ABSTRACTS SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT C 1

ABSTRACTS SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
C 1 – Kulinaristik: Kultur – Kommunikation – Küche 2
C 2 – Begegnungen zwischen den deutschsprachigen Ländern und Asien 12
C 4 – Kulturdifferente Lehr- und Lernstile, nationalspezifische Wissenstraditionen
und interdisziplinäre Methoden – wohin führt der Weg einer Germanistik als
Fremdkulturwissenschaft? 25
C 5 – Interkulturalität (in) der Wissenschaft 29
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
ABSTRACTS SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
Sektion C 1 – Kulinaristik: Kultur – Kommunikation – Küche
Leitung: Jochen Hörisch [email protected]
Ko-Leitung: Wei Liu [email protected] , Hannah Dingeldein
[email protected], Alois Wierlacher [email protected]
Balint, Iuditha [email protected]
Geschäftsessen. Darstellungsstrategien und Normkritik karrierefördernder Mahlzeiten in John von Düffels Roman Ego
In John von Düffels Roman Ego zeichnet sich der Ich-Erzähler und Unternehmensberater
Philipp durch exzessive Körperhygiene und Fitnesssucht aus. Gesundheit und Fitness stellen für ihn jedoch keine intrinsischen Werte dar, sondern dienen der Erzeugung und Erhaltung der Schönheit als ökonomisches Kapital. Die Darstellungsstrategien, die die Narrationen über Geschäftsessen prägen, führen gerade nicht zur Verstärkung der Kritik am
Nonkonformen; vielmehr werden sie zur kritischen Reflexion normierter und normalisierter Essgewohnheiten eingesetzt. Der Vortrag geht diesen Erzählverfahren nach und untersucht, 1) mit welchen narrativen Strategien die Integration des Kulinarischen in ökonomische Bedeutungsgefüge vorgenommen wird; 2) welche anderen Diskurse die Wahrnehmung von Ernährungsgewohnheiten prägen und in welcher Hinsicht sie relevant sind; 3)
auf welche Weise bestehende Essensnormen trotz der Unzuverlässigkeit des Ich-Erzählens
kritisch beleuchtet werden können; und 4) worin diese Kritik genau besteht.
Barnbeck, Johanna [email protected]
Sozio-kulturelle Dimensionen von Essen und was davon übrig bleibt
Welche kulturellen und individuellen Charakteristiken lassen sich aus der Art und Weise,
wie Menschen ihre Teller nach dem Essen zurück lassen, herauslesen? Anhand einer kulturvergleichenden Fotostudie gemeinschaftlicher Essen in unterschiedlichen Kulturkreisen
erforscht das anthroprologische Fotoprojekt ‘On Your Plate’ kulinarische Aspekte kultureller Gruppen und Regionen in ihren sozio-kulturellen Zusammenhängen. Die Fotografien
zeigen einzelne Essplätze von Menschen die zusammen eine Mahlzeit eingenommen haben,
während die Analyse der Teller die Identitäten, Allergien, Charakterzüge, Unverträglichkeiten, Gender, Vorlieben und Abneigungen der Essenden erforscht. Ein weiterer Aspekt eines angerichteten Tellers ist die Garnitur um das Essen köstlicher oder edler erscheinen zu
lassen. Manchmal sind diese Verzierungen Bestandteil des Gerichts selbst, das heißt sie
werden mitgegessen, manchmal dienen sie auschließlich zur Dekoration. Die Implementierung dieser ästhetischen Zutaten in das Gericht reflektiert nicht nur die kulinarische Kultur
der Essenden, sondern auch die ökonomischen Zusammenhänge, in denen die Gerichte
serviert werden. ‘On Your Plate’ beschäftigt sich mit den sozio-kulturellen Dimensionen von
Essen und dem, was davon übrig bleibt.
Berninghausen, Jutta [email protected]
„Man ist, was man isst“
Die Art wie man isst, was und mit wem, zu welchen Anlässen und warum sagt viel über
die Besonderheiten eines Landes aus. Speisen und Getränke, die wir zu uns nehmen, sind
nicht beliebig verdauliche Substanzen, sondern spiegeln auch die Geschichte und die Kul-
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
tur eines Landes wider. Kulturelle Werte vermitteln sich über Tischsitten, Essgewohnheiten und das Konzept von Gastlichkeit. Das Kennenlernen kulturspezifischer Speisen
und Essgewohnheiten ist eine interkulturelle Erfahrung, bei der man viel über andere
Kulturen lernt, aber auch kulturübergreifende Gemeinsamkeiten erleben kann. Diese These wird mit vielen Beispielen aus der Praxis untermauert.
Börnchen, Stefan [email protected]
Lokal global. Zur Poetik des food writing als Suche nach dem perfekten
Mahl
Wie akademisch food writing sein kann, zeigt Gabrielle Hamiltons Autobiografie Blood,
Bones & Butter, in der sie ausdrücklich der angeblich leblosen theory von „Derrida and
Lacan“ die kulinarische Erdung durch „the almost muddy, sweet, ripe black fruit of th[e]
mulberry bush“ entgegensetzt: Also eine Präsenz-Erfahrung, wie sie etwa Hans Ulrich
Gumbrecht als Reaktion auf die Virtualisierung und Entsubstantialisierung von Welt (und
Theorie) propagiert hat. In meinem Vortrag skizziere ich, auch im Rückgriff auf erste
deutschsprachige, bisher überwiegend in Periodika erschienene Texte des Genres, eine
Poetik des food writing als eines globalen und zugleich lokalen Phänomens. Im Zentrum
stehen dabei die genannten Kategorien ,Körper’, ,Alterität’/,Interkulturalität’ und ,Geschlecht’. Kulinarisch erschließt sich die Welt – daher die Notwendigkeit zu reisen – nur
lokal: Über den Körper in diesem oder jenem Lokal.
Büchel, Johanna [email protected]
Rohkost – Festmahl – Fast Food oder: Die transgrediente Kraft erzählter
Mahlzeiten
A) Fragestellung: Um welche Arten von Texten handelt es sich und welche Arten von
Mahlzeiten werden hier erzählt? Wie werden sie dargeboten und wie erscheinen jeweils
die Rahmenbedingungen für Esser und Überbringer? In allen drei Texten sind Frauen, die
‚Essensbringerinnen’. Das Einnehmen der Mahlzeiten bewirkt jedes Mal eine Veränderung
der Erkenntnisfähigkeit der Esser. B) Textauswahl: 1) Die Bibel: Vertreibung aus dem
Paradies: Die Übergabe des Apfels an Adam durch die Frau bewirkt Erkenntnis, Entstehen
von Scham und schließlich die Vertreibung aus dem Paradies. 2) Tanja Blixen Babettes
Gastmahl: Bernadette, in der Erzählung von Tanja Blixen zunächst als Dienstmagd eingeführt, entpuppt sich im Laufe der Geschichte als begnadete Starköchin. 3) Uwe Timm Die
Entdeckung der Currywurst: Lena Brückner schafft für sich und den desertierten Soldaten
Bremer mithilfe einer ‚falschen Krebssuppe’ eine (Matratzen-) Insel bürgerlicher Ordnung
und Geborgenheit in einer zerfallenden Welt. Ausblick: In allen drei Texten geht es um
Entscheidungen zwischen Richtig und Falsch, zwischen Gut und Böse, zwischen Innen
und Außen. Ich möchte deshalb abschließend die Frage stellen, ob es eine Konzeption des
Dritten geben könnte, (im Sinne des dritten Raumes; vgl. Bhabha), die auf diese Dichotomien eine Antwort weiß.
Cosan, Leyla [email protected]
Die osmanische Küche, Tischmanieren und Gastlichkeit in den
deutschsprachigen Reiseberichten
Ziel dieser Arbeit ist es anhand von repräsentativen deutschsprachigen Reiseberichten aus
verschiedenen Jahrhunderten herauszufinden, welchen Eindruck die osmanische Küche
und Gastlichkeit bei den deutschen Reisenden hinterlassen hat. Diesbezüglich soll auf
folgende Fragen eingegangen werden. Sind “Ess- und Trinkgewohnheiten” des “Anderen”
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
im machtpolitischen Sinne instrumentalisiert worden? Wie haben die Reisenden die Speisevorschriften des Islams wahrgenommen, wie reagierten sie auf diese Verbote und wie
wurden sie für den Leserkreis erklärt? Vor allem aber soll herausgefunden werden, wie die
Reisenden all die neuen und vielleicht auch befremdlichen Eindrücke verarbeitet und in
ihren Aufzeichnungen dargelegt haben? Interessante Aspekte wie Tischsitten, Geschirr,
Besteck, Gastfreundlichkeit und Köstlichkeiten aus der osmanischen Küche sollen dabei
nicht unberücksichtigt bleiben.
Dingeldein, Hannah [email protected]
Zur Ästhetik des Geschmacks – Goethes Wilhelm Meisters Lehrjahre und
Uwe Johnsons Jahrestage
Einer der am häufigsten verwendeten Schlüsselbegriffe innerhalb der Kulinaristik ist der
„Geschmack“. Dieser Vortrag möchte in einem ersten Schritt Begriff und Konzept des
ästhetischen Geschmacks bei Kant und Schiller erörtern und nach seiner ursprünglichen,
nunmehr gelösten Verbindung zum tatsächlichen Vorgang des sinnlichen Schmeckens fragen. In einem zweiten Schritt soll exemplarisch an zwei Texten aus dem 18. und 20. Jahrhundert – Goethes klassischem Bildungsroman Wilhelm Meisters Lehrjahre von 1795/96 und
Uwe Johnsons zwischen 1970 und 1983 erschienener Roman-Tetralogie Jahrestage – aufgezeigt werden, auf welche – jeweils ganz unterschiedliche Weise – Literatur die verlorengegangene Konnexion des ästhetischen Geschmacks zu seinen gustatorischen und kulinarischen Wurzeln zu erörtern vermag.
Dücker, Burkhard [email protected]
Literaturwissenschaft und Kulinaristik. Konzeption eines Forschungssegments
Das Thema Literatur und Essen ist in der Germanistik keineswegs neu. In diesem Beitrag
wird ein Ansatz auf der Grundlage des Konzepts ,Kulturökonomie’ mit der zentralen Kategorie des ,literarischen Weltauslegungsangebots’ (Dücker 2015) vorgestellt. Literarische
Gestaltungen des Handlungsfelds Essen sind auf Auslegungsangebote und deren „kulturstiftende“ (Wierlacher) Funktion zu untersuchen; so ist nach Geschichte, Geltung und
kulturellem Hof der Speisen zu fragen. Außer literarischen Texten sind sämtliche Textsorten zu berücksichtigen, die zum Handlungsfeld Essen beitragen, dazu Feld-Institutionen und - Sozialformen (Gastlichkeit, religiöse Mahlformen, Rituale usw.). Untersucht
werden: 1. Die Haushaltsbücher Christian Wagners (1835-1918) als Quellentexte für
Kulturgeschichte. 2. Mahlformen als religiöse Praxis – die öffentlichen Speisungen der
Wiedertäufer in Münster (1534). 3. Das Inselgasthaus als Entwicklungsraum politischer
Utopie – zu Lutz Seilers Kruso (2014).
Henn-Memmesheimer, Beate [email protected]
Schaumschlägereien. Sprache und Bilder als Trend und Kult
Sachlich ist Schaum eine Ansammlung von (Gas-/Luft-)Bläschen, die von festen oder
flüssigen Wänden eingeschlossen sind. Die Lebensdauer flüssiger Schäume ist prinzipiell
begrenzt, je nach den strukturellen und elektrostatischen Eigenschaften der oberflächenaktiven Moleküle. Technische Diskurse wie dieser an Wikipedia angelehnte laufen gänzlich unabhängig von anderen Diskursen, bzw. hinter den Kulissen, wo es um Tenside oder
Lebensmitteltechnologie, um Stabilisierung und Vermeidung von Schäumen geht. Dennoch finden sich auch hier Merkmale, die in lexikalisierten und metaphorischen Verwendungen, in Narrationen, Bildern und Filmen relevant gesetzt werden (z.B. Boris Vian:
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
L‘écume des jours von 1946 mit verschiedenen Verfilmungen, z.B. Sloterdijks anthropologisch-erkenntnistheoretischer Versuch: Schäume von 2004). Vor diesem Hintergrund
werden althergebrachte, ephemer modische und sich etablierenden Thematisierungen von
Schäumen (Kartoffelespuma, Hechtmousse, Orangenespuma, Sabayone, Bier, Schaumwein, Mineralwasser, Crema, Matcha-Tee etc.) auf ihre Kulturen und Lebensstile differenzierenden Funktionen hin untersucht.
