtungen nach dem SGB XII. Dasselbe gilt für 0,13% der Bevölkerung von 25 bis unter 30 Jahre. 0,56% der Bevölkerung von 15 bis unter 25 Jahren beziehen
Regelleistungen nach dem AsylbLG. Dasselbe gilt für 0,62% der Bevölkerung von 25 bis
unter 30 Jahre. Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II werden von 8,6% der Bevölkerung in der Altersgruppe von 15 bis unter 25 Jahren bezogen.
Unterstützung Jugendlicher beim Berufseinstieg
Bund, Wirtschaft, Gewerkschaften und Länder haben am 12. Dezember 2014 die „Allianz für
Aus- und Weiterbildung“ besiegelt. Diese leistet einen wesentlichen Beitrag zur Fachkräftesicherung in Deutschland: Jedem ausbildungsinteressierten Menschen wird im Rahmen der im
Koalitionsvertrag angesprochenen Ausbildungsgarantie ein „Pfad“ aufgezeigt, der ihn frühestmöglich zu einem Berufsabschluss führen kann. Vorrang hat dabei die betriebliche Ausbildung. Die Partner der Allianz wollen unter anderem die duale Berufsausbildung in
Deutschland stärken, das Passungsproblem zwischen Bewerber/innen und Unternehmen
regional und berufsfachlich nachhaltig verringern sowie für die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung werben. Bundesregierung, Bundesagentur für Arbeit, Wirtschaft, Gewerkschaften und Ländern haben sich dabei zu konkreten Beiträgen verpflichtet
(z.B. will die Wirtschaft 2015 20.000 zusätzliche Ausbildungsplätze – gegenüber den 2014
bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten Ausbildungsstellen - zur Verfügung stellen; die
Partner der Allianz wollen ein neues Instrument der assistierten Ausbildung auf den Weg
bringen; die Bundesagentur für Arbeit wird dafür im Ausbildungsjahr 2015/16 bis zu 10.000
Plätze finanzieren; über die Ausweitung und Finanzierung des Instruments assistierte Ausbildung ab dem Ausbildungsjahr 2016/17 werden die Partner 2015 gemeinsam entscheiden).
Die Allianz löst den bisherigen „Nationalen Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs“
ab und läuft bis Ende 2018. Die gesetzlichen Änderungen zur Einführung der assistierten Ausbildung und Ausweitung
der ausbildungsbegleitenden Hilfen sind auf den Weg gebracht. Die assistierte Ausbildung
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soll über die gesamte Laufzeit der Allianz für Aus- und Weiterbildung, also für insgesamt vier
Eintrittskohorten, realisiert werden.
Leistungsschwächere Schüler/innen haben häufig Probleme, einen Schulabschluss zu erlangen und laufen damit auch Gefahr, den Start ins Berufsleben nicht erfolgreich zu meistern. Um dieses Risiko zu minimieren, sollen die Berufseinstiegsbegleiter/innen die leistungsschwächeren Schülerinnen und Schüler an Haupt- und Förderschulen intensiv in den
Berufseinstieg begleiten. Die Erprobung der Berufseinstiegsbegleitung an ausgewählten Modellschulen erfolgt seit 2009. Die bisherige modellhafte Erprobung soll weiter gefördert und
entwickelt sowie im Rahmen der zu Verfügung stehenden Haushaltsmittel ausgebaut werden. Für die Schuljahre 2014/2015 bis 2018/2019 ist vorgesehen, Maßnahmen der Berufseinstiegsbegleitung mit Mitteln des ESF kozufinanzieren. Das ESF-Bundesprogramm „Kofinanzierung der Berufseinstiegsbegleitung“ ist das finanzstärkste ESF-Programm, das der
Bund in der Förderperiode 2014 bis 2020 auflegt. Insgesamt stehen rund 1 Milliarde Euro zur
Verfügung, jeweils 530 Millionen Euro aus Mitteln des ESF sowie aus dem Eingliederungstitel der Bundesagentur für Arbeit. Mit diesem Betrag können Maßnahmen der Berufseinstiegsbegleitung für fünf Eintrittskohorten der Schuljahre 2014/2015 bis 2018/2019 an 2.550
Schulen mit insgesamt rund 115.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern finanziert werden.
Als Beginn der Maßnahme ist der 16. März 2015 vorgesehen.
Als Beitrag zur Verbesserung der Chancengerechtigkeit in der beruflichen Bildung hat der
Bund die Initiative Bildungsketten entwickelt. Es ist angestrebt, gemeinsam mit den Ländern
Strukturen und Angebote für die berufliche Bildung bis hin zum Ausbildungsabschluss miteinander zu verzahnen und damit gerade benachteiligten Jugendlichen den Weg in den Beruf
zu erleichtern.
Mit dem 25. BAföG-Änderungsgesetz übernimmt der Bund ab dem Jahr 2015 die volle Finanzierung der Geldleistungen nach dem BAföG und entlastet damit die Länder dauerhaft
um rund 1,17 Milliarden Euro jährlich, um ihnen einen zusätzlichen Spielraum für die Bildungsfinanzierung, insbesondere für Hochschulen, zu eröffnen. Zudem werden im BAföG die
Bedarfssätze und Einkommensfreibeträge jeweils um 7% ab dem Schuljahr 2016/2017 bzw.
Wintersemester 2016/2017 erhöht. Dies lässt die Förderungsbeträge steigen und den Kreis
der BAföG-Empfänger und -Empfängerinnen im ersten Vollwirkungsjahr 2017 im Jahresdurchschnitt um rund 110.000 anwachsen. Aufgrund der zusätzlichen überproportionalen
Anhebung des Wohnzuschlags für nicht bei den Eltern wohnende Studierende steigen die
Förderungsbeträge für diese Gruppe sogar um rund 9,7%. Damit wird den gestiegenen Mietkosten auch für studentischen Wohnraum gezielt Rechnung getragen. Für eine noch bessere
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Vereinbarkeit von Ausbildung und Familie wird der Kinderbetreuungszuschlag angehoben
und vereinheitlicht. Bisher bestehende Förderungslücken beim Übergang zwischen einem
Bachelor- zu einem Masterstudium werden weitgehend geschlossen. Durch Entbürokratisierung und Verfahrenserleichterung wird das BAföG deutlich nutzerfreundlicher. Diese BAföGReform ist ein entscheidender Schritt in Richtung stärkere Bildungsbeteiligung und Chancengerechtigkeit in der Bildung. Schülerinnen und Schüler sowie Studierende, die auf BAföG
angewiesen sind, können damit auch in Zukunft auf eine verlässliche Ausbildungsfinanzierung vertrauen.
Im Übergangsbereich sollen die vielfältigen Angebote besser aufeinander abgestimmt werden, um jungen Menschen, vor allem leistungsschwächeren, einen möglichst nahtlosen
Übergang in den Beruf zu ermöglichen. Unter dem Dach der „Arbeitsbündnisse Jugend und
Beruf“ werden diese Bestrebungen bereits in einer Vielzahl von Projekten zur Verbesserung
der Zusammenarbeit am Übergang von der Schule in den Beruf und an den Schnittstellen
SGB III, SGB II und SGB VIII umgesetzt. Gegenwärtig bestehen 186 solcher Arbeitsbündnisse. Sie werden als Jugendberufsagentur, Jugendjobcenter oder unter ähnlichen Bezeichnungen geführt und bieten auf die jeweiligen regionalen Verhältnisse zugeschnittene Lösungen an. Ziel ist es, junge Menschen beim Übergang von der Schule in den Beruf sinnbildlich
„an die Hand zu nehmen“. Die Zusammenarbeit soll möglichst flächendeckend ausgeweitet
und die bereits bestehenden Kooperationen weiterentwickelt werden. Im Rahmen des BMBF-Programms „Bildungsprämie“ wird individuelle berufliche Weiterbildung mit zwei Komponenten gefördert: Weiterbildungsinteressierte können alle zwei Kalenderjahre einen Prämiengutschein in Höhe von maximal 500 Euro erhalten, wenn ihr zu versteuerndes Jahreseinkommen 20.000 Euro (40.000 Euro bei gemeinsamer Veranlagung)
nicht übersteigt und sie die Hälfte der Maßnahmenkosten tragen. Geförderte Personen müssen zudem durchschnittlich mindestens 15 Stunden in der Woche erwerbstätig sein. Neu ist,
dass die Gutscheinempfängerinnen und -empfänger das 25. Lebensjahr vollendet haben
müssen und die geförderte Weiterbildungsmaßnahme maximal 1.000 Euro kosten darf. Voraussetzung für den Erhalt eines Prämiengutscheins ist zudem der Besuch einer Beratungsstelle der Bildungsprämie. Zweite Komponente der Bildungsprämie ist das Weiterbildungssparen, welches nach einer Gesetzesänderung im Fünften Vermögensbildungsgesetz erlaubt, zur Finanzierung von Weiterbildung Mittel in Höhe der entstehenden Kosten aus den
mit Arbeitnehmersparzulage geförderten Ansparguthaben zu entnehmen, auch wenn die
Sperrfrist noch nicht abgelaufen ist. Die beiden Komponenten sind kumulativ anwendbar.
