Impressum Wolf Spillner Die Baumräuber Warum muss ich ein Held sein? ISBN 978-3-95655-336-3 (E-Book) Die Druckausgabe erschien erstmals 1982 bei Der Kinderbuchverlag Berlin Umschlaggestaltung: Ernst Franta © 2015 EDITION digital® Pekrul & Sohn GbR Godern Alte Dorfstraße 2 b 19065 Pinnow Tel.: 03860-505 788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.ddrautoren.de 2 Die Baumräuber Vor Zeiten lebten ein Mann und eine Frau am Rande eines wilden, tiefen Waldes. Dort hatten sie ein Sonnenblumenfeld und einen kleinen Acker. Darauf wuchs das Korn für ihr Brot, und um ihre Hütte liefen elf goldfarbene Hühner und ein Hahn. Der Mann war ziemlich klein. Seine Frau hingegen war groß und dick. Der kleine Mann liebte seine Frau sehr. Sie konnte so gut kochen und braten. Deshalb war er ein Jäger geworden. Er besaß eine lange Flinte und war im weiten Land als trefflicher Schütze berühmt. Weder vor Wölfen noch vor Bären, die in dem tiefen Walde hausten, fürchtete er sich. Die Fleischtöpfe in seiner Hütte wurden nie leer, und seine große Frau konnte dicker und dicker werden. Am liebsten kochte sie Suppen. Sie verstand sich auf Hirschsuppe und Rehsuppe, auf Auerhuhnsuppe und auf Waldschnepfensuppe. Sie hätte gern einmal Löwensuppe gekocht. Aber Löwen gab es in ihrem Walde nicht. Eines Tages bereitete die Frau eine Suppe aus Bärentatzen. Sie füllte die Essschüsseln bis zum Rand. „Das ist eine gute Suppe“, sagte sie zu ihrem Mann. „Sie macht stark und mutig! Mit Bärentatzensuppe im Bauch könntest du gar die Räuber besiegen, dann wärest du ein richtiger Held!“ Der kleine Jäger schüttelte den Kopf. Er sah bekümmert in seinen Napf mit Bärentatzensuppe. „Es reicht mir, mit Wölfen und Bären zu kämpfen. Das ist schwer genug! Warum muss ich ein Held sein? Genügt es nicht, dass ich ein Jäger bin und wir satt zu essen haben?“ „Nein“, sagte seine große Frau, „das genügt mir nicht!“ 3 Da sagte der Jäger nichts mehr und aß seine Suppe. Aber er dachte bei sich, dass er niemals die Räuber treffen wollte. Sie hausten auf den Bäumen im Wald wie wilde Tiere. Von den Ästen stürzten sie sich auf Postkutschen und Lastfuhrwerke, um sie zu plündern. Sie wuschen sich nie, und ihre Haare wucherten lang und zottig unter spitzen Hüten hervor. Die waren einmal grün gewesen. Nur der Hut des Räuberhauptmanns nicht. Der war rot. Aber nach den Jahren unter Sonne, Wind und Regen war da kaum noch ein Unterschied, und alle Räuber glichen mit ihren Hüten großen Stinkpilzen. Sie sahen fürchterlich aus. Wenn sie johlend von den Bäumen sprangen, rannten die Pferdelenker und die Reisenden schreiend davon und aus dem Wald heraus. In Dörfern und Städten meldeten sie bleich und schlotternd vor Angst die schrecklichsten Dinge über die Baumräuber, und Furcht verbreitete sich im Lande. So brauchten die Räuber niemals zu kämpfen. Ihre Pistolen waren längst verrostet, und die Säbel, mit denen sie fuchtelten, die waren stumpf. Aber das wusste niemand. Und keinem war bekannt, wo die Räuber hausten. Die Räuber lebten im dichtesten Wald, noch hinter dem Moor und dem Sumpf, in einem uralten Eichenbaum. Meist schliefen sie in seinen Zweigen. Sie hatten sich Nester gebaut, ließen sich vom Wind schaukeln und erfreuten sich am Sonnenschein. Nur bei Sturm oder Regen und Kälte verkrochen sie sich in dem hohlen Eichenstamm. Der war so groß wie ein kleines Haus. Sechs Räuber wohnten im Eichenbaum und ein Räuberhauptmann. Sie waren allesamt sehr faul. Der Räuberhauptmann war der Faulste. Er konnte noch länger schlafen als die anderen Räuber. Schlafen war 4 ihre größte