Hnilica, Irmtraud [email protected]
„Von Essen und Trinken, wie alle Menschen!" Kulinaristik in Mozarts
Zauberflöte
Die populärste Figur aus Mozarts Zauberflöte ist der Vogelfänger Papageno, der Taminos
Frage danach, wie er denn lebe, so beantwortet: „Von Essen und Trinken, wie alle Menschen!“. Seine Nahrung – nämlich „Wein, Zuckerbrod und süsse Feigen“ – erhält Papageno von der Königin der Nacht im Tausch gegen die von ihm gefangenen Vögel. Doch
gleich zu Beginn der Oper scheitert das sonst übliche Geschäft des Vogelfängers. Als Strafe
für dessen Lüge, er habe die Schlange getötet, verschließen ihm die Drei Damen den Mund
mit einem goldenen Schloss. Nun ist der Mund der für alle kulinarischen Belange zentrale
Teil des Körpers – zugleich aber auch zuständig für sprachliche und nicht zuletzt erotische
Funktionen. Der Vortrag fragt nach den Implikationen, die sich aus der Assoziation zwischen Nahrungsaufnahme, Liebe und sprachlichem Ausdruck ergeben. So handelt es sich
bei dem Schloss vor Papagenos Mund ausdrücklich um eine Form des Sprechverbotes
(und Verschwiegenheit spielt im Verlauf der Oper immer wieder eine wichtige Rolle).
Doch ist Papagenos so verschlossener Mund auch in seiner kulinarischen – und metaphorisch vermittelt auch der sinnlichen – Funktion gestört: ganz explizit bringt die Dritte Dame das Schloss „statt der süssen Feigen“ an.
Hofmann, Annika [email protected]
Kulinaristik als Baustein im interkulturellen Training
Im Rahmen meiner Dissertation entwickle ich einen Kultursensibilisator. Dies ist eine
Methode des interkulturellen Trainings: den Frage-Items, den Antwort-Items, einem Feedback-Bereich und einer Erklärung zur übergreifenden Kulturdimension. Die Methode
funktioniert wie ein Multiple-Choice-Test: Auf Grundlage des interkulturellen Missverständnisses soll aus einer Anzahl von mehreren Antwortalternativen dasjenige AntwortItem ausgewählt werden. Im Feedback-Bereich wird erklärt, ob das gewählte Item nach
der Forschung die passendste Erklärung bietet. Ist dies der Fall, kann zur nächsten Situation vorgerückt werden. Ist dies nicht der Fall, wird auf das ursprüngliche Frage-Item
verwiesen. Als Neuheit ist anzusehen, dass anstelle interkulturell bedingter Missverständnisse universelle Dilemmas, die auf der Theorie von Trompenaars und HampdenTurner basieren, als Grundlage für die Entwicklung der interkulturellen Trainingsmethode
genommen werden. Andere Länder – andere Sitten: Dies wird besonders bei den Essensgewohnheiten deutlich. Im Referat soll diskutiert werden, in welcher Form Handlungen
wie Essen und Trinken und auch andere für eine Kultur typische Gewohnheiten in einen
Kultursensibilisator mit aufgenommen werden können.
Hörisch, Jochen [email protected]
Kulinaristische Theorie
Die (neuere) Germanistik hat eine tiefgehende Debatte über ihre kulturwissenschaftliche
Dimension und Relevanz hinter sich. Zunehmend setzte sich dabei die These durch, dass
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
auch und gerade „schöne“ Literatur ein Medium des Wissens sein kann. Nach ausgreifenden Diskussionen über Poetologien des Wissens zeichnet sich nun eine interkulturell
und komparatistisch spannende und produktive Neukonturierung ab, ein Umschwung
von Theoriedebatten hin zu konkreten Motiv-, Themen- und Problem-Analysen. Das weite
Themenfeld des Essens und der Gastlichkeit spielt dabei eine herausgehobene Rolle. Es
bietet sich paradigmatisch für vergleichende interkulturelle Analysen an. Mein Vortrag,
aber auch mein Sektionsmanagement möchte vor allem vier konkreten Fragen nachgehen:
welche Signalwirkung haben Speisege- und verbote? Welche Konfliktlogiken (Eskalationen wie De-Eskalationen) sind mit Essen und Trinken verbunden? Welchen Status haben
Gäste und Gastgeschenke? Wie fokussiert die Literatur das anthropologische Problem der
Multifunktionalität des Mundes, der bekanntlich zum Atmen, Sprechen, Trinken, Essen
und Küssen taugt? Referenztexte sind dabei Goethes Romane und sein Faust-Drama sowie
die Romane Fontanes.
Höving, Vanessa [email protected]
Einverleiben und Ausscheiden. Poetologische Verhandlungen in Wilhelm
Raabes Odfeld
Der mit dem programmatischen Titel versehene Stopfkuchen (1891) ist nicht der einzige
Text Wilhelm Raabes, der sich um kulinarische Konstellationen zentriert. Auch Das Odfeld
(1888), jene Erzählung, die eine Schlacht im Umfeld des ehemaligen Klosters Amelungsborn schildert und dabei den Fokus auf den pensionierten Lehrer Noah Buchius legt, prozessiert kulturelle Verhandlungsfiguren von Essen und Nahrungsaufnahme: So flüchten
etwa der Protagonist Buchius und weitere Figuren vor feindlichen Soldaten in eine Höhle,
in der der gemeinsame Verzehr von blutbeschmiertem Proviant zu einer Postfiguration
des biblischen Abendmahls gerät, welche die kannibalischen Konnotationen des Christentums zur Kenntlichkeit entstellt. Der Vortrag perspektiviert die poetologischen Dimensionen der im Odfeld so signifikanten Konfigurationen von Einverleiben und Ausscheiden:
Vor der Folie psychoanalytischer Analitätstheoreme, wie sie etwa Sigmund Freud, Sándor
Ferenczi oder Ernest Jones vorgelegt haben, werden diese Motivkomplexe in Bezug auf
poetische Selbstreferenz sowie Phantasmen der Textproduktion und Inter-textualität
lesbar.
Kim, Kyunghee [email protected]
Kochen, Essen und Trinken im Film
Die kulturelle und soziale Bedeutung unserer Esskultur wird im Medium Film aus den interdisziplinären Perspektiven analysiert. Kochen und Essen ist eins der beliebtesten Themen im Film und sehr viele Filme aus verschiedenen Ländern reflektieren unser kulinarisches Verhalten. Die Beziehungen zwischen Essen, Heilung, Sexualität, Psychologie,
Charakteristik des Menschen und vielfältigen sozialen Sinnen werden durch mehrere
Filmszenen aus europäischen und asiatischen Ländern als Beispiele gezeigt und die relevanten sozial- und Kulturwissenschaftlichen Fragestellungen unserer Zeit werden dargestellt.
Kiryakova-Dineva, Teodora [email protected]
Die Kulinaristik in der Perspektive des interkulturellen Kontakts und
Tourismus auf dem Balkan
Jede Nationalküche stellt eine zusätzliche Ressource für den Tourismus dar. Für den Erfolg
einer Reise, eines Urlaubs außerhalb der Grenzen des eigenen Landes nimmt das gute
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
Essen einen großen Stellenwert im Leben des reisenden und mobilen Menschen ein. Essen
und Trinken sind gleichzusetzen mit dem Klima, den Natur- und Kulturschönheiten, dem
allgemeinen Komfort. Es kann genau an Essen und Trinken, und nicht an anderen Faktoren, wie z.B Preis, Angebot, Lage oder Landschaft liegen, ob ein Gast wieder kommt
oder nicht. Der Beitrag beleuchtet aus der Sicht der Balkanküche und des Interkulturellen
Kontakts die Perspektiven, die sich dadurch für den Tourismus eröffnen.
Krause-Ono, Margit [email protected]
Essen – Kommunikation und Sprachvermittlung
Essen ist weit über die rein ästhetische Darreichung hinaus als Kommunikationsfaktor sehr
wichtig. Zubereitung, Darbietung sowie Verzehr sind ein wichtiger Bestandteil der nonverbalen bzw. extraverbalen Kommunikation (Bolten) und Bedeutungsträger für Folgendes: 1. Etablierung/Aufrechterhalten der interpersonalen Beziehungen 2. Vermittlung von
Emotionen (von Freude bis Trauer/Wut) 3. Darstellung von Einstellungen/Lebensgefühl
4. Ausdruck von Meinungen sowie Entscheidungen. Anhand von visuellen Materialien
wird analysiert, auf welche Weise Essen ein wesentlicher non-verbaler kommunikativer
Faktor ist. Essen als kommunikatives Handeln kann besser als jede verbale Kommunikation schwierige Dinge zum Ausdruck bringen sowie dem Anderen eingängig vermitteln. Grundlage sind Ausschnitte aus der sechsteiligen japanischen Fernsehserie des Satellitenkanals von NHK (yube no karee wa ashita no pan) Das Curry vom Vorabend ist das Brot
des nächsten Morgens. In diesen Folgen wird deutlich, dass Speisen, Mahlzeiten, die tägliche
Reisgabe für den Familienaltar sowie deren späterer Verzehr nicht nur ein wichtiger Teil
der Kommunikation sind, sondern genauso auch ein Teil der Identität der einzelnen Protagonisten darstellen. Die kulturell-basierte nonverbale Kom-munikation im Zusammenhang mit Essen umfasst viele Nuancen, die durch verbale Interaktion nicht annähernd
abgedeckt werden. Eine Konsequenz daraus wäre, auch im Unterricht DaF non-verbale
sowie die pragmatischen Aspekte der Kommunikation durch Essen einzubeziehen.
Kroesen, Stephanie [email protected]
„Gaumenrassisten“ in Wilhelmsburg. Essen und Gentrifizierung in Fatih
Akıns Soul Kitchen (2009)
In meinem Beitrag werde ich zeigen, inwiefern Soul Kitchen – entgegen der mit dem Regisseur Fatih Akın und seinem Œuvre verbundenen Erwartungen – Essen nicht als Berührungspunkt verschiedener Kulturen und Ethnien, sondern als Marker und Motor von
Gentrifizierung inszeniert. Vor der Folie der Kulinaristik zeigt sich dabei, inwiefern die
Konzepte Interkulturalität und Gentrifizierung ähnlich funktionieren, verhandeln sie doch
beide den Kontakt verschiedener Kulturen bzw. Schichten/Szenen. Neben kulinarischen
Speisen gerät dabei auch die für den Film so relevante Soul-Musik als ‚Nahrung für die
Seele‘ in den Fokus, wodurch Akıns Komödie auf verschiedene im Zusammenhang mit
den USA geführte Debatten verweist: So wird implizit auf den Soul-Diskurs der 70er Jahre
und das sogenannte ‚Soul Food‘ rekurriert, das insbesondere in den Südstaaten als Ausdruck der traditionellen Küche der Afroamerikaner geschätzt und als Möglichkeit zur
Konstruktion und Etablierung einer kollektiven Identität genutzt wird.
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
Laudenberg, Beate [email protected]
„Warum das Kind in der Polenta kocht“ – Anthropophagie in der Migrationsliteratur
Da Migration auch eine gewisse Anpassung an andere Nahrungsmittel, deren Zubereitung
und Einnahme erfordert, sind Essen und Trinken wichtige Themen der Migrations-literatur. „Kulinarische Begegnungen und Kommunikation in der Literatur“ (Lillge/Meyer
2008) fanden zwar schon zu Beginn des 21. Jahrhunderts Berücksichtigung bei der Auswahl von Migrantenliteratur, eine literaturwissenschaftliche Beachtung zeichnet sich allerdings erst seit wenigen Jahren ab (z.B. Ott 2012). Dies gilt noch viel mehr für die Anthropophagie bzw. ihre Deutung als Thema, Metapher oder Motiv, obgleich die bevorzugte Identifikation von Menschenfressern unter barbarischen Fremden bzw. Wilden eine
lange Tradition aufweist. Ausgehend von den grundlegenden Beiträgen, die „den Blick für
die Relativität kultureller Normen“ (Fulda/Pape 2001) öffnen, soll die Bedeutung kannnibalistischer Phantasien und Handlungen, ihrer destruktiven, aber auch konstruktiven
Funktionen für den Aufbau und die Entwicklung von Identität(-en) und (Liebes-)Beziehungen in der modernen Migrationsliteratur aufgezeigt werden.
Liebrand, Claudia [email protected]
Gastmahle im Spätrealismus
Das Gastmahl als kulinarisches Fest verschaltet zwei Bereiche miteinander, von denen der
eine gemeinhin der ‚Natur‘, der andere der ‚Kultur‘ zugerechnet wird. Der Vortrag wird
drei spätrealistische Romane differentialdiagnostisch in den Blick nehmen, für die Nahrungsaufnahme und die Tischgespräche während des Essens zentral sind: Wilhelm Raabes
Stopfkuchen (1891), Theodor Fontanes Stechlin (1899), Thomas Manns Buddenbrooks (1901).