Seit Beginn des Programms im Herbst 2008 wurden ca. 270.000 Prämiengutscheine ausgegeben. Mit der neuen Förderperiode wird nun die Ausgabe von weiteren 280.000 Gutschei13
nen ermöglicht. Aktuell können sich Weiterbildungsinteressierte bundesweit in rund 500 Beratungsstellen beraten und – bei Erfüllung der Voraussetzungen – einen Gutschein ausstellen lassen. Die durchschnittliche Auszahlung pro Gutschein betrug in der zweiten Förderphase 360 Euro. Die Zusammensetzung der Teilnehmenden hat sich seit Beginn der Bildungsprämie kaum verändert. Ein Großteil der Gutscheinempfängerinnen und -empfänger ist
auch in der aktuellen dritten Förderphase im Bereich „Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen“ (42%), gefolgt von den Bereichen „Erziehung und Unterricht“ (11%) und „Unternehmensbezogenen Dienstleistungen“ (10,5%) tätig. Personengruppen, die bei der betrieblichen
Weiterbildung unterdurchschnittlich beteiligt sind, werden nach wie vor durch das Programm
überdurchschnittlich häufig erreicht: Dies gilt u.a. für Frauen (77%), Beschäftigte in KMU bis
250 Mitarbeiter (90%), Teilzeitbeschäftigte (42%) und Selbständige (23%).
Im Sinne eines Weiterbildungsratgebers wird seit Beginn des Jahres ein Telefonservice für
informierende Weiterbildungsberatung erprobt, der dabei unterstützt individuelle Weiterbildungsbedarfe zu ermitteln und so Weiterbildungsabsichten zu konkretisieren. Der Service
ermöglicht Ratsuchenden einen einheitlichen wie leichten Zugang zu einer anbieterneutralen
Weiterbildungsberatung. Er informiert zu allen Fragen der beruflichen, politischen und fachlichen Weiterbildung. Dieser Service unterstützt Bürgerinnen und Bürger ihre Bildungs- und
Erwerbsbiographie aktiv und eigenständig zu gestalten und trägt so dazu bei, soziale Chancengerechtigkeit und gesellschaftliche Teilhabe zu realisieren. Der kostenlose Service ist an
Werktagen zwischen 10 und 17 Uhr unter 030 2017 90 90 erreichbar.
Daneben bietet die Hotline „Arbeiten und Leben in Deutschland“ eine Erstberatung zur Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
(BAMF).
Verbesserung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen
Im Juni 2011 hat die Bundesregierung ihren Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention (UN-BRK), beschlossen. Mit dem Nationalen Aktionsplan
(NAP) hat die Bundesregierung ein Instrument geschaffen, mit dem sie die Umsetzung der
UN-BRK in einem Zeitraum von zehn Jahren systematisch vorantreiben will. Die Bundesregierung bekennt sich darin zum sogenannten „disability mainstreaming“, d.h. der Berücksichtigung des Faktors Behinderung in jedem Gesetzgebungsvorhaben, jedem Projekt, jeder
Maßnahme. Die über 200 Vorhaben, Projekte und Aktionen zeigen, dass Inklusion ein Prozess ist, der alle Lebensbereiche umfasst. Das Ziel der Inklusion wird dabei als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden. Menschen mit und ohne Behinderungen müssen dabei mitwirken. Die Bundesregierung hat eine externe wissenschaftliche Evaluation des Aktionsplans in Auftrag gegeben. Die Evaluation erfolgte entsprechend der Maßgabe, den NAP
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in jeder Legislaturperiode auf den Prüfstand zu stellen. Auf Grundlage des im Herbst 2014
vorgelegten Evaluationsberichts soll der Aktionsplan nun - im Sinne von Artikel 4 Abs. 3 UNBRK erneut unter breiter Beteiligung der Zivilgesellschaft, insbesondere Menschen mit Behinderungen und ihren Organisationen - weiter entwickelt werden. Dieser Prozess wurde
bereits Ende 2014 gestartet und hat 2015 seine Fortsetzung gefunden.
Bedeutende Handlungsfelder des NAP sind neben „Arbeit und Beschäftigung“ sowie „Prävention, Rehabilitation, Gesundheit und Pflege“ auch „Kinder, Jugendliche, Familie und Partnerschaft“, „Frauen“ und „Ältere Menschen“ sowie „Bauen und Wohnen“, „Mobilität“ und „gesellschaftliche und politische Teilhabe“.
Schwerbehinderte Menschen haben in den vergangenen Jahren nicht im gleichen Umfang
von der guten Arbeitsmarktentwicklung profitiert wie Menschen ohne Behinderung. Daher
legt der NAP einen deutlichen Fokus auf die berufliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Beschäftigungssituation von
Menschen mit Behinderungen nachhaltig zu verbessern. Dafür sollen Arbeitgeber verstärkt
sensibilisiert und beraten werden, um das Arbeitskräftepotenzial von Menschen mit Behinderungen zu erkennen und sie zu beschäftigen. Über die „Inklusionsinitiative für Ausbildung
und Beschäftigung“ als aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahme für Menschen mit Behinderungen, in deren Mittelpunkt konkret dieses Vorhaben steht, wurde im vergangenen Jahr
berichtet. Die mit den maßgeblichen Arbeitsmarktpartnern vereinbarten Maßnahmen, die zu
dem notwendigen Bewusstseinswandel bei den Unternehmen und Betrieben beitragen sollen, wurden auf den Weg gebracht. Das Förderprogramm zur intensivierten Eingliederung
und Beratung von schwerbehinderten Menschen wurde im November 2014 um bis zu 30
Mio. Euro aufgestockt. Somit stehen nun bis zu 80 Mio. Euro für die Umsetzung von Konzepten der Träger der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, die auf die Stabilisierung bestehender
und Schaffung neuer Arbeitsverhältnisse und die Förderung der betrieblichen Ausbildung
von jungen Menschen mit Behinderungen abzielen.
Die Inklusionsinitiative wird ergänzt durch die „Initiative Inklusion“, mit der mit insgesamt
140 Mio. Euro aus dem Ausgleichsfonds die berufliche Orientierung von schwerbehinderten
Jugendlichen, die Ausbildung junger und die Beschäftigung älterer schwerbehinderter Menschen sowie die Inklusionskompetenz der Kammern der Wirtschaft gefördert werden.
15
Abbau der geschlechtsspezifischen Segmentierung des Arbeitsmarkts und Erleichterung der Erwerbsbeteiligung von Frauen
Zum Abbau der vertikalen geschlechtsspezifischen Segregation hat das Bundeskabinett am
11. Dezember 2014 den Gesetzentwurf für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und
Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst beschlossen. Ziel der Bundesregierung ist es, mit Hilfe der neuen gesetzlichen Regelungen den Anteil
weiblicher Führungskräfte in Deutschland zu erhöhen. Ab dem Jahr 2016 soll daher für neu
zu besetzende Aufsichtsratspositionen in Unternehmen, die börsennotiert und voll mitbestimmungspflichtig sind, eine Geschlechterquote in Höhe von 30% gelten. Unternehmen, die
börsennotiert oder mitbestimmungspflichtig sind, sollen gesetzlich verpflichtet werden, ab
2015 Zielgrößen zur Erhöhung ihres Frauenanteils im Aufsichtsrat, im Vorstand sowie in den
obersten Management-Ebenen sowie Fristen zur Erreichung der Zielgrößen festzulegen. Die
Angaben sind zu veröffentlichen. Zudem soll über die Umsetzung regelmäßig berichtet und
dadurch Transparenz geschaffen werden.
Auch das Bundesgremienbesetzungsgesetz von 1994 und das Bundesgleichstellungsgesetz
von 2001 sollen im Rahmen des Gesetzentwurfs novelliert werden. Für die Besetzung von
Aufsichtsgremien, in denen dem Bund mindestens drei Sitze zustehen, gilt ab dem Jahr
2016 – in Anlehnung an die neuen Regelungen für die Privatwirtschaft – eine Geschlechterquote in Höhe von mindestens 30% für alle Neubesetzungen der Bundessitze. Ziel ist, ab
dem Jahr 2018 diesen Anteil auf 50% zu erhöhen. Für sogenannte wesentliche Gremien des
Bundes ist eine 50%-Quote vorgesehen, die auch stufenweise bis 2018 erreicht werden
kann. Mit der Novellierung des Bundesgleichstellungsgesetzes wird insbesondere das Ziel
verfolgt, den Frauenanteil an Führungspositionen im Bundesdienst zu erhöhen; die Umsetzungserfolge werden für den Bereich der obersten Bundesbehörden künftig im Rahmen eines Gleichstellungsindex festgehalten und jährlich veröffentlicht.
Das Thema Entgeltgleichheit wird über den „Equal Pay Day“ in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt, über den bereits in den Strategischen Sozialberichterstattungen 2012 bis
2014 berichtet wurde. Im Mittelpunkt der laufenden Kampagne 2014/2015 steht das Motto:
„Spiel mit offenen Karten: Was verdienen Frauen und Männer?“. Sie hatte ihren Höhepunkt
am „Equal Pay Day“ am 20. März 2015. Transparente Bewertungsverfahren und Vergütungsstrukturen in Unternehmen sind eine zentrale Voraussetzung, um die Lohnlücke von
aktuell immer noch 22% zwischen den Geschlechtern zu schließen. Die öffentliche Kampagne „Equal Pay Day“ flankiert mit dem Schwerpunktthema Transparenz in 2015 die Maßnahmen zur Förderung der Entgeltgleichheit, die im Koalitionsvertrag vereinbart wurden. Danach
plant die Bundesregierung ein Gesetz vorzulegen, das für mehr Lohntransparenz sorgt. Gro16
ße Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden sollen in ihrem Lagebericht nach dem
Handelsgesetzbuch zur Frauenförderung und zur Entgeltgleichheit nach Maßgabe gesetzlicher Kriterien Stellung nehmen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhalten darauf aufbauend einen individuellen Auskunftsanspruch. Unternehmen sollen aufgefordert werden,
verbindliche Verfahren festzulegen, um Entgeltunterschiede feststellen und gemeinsam mit
Beschäftigten und Interessenvertreterinnen und Interessenvertretern im Betrieb erwiesene
Entgeltdiskriminierung in eigener Verantwortung zu beseitigen.