Lust, denn dann konnten sie träumen. Meist von gutem Essen, von leckeren Braten und Kuchen. Der Räuberhauptmann sah in seinem Lieblingstraum einen riesigen Zimmetpudding, der noch viel größer als sein Pilzhut war. Davon erzählte er oft und gern. Aber die Räuber hatten auch andere Träume, über die sie nicht sprachen. Der eine hantierte im Schlaf mit Hobel und Säge, um Tische und Stühle zu bauen. Ein anderer ruderte im Traum mit seinem Fischerboot und warf das Netz aus, und ein dritter führte hinter zwei kräftigen Pferden den Pflug über seinen Acker. In ihren Träumen lebten alle sieben Räuber als redliche, fleißige Menschen. Doch wenn sie erwachten, dann blinzelten sie sich schlaftrunken an, wippten in ihren Nestern, gähnten schrecklich und drückten sich ihre stinkenden Pilzhüte noch fester auf die zotteligen Haare. Sie hatten geschworen: Niemals im Leben nimmt ein Baumräuber seinen Hut ab! Ein Baumräuber ohne Hut wird verstoßen aus der Räuberschar! Und daran hielten sie sich. Je länger die Räuber ihre stinkenden Hüte trugen, desto weniger konnten sie nachdenken. Sie träumten immer seltener. Es schien, als sei unter den Hüten auch ihr Verstand zugewachsen. Sie lagen in ihren Nestern, streckten Arme und Beine von sich und schliefen. Nur wenn ihr Hunger zu arg wurde, machten sie einen Überfall. Auf den gestohlenen Pferden ritten sie zum Eichbaum zurück, und der Räuberhauptmann befahl, die Pferde zu schlachten. Er fürchtete, das Wiehern der Pferde könne ihr Versteck verraten. Jahrelang aßen die Baumräuber Pferdefleisch. Das alles wusste der kleine Jäger nicht. Er aß Bärentatzensuppe, die ihn stark und mutig machen sollte. 5 Nachdenklich wischte er den Rest der Suppe mit einem Brotstück aus der Schüssel. Nein, er wollte kein Held sein, der die Räuber besiegte. Aber er mochte auch nicht mit seiner Frau streiten. Er nahm die Flinte vom Haken, das Pulverhorn dazu und den Beutel mit den Flintenkugeln. „Wohin gehst du“, fragte seine große Frau. „Ach“, sagte der kleine Jäger, „ganz in der Nähe habe ich ein Wildschwein gespürt, das will ich verfolgen.“ Die Frau leckte sich die Lippen: „Wir hatten schon lange keine Schweineklopse mehr!“ „Grabe nur schon Knoblauch aus dem Feld“, meinte der kleine Jäger. „Mit Knoblauch schmecken die Klopse am besten.“ Damit ging er aus der Hütte. Hinter dem Sumpf fand der Jäger die Wildschweinspur im schwarzen Waldboden. Er folgte ihr langsam, prüfte die umgeknickten Gräser und Halme, und an der Größe der Spur erkannte er, dass ein besonders starkes Wildschwein vor ihm gelaufen war. Er dachte daran, wie sehr sich seine dicke Frau freuen würde, wenn sie die Klopse aus dem Wildschweinfleisch braten konnte, fein gewürzt mit Thymian und Majoran und frischem Knoblauch aus dem Feld. So geriet er tiefer und tiefer und tiefer in den Wald hinein. Noch nie war er so weit vorgedrungen. Sehr dicht und finster wurde es. Doch dann schimmerte hinter den hohen Stämmen helles Licht. Der Jäger blieb stehen. Von dieser Lichtung kam ein lautes Rasseln, Schnarchen und Blasen. Er meinte eine ganze Rotte von Wildschweinen zu vernehmen und lud seine Flinte mit Pulver und einer guten Kugel. Vorsichtig schlich er im Schutz der Büsche und Bäume weiter voran. 6 Jedoch, auf der Lichtung war nicht ein einziges Wildschwein. Vielmehr stand dort ein Leiterwagen. Er war mit Fässern beladen. Ein Fass hatte ein Loch, und Wein lief heraus, so rot wie Blut. Um den Wagen herum lagen sechs Räuber. Sie reckten ihre Bäuche aus dem Gras und schnarchten. Jeder hatte seinen Pilzhut fest auf dem Kopf. Der Räuberhauptmann stöhnte und schmatzte. Auf seiner Nase sonnte sich eine fette blaue Fliege. Ehe sich der kleine Jäger recht besinnen konnte, schrie es gellend über ihm: „ Alarm — Alarm — Alarm, Zeter und Mordio, Alarm!