Die Tischgespräche, die in den drei Romanen geführt werden, lassen sich diskutieren in
Bezug auf kulturanthropologische Überlegungen. Der Vortrag will zeigen, auf je welche
spezifische Weise die Ess- und Sprechakte in den drei Höhenkammromanen um 1900
interferieren, mit welchen intertextuellen und kulturanthropologischen Modellierungen sie
sich beschreiben lassen und inwiefern das „Essen im Text“ bei Raabe, Fontane und Thomas Mann je unterschiedliche, auf die Signatur der jeweiligen Autoren verweisende Konturen erhält.
Obermaier, Sabine [email protected]
Du bist das Tier, das du isst. Zur Symbolik von Speisetieren in der höfischen Epik des Mittelalters
Welche und ob Tiere den Weg in menschliche Speisepläne finden, ist kulturell wie
historisch verschieden. So kommen im Mittelalter bisweilen auch Tiere auf den – nicht nur
literarischen – Tisch, die wir heute gewöhnlich nicht (mehr) essen: z.B. Reiher, Schwan, Bär
… Die Forschung beschäftigt sich vorrangig mit den sozialen und politischen Dimensionen von literarischen Speiseszenen. Daher werden die dabei erwähnten Speisetiere bisher
vor allem gedeutet als Indikatoren für die Qualität des Mahls, seines Gastgebers und der
Speisenden. Da Tiere in der Literatur jedoch oft einen Subtext von interpretativer Relevanz
bieten, stellt sich die Frage, ob nicht auch den Speisetieren eine zusätzliche symbolische
Dimension zukommt und sie z.B. die Speisenden oder die Mahlsituation in Rücksicht auf
die Textaussage charakterisieren, einordnen und/oder bewerten. Erste Aufgabe meines
Beitrags wird die Erstellung eines Katalogs der Speisetiere in der höfischen Epik sein. Auf
dieser Grundlage werden die Kontexte ihrer Verwendung untersucht sowie ihre poten-
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
tiellen symbolischen Bedeutungen ermittelt, um schließlich allgemeine Aussagen zur
Symbolik von Speisetieren in der höfischen Epik zu gewinnen.
Qiu, Kuanyong [email protected]
Kollokationen von essen im Deutschen, (chi) im Chinesischen und eat
im Englischen. Analyse semantischer Differenzen und Konnotationen
Ziel dieser Arbeit ist es, zu zeigen, dass man anhand von umfangreichen authentischen
Massendaten den Zusammenhang von Sprachwissenschaft sowie Kulturwissenschaft und
speziell Kulinaristik klären kann, von einem scheinbar geringfügigen Punkt, nämlich dem
einen Wort essen/ (chi)/eat ausgehend. Beispielsweise ist es aufgrund der verschiedenen
Objekte sowie Subjekte zu essen/ (chi)/eat zu erkennen, dass man über verschiedene Essgewohnheiten verfügt. In China spielt die typische Küche wie Jiaozi (ähnlich wie Maultaschen) noch eine große Rolle, während in England Sandwich verbreitet ist. Bemerkenswert ist, dass in Deutschland nicht nur die als typische geltende deutsche Wurst, sondern
auch Sushi, Döner auf gleichem Rang belegbar sind. So ist in dieser Studie anzudeuten,
dass die soziale Kultur eines Landes heute nicht unabhängig existiert, sondern sich mit
anderen Kulturen verbindet. Diese Beziehung zwischen den Kulturen wird in der Sprache
deutlich fassbar.
Rickenbacher, Sergej [email protected]
Das ,Gesetz des Bauches’ Gastronomie, Semiotik und Kulturtheorie in
Theodor Fontanes L’Adultera
In Fontanes Roman L’Adultera verschränken sich Semiotik und Gastronomie, so dass das
Essen zum Zeichen und das Zeichen ›eßbar‹ wird. Das Essen gerät in diesem Roman nicht
nur als Symbol oder als soziales Ritual in den Blick, sondern der physiologische Vorgang
der Nahrungsaufnahme und sein Einfluss auf Emotionen und Denken wird zum Modell
für die ästhetische Wirkung von sprachlichen und ikonografischen Zeichen. Der Roman
geht über eine reine subversive Gesellschaftskritik hinaus und entwickelt eine literarische
Kulturtheorie, in der Semiotik und Gastronomie in einem dialektischen Verhältnis stehen
und die Triebfeder der kulturellen Genese sind.
Schweiger, Kathrin [email protected]
„Was sind Wiener, Kameruner, Amerikaner?“ Rund ums Essen: Stellenwert, Darstellung und Didaktisierung in (regionalen) DaF-Lehrwerken
Fakt ist, dass „Essen und Trinken“ schon immer ein zentrales Thema in DaF-Lehrwerken
darstellt. Haben sich die Darstellungen dazu im Laufe der Lehrwerkgenerationen verändert? Inwieweit bedienen sie stereotypenhafte Vorstellungen auf Seiten der DaF-Lerner?
Wie bilden regionale Lehrwerke Kulinarisches der Zielsprachenländer ab? Wie hat sich die
Präsentation kulinarischer Inhalte seit der Formulierung der ABCD-Thesen bzw. im
Rahmen des DACHL-Konzepts verändert? Welche didaktisch-methodischen Ziele werden
dazu formuliert?
Shieh, Pi-Er [email protected]
Kultur des Essens und Trinkens in der deutschen Redewendung
Jesus Christus aß nichts, als er vom Geist in die Wüste geführt und dort 40 Tage lang vom
Teufel versucht wurde. Der Teufel sprach zu ihm, wenn Jesus Gottes Sohn sei, soll er den
Stein zu Brot werden lassen, da antwortete er: „Der Mensch lebt nicht allein vom Brot,
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
sondern von einem jeden Wort Gottes“. Für gläubige Christen zeigt der obige Vers ihre
Gläubigkeit an Gottes Wort. Das folgende protestantische Tischlied drückt die Inferiorität
irdischer Speise gegenüber himmlischer: Denn dis zeitliche Brod allein / Kann vns nicht
gnug zum leben sein, / Dein Göttlich wort die Seele speist, / Hilft vns zum leben allermeist. Im Vortrag werden die deutschen Redewendungen des Essens und Trinkens in
Bezug auf körperliche und geistige Ebenen untersucht, denn Gott schuf alles und alle, auch
das irdische Essen, diesbezüglich die folgenden Sprichwörter: “Essen und Trinken hält
Leib und Seele“, „Liebe geht durch den Magen“, „Man ist, was man isst“. Ziel der Untersuchung ist die Kulturvermittlung.
Stoeva-Holm, Dessislava [email protected]
„Rezepte“ für frühneuzeitliche Lebensentwürfe in Ditlevus Maiusʼ Stockholmisch Koch-Gesprächs Vortrab (1644)
In Kochbüchern sind beide Kulturaspekte in ihrer rhetorischen Ausformung gut nachzuverfolgen, da hier weit über Anweisungen und Ratschläge zur Speisezubereitung hinausgegangen werden kann: Es werden in den Rezepturen Warnungen ausgesprochen, als
auch ethische Wertvorstellungen vom tugendhaften Verhalten oder vom lasterhaften und
deshalb stigmatisierten sichtbar gemacht. Diese können als Lebensentwürfe und Ausdruck
von zeittypischem Denken und Einstellungen gedeutet werden. Anhand von Ditlevus
Maiusʼ Stockholmisch Koch-Gesprächs Vortrab (1644), dem ersten gedruckten Kochbuch in
Schweden, das in deutscher Sprache verfasst und in Dialogform gestaltetet wurde, soll aufgezeigt werden, wie Esskultur über den Rahmen der Nahrungszubereitung hinaus funktionalisiert wurde. Mit dem methodischen Ausgangspunkt in einem textorientierten,
sprachwissenschaftlichen Vorgehen, angebunden an die linguistische Kulturanalyse, soll
deshalb im Beitrag einerseits die formale und inhaltliche Gestaltung des Kochbuchs dargestellt und andererseits Aufschlüsse zu Wissensparadigmen der Frühen Neuzeit – so wie
sie im Lichte eines europäischen Kontextes erscheinen – gegeben werden.
Su, Fu [email protected]
Zur Übersetzbarkeit der kulinarischen Ausdrücke – Chinesische Speisenamen als Beispiel
Bei der Übersetzungstätigkeit sieht man sich ständig mit der grundsätzlichen Frage nach
der Möglichkeit und den Grenzen der Übersetzung konfrontiert, insbesondere wenn es
sich um Kulturspezifika handelt, wie beispielsweise im Bereich des Kulinarischen. Am
Beispiel ausgewählter chinesischer Speisenamen wird im Vortrag versucht, sich mit diesem Problem auseinanderzusetzen und herauszufinden, in wieweit die kulturspezifischen
Speisenamen übersetzbar sind, welche Strategien dabei angewendet werden können bzw.
sollen. Abschließend werden Übersetzungsvorschläge der chinesischen Speisenamen ins
Deutsche gemacht.
Wierlacher, Alois [email protected]
Konzept und Eckpunkte der Kulinaristik
Dem ‚sozialen Totalphänomen’ des Essens und Trinkens wird man am ehesten in einem
interdisziplinären Fächerverbund gerecht, der natürlich disziplinäre Arbeit voraussetzt.
Für diesen Verbund habe ich den Ausdruck ‚Kulinaristik’ geprägt. Organisiert ist der Verbund als ‚Kulinaristik-Forum’. Es veranstaltet Tagungen, gibt eine Buchreihe und eine
Zeitschrift heraus und verleiht jährlich einen ‚Wissenschaftspreis Kulinaristik’. Ihm gehören alle Sektionsleiter an. Die in meinen Augen wichtigsten Dimensionen und Eck-
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
punkte der Kulinaristik sollen im Zentrum des Vortrags stehen. Sie lassen sich gut am
Modell dreier konzentrischer Kreise verdeutlichen: Der innerste Kreis meint die Notwendigkeit zu essen und zu trinken (Nutrition). Aus diesem Grund wirken in der Kulinaristik
auch Physiologen, Ernährungswissenschaftler und Mediziner mit. Der zweite Kreis steht
für die Kulturen. Sie machen aus dem Reich der Notwendigkeit ein Reich der Vielfalt von
Geschmack, Genuss, Kommunikation, Bedeutung, Regeln, Zeichen, Normen, Ritualen und
Diskursen. Der dritte und umfassende Kreis repräsentiert die Gastlichkeit. Sie gehört zu
den ältesten Konzepten, mit denen Menschen ihr Zusammenleben theoretisch und praktisch regeln. Sie ist das Rahmenthema der Kulinaristik. Mit seiner Erörterung soll der
Vortrag abgeschlossen werden.
Wortmann, Thomas [email protected]
Diätetik der Freiheit. Zur Funktion des Essens J.M.R. Lenz’ Hofmeister
Spielt der Götz die kulturelle Relevanz der Gastlichkeit beiläufig ein, so entwickelt Lenz’
Komödie Der Hofmeister im Verlauf der Handlung eine veritable Ideologie um die soziale
Relevanz des Alimentären: Nicht nur was gegessen und getrunken wird, findet sich hier in
einem ‚Erziehungsdiskurs’ als Differenz zwischen Bürgertum und Adel ausführlich erörtert („Salat und Knackwurst“ vs. „Braten und Schokolade“), sondern auch, wie die
Mahlzeiten eingenommen werden. So bedeutet es für den Protagonisten Läuffer ein geradezu unvorstellbares „[E]lend“, nur „mit der Herrschaft“ zu „speise[n]“, wenn „keine
Fremde[n] da sind“. Genau diese Ritualisierung des Essens aber (mithin die Konzeptualisierung der Mahlzeit als soziales ‚Event‘) wird an anderer Stelle als problematische Einschränkung des Individuums verstanden. Läuffer, so erklärt der Geheimrat dessen Vater,
existiere ohne freien Willen, habe er doch zu „[e]ssen wenn er satt“ sei und zu „fasten,
wenn er hungrig“ sei – der Hofmeister hängt kulinarisch an der „Sklavenkette“. Was Lenz’
Text in diesem Zusammenhang entwickelt, darauf wird der Fokus des Vortrags liegen, ist
nichts anderes als eine Diätetik der Freiheit.
Zaharia, Mihaela [email protected]
Kulinaristik am Beispiel von Doris Dörries Film How to Cook Your Life
(Wie man sein Leben kocht: Die Zen-Kochkunst des Edward Espe Brown)
Für Ernst Jünger hatte jeder Beruf einen kultischen Hintergrund. Wenn es um ZenBuddhismus und um die davon faszinierte Doris Dörrie geht, dann wird es umso interessanter. In How to Cook Your Life (Wie man sein Leben kocht: Die Zen-Kochkunst des Edward
Espe Brown) (2007, ca. 89´) wirft die deutsche Regisseurin einen Blick auf das Brotbacken
eines darüber sprechenden amerikanischen Zen-Priesters namens Edward Espe Brown,
wobei sich in ihrem Film pure Psychologie, Philosophie, Zen-Buddhismus und vieles
Andere in einer unheimlich schönen und unerwarteten Formel mischen. Sollte es dann um
die sakrale Dimension des Essens gehen?