Das Forschungsprojekt „Tarifverhandlungen & Equal Pay“ befasst sich mit den Auswirkungen von kollektiven Lohnverhandlungen auf die Entgeltlücke. Dabei sollen Erkenntnisse zum
Ablauf von Tarifverhandlungen gewonnen werden. Die Ergebnisse zu dem Gesamtprojekt
werden Ende 2015 vorliegen.
Das Projekt des DGB „Was verdient die Frau? Wirtschaftliche Unabhängigkeit!“, das in Kooperation und in Abstimmung mit dem BMFSFJ von September 2014 bis August 2016
durchgeführt wird, will die wirtschaftliche Eigenständigkeit von Frauen stärken und so auch
einen Beitrag leisten, um die geschlechtsspezifische Entgeltlücke zu schließen. Mit dem Projekt soll gerade jungen Frauen und Müttern ganz konkret gezeigt werden, wie wirtschaftliche
Unabhängigkeit mit dem Lohngefälle und einem existenzsichernden Job zusammenhängt
und worauf Frauen in ihrer Biographie achten können. Der DGB nutzt dabei seine Zugänge
zu den Frauen und den Multiplikatoren/innen in Betrieben und Gewerkschaften. Das Projekt
konzentriert sich dabei auf Umbruchssituationen im Lebensverlauf. So werden v.a. Frauen,
die sich beim Übergang von der Ausbildung in den Beruf oder in Übergangssituationen rund
um die Familienphase befinden, in den Blick genommen.
Dem Ziel des Abbaus der horizontalen Geschlechtersegregation auf dem Arbeitsmarkt dient
das ESF-Programm „Quereinstieg – Männer und Frauen in Kitas“. Es fördert die Qualifizierung von Berufswechslerinnen und Berufswechslern zu pädagogischen Fachkräften in Kitas.
Dieser Quereinstieg ist zurzeit aufgrund der Ausbildungsstrukturen sehr schwer zu bewältigen. Das Programm erprobt neue bezahlte und erwachsenengerechte Ausbildungen für diese Zielgruppe. Damit trägt das Programm zur weiteren Öffnung des Berufes für Männer bei
(gerade Männer entscheiden sich oft erst später im Leben für diesen Beruf) und erhöht die
Diversität in den Kita-Teams.
Die Bundesinitiative „Geschlechtergerechte Berufs- und Studienorientierung“ greift die langjährigen Erfahrungen aus den Programmen Neue Wege für Jungs / Boys’ Day und Girls’ Day
auf. Diese Programme werden fortgesetzt. In einer Experten/innengruppe werden bestehen17
de Forschungslücken herausgearbeitet und Handlungsempfehlungen entwickelt. Die Forschungslücken sollen im Anschluss geschlossen und die Handlungsempfehlungen unter Beteiligung der relevanten Akteure/innen umgesetzt werden.
Um Eltern bei der partnerschaftlichen Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu unterstützen,
wurde das Elterngeld zu einem Elterngeld Plus weiterentwickelt. Mit dem Elterngeld Plus
wird Eltern die bestmögliche Inanspruchnahme des Elterngeldes in Kombination mit einer
Teilzeittätigkeit ermöglicht und damit der Wiedereinstieg erleichtert. Eltern, die frühzeitig
nach der Geburt ihres Kindes in Teilzeit arbeiten, verlieren durch die Berücksichtigung ihres
Teilzeiteinkommens einen Teil ihres Elterngeldanspruches. Das Elterngeld Plus gleicht dies
durch eine längere finanzielle Unterstützung über den 14. Lebensmonat des Kindes hinaus
aus. Aus einem bisherigen Elterngeldmonat werden zwei Elterngeld Plus-Monate. Zudem
wird das Elterngeld um einen Partnerschaftsbonus ergänzt, der die partnerschaftliche Aufteilung von familiären und beruflichen Aufgaben fördern soll. Wenn sowohl Mutter als auch Vater gleichzeitig in vier aufeinanderfolgenden Monaten zwischen 25 und 30 Stunden pro Woche Teilzeit arbeiten, erhalten sie je Elternteil vier weitere Elterngeld Plus-Monate. Die neuen
Regelungen können von zusammenlebenden Eltern und Alleinerziehenden genutzt werden.
Eltern können auf das neue Angebot in einem von ihnen bestimmten Umfang in der frühen
Familienphase zugreifen und damit in eine partnerschaftliche Aufgabenteilung von familiären
und beruflichen Pflichten hineinfinden.
Zusätzlich sollen die Neuregelungen zur Elternzeit Eltern mehr Flexibilität bei ihrem Wiedereinstieg und ihrer Vereinbarkeitsplanung ermöglichen. Eltern können nicht beanspruchte
Elternzeit von bis zu 24 Monaten nun zwischen dem dritten und achten Lebensjahr des Kindes in Anspruch nehmen. Eine Zustimmung des Arbeitsgebers ist nicht mehr erforderlich.
Die Elternzeit kann zukünftig in drei (statt bisher zwei) Zeitabschnitte aufgeteilt werden. Der
dritte Zeitabschnitt kann aus dringenden betrieblichen Gründen vom Arbeitgeber abgelehnt
werden, wenn er zwischen dem dritten und achten Geburtstag des Kindes liegt. Außerdem
wird eine Zustimmungsfiktion eingeführt: Wenn der Arbeitgeber nicht innerhalb einer bestimmten Frist auf den Teilzeitantrag des elternzeitberechtigten Elternteils reagiert, gilt seine
Zustimmung zum Antrag als erteilt. Die Neuregelungen zum Elterngeld Plus, zum Partnerschaftsbonus und zur Elternzeit gelten für Eltern, deren Kinder ab dem 1. Juli 2015 geboren
wurden.
Das ESF-Modellprogramm „Perspektive Wiedereinstieg – Potenziale erschließen“ startet
2015. Ziel des Programms ist es, Frauen und Männer, die familienbedingt mehrere Jahre
aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind, bei einem perspektivreichen Wiedereinstieg in
das Berufsleben zu unterstützen. Dabei setzt das Programm an den Erfahrungen der letzten
18
Förderperiode an (s. Strategische Sozialberichterstattungen 2012 bis 2014). Dazu gehört
insbesondere das individuelle Unterstützungsmanagement für die Teilnehmerinnen aus der
„Stillen Reserve“, die intensive Ansprache von Arbeitgebern sowie die Einbeziehung der
Partner bzw. der Unterstützung durch haushaltsnahe Dienstleistungen. Mit den Schwerpunkten „Wiedereinstieg und Pflegebedarf“ sowie „Potenziale von Frauen in Minijobs“ wird das
Programm inhaltlich erweitert.
Das übergeordnete Aktionsprogramm „Perspektive Wiedereinstieg“ spiegelt die Themen des
Modellprogramms nach außen und wird mit seinen unterschiedlichen Bausteinen wie Lotsenportal (www.perspektive-wiedereinstieg.de), XING-Gruppe, Öffentlichkeitsarbeit und
Wiedereinstiegsrechner fortgeführt.
Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag und im Rahmen der Digitalen Agenda 2014 bis
2017 Maßnahmen zur weiteren Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie beschlossen. Ziel der Bundesregierung ist es, Familien in Vereinbarkeitssituationen zu entlasten, mehr Zeit für die Familie und den Beruf zu schaffen sowie zu einer höheren Erwerbsbeteiligung von Frauen beizutragen. Haushaltsnahe Dienstleistungen sind ein Instrument, um
diese Ziele zu erreichen. Die Bundesregierung wird daher ein Informationsportal für haushaltsnahe Dienstleistungen aufbauen. Durch das Portal soll der Zugang zum legalen Markt
haushaltsnaher Dienstleistungen durch Transparenz und Information verbessert, die Professionalisierung auf Anbieterseite durch Information zu Qualitätsstandards gefördert und insgesamt die Nachfrage kanalisiert und gesteigert werden.
Der Koalitionsvertrag gibt überdies vor, die Übergänge aus geringfügiger in reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu erleichtern. Dies käme in besonderem Maße Frauen zugute, deren Anteil an geringfügig Beschäftigten deutlich überwiegt. Die Bundesagentur
für Arbeit (BA) hat in lokalen Projekten bereits erprobt, wie sie erwerbsfähige Leistungsberechtigte beim Übergang von geringfügiger in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung
unterstützen kann. Hier verfolgen sowohl die BA als auch regionale Projektträger, wie z.B.
Joboption in Berlin, interessante Ansätze.