“ Das war der siebente, der Jungräuber. Er durfte keinen Wein trinken wie die anderen Räuber. Er war schon als Kind in die Bande aufgenommen worden und musste immer Wache halten. Der Jäger erschrak bis ins Mark. Seine Haare sträubten sich vor Entsetzen. Er riss sein Gewehr hoch und schoss in die Zweige. Dann rannte er Hals über Kopf davon. *** Ende der Demo-Version, siehe auch http://www.ddrautoren.de/Spillner/Baumraeuber/baumraeuber.h *** 7 Wolf Spillner Geboren 1936 in Herzberg am Harz, ist ein deutscher Autor und Fotograf Aus seinem Geburtsort zog seine Mutter mit ihm in ein 8 winziges Holzhaus am Rande der Lüneburger Heide, als er 13 Jahre alt war. Mit 16 Jahren wurde er Waise. In Mainz war er mehrere Jahre Volontär einer naturwissenschaftlichen Jugendzeitschrift. Als die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik Deutschland akut wurde, übersiedelte er 1955 in die DDR. Er war in Schwerin etliche Jahre als freier Bildreporter tätig. Auch wurde er für acht Jahre Betonfacharbeiter und nutzte seine Freizeit, um Material für seine ersten Bücher zu erarbeiten. Ab 1967 freiberuflich als Autor und Fotograf tätig. Er wohnte zwei Dutzend Jahre in einem 17–Seelen-Dorf zwischen Wismar und Schwerin in der Naturlandschaft Mecklenburgs am Dambecker See. Heute lebt Wolf Spillner in Ludwigslust. Spillner arbeitete zunächst als Journalist. Später betrieb er ornithologische Studien und galt als einer der profiliertesten Naturfotografen der DDR. Dabei widmete er sich insbesondere der Beobachtung des Sozialverhaltens koloniebrütender Vögel. Beeinflusst von Werner Lindemann wurde er Mitte der 1970er Jahre zum Autor von Kinder- und Jugendbüchern, von denen einige auch verfilmt wurden. Sein bekanntestes Buch Taube Klara wurde in 8 Sprachen übersetzt und 1991 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet. Seit einigen Jahren hat er sich der digitalen Fotografie zugewandt, sowie per Fahrrad und Kajak Nordamerika, Nordskandinavien, Neuseeland und Jakutien bereist. Bibliographie: Claas und die Wunderblume. Kinderbuchverlag, Berlin 1989 Das Vogeljahr der Küste. Deutscher Landwirtschaftsverlag, 9 Berlin 1973 Der Alte vom Hammer. Kinderbuchverlag, Berlin 1986 Der Bachstelzenorden. Kinderbuchverlag, Berlin 1979 Der Luftballon und die Warzenkröte. Kinderbuchverlag, Berlin 1979 Der Riese vom Storvalen. Kinderbuchverlag, Berlin 1983 Der Seeadler. Hinstorff Verlag, Rostock 1993 Der Wald der großen Vögel. Deutscher Landwirtschaftsverlag, Berlin 1969 Der Wald der kleinen Vögel. Deutscher Landwirtschaftsverlag, Berlin 1976. Die Baumräuber. Kinderbuchverlag, Berlin 1982 Die Graugans. Kinderbuchverlag, Berlin 1990 Die Hexe mit der Mundharmonika und andere Geschichten. Kinderbuchverlag, Berlin 1983 Die Vogelinsel. Kinderbuchverlag, Berlin 1976 Durch Urwald und Dünensand. Kinderbuchverlag, Berlin 1984 Feldornithologie. Deutscher Landwirtschaftsverlag, Berlin 1990 Ferne nahe Welt. Deutscher Landwirtschaftsverlag, Berlin 1981 Gänse überm Reiherberg. Kinderbuchverlag, Berlin 1977 Im Walde wohnt der schwarze Storch. Kinderbuchverlag, 10 Berlin 1988 Land unter dem Wind. Deutscher Landwirtschaftsverlag, Berlin 1971 Lieber weißer Vogel. LeiV, Leipzig 1996 Natur-Ansichten oder die Macht der Kamille. Demmler Verlag, Schwerin 1996 Schätze der Heimat. Kinderbuchverlag, Berlin 1986 Schmetterlinge. Kinderbuchverlag, Berlin 1989 Seeadler - gestern und heute. Hoyer Verlag, Galenbeck 2004 Staatenbildende Insekten. Kinderbuchverlag, Berlin 1981 Taube Klara oder Zufälle gibt es nicht. Kinderbuchverlag, Berlin 1987 Wasseramsel. Kinderbuchverlag, Berlin 1984 Wildgänse überm Moor. Boje-Verlag, Stuttgart 1981 Zwischen Alpen und Eismeer. Kinderbuchverlag, Berlin 1987 11 E-Books von Wolf Spillner Der Alte vom Hammer. Eine Bilderbuchgeschichte aus den Bergen der Schweiz Corinna wird von ihren Mitschülern aus der 3. Klasse beneidet. Ihr Vater ist Wildhüter und nimmt sie oft mit in die Berge. Die Sennen haben gesehen, dass der alte Steinbock lahmt? Wird es so schlimm sein, dass ihn der Wildhüter erschießen muss, weil er mit seiner Verletzung nicht überleben kann? Corinna darf den Vater bei der gefährlichen und anstrengenden Suche nach dem Alten begleiten und bangt um sein Leben. Wolf Spillner bereicherte diese schöne Geschichte mit wunderbaren Fotos. Der Bachstelzenorden Gäbe es ihn, Hannes hätte ihn verdient: den Bachstelzenorden. Und nicht nur, weil er Stapellauf, Auszeichnung und Fernsehkamera davonlief, um ein Bachstelzennest zu retten. - Eines Tages hält Gustav seine Lok vorschriftswidrig an. Seltsam, denkt er, dass die Vögel nicht nach der Seite davonfliegen, sondern immer gegen die fahrende Lok prallen und sterben. Und er beschließt, der Sache auf den Grund zu gehen. Wolf Spillner hatte als Junge den großen Wunsch, einen Hund zu besitzen. Der erfüllte sich schließlich, doch was dann geschah, ist ihm auch heute noch Anlass, in seinen Geschichten von Menschen und Tieren zu erzählen, von keinen besonderen Menschen und keinen exotischen Tieren, sondern solchen, denen man überall begegnen kann, schaut man nur 12 richtig hin. Der Riese vom Storvalen. Eine Bilderbuchgeschichte aus Härjedalen Björn-Eyvind lebt mit seinen Eltern einsam in den Bergen. Er hat einen weiten Weg zur Schule, im Winter auf Skiern, im Sommer mit dem Fahrrad. Aber er ist schon groß, er geht schon in die 2. Klasse. Viele Tiere kann er auf dem Schulweg beobachten: Rentiere, balzende Auerhähne, die drolligen Brushähne. Gern besucht er seinen Freund Rune Axelson. Rune ist ein Bauer und hat vor sein Anglerhaus ein Schwein abgelegt, als Winterfutter für den Adler. Doch plötzlich kommt ein Riese den Berg hinab. Björn-Eyvind läuft und läuft, bis ihm die Beine versagen. Die Baumräuber Ein Jäger wohnte mit seiner Frau allein am Waldrand. Er war sehr mutig und schoss Bären, Wölfe und Wildschweine. Nur vor den Räubern, die mitten im Walde in einem riesengroßen Baum hausten, hatte er wie alle anderen große Angst. Doch eines Tages verfolgte er ein besonders großes Wildschwein und gelangte dabei zum Lager der Räuber. Zum Glück waren diese betrunken und schliefen ihren Rausch aus. Nur der kleine Jäger, der noch ein Kind war und keinen Alkohol trinken durfte, wachte und schlug Alarm. Vor Schreck gab der Jäger einen Schuss ab, der den Hut des kleinen Räubers traf. Kein Räuber durfte seinen Hut abnehmen und das schon seit vielen Jahren. Ihr könnt euch denken, dass die Räuber weder 13 Seife noch Kamm kannten. Aber nun gab es zwei Löcher in dem Hut des kleinen Räubers, durch die die Meise zu ihren Jungen fliegen konnte, die auf dem Kopf des kleinen Räubers ein Nest besaßen. Die Hexe mit der Mundharmonika Die Begegnung mit der Natur ist wie der Kontakt mit einem Menschen. Man muss hinsehen, zuhören und sich einstellen können, darf nehmen, aber auch geben und muss sich, wenn nötig, einsetzen, dann kann im Miteinander Liebe und Freundschaft wachsen. Dass dieses Einanderverstehen nicht immer leicht