Zhang, Yang [email protected]
Im Wein liegt die Inspiration – Li Bai und Johann Wolfgang von Goethe
als Beispiele
Trinken stellt ein Kulturphänomen dar, das in engem Zusammenhang mit der Geschichte
einer Kultur und mit der Entstehung und Prägung kollektiver Identitäten steht. Was die
Trinkkultur angeht, kann sowohl China als auch Deutschland bzw. Europa auf eine sehr
lange Geschichte zurückblicken. Diese Art Kultur spiegelt sich sehr häufig in der Literatur
wider. Li Bai und Johann Wolfgang von Goethe, jeweils der Inbegriff der chinesischen
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
Literatur und der deutschen Literatur, beide waren dem Wein sehr zugetan und schufen
unter dessen Einfluss viele große Werke, die bis heute immer noch als Kostbarkeiten der
Weltliteratur gelten. Für sie liegt im Wein nicht nur die Wahrheit, sondern auch die Inspiration. Was für eine Rolle hat das Trinken in ihrem Leben, in ihrer Dichtung und in
ihrem Denken gespielt? Wie kommt die Trinkkultur in ihren Werken zum Ausdruck? Gibt
es Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede der Trinkkultur in ihren Werken im kulturellen
Kontext? Wenn ja, wie lassen sich diese Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede erklären? In
der vorliegenden Arbeit wird versucht, auf diese Fragen einzugehen.
Sektion C 2 – Begegnungen zwischen den deutschsprachigen Ländern und
Asien
Leitung: Qinna Shen [email protected]
Ko-Leitung: Martin Rosenstock [email protected], Petra Fachinger
[email protected]
Bannikova, Olena [email protected]
Relationen zwischen Integration und Sprache am Beispiel von chinesischen Migranten zweiter Generation in Deutschland
Die Integration der Menschen mit Migrationshintergrund ist zu einer ,Schlüsselaufgabe’
der Bundesregierung und daher zu einem aktuellen Forschungsthema geworden. Der
Vortrag setzt sich zum Ziel, den Integrationsprozess zweiter Generation unter besonderer
Berücksichtigung des Sprachgebrauchs zu untersuchen. Es basiert auf 15 narrativen Interviews von chinesischen Migranten zweiter Generation in Deutschland. Die Datenanalyse
erfolgt anhand von einem synthetisierten Integrationsmodell, wobei zwischen fünf Integrationstypen (Transkulturalität, Assimilation, multiple Inklusion, Marginalität, Segmentation) und vier Integrationsdimensionen (Akkulturation, Platzierung, Identifikation, Interaktion) unterschieden wird. Es bietet empirische Belege für die Wechselbeziehungen
zwischen dem Integrationsprozess und dem Gebrauch von unterschiedlichen Sprachen
(Chinesisch, Deutsch, Englisch) aufgrund ihrer Funktionen.
Bauman, Emily [email protected]
Dokumentarische Vorstellung: Nationale Identitätskonstruktion in Fotografien der wilhelminischen Epoche und der Meiji-Zeit
Am Ende des 19. Jahrhunderts waren Deutschland und Japan Nachzügler in Bezug auf die
Etablierung moderner Nationalität. Während beide um einen Platz unter den führenden
Weltmächten kämpften, setzten sie sich gleichzeitig mit der nationalen Identität auseinander. Inmitten der industriellen Revolution in beiden Ländern evozierte die populäre Fotografie in diesem Zusammenhang nicht Modernität oder „Fortschritt”, sondern nostalgische Vorstellungen von imaginären Vergangenheiten. Im wilhelminischen Deutschland
bauten Fotografieklubs eine visuelle Identität der Heimatkunst auf, indem ihre Gestaltungen Volkstum und ethnologische „Wissenschaft” transportierten. Zur gleichen Zeit, mit
der Lockerung der Reiseeinschränkungen der herrschenden Meiji-Regierung, war das
Zielpublikum der frühen japanischen Fotografie nicht ein japanisches, sondern ein westliches. Traditionelle japanische Sujets wurden für den europäischen Konsum neu gestaltet.
Dieser Vortrag untersucht sowohl die Systeme für den Austausch zwischen Publikum und
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
Fotografen, Self und Other, als auch die sozialen Identitätskonstruktionen der Gegenwart
und Vergangenheit.
Baumann, Johannes [email protected]
Zur Beschaffenheit des Chinabilds in der politischen Bildung in Deutschland
Der Vortrag beschäftigt sich mit der Darstellung Chinas in der wohl prominentesten Veröffentlichungsreihe aus dem Untersuchungsbereich. Den Untersuchungsgegenstand bilden diejenigen sieben Ausgaben der von der Bundeszentrale für Politische Bildung seit
1952 herausgegebenen Informationen zur politischen Bildung (IzpB), die sich ausschließlich mit China befassen. Der eigentlichen quantitativen und qualitativen Dokumentenanalyse liegt als theoretischer Rahmen ein erweitertes Bildverständnis zugrunde. Zusätzlich
wichtige Hinweise zu den Möglichkeiten und Grenzen des Verstehens kultureller Systeme
sowie zur Beschaffenheit von (Fremd-)Bildern liefert die interkulturelle Hermeneutik mit
der Betonung der Wechselbeziehung zwischen Beobachter und Beobachtetem. Betrachtet
man (Fremd-)Bilder aus (post-)strukturalistischer Perspektive als geistige Konstrukte und
bezieht Erkenntnisse aus der Objektivitätsdebatte sowie des ethischen Relativismus mit
ein, so wird augenscheinlich, dass eine Analyse des Chinabilds auf Basis des Schemas richtig/falsch abwegig ist. Aus diesem Grund soll der Frage nachgegangen werden, welcher
Natur diejenigen Bilder sind, für die sich auch in der bisherigen qualitativen Analyse Belege finden lassen.
Bohnke, Christin [email protected]
Grenzen und das geteilte Europa bei Yoko Tawada und Hito Steyerl
Meine Präsentation wird die Bedeutung der innerdeutschen Grenze für die Migrationsprozesse von Steyerls und Tawadas MigrantInnen diskutieren. Cooper und Rumford betonen, dass Grenzen unterschiedlich auf verschiedene Bevölkerungsgruppen wirken
(2011). Ich untersuche, welche Erfahrungen Tawadas japanische Protagonistinnen im Vergleich zu Steyerls nicht-japanischen MigrantInnen machen. Unter Bezugnahme auf Mc
Dowells (1999) Arbeiten zu Raum und Bewegung zeige ich auf, wie in Tawadas Kurzromanen und Steyerls Dokumentation die Protagonisten sich durch die ehemalige DDR
bewegen und wie Herkunft ihre Grenzüberschreitungen beeinflusst. Ich untersuche auch,
wie Tawada und Steyerl die Kategorien „Ost“ und „West“ in Bezug auf Asien, Europa und
Kommunismus behandeln.
Cao, Shan [email protected]
Die Abweichungen des deutschen Chinabildes vom chinesischen
Selbstbild am Beispiel der Eröffnungszeremonie 2008 in Beijing
„Chinabild“ ist seit Jahrzehnten eines der beliebtesten Themen im europäischen bzw. deutschen wissenschaftlichen Diskurs. Der Großteil der erschienenen Beiträge macht aber das
Chinabild vor allem an vergangenen Epochen fest. Es zeigt sich daher eine Lücke, wie
nämlich das deutsche Chinabild in den modernen Medien, vor allem in audiovisuellen Medien, aussieht und welche Differenzen von Selbst- und Fremdbild die Verständigung zwischen beiden Ländern beeinträchtigen. Die Olympiade 2008 in Beijing war die größte internationale Veranstaltung in den letzten zehn Jahren, die in China ausgetragen wurde. Die
vierstündige Eröffnungszeremonie, die immer als Propagandashow betrachtet wird, bietet
dem Gastgeberland an, ein sympathisches Image zu präsentieren. Wie aber stilisiert und
präsentiert sich China? Wie nimmt Deutschland China dabei wahr? Welche Abweichun-
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
gen des deutschen Chinabildes vom chinesischen Selbstbild finden sich bei der Rezeption
der Eröffnungsfeier in den deutschen Medien? Darauf wird das Referat anhand auditivvisueller Analysen der Eröffnungszeremonie Beijing Antworten zu geben versuchen.
Chen, Jinsong [email protected]
China als geistliche Inspiration der Frühromantik
Im 17. und 18. Jahrhundert entstand in Europa eine China-Begeisterung, repräsentiert vor
allem durch die Schwärmerei für den Konfuzianismus und das Phänomen der Chinoiserie.
Um ihre Inspirationsquellen nicht auf westliche Kulturen zu beschränken, richteten
deutsche Frühromantiker ihr Interesse auf Asien, in erster Linie auf Indien. Jedoch verwendeten die Dichter auch weiterhin chinabezogene Motive und projizierten darauf ihre eigene Identität. Der Ansatzpunkt meiner Arbeit liegt in einem Vergleich von Kaspar David
Friedrichs Landschaftsgemälde Der Wanderer über dem Nebelmeer (1818) und
(Blick
von dem Berggipfel), einem traditionellen Shan Shui Gemälde von Shen Zhou (1427-1509).
Ähnlichkeiten zwischen den Gemälden erlauben mir, die Verwandtschaft zwischen der
chinesischen und der deutschen romantischen Imaginationstheorie zusammenzufassen.
Ich arbeite die Affinität zwischen der chinesischen Ansicht zur Natur, vor allem im Daoismus, und Schellings Naturphilosophie heraus und postuliere, dass die Hybriderscheinung der chinesischen Dichtung möglicherweise das Konzept Gesamtkunstwerk der deutschen Frühromantik inspirierte.
Cui, Taotao [email protected]
Funktionale Sprache in chinesischer Literatur und ihre Konsequenzen für
deutsche Übersetzungspraxis
Es gilt zu diskutieren, welche Sprachphänomene in zeitgenössischer chinesischer Literatur,
die vor einem gesonderten politischen Entstehungshintergrund steht und sich anscheinend
eben dadurch auszeichnet, sich in die funktionale Sprache einstufen lassen und wie ihre
„Funktionen“ kontextuell generiert sind. In der Übersetzungspraxis bringt der Umgang
mit funktionaler Sprache öfters Probleme mit sich, die sich nicht allein auf die Verständnisebene beschränkt, was die Erkenntnis der Funktionen anbelangt, sondern vielmehr auf
der Formulierungsebene artikuliert, wenn es gleichzeitig auf adäquate Umsetzungen der
Funktionen auf deutscher Sprache ankommt, sodass Übersetzer häufig von der Unübersetzbarkeit sprechen. Die Thematisierung der Übersetzungsproblematik funktionaler Sprache spielt im Beitrag eine ebenso wichtige Rolle wie die Schlussdiskussion über deren
mögliche Konsequenzen für das literarische Schreiben. Die Frage „Ist der Einsatz funktionaler Sprache im künftigen Schreiben zugunsten der Übersetzbarkeit zu vermeiden oder
zur Markierung der Unterschiede zwischen chinesischer und deutscher Sprache (Kultur)
bzw. zur Hervorhebung des Exotismus zu erwarten?“ rundet schließlich den Beitrag.
Demel, Sebastian [email protected]
Die westdeutsche China-Rezeption in den 1960er und 1970er Jahren
In meinem Beitrag möchte ich die Rezeption Chinas innerhalb linker Studentengruppen in
der Bundesrepublik der 1960er und 1970er untersuchen. Meine These ist, dass zwischen
der deutschen Studentenbewegung und der chinesischen Gesellschaft kaum ein direkter
Kontakt stattfand, sondern dass die Aneignung von Wissen über China vor allem durch
westliche Autoren geschah. Das China-Wissen der studentischen Subkultur baute wesentlich auf den Berichten linker Publizisten auf, die nach China reisten und für ihre westdeutschen Rezipienten als Vermittler auftraten. Die China-Berichte von Simone de Beau-
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
voir, Jan Myrdal und Joachim Schickel sollen beispielhaft untersucht werden. Welches
Wissen von China wurde durch diese Literatur im westdeutschen Kontext rezipiert? Wie
wurde es verhandelt und aus welchen Beweggründen wurde welche Perspektive durch
die Autoren eingenommen?