3.2 Investitionen in Kinder
Frühe Hilfen
(Werdende) Eltern mit Säuglingen und Kleinkindern benötigen verlässliche Unterstützungsstrukturen. Daher werden die bisher in den Ländern und Kommunen aufgebauten Angebotsund Netzwerkstrukturen der Frühen Hilfen durch den im Bundeskinderschutzgesetz geregelten Fonds Frühe Hilfen dauerhaft verankert. Ziel des Fonds ist die nachhaltige Sicherstellung
19
der Netzwerke Frühe Hilfen sowie einer bundesweit vergleichbaren, qualitätsgesicherten
psychosozialen Versorgung von Familien mit Säuglingen und Kleinkindern bis zum vollendeten dritten Lebensjahr (Frühe Hilfen). Die Bundesregierung untersucht derzeit die Wirkungen
des Bundeskinderschutzgesetzes. Sie ist nach Artikel 4 des Bundeskinderschutzgesetzes
verpflichtet, dem Deutschen Bundestag bis zum 31. Dezember 2015 einen mit den Ländern
abgestimmten Bericht über die Evaluationsergebnisse vorzulegen. Auf der Grundlage dieser
Ergebnisse wird die Bundesregierung den Kinderschutz weiterentwickeln.
Ausbau und Qualität der Kindertagesbetreuung
Ein bedarfsgerechtes und gutes Kindertagesbetreuungsangebot ist ein wichtiger Beitrag zur
Förderung der Chancen- und Bildungsgerechtigkeit für alle Kinder und damit auch zur Prävention von Armut. Gleichzeitig ist es Voraussetzung für eine gleichberechtigte Teilhabe von
Vätern und Müttern am Erwerbsleben.
Mit der Einführung eines Rechtsanspruchs auf frühkindliche Förderung für alle Kinder ab
dem vollendeten ersten Lebensjahr zum 1. August 2013 hat der Bund einen Meilenstein für
eine bedarfsgerechte Kindertagesbetreuung gesetzt. Der massive Anstieg der Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren (U3) ist maßgeblich auf die finanzielle Förderung des
Bundes und die Ausbaubemühungen der Länder zurückzuführen. Von 2007 zu 2014 hat sich
die Zahl der betreuten Kinder unter drei Jahren mehr als verdoppelt. Zum 1. März 2014 wurden 661.965 Kinder unter drei Jahren betreut. Der Bund hat für den U3-Ausbau bis 2014
insgesamt 5,4 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt und unterstützt ab 2015 dauerhaft jährlich
mit 845 Millionen Euro. Der Bund stockt in dieser Legislaturperiode das Sondervermögen um
550 Millionen Euro auf eine Milliarde Euro für den weiteren Kita-Ausbau auf. Die gesetzliche
Grundlage wurde mit dem Inkrafttreten des „Gesetzes zur weiteren Entlastung von Ländern
und Kommunen ab 2015 und zum quantitativen und qualitativen Ausbau der Kindertagesbetreuung“ zum 1. Januar 2015 geschaffen. Zudem werden die Länder und Kommunen in 2017
und 2018 zusätzlich mit 100 Millionen Euro jährlich bei den Betriebskosten unterstützt.
Darüber hinaus soll die Qualität der Kindertagesbetreuungsangebote weiter vorangetrieben
werden. In rund 4.000 Schwerpunkt-Kitas fördert der Bund die sprachpädagogische Arbeit
mit den Kindern und die Zusammenarbeit mit den Familien. Das Bundesprogramm „Lernort
Praxis“ unterstützt Kindertageseinrichtungen dabei, angehende Fachkräfte in ihren Praxisphasen optimal auf ihre zukünftige Arbeit vorzubereiten. Seit 2008 befördert der Bund mit
dem Aktionsprogramm Kindertagespflege zudem den Ausbau der und die Qualifizierung in
der Kindertagespflege.
20
Eine Bund-Länder-Konferenz hat sich am 6. November 2014 insgesamt mit dem System der
frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung befasst und mit einem Communiqué einen
Verständigungsprozess zwischen den zuständigen Fachministerinnen und -ministern von
Bund und Ländern über Qualität in der Kindertagesbetreuung eingeleitet, der unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände erfolgen soll. Ende 2016 soll zum Umsetzungsstand
ein erster Bericht vorgelegt werden.
3.3 Obdachlosigkeit
Der Europäische Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen (EHAP) wird ab
Mitte 2015 Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Personen zur Inanspruchnahme von Hilfen befähigen und ihnen einen Zugang zu Angeboten des regulären Hilfesystems (z.B. Wohnungslosenhilfe, medizinische Beratung, Jobcenter, Suchtberatung) erschließen. Der Kontaktaufbau soll durch niedrigschwellige Angebote erfolgen, die auf die individuellen Bedarfe der Betroffenen ausgerichtet sind und multiple Probleme berücksichtigen. Dies
werden einerseits umfassende Beratungsstellen im Sinne von Anlaufstellen (Tagesstättenstruktur, Wärmestube) sein, andererseits kann eine aufsuchende Arbeit in Einrichtungen
(Notunterkunft, Bahnhofsmission) oder an den Aufenthaltsorten von Obdachlosen erfolgen.
3.4 Inklusives Wohnen
Die Bundesregierung unterstützt die Schaffung von mehr generationen- und altersgerechtem
Wohnraum. Am 1. Oktober 2014 hat sie die Zuschussförderung mit einem neuen KfWProgramm „Altersgerecht Umbauen“ wieder eingeführt. Nicht zuletzt deshalb, weil auf diese
Weise mehr ältere und behinderte Menschen möglichst lange selbstbestimmt in ihrem gewohnten Umfeld leben können. Der Bundeshaushalt 2014 sieht für die Neuauflage des Programms Mittel in Höhe von 54 Mio. € bis 2018 vor. Die Förderung kommt besonders selbstnutzenden Eigentümern, die keine Kredite mehr aufnehmen wollen oder altersbedingt nicht
mehr erhalten, zugute. Das neue Bundesprogramm ergänzt damit sinnvoll das bestehende
Darlehenseigenmittelprogramm der KfW.
Außerdem soll nach dem Koalitionsvertrag im CO2-Gebäudesanierungsprogramm bei zusätzlichen Maßnahmen zum altersgerechten Umbau ein Förderbonus verankert werden.
Gemeinschaftliche Wohnformen von älteren Menschen sollen unterstützt und modellhaft gefördert werden.
21
3.5 Bekämpfung von Diskriminierung
Seit dem 1. Januar 2015 gilt in Deutschland ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn
von 8,50 Euro. Rund 3,7 Millionen Beschäftigte im Niedriglohnsektor sind von dieser Neuregelung erfasst. Ihre Löhne sollen durch die Einführung eines Mindestlohns seit dem 1. Januar 2015 steigen. Der gesetzliche Mindestlohn setzt eine feste Grenze, die nicht mehr unterschritten werden darf. Somit verhindert der Mindestlohn unangemessen niedrige Löhne und
kann so die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verringern, die trotz Vollzeitbeschäftigung auf Sozialleistungen angewiesen sind. Eine Übergangsregelung vereinfacht den
Einstieg in den Mindestlohn für alle Branchen, deren Löhne zurzeit deutlich unter dem Niveau von 8,50 Euro liegen. Durch die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland erstmals wirksam vor
unangemessen niedrigen Löhnen geschützt. Damit leistet der gesetzliche Mindestlohn zugleich einen Beitrag für einen fairen Wettbewerb. Gleichzeitig sorgt er für mehr Stabilität in
den sozialen Sicherungssystemen.
Der gesetzliche Mindestlohn ist ein wichtiger Bestandteil des im Jahr 2014 verabschiedeten Tarifautonomiestärkungsgesetzes, welches auch Regelungen für die Erleichterung der
Allgemeinverbindlichkeit (AVE) von Tarifverträgen und die Ausweitung des ArbeitnehmerEntsendegesetzes auf alle Branchen enthält. Damit erfolgt eine Stärkung der Tarifautonomie
aller Tarifvertragsparteien mit dem Ziel, angemessene Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sicherzustellen. Die Tarifautonomie genießt in Deutschland einen
besonderen, vom Grundgesetz garantierten, Schutz. In den vergangenen Jahren konnten die
Tarifpartner aber nicht verhindern, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer teilweise zu
unangemessen niedrigen Löhnen beschäftigt wurden und deshalb zum Teil aufstockende
Sozialleistungen bezogen. Durch das Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie wird daher die
Gestaltungsverantwortung der Tarifpartner sichergestellt, gleichzeitig aber eine Lohnuntergrenze gezogen. Der Mindestlohn zielt im Unterschied zum Tarifvertrag nicht darauf ab, einen umfassenden Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sicherzustellen. Vielmehr kann und soll der allgemeine Mindestlohn lediglich verhindern, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu Arbeitsentgelten beschäftigt werden, die unangemessen sind. Im
Übrigen bleiben Arbeitgeber sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dazu aufgerufen,
über die Organisation in Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften und den Abschluss von
Tarifverträgen angemessene Arbeitsbedingungen sicherzustellen.