ist, erfährt Kerstin. „Du bist ein Sprüchemacher“, ruft sie ihrem Vater zu, der seinen Worten unerwartete Taten folgen lässt. Der alte Mann erfährt, dass seine Gemeinschaft mit den Vögeln ihm nicht allein gehören darf. Mit den Vögeln und den Jungen wird er reicher, die Gemeinschaft schöner. Wolf Spillners Sorge gilt in den neun Geschichten den alltäglichen Begegnungen, in denen sich die Haltung der Menschen zeigt. Durch Urwald und Dünensand. Aus Naturschutzgebieten und Nationalparks der CSSR, der Volksrepublik Polen und der DDR Für dieses Buch ist Wolf Spillner fast dreißigtausend Kilometer gefahren und viele Hundert Kilometer gewandert und geklettert. Bekannte und unbekannte Pflanzen und Tiere in geschützten Landschaften wollte er beobachten und fotografieren, um darüber berichten zu können. So kam er in 14 verschiedene Naturschutzgebiete und Nationalparks in der Volksrepublik Polen, in der CSSR und in der DDR. Von den Seen der wilden Gänse und seltenen Schwarzhalstaucher seines mecklenburgischen Dorfes, über die im Frühjahr und Herbst die Seeadler fliegen, ist er zu den scheuen Wisenten gefahren und vor ihnen davongerannt. Durch glutheißen Sand der Wanderdünen an der Ostsee ist er gestapft und durch den Sommerschnee der Hohen Tatra, dort, wo die Karpatengämsen leben. In den regennassen Waldbergen der Bieszczady hat er den Schwarzstorch auf seinem Nest gesehen und die seltene, kleine Orchidee Korallenwurz auf der Insel Rügen. Unter der Tarnkappe seines Versteckzeltes hat er mit Notizbuch und Kamera auf Bäumen und im Sumpf, zwischen Felsgeröll und im Schnee gesessen, um die scheuen Tiere zu belauschen und Bilder von ihrem Leben für dieses Buch zu sammeln. Das war nicht immer leicht. Aber es war immer schön, denn viele freundliche Menschen, die sich in den Reservaten und Nationalparks um den Schutz der Natur sorgen, haben ihm sehr geholfen. Nur so konnte dieses Buch im Laufe einiger Jahre entstehen. Spillner hat viel von der Schönheit der Natur gesehen und doch nur einen Teil vom Reichtum unseres blauen Planeten. Gänse überm Reiherberg „Was ist das schon, so’n Hund, gar nichts ist das. Der rennt dir bloß hinterher, weil er Kohldampf hat und Fleisch haben will. Gar nichts ist das! ... Eine Wildgans ziehe ich mir auf, dass ihr’s wißt. Und die wird zahm und fliegen. Hinter mir her. Die kommt sogar wieder, im nächsten Jahr wieder, verlasst euch 15 drauf! Und nicht weil sie Kohldampf hat.“ Knuppe lässt diese Idee nicht los, eine Idee, für die er nur bei wenigen Verständnis findet. Er lebt in einem Dorf am See, und dieser See ist einer der selten gewordenen Brutplätze der Graugänse. Aber bis alle im Dorf das begriffen haben, gibt es Streit zwischen den LPG-Bauern und den Naturschützern, bei den Jägern und Anglern, Krach mit Freund Kalle und — tatsächlich Ohrfeigen vom Vater. Im Walde wohnt der schwarze Storch Anna kennt sich im Wald aus, denn ihr Vater ist Förster. Ihr Vater hat sie oft auf seine Jagdkanzel in der Nähe des Weihers mitgenommen. Dorthin kommen die Wildschweine. Als sie ihrem vater die vergessenen Kiefernpflanzen nachbringen will, steigt sie noch schnell neugierig auf die Kanzel hinauf. Plötzlich entdeckt sie ein großes Nest auf einem Baum. Da ist ja auch ein großer Vogel, der rasch davonfliegt. Es ist ein Märchenvogel. „Gibt es Störche, die schwarz sind, oder bunt und mit roter Brille um die Augen?