Findeis, Annakutty [email protected]
Zwischen OM und DAO – Hermann Hesses Offenheit für das Wissen und
Denken in den Kulturen Indiens und Chinas
Im heutigen technischen Zeitalter der Internetkommunikation, von Tourismus und Instant
Besichtigungen, Filmen und globalem Austausch von materiellen und kulturellen Gütern
glaubt man im Schoß der interkulturellen Begegnungen aufgehoben zu sein. Viele Schriftsteller öffnen uns aber ihre durch die Lesekultur erreichten geistigen Begegnungen. Sie
erschließen den Lesern ihrer literarischen Werke neue Wege und Möglichkeiten der Selbstentdeckung und -entwicklung im Horizont der Kulturen. In meinem Beitrag werde ich
Hesses Rezeption der indischen und chinesischen Kulturen im Hintergrund seiner biographischen Fakten und seiner Rezeption der damaligen durch Übersetzungen vermittelten
östlich-geistigen Gedanken etc. beleuchten. Durch die Behandlung seiner literarischen
Werke (Auswahl) wie Siddhartha und Glasperlenspiel beabsichtige ich die geistige Entwicklung des Dichters und seine selektive kritische Rezeption östlicher Kulturen (Indien und
China) zu deuten. In der heutigen globalisierten Welt, wo die ökonomische Wirklichkeit
und Erfolgsstrategie im Zentrum stehen – die geistige Kultur vernachlässigt oder vermarktet wird, möchte ich am Beispiel Hesses die Wichtigkeit der Rezeption der geistigen Güter
und Werte für die humane geistige, nachhaltige „Entwicklung“ der heutigen Welt betonen.
Haghani, Nader [email protected]
Zur Rolle des verfremdenden Übersetzens beim Aufbau von Kulturbrücken am Beispiel von Hammer-Purgstalls Übersetzung des persischen
Tarikh-i Wassaf
Das verfremdende Übersetzen, welches die Leser zum Autor hinbewegt, wurde bereits
vom Schleiermacher im 19. Jahrhundert als die Methode zur Übersetzung literarischer
Werke aufgeführt, um den Geist einer Ausgangssprache in der Zielsprache zu erhalten,
und auf diesem Weg die Leserschaft einer fremden Kultur und ihrer Dichtkunst näher zu
bringen. Ein schillerndes Beispiel des verfremdenden Übersetzens ist Hammer-Purgstalls
Übersetzung des persischen Tarikh-i Wassaf. Dieses persische Meisterwerk aus dem 13.
Jahrhundert umfasst nicht nur die Geschichte der Mongolen in Persien und ihrer Nachbarländer im Zeitraum von ca. 1250-1328, sondern legt zugleich auch Zeugnis über die
hoch entwickelte persische Dichtkunst ab, die u.a. mit Binnenreimen, rhetorischen Figuren,
Anspielungen und Metaphern bespickt ist. Um die Virtuosität des persischen Stils ins
Deutsche zu übertragen, bediente sich Hammer einer verfremdenden Übersetzungsmethode, und brachte seine deutsche Leserschaft der persischen Dichtkunst und Denkweise
näher. In diesem Beitrag soll auf die Kernelemente eingegangen werden, mit denen
Hammer die Brücke zwischen zwei kulturell unterschiedlichen Welten schlagen konnte.
Hu, Kai [email protected]
Deutsche Prägung bei der militärischen Modernisierung Chinas 1870-1940
Erst ca. 1870 bildete sich in China ein relativ klares Bild vom deutschen Militär heraus, das
im Laufe der Entwicklung der chinesisch-deutschen Beziehungen ständig an Eindeutigkeit
gewann. Die Mandschu-Regierung des Qing-Kaiserreichs, die davon überzeugt war, dass
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
die Ursache für Chinas Unheil seit dem Opiumkrieg vor allem in der militärischen Rückständigkeit zu finden war, wurde Bewunderer des deutschen Militärs. Das führt dazu,
dass das deutsche Modell als Vorbild der chinesischen Militärreform gesetzt wurde, was in
der Zeit der Republik China weiter fortgesetzt wurde und in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts den Höhepunkt erreichte. Angesichts der wichtigen Rolle der chinesisch-deutschen Kooperation im Militärbereich in den chinesisch-deutschen Beziehungen und der
starken deutschen Prägung bei der militärischen Modernisierung Chinas werden in diesem Referat folgende Punkte erörtert: 1. Warum konzentrierte sich China bei der Wahrnehmung Deutschlands so sehr auf dessen Militär? 2. Worauf war Deutschlands Überlegenheit bei der Konkurrenz mit anderen Mächten bezüglich des Einflusses auf chinesische Militärmodernisierung zurückzuführen? 3. Wie und wie weit hat sich China 18701940 das deutsche Militär angeeignet?
Huo, Ying [email protected]
„Tür und Tor“ im deutsch-chinesischen Kulturvergleich
Ungeachtet der Ungleichheit von Ort und Zeit gehen die maßgeblichen kulturellen
Errungenschaften doch auf dieselben Ursprünge zurück. „Tür und Tor“ haben in der deutschen und chinesischen Architektur künstlerisch und kulturell gesehen die gleiche Funktion und Aufgabe, doch in der Gestaltung und Ausrichtung weisen sie erhebliche Unterschiede auf. Darüber hinaus stellen die verwendeten Ornamente oft stark voneinander
abweichende Chiffren und Bilder dar. Der Vortrag untersucht anhand der einzelnen Türformen sowie der dazugehörigen Schmuckelemente die unterschiedlichen Vorstellungen
in der deutschen und chinesischen Kultur einschließlich religiöser und soziologischer
Komponenten, in denen sich eine keineswegs einheitliche Erwartungshaltung widerspiegelt.
Kurnia, Lilawati [email protected]
Begegnungen Indonesische Nachdichtungen von Goethe und Heine
Das Zusammentreffen der zwei Länder fand während der Zeit der VOC (Niederländische
Ostindien-Kompanie) statt. Als Kolonialmacht in Indonesien brachten die Niederlande
Soldaten aus Deutschland mit, welche die eroberten Regionen Indonesiens protegieren
sollten. Im 19. Jahrhundert trugen außerdem Gelehrte wie Junghuhn und Rhumphius auch
zum Kontakt zwischen Deutschland und Indonesien bei. Auch Goethe zählte als Koryphäe
und war Ehrenmitglied der Gesellschaft für Künste und Wissenschaft. Trotz dieser eminenten Begegnungen, ist das Dasein der Deutschen in Indonesien nicht allen bekannt.
Nichtsdestoweniger gibt es zwei indonesiche Schriftsteller, welche deutsche literarische
Werke in Form von Nachdichtungen von Goethes Erlkönig und Heines Lorelei adaptierten.
Diese Nachdichtungen zeigen einerseits das Vermögen etwas zu schätzen, welches außerhalb der indonesischen Kultur waltet und andererseits eine Wahrnehmung der kulturellen
Identität fernab von Deutschland.
Li, Daxue [email protected]
Kulturwissenschaftlich orientierte Deutschland-Studien in Chongqing
Das chinesische Bildungsministerium hat 2012 landesweit 39 Zentren für Länder- und Regional-Studien gefördert. Darunter sind 2 Zentren für Deutschland-Studien, an der TongjiUniversität in Shanghai und der Sichuan Fremdsprachenuniversität in Chongqing.
Während das Zentrum an der Tongji-Universität sehr stark politisch orientiert ist und Parteisysteme sowie deutsch-chinesische Beziehung zum Hauptthema hat, wird in Sichuan
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
eine Ergänzung durch eine umfassende und tiefgreifende Analyse von Land, Leuten und
Kultur geboten. Gerade in dieser Hinsicht können die Deutschland-Studien innerhalb der
Germanistik durchgeführt werden, und zwar mit einer kulturwissenschaftlichen Methode,
d.h. realitätsbezogen und problemorientiert. Dadurch sind literaturwissenschaftliche,
sprachwissenschaftliche und landeskundliche Forschungen integriert. Im Vortrag wird
dargestellt, wie die neue Ausrichtung mit dem traditionellen Schwerpunkt (Lehre und
Forschung in Sprach- und Literaturwissenschaft) koordiniert wird.
Liu, Qisheng [email protected]
Raumdarstellung in den chinesischen und deutschen Alltagserzählungen
– Zur kulturellen Gebundenheit der Textstrukturen
Der Vortrag ist in den Kontext der Erzählforschung im weiteren Sinne einzuordnen. Es
wird dabei nicht nur um die bloße räumliche Darstellung der Phänomene und Charakteristika des Erzählens gehen, sondern auch um die kulturellen Besonderheiten im Hinblick auf die Raumorientierung, wie sie sich in weitgehend natürlichen Interaktionszusammenhängen der jeweiligen Nation manifestieren. Diese gleichermaßen texttheoretische
und interkulturelle Orientierung bringt es mit sich, dass sich unser Augenmerk verstärkt
auf die beiden voneinander entfernten Kulturkreise Deutschlands und Chinas, sowie auf
die dort vorherrschenden Erzähl- und Rhetoriktraditionen richten muss.
Lü, Yixu [email protected]
Die Metamorphosen des Marinestützpunktes Tsingtau
Von der Besetzung Kiautschous im November 1897 bis zur Kapitulation der kaiserlichen
Truppen vor den anrückenden Japanern am 7. November 1914 wurden deutsche Schriftsteller nicht müde, die Entwicklung des chinesischen Küstenorts von einem „öden Fischerdorf“ zu einer „Musterkolonie“ zu einem blühenden „Deutsch-China“ zu feiern. Die
eigentliche Untauglichkeit Tsingtaus für ernsthafte militärische Zwecke wurde in zahlreichen Romanen und Reiseberichten verschwiegen oder vertuscht. Als Emblem der erfolgreichen „Weltpolitik“ Wilhelms II. sollte Tsingtau im zeitgenössischen deutschen
Schrifttum weit über seinen äußerst bescheidenen militärischen Wert hinauswachsen.
Tsingtau wurde zu einem Zukunftsentwurf, zum ausgeformten Bild der heilsamen Auswirkungen eines wohlwollenden deutschen Kolonialismus auf das in Dekadenz versunkene aber durchaus rettungsfähige chinesische Volk. Anhand einiger ausgewählter Beispiele zeichnet dieser Vortrag die Metamorphosen des Marinestützpunktes Tsingtau nach
und stellt damit die Frage nach dem Verhältnis von Geschichte, Fiktion und Mythisierung
in diesem Kontext.
Meinhof, Marius [email protected]
Die Wahrnehmung globaler Produkte durch junge chinesische Konsumenten
Im Vortrag möchte ich den Wandel der Wahrnehmung des Westens im Allgemeinen und
Deutschlands im Speziellen anhand von Forschungen zum Konsum ausländischer Produkte durch junge Chinesen aus der 90er Generation nachvollziehen. Ein Fokus soll dabei
auf der Wahrnehmung Deutschlands und deutscher Produkte liegen, wobei diese im Kontext eines allgemeinen Wandels der Wahrnehmung westlicher Produkte betrachtet werden. Erstens gehe ich darauf ein, wie vermeintlich „westliche“ oder „deutsche“ Produkte,
Marken und Konsumpraktiken in komplexer Weise mit Stereotypen über das jeweilige
Ursprungsland in Verbindung stehen. Zweitens stelle ich dar, wie Konsum eine Beziehung
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
zum Ursprungsland vermittelt, und zwar nicht nur durch den Besitz „westlicher“ oder
„deutscher“ Produkte und Marken, sondern auch durch „westliche“ und „kosmopolitische“ Praktiken des Erwerbs von und des Umgangs mit Produkten. Dabei soll die Frage
geklärt werden, ob es bei diesen Konsumpraktiken tatsächlich darum geht, eine Beziehung
zum Westen oder zu Deutschland zu erzeugen, oder ob vielmehr auf China und andere
Chinesen bezogene Strategien im Vordergrund stehen. Die Datengrundlage bilden dabei
Ergebnisse aus einer einjährigen Feldforschung in Nanjing (Jiangsu) und Fuyang (Anhui),
die ich mit Ergebnissen älterer Forschungen vergleiche.
Meng, Hong [email protected]
Zu Besonderheiten der umfassenden strategischen Partnerschaft China –
Deutschland
Seit Ende des Kalten Krieges gewinnt sowohl China als auch das wiedervereinigte
Deutschland als regionale Großmacht immer mehr an Bedeutung. Die bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Ländern, die nun gegenseitig als neue globale Gestaltungsmacht angesehen werden, wandeln sich insbesondere im Jahr 2014 nach dem Regierungswechsel beider Seiten durch intensiven Besuch auf der Staatsebene und die dritten bilateralen Regierungskonsultationen zu einem neuen innovativen Charakter mit der umfassenden Zusammenarbeit in fast allen Bereichen. Der geplante Vortrag behandelt in
diesem Kontext anhand der Rollentheorie vor allem folgende vier Aspekte: (1) Wie haben
sich die eigene Staatsidentität und die Staatsinteressen von China und Deutschland seit
Anfang der 1990er Jahre gewandelt? Was waren die Einflussfaktoren? (2) Welche Aufgaben und Herausforderungen stehen im Prozess der Globalisierung und Internationalisierung bevor? (3) Wodurch charakterisiert sich die innovative bilaterale Zusammenarbeit seit der europäischen Schuldenkrise? (4) Welche Bedeutungen hat die Partnerschaft
für die inländische wie regionale und internationale Entwicklung?