Mit Mitteln des ESF und des BMUB führt der Bund das ergänzende Arbeitsmarktprogramm
„Bildung, Wirtschaft, Arbeit im Quartier (BIWAQ)“ durch. Der Fokus liegt dabei auf benach22
teiligten,
strukturschwachen
Stadt-
und
Ortsteilen
im
Rahmen
des
Städtebauförderprogramms "Soziale Stadt". Die Besonderheit ist die Sozialraumorientierung
und die Verzahnung von Instrumenten der Städtebauförderung mit Maßnahmen der
Arbeitsförderung. Somit werden gezielt die Qualifikation und soziale Situation der
Stadtteilbewohnerinnen und -bewohner und damit auch ihre Perspektiven auf dem
Arbeitsmarkt verbessert. Aus dem ESF stehen für BIWAQ in der gesamten Förderperiode
2014 bis 2020 bis zu 90 Millionen Euro bereit. Durch die Kofinanzierung aus dem Haushalt
des BMUB (bis zu rund 64,5 Millionen Euro) kann der erforderliche Eigenanteil der
Projektträger auf 10% gesenkt werden.
Ein Novum in der neuen ESF-Förderperiode ist die gemeinsame Umsetzung eines ESFVorhabens durch zwei Bundesministerien, des BMFSFJ und des BMUB. Das gemeinsame
Programm "JUGEND STÄRKEN im Quartier“ stärkt die kommunale Jugendsozialarbeit und
kümmert sich um den Übergang von der Schule in Beruf für junge Menschen in benachteiligten Quartieren. Finanzielle Ressourcen und fachliches Know-how werden gezielt in diese
Stadt- und Ortsteile gelenkt, die Programmgebiete des Städtebauförderungsprogramms "Soziale Stadt" oder vergleichbare "soziale Brennpunkte" sind, um junge Menschen in den betroffenen Quartieren noch effizienter zu unterstützen.
Mit dem am 21. Oktober 2014 veröffentlichten Programm „ESF-Integrationsrichtlinie Bund“
unterstützt das BMAS in der ESF Förderperiode 2014 bis 2020 Menschen mit besonderen
Schwierigkeiten mit Hilfe von Kooperationsverbünden aus Bildungsträgern, Betrieben und
Arbeitsagenturen/Jobcentern bei der stufenweisen und nachhaltigen Integration in den Arbeitsmarkt. Dazu gehören insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene bis 35 Jahre
sowie Menschen ohne verfestigten Aufenthaltstitel mit zumindest nachrangigem Zugang zum
Arbeitsmarkt. Die Angebote der über die ESF-Integrationsrichtlinie Bund geförderten Projekte umfassen neben passgenauen Beratungs-, Qualifizierungs- und Vermittlungsleistungen
auch Arbeitsaufenthalte im europäischen Ausland. Die Umsetzung des Programmbausteins
der europäischen Arbeitsaufenthalte erfolgt in Kooperation mit Arbeitsministerien und ESF
Verwaltungs- und Umsetzungsbehörden in anderen EU Mitgliedstaaten und Regionen im
Rahmen eines europäischen ESF-Mobilitätsnetzwerks.
Steigende Anforderungen in der Arbeitswelt, auch für sogenannte „einfache Tätigkeiten“,
setzen immer bessere und umfassendere Kenntnisse der Beschäftigten voraus. Daher ist es
notwendig, dass alle Erwachsene über eine ausreichende Literalität und Grundbildung verfügen. Um diese Menschen zu fördern, haben sich Bund und Länder mit weiteren Partnern zur
„Nationalen Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener“ zusammenge23
schlossen. Sie soll das Thema gesellschaftlich nachhaltig verankern und vernetzt Akteure
auf Bundesebene miteinander. Die gemeinsame Vereinbarung umfasst Maßnahmen und
Aktionen der einzelnen Partner auf mehreren Ebenen zunächst bis 2016. Darüber hinaus
bestehen Koordinationsstellen auf Landesebene, die für Bildungsträger und Betriebe als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Um auf das gesamtgesellschaftliche Problem aufmerksam zu machen, hat das BMBF im August 2014 die bundesweite Informationskampagne
„Lesen und Schreiben – Mein Schlüssel zur Welt“ fortgesetzt. Sie zielt auf die gesellschaftliche Enttabuisierung des Themas Analphabetismus in Deutschland, die Ansprache des privaten und beruflichen Umfelds Betroffener und die Mobilisierung Betroffener. Im Rahmen der
Kampagne wurde mit TV- und Kinospots sowie mit Großflächenplakaten auf das Thema
aufmerksam gemacht und dafür geworben, dass sich das Nachholen von Lese- und Schreibfertigkeiten auch noch im Erwachsenenalter lohnt. Begleitend zur Medienkampagne fanden
bis Ende 2014 17 Regionalveranstaltungen statt, um das Thema Alphabetisierung und
Grundbildung auf lokaler Ebene stärker ins öffentliche Bewusstsein zu rücken.
Ein weiterer Förderschwerpunkt im Rahmen dieser Strategie ist die „Arbeitsplatzorientierte
Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener“. Die Handlungsfelder der geförderten Projekte zielen auf die Gewinnung von Unternehmen, Alphabetisierungs- und Grundbildungsangebote am Arbeitsplatz einzurichten, auf die Sensibilisierung von Kontaktpersonen in der
Arbeits- und Lebenswelt der Betroffenen, und die Weiterentwicklung von Fort- und Weiterbildungsangeboten für Bildungspersonal bei Trägern der Erwachsenenbildung, in Transfer- und
Beschäftigungsgesellschaften und in Betrieben.
Bei der Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener bilden Migrantinnen und Migranten
muslimischer Religionszugehörigkeit eine besondere Zielgruppe. Ein kultursensibler Zu- und
Umgang mit diesen Menschen muss den Ort von Ansprache und Lernen in den Blick nehmen. Die Moschee als Ort religiösen und gesellschaftlichen Lebens muslimischer Gemeinden bietet ideale Anknüpfungspunkte. Erste Ergebnisse zeigen, dass die Alphabetisierungsund Grundbildungsangebote an den drei Moschee-Modellstandorten in Berlin gut angenommen werden, insbesondere auch von Personen, die Volkshochschulen bisher nicht als geeigneten Lernort für sich wahrgenommen haben.
Auch in der neuen ESF-Förderperiode 2014 bis 2020 wird das „Programm zur berufsbezogenen Sprachförderung für Menschen mit Migrationshintergrund“ (ESF-BAMF-Programm)
die Verbesserung berufsbezogener Deutschkenntnisse unterstützen. Erste Kurse sind Anfang 2015 gestartet. Kernanliegen des Programms ist es weiterhin, die Chancen von Menschen mit Migrationshintergrund zur Integration in den ersten Arbeitsmarkt zu erhöhen und
24
somit auch einen Beitrag zur sozialen Teilhabe zu leisten. Deutschunterricht wird dazu mit
Elementen der beruflichen Weiterbildung verknüpft. Die Bildungsträger kooperieren vor Ort
mit Betrieben und Ausbildungsstätten mit dem Ziel der Vermittlung von Praktikumsplätzen,
aber auch mit Blick auf die Aufnahme einer Beschäftigung, Ausbildung oder weitergehenden
Bildungsmaßnahme. Es ist beabsichtigt, im Förderzeitraum 2015 bis 2017 insgesamt rund
80.000 Menschen die Teilnahme zu ermöglichen.
Für bessere Chancen von Müttern mit Migrationshintergrund auf dem Arbeitsmarkt setzt sich
das BMFSFJ mit dem ESF-Programm „Stark im Beruf“ ein. Gefördert werden bundesweit
rund 80 Projektstandorte mit dem Ziel, bessere Zugangsmöglichkeiten zu bestehenden Angeboten sicherstellen und die Zielgruppe mit spezifischen Angeboten etwa zur Vereinbarkeit
von Familie und Beruf zu begleiten. Ergänzt werden die zielgruppenspezifischen Ansätze
durch strukturelle Vernetzung der relevanten Akteure und das Einbeziehen von Unternehmen. Das Programm wird 2015 bis 2020 aus Mitteln des ESF kofinanziert.
Entsprechend Artikel 23 der UN-BRK gilt es den Rechtsanspruch auf Beratung zu allen Fragen von Schwangerschaft und Familienplanung gezielt auch für Menschen mit Behinderung
und Beeinträchtigung umzusetzen. Dazu fördert das BMFSFJ seit Januar 2013 ein dreijähriges Modellprojekt beim Bundesverband von donum vitae „Ich will auch heiraten! – Implementierung passgenauer Angebote in der Schwangerschaftskonflikt- und allgemeinen
Schwangerschaftsberatung bei Menschen mit geistiger Behinderung“. Dieses Projekt zielt
darauf ab, den Inklusionsgedanken bundeszentral in die Verbandsarbeit zu integrieren, indem die Beratung im Kontext des Schwangerschaftskonfliktgesetzes und die Sexualpädagogik für Menschen mit Lernschwierigkeiten professionalisiert und barrierefrei gestaltet werden
soll. Ausgehend davon soll ein bundesweites Netzwerk passgenauer Angebote geschaffen
werden verbunden mit Kooperationen mit verschiedenen Einrichtungen der Behindertenhilfe.
Die Erstellung von barrierefreien Aufklärungsmaterialien in leichter Sprache und eine begleitende Öffentlichkeitsarbeit sind geplant. Zur Sicherstellung der Qualität und der Langfristigkeit wird das Projekt durch einen Beirat begleitet und die Maßnahme evaluiert.