“, fragt sie aufgeregt ihren Vater? Niemand außer den Eltern darf von ihrem großen Geheimnis wissen. Noch nie haben die seltenen Schwarzstörche in ihrem Wald gebrütet und sie sollen doch im nächsten Jahr wiederkommen. Wunderbare Fotos von Wolf Spillner ergänzen die schöne Geschichte für Kinder ab 4 Jahre. Schätze der Heimat Große und kleine Naturschutzgebiete – von der Kreideküste 16 der Insel Rügen bis zu den Höhen des Thüringer Waldes, von den Wiesensteppen im Odertal bis zum Lindenwald in der Altmark – sind die Schatzkammern unserer Heimat. Sie bewahren den Reichtum der Natur. Aus der Fülle von über siebenhundert Reservaten stellt Wolf Spillner jeweils ein Naturschutzgebiet aus jedem Bezirk der DDR in anschaulichen Texten und beeindruckenden Farbfotos vor. Schmetterlinge Schmetterlinge sind für uns meist nur die bunten Tagpfauenaugen, die gelben Zitronenfalter, die hellen Weißlinge oder andere farbschöne Tagfalter im Sonnenschein. Flattert uns jedoch ein kleines, unscheinbar braungraues Tier im Haus oder gar aus dem Kleiderschrank entgegen, dann heißt es meist entsetzt: Das ist eine Motte! Eine Motte aber will schon nicht mehr so recht in unsere Bildvorstellung von Schmetterlingen passen. Noch weniger wollen wir an Falter glauben, wenn sich am Abend oder in der Nacht dick bepelzte und behaarte Fluginsekten vor der Fensterscheibe versammeln oder burrend und schwirrend im hellen Licht um die Straßenlaternen kreisen. Doch viele dieser seltsam anmutenden fliegenden »Geister der Nacht« gehören auch in die große Ordnung der Schmetterlinge. Wir brauchen nur genau zu beobachten, dann merken wir bald, dass sie gemeinsame Merkmale haben, die sie deutlich von anderen Insekten unterscheiden. Die zweitgrößte Ordnung des Tierreiches bilden die Schmetterlinge mit schätzungsweise 150 000 Arten. Wie viele es wirklich sind, wissen nicht einmal die Fachleute ganz genau, 17 denn noch werden ständig neue Arten entdeckt. In dieser nahezu unüberschaubaren Fülle gibt es Riesen mit einer Flügelspannweite von 30 Zentimetern, wie die südamerikanische Graue Rieseneule. Sie ähnelt im Flug einer Fledermaus. Winzlinge, zum Beispiel unsere heimischen Zwergmotten, dagegen breiten ihre feinen Flügel nur ein paar Millimeter weit aus. Wir kennen aber auch flügellose Schmetterlinge, beispielsweise die Weibchen der Sackspinner und des Frostspanners. Andererseits gibt es Wanderfalter mit erstaunlichen Flugleistungen. Der Monarch, ein Tagfalter des amerikanischen Kontinents, fliegt im Herbst wie ein Zugvogel von Kanada bis nach Mexiko. Hervorragende Flieger sind auch die Schmetterlinge aus der Familie der Schwärmer. Schmale Flügel tragen ihre dicken, spindelförmigen Leiber schneller durch die Nacht, als Autos innerhalb von Ortschaften fahren dürfen! Sie erreichen Fluggeschwindigkeiten von mehr als 50 Kilometern in der Stunde. Der Totenkopfschwärmer wandert vom Mittelmeergebiet bis nach England. Falter leben rund um die Erde bis zu den arktischen und antarktischen Regionen. Die meisten Arten sind in den Tropen und in den Subtropen zu Hause. Dort gibt es die schönsten und größten Schmetterlinge. Aber auch in Mitteleuropa sind mehr als 3 000 verschiedene Falterarten anzutreffen. Manche können mit ihren Verwandten aus den warmen Ländern an Schönheit wetteifern, wie Schillerfalter, Bären und Ordensbänder. Es wäre jedoch falsch, Schmetterlinge allein nach ihrer Schönheit zu beurteilen. Viel interessanter ist ihr Leben. Davon will dieses Buch einiges berichten. 