Michaels, Jennifer E. [email protected]
Darstellungen von Shanghai in Memoiren jüdischer Flüchtlinge und in
Ursula Krechels Roman Shanghai fern von wo (2008)
Während der Nazi-Zeit fanden ungefähr 18,000 Juden, hauptsächlich aus Deutschland und
Österreich, Zuflucht in Shanghai, wo die Einreise ohne Visum möglich war. In diesem
Vortrag untersuche ich die Darstellung Shanghais hauptsächlich in Memoiren und in Ursula Krechels Shanghai fern von wo (2008). In diesem Roman bietet Krechel nicht nur Einsichten in diese Zeit an, sondern gibt den Flüchtlingen auch eine Stimme. Einige identifizierten sich kaum mit der Stadt. Sie hatten nur genug Energie für das tägliche Überleben.
Andere jedoch geben in ihren Memoiren lebendige Darstellungen vom damaligen Shanghai wieder. Viele erfuhren einen Kulturaustausch. Sie arbeiteten zusammen mit Chinesen,
schlossen Freundschaften und lernten die chinesische Kultur schätzen. Als sie aber später
vom Holocaust hörten, sahen sie im Nachhinein Shanghai als ein Paradies, das ihnen das
Leben gerettet hatte.
Panzer, Sarah [email protected]
Zwischen ‚gelber Gefahr’ und Bushidô: der russisch-japanische Krieg als
Wende im deutschen Japanbild
Die Beziehungen zwischen Deutschland und Japan während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nehmen eine Sonderstellung ein. Im Unterschied zu imperialen Verbindungen
zwischen europäischen und nicht-europäischen Völkern gründete die deutsch-japanische
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
Beziehung auf beiderseitigem Interesse. Ein Ergebnis war eine Form interkultureller Wahrnehmung, die angebliche geschichtliche Ähnlichkeiten zwischen Deutschland und Japan,
insbesondere ihre Existenz als ‚Heldenvölker’, betonte. Der russisch-japanische Krieg und
seine Ereignisse veränderten deutsche Darstellungen japanischer Kultur. Vor dem Krieg
war das deutsche Interesse an Japan relativ gering, aber im Zuge des Krieges steigerte sich
das Interesse eines Teils der deutschen Öffentlichkeit an Elementen japanischer Kultur. Der
russisch-japanische Krieg entlarvte eine Spaltung zwischen Staat und Öffentlichkeit, die
sich auf eine Debatte über Politik und Modernität fokussierte. Wilhelm II. und das Deutsche Reich unterstützten Russland aufgrund historischer Beziehungen, aber das deutsche
Bildungsbürgertum sah Japan als künftigen Partner. Im Vortrag will ich die Debatte in der
deutschen Tagespresse untersuchen sowie Schilderungen von Japan vor und nach dem
Krieg vergleichen.
Roberts, Lee M. [email protected]
Ein japanisches Bild des Holocausts in der Übersetzung vom Tagebuch der
Anne Frank
Die Beschädigung von etwa 300 Exemplaren des Tagebuchs des deutsch-jüdischen Mädchens Anne Frank in Japan scheint die wissenschaftliche Ansicht, in Japan gäbe es kaum
Antisemitismus, in Frage zu stellen. Insgesamt soll es 2014 ähnliche Vorfälle in 38 Bibliotheken allein in Tokio gegeben haben. Ein Zeichen für die Rückkehr des Rechtsradikalismus in Japan? Da viele Japaner sich ein Bild vom Holocaust anhand dieses einen Buches
machen, stellt sich auch die Frage: Was für ein Bild von der Schriftstellerin und vom Holocaust vermittelt die japanische Übersetzung? Studien zeigen, wie Übersetzungen ein Original verzerren können. Inwieweit ist das japanischsprachige Bild von Anne Frank eine
Verzerrung? Dieser Vortrag vergleicht Das Tagebuch in seiner ersten japanischen Übersetzung (1952) mit der ihr zugrunde liegenden englischen Übersetzung (1952): Inwieweit
wurden Anne Frank und ihre Geschichte japanisiert? Was hat man weggelassen, was
hinzugefügt? Die Geschichte des japanischen Antisemitismus und Berichte von jüdischjapanischen Beziehungen während des Zweiten Weltkriegs bilden den Hintergrund.
Robin, Guillaume [email protected]
Der Einfluss des deutschen Fußballs auf die J-League; Interkultureller
Austausch und deutsch-japanische Beziehungen im Fußball
Die Mediatisierung des japanischen Fußballs nach der Weltmeisterschaft 2002, die in Japan
und Südkorea organisiert wurde, sowie die Mediatisierung in Deutschland von begabten
Fußballspielern aus Japan wie Shinji Kagawa zeugt nicht nur von dem Dynamismus des
japanischen Fußballs sondern vor allem der internationalen interkulturellen Beziehungen
zwischen Japan und Deutschland im Bereich des Fußballs. Inwiefern spielten die deutschjapanischen Beziehungen eine entscheidende Rolle für die Entwicklung des japanischen
Fußballs und für die Entstehung der profes-sionellen „J-League“ zu Beginn der Neunziger
Jahre? Wie drückt sich im Bereich des Fußballs dieser interkulturelle Austausch zwischen
Japan und Deutschland aus? Geht es dabei um einen gegenseitigen Einfluss, um eine Anpassung des japanischen Fußballs an das deutsche Modell oder eher an eine Aneignung?
Was sind die Konsequenzen dieses Austausches auf das Bild des japanischen und deutschen Fußballs in den beiden Ländern? Um diese Fragen zu beantworten, stoßen wir auf
einen gewissen Mangel an historischen Quellen. Trotzdem versucht dieser Beitrag, die
menschlichen, strukturellen und historischen Faktoren des kulturellen Austausches zwischen dem japanischen und deutschen Fußball zu analysieren und basiert unter anderem
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
auf einem Interview von Dettmar Cramer, der in Japan zum nationalen Helden erhoben
wurde.
Rosenstock, Martin [email protected]
Bilder und Gegenbilder: Ferdinand von Richthofens Reisen durch das
Reich der Mitte
Zwischen 1868 und 1872 bereiste der deutsche Geologe und Geograph Ferdinand von
Richthofen das Reich der Mitte. Mein Vortrag befasst sich weniger mit diesen wissenschaftlichen Aspekten seiner Arbeit als mit dem Bild von Chinesinnen und Chinesen, das
er in seinen Texten entwirft, und mit den implizierten und ausgesprochenen Unterschieden, die in von Richthofens Sichtweise zwischen der chinesischen Bevölkerung und der
Deutschlands existieren. Ich argumentiere, dass in von Richthofens Chinabild seine wertkonservativen Ansichten, seine spätromantische Sensibilität und sein Unbehagen mit gewissen Phänomenen der europäischen Moderne gebrochen reflektiert sind. Inbesondere
bezieht sich dies auf die Beziehungen zwischen den Geschlechtern, die Frage nach Individualität und seiner Verbindung mit Kreativität, die Funktion von Arbeit und Wirtschaft in der Gesellschaft und die Stellung von staatlicher Bürokratie im Leben des einzelnen. Selbst in seinen (wissenschaftlichen) Landschaftsbeschreibungen lässt sich in Passagen eine gewisse Spannung und ein gewisser Affekt feststellen, die darauf hindeuteten,
dass von Richthofen während er über China schrieb immer auch Deutschland im Bewusstsein hatte.
Rupprecht, Caroline [email protected]
Übersetzung als Begegnung: Pham Thi Hoài, Tawada Yoko, Gao Xingjian
Anhand von drei Beispielen analysiere ich die Rolle von ,Übersetzung’ in deutsch-asiatischen Begegnungen: 1. Die vietnamesische Autorin und Übersetzerin Pham Thi Hoài
kann aufgrund von Zensur nicht in ihrer Muttersprache veröffentlichen, ihre Geschichten
erscheinen in deutscher Übersetzung. Die französische Ausgabe wiederum kommt aus
dem Deutschen, als Übersetzung einer Übersetzung – ein vietnamesisches Original gibt es
nicht. Was bedeutet es für Texte, nur als Übersetzungen zu existieren? Kann man noch
vom ,Original’ sprechen? 2. Tawada Yoko hat ihr Gedicht Die Flucht des Mondes zur Hälfte
in ihre Muttersprache rückübersetzt. Japanische Schriftzeichen erscheinen vermischt mit
römischen Buchstaben – die Leserin muss erst halb übersetzen, bevor sie das Gedicht verstehen kann. Wird so Übersetzen zum eigentlichen “Inhalt”? Wie wirkt Sprache im Verhältnis zum Visuellen? 3. Gao Xingjian beschreibt in One Man’s Bible seine Affäre mit einer
deutsch-jüdischen Frau im Zusammenhang mit Maos Kulturrevolution. Er setzt diese analog mit dem Holocaust, der die Geschichte der Frau bestimmt, und zeigt, wie sich die
beiden durch historische Erlebnisse verständigen – gleichzeitig bleiben sie einsam, Trauma
macht emotionale Nähe unmöglich. Kann man bei dieser Begegnung von ,Übersetzung’
sprechen? Wie findet Annäherung jenseits von Sprache statt? Diese Beispiele zeigen die
Relevanz des Themas “Übersetzung” für Diskussionen deutsch-asiatischer Begegnungen.
Selke, Raimond [email protected]
Der Einfluss europäischer Bild- und Textvorlagen auf die zeitgenösische
Kunst in China
Ausgehend von dem zeitgenössischen Ölgemälde Dinner Party in a Flourishing Age des
chinesischen Malers He Wenjue richtet sich diese Arbeit auf den Einfluss von europäischer
Kunst und Literatur auf die moderne Kunst Chinas. Die zeitgenössische Malerei Chinas ist
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
mittlerweile international bekannt und nachgefragt. Wenig ist bisher zu den direkten Einflüssen westlicher Quellen auf die chinesische Avantgarde bekannt. Dabei wäre es interessant, gerade dieses Spannungsverhältnis zu beleuchten, werden viele der chinesischen
Künstler doch durch deutsche Galeristen in Deutschland vermarktet. Direkte Einflüsse
lassen sich gerade bei dem genannten Beispiel deutlich erkennen. Die Grundkomposition
des Abendmahls ist das Konzept, welches von He Wenjue weiter entwickelt wurde. Anstelle der biblischen Figuren treten bekannte und anerkannte Persönlichkeiten der chinesischen Wirtschaft und Politik. Folgenden Forschungsfragen soll nachgegangen werden: 1.
Welchen Einfluss haben deutsche und europäische Bild- und Textquellen auf die zeitgenössische Kunstproduktion Chinas? 2. Welche Abweichungen von Vorlagen werden von
den entsprechenden chinesischen Künstlern vorgenommen, um die Kunstwerke in den
chinesischen Kulturkontext einzuordnen?
Shen, Qinna [email protected]
Dekonstruktion des Orientalismus: DEFA-Filme über Ostasien
Drei sozialistische Länder – die Mongolei, Nordkorea und China – existierten bereits in
Ostasien, als die DDR am 7. Oktober 1949 ins Leben gerufen wurde. Diese ostasiatischen
Staaten präsentierten sich als natürliche Verbündete für den deutschen Neuankömmling
im Ostblock. Mein Vortrag untersucht, wie diese ostasiatischen Staaten von DEFA-Filmemachern dargestellt wurden, und wie die sozialistisch-realistische Ästhetik dieser Filme
die Vorstellungen von den ostasiatischen Kulturen und Gesellschaften in Frage stellt. Obwohl die Filme den konventionellen Klischees nicht entkommen, sind die Ost-West-Beziehungen in einer radikal anderen Art und Weise konzipiert. Durch Betonung der Solidarität zwischen der DDR und Ostasien stellen die Filme die DDR als das „Andere“ dar,
das sich von westlich kapitalistischen und imperialistischen Nationen abgrenzt. Doch die
Darstellung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Strukturen dieser ostasiatischen
sozialistischen Staaten reflektiert oft die politischen Umstände in der DDR selbst und im
Ostblock insgesamt. Dementsprechend kann argumentiert werden, dass wenn das ostasiatische „Andere“ auf diese Art instrumentalisiert wurde, ostdeutsche Filmemacher sich
mitschuldig machten an einer neuen Form des ‚Orientalismus’.