25
4. Jüngste Reformen zur Erreichung von angemessenen und nachhaltigen Renten
Die Bundesregierung hat in den vergangenen Jahren erfolgreich die Weichen für eine demografie- und zukunftsfeste Alterssicherung gestellt. Daneben muss es darum gehen, die Veränderungsprozesse in den Erwerbsverläufen sowie die Wandlungsprozesse in der Arbeitswelt im System der Alterssicherung zu berücksichtigen und das Rentensystem entsprechend
über die erfolgreichen Reformen der vergangenen Jahre hinaus fortzuentwickeln bzw. zu
modernisieren.
Anhebung der Altersgrenzen und aktuelle Reformmaßnahmen
Der deutsche Gesetzgeber hat seit Längerem die schrittweise Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre bis zum Jahr 2029 beschlossen. Für das Jahr 2014 (Jahrgang 1949)
betrug die Regelaltersgrenze daher 65 Jahre und drei Monate. Sie wird in den kommenden
Jahren um einen Monat pro Jahrgang bis auf das Alter von 66 Jahren, ab 2024 (Jahrgang
1959) um zwei Monate pro Jahrgang bis auf das Alter von 67 Jahren (Jahrgänge ab 1964)
angehoben. Entsprechende Anhebungen gibt es bei anderen Altersgrenzen.
Seit dem 1. Juli 2014 ist durch eine zeitlich befristete Sonderregelung das Zugangsalter der
Altersrente für besonders langjährig Versicherte abgesenkt worden. Versicherte mit 45
Pflichtbeitragsjahren (einschließlich Zeiten der Arbeitslosigkeit), die vor 1953 geboren wurden, können aufgrund ihres geleisteten Beitrags zur Stabilisierung der gesetzlichen Rentenversicherung seit dem 1. Juli 2014 mit 63 Jahren eine abschlagsfreie Altersrente beziehen.
In den Folgejahren ist ein stufenweiser Anstieg des Eintrittsalters auf die zuvor geltende Altersgrenze von 65 Jahren vorgesehen. Mit dem Geburtsjahrgang 1964 wird die Anhebung
der Altersgrenze auf 65 Jahre abgeschlossen. Denn auch für den Personenkreis der besonders langjährig Versicherten können die demografischen Entwicklungen, welche die Grundlage für die Altersgrenzenanhebung waren, nicht unbeachtet bleiben.
Seit dem 1. Juli 2014 wird die Erziehungsleistung aller Mütter oder Väter, deren Kinder vor
1992 geboren wurden, mit einem zusätzlichen Entgeltpunkt in der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt (sog. „Mütterrente“). Damit wird für diese Eltern, deren Kinder in einer
Zeit erzogen wurden, in der es noch keine ausreichende Kinderbetreuung gab, die Erziehungsleistung zusätzlich honoriert.
Schließlich sind Menschen mit verminderter Erwerbsfähigkeit seit dem1. Juli 2014 durch
zwei Maßnahmen besser abgesichert: Sie werden zum einen so gestellt, als hätten sie mit
dem bisherigen durchschnittlichen Einkommen zwei Jahre länger als bisher weitergearbeitet
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(Ausweitung der sog. Zurechnungszeit von 60 auf 62 Jahre). Zudem zählen die letzten vier
Jahre vor Eintritt einer Erwerbsminderung nicht, wenn sie den Wert dieser Zurechnungszeit
verringern (z.B. durch Wechsel in Teilzeit oder Phasen der Krankheit vor dem Renteneintritt).
Damit die gesetzliche Rentenversicherung auch zukünftig die Erwerbsfähigkeit ihrer Versicherten durch die Erbringung von Leistungen zur Teilhabe (medizinische und berufliche Rehabilitation) sichern oder wiederherstellen kann, wird rückwirkend zum 1. Januar 2014 die
Höhe der der Rentenversicherung dafür jährlich zur Verfügung stehenden gedeckelten finanziellen Mittel (sog. Reha-Budget) angepasst. Durch die Einführung einer Demografiekomponente bei der jährlichen Anpassung des Reha-Budgets wird sichergestellt werden, dass der
vorübergehende finanzielle Mehrbedarf für die geburtenstarken Jahrgänge, die in das Rehaintensive Alter (ab 45 Jahre) gekommen sind, bei der Festsetzung der jährlichen Ausgaben
der Rentenversicherung für Leistungen zur Teilhabe berücksichtigt wird. Die Demografiekomponente wird neben der voraussichtlichen Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter je
Arbeitnehmer als gesonderter Faktor berücksichtigt.
Rentenanpassung
Die Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung stiegen zum 1. Juli 2014 in den alten
Ländern um 1,67% und in den neuen Ländern um 2,53%.
Der Rentenanpassung 2014 lag in den alten Ländern eine anpassungsrelevante Lohnentwicklung in Höhe von 1,38% und in den neuen Ländern in Höhe von 1,78% zugrunde. Über
den Nachhaltigkeitsfaktor wirkte sich die Entwicklung des zahlenmäßigen Verhältnisses von
Rentnerinnen und Rentnern zu Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern auf die Rentenanpassung aus und minderte diese zum 1. Juli 2014 rechnerisch um 0,19 Prozentpunkte. Der
Faktor Altersvorsorgeaufwendungen wirkte hingegen rechnerisch mit 0,92 Prozentpunkten
anpassungssteigernd, weil der Beitragssatz in der allgemeinen Rentenversicherung zum 1.
Januar 2013 von 19,6% auf 18,9% gesunken ist. Während der Ausgleichsbedarf (Ost) bereits mit der Rentenanpassung 2012 vollständig abgebaut wurde, wurde in den alten Ländern der noch verbliebene Ausgleichsbedarf - der früher unterbliebene Rentenkürzungen
widerspiegelt - mit der Rentenanpassung 2014 vollständig abgebaut. Dadurch wurde die
rechnerische Rentenanpassung in den alten Ländern um 0,46 Prozentpunkte gemindert.
Im Ergebnis ergab sich damit zum 1. Juli 2014 in den alten Ländern eine Erhöhung des aktuellen Rentenwerts um 1,67% auf 28,61 Euro und in den neuen Ländern um 2,53% auf
26,39 Euro. Der aktuelle Rentenwert (Ost) beträgt damit rund 92,2% des für die alten Länder
maßgeblichen aktuellen Rentenwerts.
27
Beitragssatz
Dank der weiterhin günstigen Finanzentwicklung in der Rentenversicherung konnte der Beitragssatz in der allgemeinen Rentenversicherung zum 1. Januar 2015 auf 18,7% gesenkt
werden. Gegenüber dem Jahr 2011 wurde der Beitragssatz um insgesamt 1,2 Prozentpunkte
von damals 19,9% damit zum dritten Mal gesenkt und befindet sich aktuell auf dem niedrigsten Stand seit 1995.
28
5. Jüngste Reformen im Gesundheitswesen
Zugängliche, qualitative hochwertige und nachhaltige Gesundheitsversorgung
Im Bereich Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege (s. Kapitel 6) bleiben die Auswirkungen der demografischen Entwicklung die größte Herausforderung für die Gestaltung der Politik. Der zunehmende Anteil älterer und hochbetagter Menschen führt tendenziell zu einem
größeren Bedarf an Gesundheits- und Pflegeleistungen. Mit den jüngsten Reformen im Gesundheitswesen trägt die Bundesregierung dieser Herausforderungen Rechnung.
Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV- FQWG), das zum 1. Januar 2015 in Kraft getreten
ist, werden die Finanzierungsgrundlagen der GKV nachhaltig ausgestaltet und der Preis- und
Qualitätswettbewerb im Interesse der Mitglieder gestärkt. Mit der Absenkung des allgemeinen Beitragssatzes in Höhe von 15,5% auf 14,6% und der Einführung der Möglichkeit der
Krankenkassen, kassenindividuelle einkommensabhängige Zusatzbeiträge zu erheben, wird
die Beitragsautonomie der Krankenkassen ausgeweitet. Unterschiedlich hohe Zusatzbeiträge senden in Zukunft wichtige Preissignale im Wettbewerb der Krankenkassen um Mitglieder. Um für Mitglieder attraktiv zu bleiben und einen Krankenkassenwechsel zu vermeiden,
müssen sich die Krankenkassen um eine qualitativ hochwertige Versorgung bemühen und
die Höhe der Zusatzbeiträge durch eine wirtschaftliche Verwendung der Mittel begrenzen.
Mit der Einführung eines vollständigen Einkommensausgleiches für die Zusatzbeiträge wird
einem Anreiz entgegen gewirkt, im Wettbewerb um Mitglieder besser Verdienende zu bevorzugen, um niedrigere Zusatzbeiträge erheben zu können.
Der Arbeitgeberanteil bleibt bei 7,3% festgeschrieben. Damit wird weiterhin eine beschäftigungsfreundliche Ausgestaltung der Finanzierungsgrundlagen sichergestellt und negative
Effekte steigender Gesundheitsausgaben auf Beschäftigung und Wachstum vermieden.
Mit der im GKV-FQWG vorgesehenen Gründung eines Qualitätsinstitutes werden die Voraussetzungen für eine konsequente Qualitätsorientierung der Leistungserbringer geschaffen
und damit der Qualitätswettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung gestärkt. Ziel ist
es, dass die Patientinnen und Patienten sich künftig anhand transparenter Kriterien darüber
informieren können, in welchen Krankenhäusern beispielsweise die beste Qualität für eine
bestimmte Behandlung angeboten wird. Eine höhere Qualität der Versorgung führt mittel- bis
langfristig zu einer wirtschaftlicheren Verwendung der Mittel und zu mehr Nachhaltigkeit im
deutschen Gesundheitswesen.