18 Staatenbildende Insekten Diese kleine Insektenkunde erzählt vom Jahresstaat der Wespen und Hummeln, berichtet über die soziale Gemeinschaft eines Bienenvolkes, das in einem Dauerstaat lebt, und hilft auch, das scheinbar heillose Durcheinander eines Ameisenhügels zu verstehen. Die mannigfaltige und in der Natur nicht in allen Einzelheiten beobachtbare Lebensweise der staatenbildenden Insekten wird eindrucksvoll und leicht verständlich in Wort und Bild dargestellt. Taube Klara So kannte Hannes seine Mutter noch nicht: Opas Lieblingstaube Klara hing tot in ihrer Hand. Sicher, resolut war Mutter schon immer, der Kapitän zu Hause, obwohl doch Vater auf großen Schiffen zur See fuhr. Aber Mutter war auch verständnisvoll, lieb und vor allem: hilfsbereit. Nicht einen Augenblick hatte sie gezögert, mit dem Schlitten in der Weihnachtsnacht durch Kälte und Schnee zu ziehen, um den hilflosen Nachbarn Pinkau zu holen, dem andere die Hilfe verweigerten. Doch Klara töten? Omas einzige Gefährtin nach Opas Tod? Gewiss, Mutter hatte sich vor ihr geekelt, vor dem Taubendreck in der Küche, sie fürchtete um Omas Gesundheit und würde Oma am liebsten mit nach Berlin nehmen. - Zwei Weihnachtstage zu Besuch am Jammerfeld - Hannes wird sie nie vergessen. Das Buch erschien 1987 bei: Der Kinderbuchverlag Berlin. Es wurde in acht Sprachen übersetzt und 1991 mit dem 19 Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet. Wasseramsel Wasseramsel — das ist nicht nur der Name des seltenen Vogels, den Winfried und Ulla entdecken, der unter Wasser laufen kann und angeblich die Fischbrut aus dem Forellenteich frisst. Winfried nennt auch Ulla so, seit er sie zum ersten Mal sah, als sie im angestauten Waldbach badete. Zwischen beiden entsteht eine große Liebe, obwohl Winfried bisher nur Freude an schnellen Motorrädern fand und seine Mutter ihn noch zu jung für „Mädchengeschichten“ hält. Und dann hängt Ullas Bild auf der Ausstellung zum Heimatfest, es zeigt das schöne Tulbachtal im Landschaftsschutzgebiet, bevor dort Winfrieds Vater ein Haus baute und einen Forellenteich anlegte. Eines Tages ist Winfried fort, das Haus seiner Eltern verwaist, kein Zeichen, kein Brief gibt Ulla Nachricht. Zwischen Alpen und Eismeer Seit jenem regennassen Herbsttag, an dem ich als 13-Jähriger die Lachmöwe in den Harzbergen fand, wollte ich wissen, wie Vögel und andere Tiere in ihrer Umwelt leben. Dazu nutzte ich immer wieder meine Freizeit. Um ihnen nahe zu sein, verbarg ich mich unter der Tarnkappe eines Versteckzeltes auf Bäumen und im Sumpf. Mit dem Auge der Kamera habe ich über viele Jahre versucht, ihr Verhalten in fotografischen Bildern auch für andere sichtbar zu machen. Manchmal ist es gelungen. Dafür bin ich gewandert, geklettert und weit gefahren, habe geschwitzt und sehr viel mehr noch gefroren. 20 In den Stunden der Beobachtungen, die zu Wochen, Monaten und Jahren wurden, fand ich ein paar Körnchen an neuem Wissen. So führte die kindliche Neugier und die Freude an eigenen Entdeckungen von der toten Lachmöwe am Hang auf manchem Umweg zu meinem ersten Buch vom »Wald der großen Vögel«. Darin beschrieb ich, was mir nach dreijähriger Beobachtung bei Graureihern, Mäusebussard und Habicht aufgefallen war. Andere Bücher folgten, und den Büchern folgten Einladungen, auch in anderen Ländern Tiere zu beobachten und zu fotografieren. Auge in Auge mit den frei lebenden Tieren zu sein, von denen manche bedroht und gefährdet sind, wurde so zu einem Teil meiner Arbeit. Und schließlich kam ich zu jenen Vögeln im hohen Norden, von denen ich als Junge geträumt hatte. Ich traf auch andere Tiere, von denen ich damals noch nichts wusste. Von diesen Begegnungen will ich hier berichten. 21 Inhaltsverzeichnis Impressum Die Baumräuber Wolf Spillner E-Books von Wolf Spillner 2 3 8 12 22
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