Simpson, Patricia [email protected]
Der globale Blick: Fotografie und Asien durch das europäische Objektiv
Der Fotojournalist Michael Wolf, der lange für den Stern arbeitete, richtete seine Kamera
auf Tokio, Hong Kong und Shanghai. Dabei entstanden Fotografien in der Tradition von
Eugène Atget und August Sander. Seine Werke thematisieren die Vertikalität der Architektur, die Desorientierung der Menschen und die Reduzierung menschlicher Subjektivität
auf ihre materiellen Spuren. Wolf studierte in den 1970er Jahren bei Otto Steinert an der
Folkwang Universität der Künste (Essen) und wurde berühmt für seine Bilder von Chicago
und Paris und des Ruhrgebiets. Doch vor allem aus seinen asiatischen Bilderserien entstehen Fragen über die Begegnung zwischen einer deutschen visuellen Ästhetik und dem
„globalen Blick”. Zum einen zeichnet Wolfs Fotografie die Industrialisierung asiatischer
Länder nach. Zum anderen verbleibt er in einer europäischen visuellen Kulturtradition, die
auf der Integrität des menschlichen Gesichts und des politischen Engagements des Fotografen besteht. In meinem Vortrag setze ich mich mit einem negativen Kommentar über
Wolfs Tokyo Compression-Serie auseinander, für die er erschöpfte oder schlafende Pendler
fotografierte. Es wird Wolf vorgeworfen, er sei ein „ekelhafter Gaijin”, seine Arbeit „Voyeurismus unter dem Deckmantel der ,Kunst’”. Ich gehe der Frage nach, ob diese Werke
„Kunst” sind oder eine westliche Essentialisierung des asiatischen „Anderen”.
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
Spang, Christian W. [email protected]
Die Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde (OAG) in Tokyo
als Bindeglied zwischen Asien und Deutschland
In der 1873 gegründeten OAG waren Japaner anfangs nur als Gäste willkommen. Erst im
Zusammenhang mit dem Kauf eines „Vereinsheimes“ jenseits des für Ausländer vorgesehenen Stadtbezirks Tsukiji wurde 1885 mit Wada Tsunashirō der erste Japaner aufgenommen. In den folgenden Jahren trat eine Reihe von einflussreichen Persönlichkeiten ein.
Da die OAG 1904 den Status als „shadan hōjin“, also eines „Vereins“, erreicht hatte, wurde
sie im Ersten Weltkrieg nicht geschlossen. In der Zwischenkriegszeit gab es zwar weiterhin
Japaner in der OAG, deren Mitarbeit ging jedoch zurück, was u.a. auf die Etablierung der
Japanisch-Deutschen Gesellschaft und des Kulturinstituts in Tokyo zurückzuführen ist.
Diesem Trend versuchte die OAG u. a. zu begegnen, indem man einflussreiche Japaner zu
Ehrenmitgliedern ernannte. Die Tatsache, dass die OAG nicht-deutsche Mitglieder hatte,
führte dazu, dass sie von den deutschen Nationalsozialisten in Japan nicht 100%ig „gleichgeschaltet“ wurde. Dennoch fühlten sich einige Japaner nicht mehr wohl und traten aus.
Bemerkenswert ist, dass die OAG in den 1930er und 40er Jahren auch in China aktiv
wurde, insbesondere in Shanghai, aber später auch in „Mandschukuo“.
Stalmann, Volker [email protected]
Das Bild Asiens in Politik und Publizistik des deutschen Kaiserreichs
Mit dem kolonialen Ausgreifen des Reiches seit den 1880er Jahren geriet Asien verstärkt in
das Blickfeld von Politik und Publizistik. 1897 annektierte das Kaiserreich Kiautschou. Drei
Jahre später kam es im Zuge des sog. Boxeraufstandes in China, dem der deutsche Gesandte in Peking zum Opfer fiel, zur Entsendung eines internationalen Expeditionskorps
unter deutscher Führung. Das Verhältnis des Reichs zu Asien von 1890 bis 1918 soll im
Mittelpunkt des Vortrags stehen. Dabei werden nicht nur die kolonialpolitischen Maßnahmen vor 1914, sondern auch die ihm zugrundeliegenden politischen Ziele und Einschätzungen sowie die legitimatorischen Ideologien, die ihren Niederschlag in Politik und
Presse fanden, thematisiert. In diesem Kontext wird das Schlagwort von der „gelben
Gefahr“ ebenso angesprochen wie die fatale Geringschätzung und die rassistisch fundierte
Überheblichkeit der Deutschen gegenüber der asiatischen Bevölkerung, die in der sog.
Hunnenrede Kaiser Wilhelms II. am 27. Juli 1900 zum Ausdruck kam.
Weinstein, Valerie [email protected]
Das Heilige Ziel: Film-, Kultur-, und Sportfreundschaft Deutschland –
Japan in den späten 1930er Jahren
Das heilige Ziel (1937/1938) ist einer von zwei deutsch-japanischen Spielfilm-Koproduktionen aus der nationalsozialistischen bzw. frühen shōwa-Zeit. In dem Film bereitet ein
deutscher Trainer zwei japanische Skispringer auf die später abgesagte Winterolympiade
von 1940 vor. Der Film setzt sich für Selbstaufopferung und Sportfreundschaft als japanische und deutsche Nationalwerte ein. Das heilige Ziel sollte filmische Zusammenarbeit
fördern und kulturelle Gemeinsamkeiten zwischen Deutschland und Japan herausstellen.
Zu diesem Zweck arbeiteten die Regisseure Kosho Omura and Shochiku Ofuna nicht nur
mit japanischen Filmschaffenden sondern auch mit Richard Angst und Sepp Rist, die bei
Arnold Fancks Bergfilmen Karriere gemacht hatten. Wie in der früheren Koproduktion Die
Tochter des Samurai (1936/37) drückt die ästhetische Sprache des Bergfilms die deutschjapanische Kulturverwandtschaft aus.
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
Wintzer, Joachim [email protected]
Auf den Spuren Marco Polos. Die „Erforschung“ der VR China durch
führende Politiker der Bundesrepublik Deutschland (1972-1977)
Die Bundesrepublik Deutschland und die VR China waren bis Anfang der siebziger Jahre
füreinander „terra incognita“. 1972 gab der amerikanische Präsident Richard Nixon durch
seine Chinareise das Startsignal für eine Orientierung gen China. Politiker aus der BRD
folgten schnell seinem Beispiel. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Schröder, verhandelte 1972 in Peking über die Aufnahme von diplomatischen
Beziehungen. Diese wurden im Rahmen eines Besuchs von Außenminister Scheel besiegelt. Bundeskanzler Schmidt traf im 1975 mit Mao Tse-tung zusammen. Außenminister
Genscher besuchte 1977 die Volksrepublik. Führende Politiker von CDU und CSU reisten
in die Volksrepublik, so u.a. die Vorsitzenden Kohl und Strauß. Die Besuche fielen in einen
kritischen Abschnitt der chinesischen Geschichte. Während der Zhou-Enlai-Phase der Kulturrevolution orientierte sich die Volksrepublik neu. Die Volksrepublik war einerseits
kommunistisch, konnte aus deutscher Sicht aber auch als Gegengewicht zur UdSSR
dienen. Sie strebte wie die Bundesrepublik die Wiedervereinigung an, allerdings keine
parlamentarische Demokratie. Und sie eröffnete der deutschen Wirtschaft Handelschancen. Ich werte die Berichte aus, welche Politiker im Bundestagsplenum, im Auswärtigen
Ausschuss, vor den Bundestagsfraktionen und in ihren Memoiren über ihre Reiseeindrücke gegeben haben.
Zaharia, Mihaela [email protected]
Zur Begegnung zwischen Kulturen in Robert Müllers Werk
Vom Kulturkundlich-Anthropologischen her ist Robert Müllers Werk für unsere Tage von
größter Relevanz. Zu Müllers Zukunftsvisionen gehören auch die für ihn schon lange bestehenden Völkerunionen. Überall bei Robert Müller ist der asiatische Einfluss zu spüren.
So schrieb der Schriftsteller in seinem Roman Camera obscura über „das europäische Chinesentum“, das in enger Verbindung zu einer Europäischen Union avant la lettre steht, eigentlich zu einem „europäischen Vereinigte-Staaten-System“, konstruiert nach amerikanischem Vorbild, wo man zuerst Esperanto, dann aber „neben dem landschaftlichen Idiom
die großen Kultursprachen Englisch, Deutsch und Chinesisch „sprach“. So platziert Müller
seine mentalen Konstrukte wie die prototypischen Gestalten in (s)ein ungeheuerlich bewegliches Universum, wo allein das aktive Prinzip herrscht. Diesem entspricht eine dort
wirkende Menschenrasse, die mit einer im biologischen Sinne gemeinten fast so gut wie
nichts zu tun hat. Eigentlich schreibt Müller über die Urmenschen der Zukunft, gezeugt
von Urweibern als Prototypen des Ewig Weiblichen, im Falle deren es um wiederholte
regenerierende Mischungen zwischen Völkern und Völkerschaften geht.
Zhang, Chunjie [email protected]
Chinesische Gärten im Deutschland des 18. Jahrhunderts: Geometrie, Stil
und Politik
Kurz nach dem Sturm auf die Bastille 1789 eröffnete der Kurfürst von Bayern Karl Philipp
Theodor einen Volkspark mit einer „chinesischen“ Pagode für seine Untertanen. Bis heute
ist die Pagode mit ihrem Biergarten einer der beliebtesten Plätze in München. Das angeblich „Chinesische”, welches durch spezielle geometrische Formen und Ästhetik charakterisiert ist, erweist sich als außergewöhnlich in dem sonst nach englischem Vorbild angelegten Landschaftsgarten. Jedoch ist die Pagode nicht nur exotisches architektonisches Unterhaltungselement, sondern sie enthält auch eine politische Botschaft im Zeitalter der
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
französischen Revolution. In meinem Vortrag wird gezeigt, wie „chinesische“ Gartengebäude die aristokratische Macht und ihren globalen Anspruch im Deutschland des achtzehnten Jahrhunderts öffentlich repräsentierten.
Zhao, Zifeng [email protected]
Chinesisches Porzellan am Kursächsischen Hof Augusts des Starken und
seine interkulturelle Bildfunktion
Chinesisches Porzellan befördert seit langem die Kommunikation zwischen dem Westen
und Asien. Seine Schönheit und orientalischen Elemente lösten in der Frühen Neuzeit ein
Sammelfieber an europäischen Fürstenhäusern aus. Allerdings ist chinesisches Porzellan
Ergebnis und Ausdruck einer hochentwickelten Kulturtechnik und repräsentiert einen
grundlegenden Aspekt chinesischer Ästhetik. Der Stil des Porzellans verändert sich in
verschiedenen Dynastien, gemäß den vorherrschenden religiösen, philosophischen und
staatspolitischen Strömungen. Das heißt, die westliche (Re-)Produktion fernöstlicher Porzellankultur lässt sich als Nachahmung und Bearbeitung der chinesischen Ideologie selbst
im kulturhistorischen Wandel begreifen. Ich möchte zunächst W.J.T Mitchells Theorie der
Visual Studies und Gottfried Boehms bildwissenschaftliche Theorie anreißen, um die
kulturelle Bildfunktion des Porzellans zu erläutern. Dem wird sich eine Diskussion über
den ökonomischen und ideengeschichtlichen Transfer von Porzellan im 17. und 18. Jahrhundert anschließen. Am Beispiel des Kursächsischen Hofes und ausgewählter Exponate
werde ich nach der Interkulturalität dieser Bildfunktion fragen.
Zhu, Lili [email protected]
Die deutsch-chinesische Beziehung in der Zwischenkriegszeit – Eine Kulturanalyse des Waffenhandels
Im Vortrag möchte ich den deutsch-chinesischen Waffenhandel in der Zwischenkriegszeit
als Schauplatz der deutsch-chinesischen Beziehungen erforschen. Das Hauptziel der Forschung liegt darin, nicht nur den Waffenhandel zwischen Deutschland und China zu
rekonstruieren, sondern auch die gegenseitige Wahrnehmungen der deutschen und chinesischen Seite und die Verhältnisse zwischen beiden Ländern, die sich einerseits im Waffenhandel wiederspiegelten, andererseits durch den Waffenhandel mitgeprägt wurden,
einer kulturhistorische Beobachtung zu unterziehen. Der Waffenhandel stellt eine zentrale
Dimension in den Prozessen wechselseitiger politischer, wirtschaftlicher und kultureller
Verflechtung zwischen den beiden Ländern in der damaligen Zeit dar. Zudem stand der
Waffenhandel in den deutsch-chinesischen Beziehungen im Mittelpunkt der Diskussion
und war ein Barometer der Verhältnisse zwischen beiden Ländern. Die starke Verwobenheit im Waffenhandel, insbesondere den Einfluss einer wechselseitigen, von beiden Seiten
aktiv vorgenommenen Konstruktion des „kulturelle Anderen“ wurde in den bisherigen
wissenschaftlichen Abhandlungen unzureichend thematisiert. Im Vortrag sollen Quellen
sowohl aus China als auch aus Deutschland analysiert und mit einander in Beziehung
gesetzt werden, um den Waffenhandel aus einer kulturgeschichtlichen Perspek-tive zu
betrachten.
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
Sektion C 4 – Kulturdifferente Lehr- und Lernstile, nationalspezifische
Wissenstraditionen und interdisziplinäre Methoden – wohin führt der Weg
einer Germanistik als Fremdkulturwissenschaft?