29
Erbringung der Gesundheitsdienstleistungen bzw. Gesundheitsvorsorge
Die Bundesregierung setzt einen Schwerpunkt auf die Verbesserung der Qualität der medizinischen Versorgung sowie die Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention.
Zu Beginn der Versorgungskette stehen die Gesundheitsförderung und die Prävention. Die
Bundesregierung hat am 17. Dezember 2014 den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der
Gesundheitsförderung und der Prävention beschlossen. Das Gesetz wird voraussichtlich in
der zweiten Jahreshälfte 2015 in Kraft treten. Ziel des Gesetzes ist es insbesondere, verhaltensbezogene und verhältnisorientierte Angebote der Prävention und Gesundheitsförderung
in den Lebenswelten der Menschen zu stärken, vor allem in der Kindertagesstätte, in der
Schule, im Betrieb oder im Pflegeheim. Für eine ganzheitliche Herangehensweise werden
alle Sozialversicherungsträger unter Beteiligung der privaten Krankenversicherung und der
privaten Pflege-Pflichtversicherung einbezogen.
In der ambulanten Gesundheitsversorgung soll für gesetzlich Versicherte die Wartezeit auf
einen Arzttermin deutlich reduziert werden. Sie sollen sich zukünftig bei Überweisung an
einen Facharzt an eine zentrale Terminservicestelle bei der Kassenärztlichen Vereinigung
wenden können. Für den Termin soll im Regelfall eine Wartezeit von vier Wochen nicht
überschritten werden. Gelingt dies nicht, wird von der Terminservicestelle ein Termin – außer
in medizinisch nicht begründeten Fällen – zur ambulanten Behandlung in einem Krankenhaus angeboten.
Entsprechende gesetzliche Regelungen sind im Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der
Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VSG) vorgesehen, das am 17.
Dezember 2014 vom Kabinett beschlossen wurde und Mitte 2015 in Kraft treten soll.
Die Bundesregierung hat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingesetzt, die seit März 2014 die
Grundlagen für eine Krankenhausreform erarbeitet und Anfang Dezember 2014 Eckpunkte
einer Krankenhausreform vorgelegt hat. Die Eckpunkte sollen in 2015 in Gesetzen und Regelungen umgesetzt werden.
Änderungsbedarf ergibt sich aufgrund der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von
Personen, die internationalen Schutz beantragen („Aufnahme-Richtlinie“), die bis Mitte Juli
2015 in deutsches Recht umzusetzen ist. Diese Richtlinie sieht im Bereich der Gesundheitsversorgung von Asylbewerbern und Flüchtlingen Leistungsverbesserungen für schutzbedürftige Personen (u.a. behinderte Menschen, Minderjährige, Opfer von Gewalt) vor. Im Rahmen
30
der in 2015 anstehenden Reform der Gesundheitsleistungen im AsylbLG wird die Bundesregierung diesen Änderungsbedarf berücksichtigen.
Entwicklung der Gesundheitsausgaben
Besondere Bedeutung kommt einer nachhaltigen Finanzierung der Gesundheitsversorgung
zu. Die finanzielle Situation der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hat sich in den
letzten Jahren positiv entwickelt. Die gesetzliche Krankenversicherung verfügte Ende 2013
über Finanzreserven von rund 30 Mrd. Euro; hiervon 13,6 Mrd. Euro in der Liquiditätsreserve
des Gesundheitsfonds und rund 16,8 Mrd. Euro bei den gesetzlichen Krankenkassen.
Die GKV-Ausgaben beliefen sich bis zum Ende des dritten Quartals 2014 auf 153 Mrd. Euro.
Das entspricht einem Zuwachs von 5,1% je versicherte Person im Vorjahresvergleich. Insgesamt erzielten die gesetzlichen Krankenkassen in den ersten neun Monaten des Jahres
2014 ein Defizit von rund 0,8 Mrd. Euro. Die Finanzreserven der Krankenkassen liegen weiterhin bei rund 16 Mrd. Euro.
Versorgung von Menschen mit Demenz
Der Umgang mit Demenz gehört zu den großen gesundheits- und gesellschaftspolitischen
Herausforderungen. In Deutschland sind derzeit rund 1,5 Mio. Menschen an Demenz erkrankt. Jährlich kommen rund 300.000 Neuerkrankungen dazu. Es wird prognostiziert, dass
im Jahr 2050 mit mehr als 3 Mio. Betroffenen zu rechnen ist. Um die Lebensqualität Erkrankter zu verbessern, hat die Bundesregierung die „Allianz für Menschen mit Demenz“ als AG
C.2 der Demografiestrategie ins Leben gerufen. Sie soll ein Netzwerk auf Bundesebene aufbauen, das Verantwortliche zusammenführt, um die Lebenssituation betroffener Menschen
nachhaltig zu verbessern und eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Demenz zu bewirken. Mit Unterzeichnung der Agenda „Gemeinsam für Menschen mit Demenz“ am 15. September 2014, die in vier Handlungsfeldern mehr als 150 konkrete Maßnahmen vorsieht, verpflichten sich die Gestaltungspartner zur Umsetzung in ihrer jeweiligen Zuständigkeit. Ergänzend werden mit dem Förderprogramm des BMFSFJ zur Entwicklung von bis zu 500 lokalen
Allianzen Hilfenetzwerke im Lebensumfeld Demenzerkrankter geschaffen.
31
6. Jüngste Reformen in der Langzeitpflege
Zugängliche, qualitative hochwertige und nachhaltige langzeitpflegerische Versorgung
Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Lebensqualität von Pflegebedürftigen
und ihrer Angehörigen zu verbessern.
Weiterentwicklung der Sozialen Pflegeversicherung
Die Bundesregierung wird in dieser Wahlperiode die Leistungen der Sozialen Pflegeversicherung durch zwei Pflegestärkungsgesetze um rund 20% (fast fünf Milliarden Euro) erhöhen. Das ist die größte Leistungsausweitung seit Einführung der Pflegeversicherung im Jahre 1995.
Die überwiegende Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland wird nach wie vor von Angehörigen zu Hause gepflegt. Mehr Unterstützung für die häusliche Pflege ist deshalb ein
Schwerpunkt der zum 1. Januar 2015 in Kraft getretenen gesetzlichen Leistungsverbesserungen durch das Erste Pflegestärkungsgesetz. Die Pflege zu Hause wird z.B. gestärkt durch
die Flexibilisierung und Ausweitung der Möglichkeiten zur Inanspruchnahme von Verhinderungs- und Kurzzeitpflege sowie durch die ungekürzte Gewährung von Tages- und Nachtpflege neben den ambulanten Geld- und Sachleistungen. Zudem werden die niedrigschwelligen Betreuungsangebote durch Entlastungsangebote ergänzt und nicht nur Versicherten mit
erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz, sondern allen Pflegebedürftigen zugänglich
gemacht. Weiterhin werden die Höchstbeträge für Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes sowie für zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel deutlich angehoben. Die
Möglichkeit einer ergänzenden Betreuung von demenziell erkrankten Menschen in Pflegeeinrichtungen durch sog. zusätzliche Betreuungskräfte wird verbessert und das Angebot wird
auf alle Pflegebedürftigen ausgedehnt. Zukünftig können Pflegeeinrichtungen mehr Betreuungskräfte einstellen, so dass sich die Betreuungsrelation für dieses Angebot verbessert,
und zwar von 1:24 auf 1:20 (eine Betreuungskraft auf 20 Bewohnerinnen und Bewohner).
Noch in dieser Legislaturperiode soll im Rahmen eines zweiten Pflegestärkungsgesetzes ein
neuer „Pflegebedürftigkeitsbegriff“ verbunden mit einem neuen Begutachtungsverfahren eingeführt werden.
Der überwiegende Teil der Leistungsbeträge der Pflegeversicherung in der ambulanten und
stationären Pflege wurde vor dem Hintergrund des allgemeinen Preisanstiegs zum 1. Januar
2015 um 4% erhöht.
32
Fachkräftesicherung in den Pflegeberufen
Die Bundesregierung setzt sich für die Sicherung der Fachkräftebasis in den Pflegeberufen
ein. Die im Dezember 2012 gestartete Gemeinschaftsinitiative von Bund, Ländern und Verbänden „Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive Altenpflege“ wird bis Ende 2015 umgesetzt. Durch konkrete Vereinbarungen soll die Aus-, Fort- und Weiterbildung in der Altenpflege gestärkt und die Attraktivität des Berufs- und Beschäftigungsfeldes gesteigert werden. Im
zweiten Umsetzungsjahr dieses Ausbildungspakts (Schuljahr 2013/2014) erfolgten 14,2%
mehr Eintritte in eine Altenpflegeausbildung als im Jahr zuvor.
In der 18. Legislaturperiode soll darüber hinaus eine grundlegende Reform der Pflegeausbildung erfolgen. Die Ausbildungen in der Altenpflege, Gesundheits- und Krankenpflege sowie
Gesundheits- und Kinderkrankenpflege sollen in einem neuen Pflegeberufegesetz zu einer
generalistisch ausgerichteten einheitlichen Pflegeausbildung zusammengeführt werden, um
den zukünftigen Versorgungsbedarfen in der Pflege gerecht zu werden.
Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf
Am 1. Januar 2015 ist das Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf
in Kraft getreten. Die gesetzlichen Regelungen des Pflegezeitgesetzes und des Familienpflegezeitgesetzes wurden dadurch stärker miteinander verzahnt und weiterentwickelt. Das
Pflegezeitgesetz bietet die Möglichkeit einer teilweisen oder vollständigen Freistellung für bis
zu sechs Monate. Der Anspruch gilt nicht gegenüber Arbeitgebern mit in der Regel 15 oder
weniger Beschäftigten. Seit 1. Januar 2015 besteht ein Anspruch auf Familienpflegezeit, d.h.
auf teilweise Freistellung von bis zu 24 Monaten bei einer wöchentlichen Mindestarbeitszeit
von 15 Stunden, zur Pflege eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung. Dieser Anspruch gilt nicht gegenüber Arbeitgebern mit in der Regel 25 oder weniger
Beschäftigten, wobei zur Berufsbildung Beschäftigte nicht mitgezählt werden. Die Gesamtdauer der Freistellungsansprüche nach beiden Gesetzen beträgt 24 Monate. Beschäftigte
haben für die Zeit der Freistellung nach dem Pflegezeitgesetz und für die Zeit der teilweisen
Freistellung nach dem Familienpflegezeitgesetz einen Anspruch auf eine finanzielle Förderung durch ein zinsloses Darlehen zur besseren Absicherung des Lebensunterhalts während
dieser Zeit (in der sie kein oder ein geringeres Arbeitsentgelt erhalten). Der Anspruch auf
Förderung durch ein zinsloses Darlehen gilt auch für Beschäftigte in kleineren Unternehmen,
bei denen die Freistellung auf freiwilliger Basis vereinbart wurde. Das Darlehen wird in monatlichen Raten ausgezahlt und deckt grundsätzlich die Hälfte des durch die Arbeitszeitreduzierung fehlenden Nettogehalts ab.
33
Neben der Pflege einer oder eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung kann auch eine Freistellung von bis zu sechs Monaten (vollständig oder teilweise)
oder bis zu 24 Monaten (teilweise) zur Betreuung eines pflegebedürftigen minderjährigen
nahen Angehörigen in Anspruch genommen werden, wobei die Betreuung sowohl im eigenen Zuhause als auch in einer außerhäuslichen Einrichtung bei jederzeitigem Wechsel erfolgen kann. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit einer vollständigen oder teilweisen Freistellung von bis zu drei Monaten zur Begleitung einer oder eines nahen Angehörigen in der
letzten Lebensphase.
Für die kurzzeitige Arbeitsverhinderung von bis zu zehn Arbeitstagen können Beschäftigte
seit dem 1. Januar 2015 ein auf zehn Tage begrenztes Pflegeunterstützungsgeld als Lohnersatzleistung erhalten. Die Höhe dieser Lohnersatzleistung berechnet sich analog zu den
Regelungen für das Kinderkrankengeld und wird von der Pflegekasse oder dem Versicherungsunternehmen des pflegebedürftigen nahen Angehörigen gewährt.
Entwicklung der Ausgaben in der Sozialen Pflegeversicherung
Die Soziale Pflegeversicherung (SPV) stand im Jahr 2014 nach wie vor auf einem soliden
finanziellen Fundament. Für das Gesamtjahr 2013 betrug der Mittelbestand der SPV über
sechs Mrd. Euro und für 2014 zeichnet sich ein Überschuss von etwa 0,5 Mrd. Euro ab.
Zur Finanzierung des ersten „Pflegestärkungsgesetzes“ wurde der Beitragssatz zur gesetzlichen Pflegeversicherung zum 1. Januar 2015 um 0,3 Prozentpunkte angehoben, 0,1 Beitragssatzpunkte davon werden für den Aufbau von Rücklagen in einem Pflegevorsorgefonds
verwendet, der dazu beitragen soll, künftige Beitragssatzsteigerungen angesichts der demografischen Herausforderung abzumildern; dies entspricht Einnahmen von rd. 1,2 Mrd. Euro
pro Jahr. 0,2 Beitragssatzpunkte dienen der Finanzierung der Leistungsverbesserungen,
dies entspricht Mehreinnahmen von ca. 2,4 Mrd. Euro.
Zur Finanzierung der zweiten Stufe der Pflegereform verbunden mit der Neufassung des
„Pflegebedürftigkeitsbegriffes“ ist eine Anhebung des Beitragssatzes der gesetzlichen Pflegeversicherung um weitere 0,2 Prozentpunkte vorgesehen.
34
Anhang
Indikatorenübersicht
Jahr
2008
2009
2010
2011
2012
2013
Erwerbstätigenquote Bevölkerung (20 bis 64 Jahre),
zent
EU28
70,3
69,0
68,5
Männer
77,8
75,7
75,0
Frauen
62,8
62,3
62,0
68,5
74,9
62,2
68,4
74,5
62,4
68,4
74,3
62,6
Deutschland
Männer
Frauen
76,3
81,4
71,1
76,7
81,8
71,5
77,1
81,9
72,3
74,0
80,1
67,8
74,2
79,6
68,7
74,9
80,1
69,6
in Pro-
Erwerbstätigenquote bei Personen mit niedrigem Bildungsgrad (20 bis 64 Jahre), in
Prozent
EU28
56,4
54,3
53,3
52,9
52,1
51,4
Deutschland
55,9
55,7
56,0
57,3
57,7
58,2
Erläuterung: Niedriger Bildungsgrad ist definiert als maximal Sekundarstufe I (ohne abgeschlossene Berufsausbildung).
Erwerbstätigenquote Älterer (55 bis 64 Jahre), in Prozent
EU28
45,5
45,9
46,3
47,3
Deutschland
53,7
56,1
57,7
59,9
48,8
61,5
50,2
63,5
Arbeitslosenquote der unter 25-Jährigen, in Prozent
EU28
15,6
19,9
21,0
Deutschland
10,6
11,2
9,9
22,9
8,1
23,4
7,9
21,4
8,6
Langzeiterwerbslose absolut in 1.000 und Anteil an allen Erwerbslosen in Prozent
Deutschland
1.623
1.447
1.380
1.189
1.043
1.009
Männer
883
803
806
687
603
584
Frauen
740
644
574
501
440
425
Deutschland
Männer
Frauen
52,5
53,2
51,7
45,5
44,4
46,9
47,3
48,1
46,3
48,0
49,3
46,2
45,5
46,8
43,7
44,7
45,5
43,8
Armutsrisikoschwelle für Alleinstehende (60% des Medianjahreseinkommens)
Deutschland
10.986
11.151
11.278
11.426
11.757
11.749
35
Armutsrisikoquote (Anteil der Personen mit weniger als 60% Medianeinkommen
in Prozent)
EU28
16,5*
16,4*
16,5
17,0
16,9
16,7
Männer
15,6*
15,5*
15,8
16,2
16,3
16,1
Frauen
17,5*
17,2*
17,2
17,7
17,5
17,2
unter 18 Jahren
65 Jahre und
älter
20,4*
20,1*
20,8
20,8
20,7
20,3
18,9*
17,8*
15,9
15,9
14,6
13,8
Deutschland
Männer
Frauen
15,2
14,2
16,2
15,5
14,7
16,3
15,6
14,9
16,4
15,8
14,9
16,8
16,1
14,9
17,2
16,1
15,0
17,2
unter 18 Jahren
65 Jahre und
älter
15,2
15,0
17,5
15,6
15,2
14,7
14,9
15,0
14,1
14,2
15,0
14,9
Durchschnittliches Medianeinkommen in Euro/Jahr und relatives Medianverhältnis des Alterseinkommens (65 Jahre und älter)
EU28
12.935*
13.203*
13.527
13.738
14.344
14.719
Insgesamt
0,85*
0,86*
0,88
0,89
0,91
0,93
Männer
0,88*
0,90*
0,92
0,93
0,95
0,96
Frauen
0,83*
0,84*
0,86
0,87
0,89
0,91
Deutschland
Insgesamt
Männer
Frauen
16.498
0,87
0,89
0,87
16.804
0,88
0,90
0,86
17.167
0,89
0,90
0,88
17.611
0,90
0,91
0,89
17.729
0,88
0,88
0,87
17.904
0,89
0,90
0,88
Erläuterung: Mittleres Nettoäquivalenzeinkommen von Personen 65 Jahre und älter im Vergleich zu Personen unter 65 Jahren.
*Werte für EU27
Quelle: EUROSTAT
Abhängigkeit von Mindestsicherung absolut in 1.000 und Anteil an Bevölkerung
Deutschland
7.646
7.761
7.537
7.258
7.249
7.384
Deutschland
9,3%
9,5%
9,2%
8,9%
9,0%
9,1%
Erläuterung: Mit den Transferleistungen der sozialen Mindestsicherungssysteme werden finanzielle Hilfen
des Staates bezeichnet, die zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums an leistungsberechtigte Personen ausgezahlt werden. Gesetzliche Grundlagen sind SGB II und SGB XII, Asylbewerberleistungsgesetz sowie das Bundesversorgungsgesetz.
Empfänger von Grundsicherung im Alter absolut in 1.000 und Anteil an Bevölkerung ab 65 Jahren
Deutschland
410
400
412
436
465
499
Deutschland
2,5%
2,4%
2,4%
2,6%
2,8%
3,0%
Quelle: Statistisches Bundesamt
36