Leitung: Stephan Wolting [email protected]
Ko-Leitung: Uwe Koreik [email protected]
Berninghausen, Jutta [email protected]
Campuskulturen zwischen Ost und West
Internationalität auf dem Campus ist seit vielen Jahren eine Selbstverständlichkeit – dennoch werden interkulturelle Differenzen in Lehr und Lernstilen in der vermeintlichen Universalität von Hochschulen und Wissenschaft häufig eher wohlmeinend überspielt denn
thematisiert und Gegenstand professioneller Analyse. Unterschiedliche Normen und Herangehensweisen an Forschen, Lehren und Lernen basieren häufig auf grundsätzlich unterschiedlichen Wissenschaftskonzepten, seien sie beeinflusst von dem Diskursgedanken
der griechischen Antike wie in abendländischen Lehr- und Lernkulturen oder von einem
eher hierarchischen konfuzuianischen Konzept von Lernen wie beispielsweise in China.
Was für eine wissenschaftliche Arbeit in einer Kultur unabdingbarer Bestandteil ist, mag in
einer anderen Kultur weniger wichtig eingeschätzt werden. Kommunikationsstrukturen
und Arbeitsweisen von und zwischen Studierenden genauso wie zwischen Hochschullehrenden und Studierenden unterscheiden sich von Kultur zu Kultur. Dies wird in diesem
Beitrag an vielen Beispielen deutlich gemacht. Es sollte aber nicht darum gehen hier ein
„richtig“ oder „falsch“ bestimmen zu wollen, sondern darum, wie man die unterschiedlichen Anforderungen explizit und damit transparent machen kann, damit die unterschiedlichen Herangehensweisen an Lehren und Lernen gegenseitig befruchtend wirken
können.
Brinker-Gabler, Gisela [email protected]
Überlegungen zu einer „translokalen“ Literatur
In den letzten Jahrzehnten sind nationale Modelle von Literatur zunehmend in Frage gestellt und durch „transnationale“ und „transkulturelle“ Zugangsweisen ersetzt worden. In
meinem Vortrag schlage ich das Paradigma einer „translokalen“ Literatur vor. „Translokal“ wäre eine Literatur, die sowohl durch kulturelle Grenzüberschreitung wie durch lokale Rückbindung geprägt ist. Dabei schränke ich die Dynamik „translokal“ nicht nur auf
postkoloniale Literatur, Migrationsliteratur oder „expatriate“ Literatur ein. Eine Analyse
dieser Literatur und ihrer Poetik verlangt einen komplexen Untersuchungsrahmen, der
sowohl die territoriale Verortung (centering) von Texten innerhalb spezifischer Kontexte
berücksichtigt wie die Prozesse der Verhandlung kultureller Differenzen (decentering)
unter jeweilig spezifischen Bedingungen, wie Formen der Mobilität, Mehrsprachigkeit und
globaler Kommunikation. Des weiteren wäre zu fragen, wie ließe sich die Potential von
„Translokalität“ beschreiben – so es sie gibt -, zum Beispiel als Artikulation einer Bewegung, die von normativen Vorstellungen und Zugehörigkeit hin zu einer multiperspektivischen Anschlussfähigkeit führt, die in produktiver Weise „lokal“ und „global“ ist. Und
schließlich ist nach der „literarischen Adresse“ einer solchen Literatur zu fragen. Welche
Leser werden angesprochen und auf welche Weise, etwa durch direkte Ansprache oder
subtilere Techniken?
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
Kroh, Franziska [email protected]
Deutsch lehren im Ausland: Wenn pädagogische Kompetenz allein nicht
ausreicht
Bei einem Landeswechsel ist vieles nicht so wie „zu Hause“. Es kommt während der
Akkulturationsphasen im Gastland oft zu überraschenden Erfahrungen. Plötzlich erweisen
sich Unterrichtsmethoden als lernhinderlich, Studenten empfinden den eigenen Kommunikationsstil als „einschüchternd“. Neue Kollegen erscheinen einem plötzlich ,heuchlerisch’
und ,hintenrum’. Aber gerade die Kommunikation und die richtige Kommunikationsebene
ist das wichtigste, konstituierende Element im Unterricht. Dies ist aber geknüpft an Strategien und Verfahren, Einstellungen und Charaktereigenschaften, die man nach dem Stand
der derzeitigen Forschung einfach hat oder nicht. Die Einsicht in Prozesse während und
nach einer sogenannten Transition, sowie das Kennen von vereinfachten Kulturstandardisierungen und das richtige Umgehen mit traditionell gewachsenen Rollenerwartungen
bieten Hilfestellung in der Orientierung während dieses komplexen Akkulturationsprozesses. Anhand der Analyse von zahlreichen vergleichenden Interviewstudien mit muttersprachlichen Deutschlehrern aus Neuseeland und Irland zeigen sich wichtige Strategien,
die in einem interkulturellen Kontext Anwendung finden sollten.
Küchler, Florian/Lange, Anja/Schwajka, Oksana
[email protected]
Lehr- und Lernstile, Wissenstraditionen und interdisziplinäre Methoden
der ukrainischen Germanistik: Sprach-, Literatur- oder Fremdkulturwissenschaft?
2005 schloss sich die Ukraine dem Bologna-Prozess an. Damit hätte eine Internationalisierung des Wissenschaftssystems stattfinden sollen. Die Realität sieht jedoch anders aus.
Im Moment befindet sich die Ukraine mitten in einem Transformationsprozess: Alte Sowjetmethoden wirken fort, die Hochschulen sind chronisch unterbezahlt und die Studenten
werden sowohl mit Unterrichtsstunden als auch mit Hausaufgaben überlastet. Zitat einer
Lehrerin: „Wir unterrichten Studenten des 21. Jahrhunderts mit Lehrern des 20. Jahrhunderts, die Methoden des 19. Jahrhunderts verwenden.“ Eine Analyse des Curriculums für
Germanistik wird zeigen, welchen Anspruch und welche Vorgaben bezüglich Methodik
und Lernstoff vom ukrainischen Bildungsministerium vorgegeben wird. Auf der anderen
Seite steht der Erfahrungsbericht von zwei DAAD-Lektoren, die seit Jahren in der Ukraine
unterrichten und sowohl Lehr- als auch Lernstile bestens kennen. Germanistik als Fremdkultur-, Sprach- und Literaturwissenschaft, wird die Ukraine dem gerecht? Welchen
Stellenwert hat die Germanistik in der Ukraine? Welche Reformen bzgl. Methodik und
Didaktik braucht es? Das sind nur einige Fragen, denen sowohl wissenschaftlich als auch
empirisch auf den Grund gegangen werden sollen.
Marchwacka, Maria [email protected]
Kommunikationsoptimierung im interkulturellen Lernprozess anhand
aktiver Medienarbeit
Im Mittelpunkt der handlungsorientierten Lehr- und Lernmethoden stehen nicht die Vermittlung kulturkontrastiver Fakten, sondern vielmehr die Vermittlung affektiver Fähigkeiten sowie die Entwicklung von Handlungsstrategien, die den adäquaten Umgang mit
dem Anderen bei Berücksichtigung der jeweiligen Konfliktsituation ermöglichen. In diesem Kontext bietet sich eine aktive Medienarbeit an, die didaktische Prinzipien wie Hand-
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
lungsorientierung, Selbstständigkeit, Exemplarität, Lebensnähe und Anschaulichkeit beherzigt und die erlaubt, über die ethnozentrische Sichtweise hinaus zu blicken. Aktive
Medienarbeit (u.a. Filmproduktion) gewährleistet vielfältige Möglichkeiten die kritischen
Situationen als Grundlage zu nehmen und Kommunikationsoptimierung durch Problemlösung zu erzielen. Im Beitrag wird die Methode „aktive Medienarbeit“ im Hinblick auf
den interkulturellen Lernprozess erläutert, abschließend werden Beispiele aus der
Hochschuldidaktik präsentiert und diskutiert.
Pan, Yaling [email protected]
Instrumente zur Erfassung interkultureller Kompetenz chinesischer Germanistikstudenten
Es ist heute unumstritten, dass interkulturelle Kompetenz als unentbehrliches Bildungsziel
im Germanistikstudium in China gesetzt werden muss. Um dieses Ziel ernst zu nehmen,
muss man Instrumente entwickeln, mit denen man interkulturelle Kompetenz der Germanistikstudenten systematisch erfassen, einschätzen und die Zielerreichung überprüfen
kann. Basierend auf Ergebnissen einer empirischen Untersuchung werden in dem Beitrag
Instrumente zur Erfassung interkultureller Kompetenz chinesischer Germanistikstudenten
entwickelt und erörtert, die der Prozesshaftigkeit sowie Multidimensionalität des interkulturellen Lernens und der ganzheitlichen Entwicklung der Persönlichkeit der Studierenden
gerecht werden.
Scholz, Ingrid [email protected]
„Merkels Deutschland ist daran schuld!" Eine Untersuchung der Fremdund Selbstbilder portugiesischer Studierender in der Wirtschaftskrise
Wie werden kulturelle Stereotype mittels Sprache transportiert und welche Rolle spielen
die Medien bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Fremd- und Selbstbildern?
Ausgehend von dieser Fragestellung soll vor dem Hintergrund der europaweiten Finanzund Wirtschaftskrise das Fremdbild über Deutschland sowie das Selbstbild portugiesischer Studierender analysiert werden. Häufig wird der Ursprung der derzeitigen Wirtschaftskrise in Portugal undifferenziert auf eine diffuse Sündenbockfunktion der bundesdeutschen Politik zurückgeführt; Deutschland wird dabei in den Zeitungen als vermeintlicher Auslöser für die harten Sparmaßnahmen und die wirtschaftlichen Misserfolge geächtet. Im Rahmen solcher Schuldzuschreibungsmuster kommen immer wieder kollektiv
verankerte Stereotype und Vorurteile zum Ausdruck, die zur Entstehung von Feindbildern
und interkulturellen Missverständnissen führen können. In einem Studienprojekt setzen
sich portugiesische Studierende mittels qualitativer Untersuchungsverfahren mit Stereotypen, Klischees und Vorurteilen über die Deutschen auseinander. Die Ergebnisse dieser
Studie werden in meinem Beitrag aufgezeigt in Hinblick darauf, welche kulturellen Prägungen und Traditionen das portugiesische Selbstbild bestimmen, wie das Sündenbockphänomen ensteht und welche Funktion Stereotype bei der Generierung von Fremd- und
Selbstbildern haben.
Sommerfeld, Antje [email protected]
„Das Unwort des Jahres 2011“ als Impuls zu eigen- und fremdkultureller
Reflexion. Eine Einzelfallanalyse aus Weißrussland
Anhand von Fallbeispielen aus dem Unterricht an der Staatlichen Linguistischen Universität Minsk soll gezeigt und zur Diskussion gestellt werden, ob und inwieweit sich Germanistik als Kulturwissenschaft durch den hermeneutischen Ansatz etablieren kann. Be-
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
larus ist mit seiner geographischen Lage und politischen Kultur ein äußerst interessanter
Schauplatz bzw. Untersuchungsgegenstand. Es bietet viele „Reiz“wörter (hotspots), denen
man nachgehen kann und sollte: Demokratieverständnis, Heldenkultur, Autoritäten-Kult,
eingeschränktes/eingegrenztes Reflexionsvermögen, Gehorsam, Willkür. Daraus resultieren Fragen wie: Was bringen die Studierenden an Vorwissen/Vor-Urteilen mit? Was kann
man ihnen im Lehrmaterial zumuten? Wo und wodurch können Verständnisschwierigkeiten auftauchen? Welchen Wert haben diese Erkenntnisse für neue Didaktisierungen, für
die Lehrbuchentwicklung etc.? Welche Bedeutung kommt der Regionalisierung zu? Der
Beitrag soll als Denkanstoß verstanden werden, in welche Richtung die Germanistik gehen
kann, wenn im Sinne einer Kulturwissenschaft die verschiedenen Bereiche Sprache,
Politik, Literatur zu einer „germanistischen Landeskunde“ verbindet.
Steinke, Charlotte [email protected]
„Kulturen“ als diskursive Räume denken – Vorstellung eines empirischen
Forschungsprojekts
Im Rahmen des Vortrags wird ein Projekt vorgestellt, das sich mit der empirischen Untersuchung der Prozesse beschäftigt, die ablaufen, wenn Sprachlernende sich neue Diskursräume erschließen und diese mit dem eigenen diskursiven Umfeld verbinden. Das Projekt,
das auf Claus Altmayers Konzeption kulturbezogenen Lernens sowie auf einem u.a. durch
Michel Foucault, Michail Bachtin und George Herbert Mead beeinflussten Diskursverständnis fußt, möchte anhand der Durchführung, Aufzeichnung (per Video und Audio),
Transkription und Analyse eines online stattfindenden Tandemkurses mit brasilianischen
DaF-Lernenden sowie deutschen Portugiesischlernenden untersuchen, wie die Lernenden
bei der Auseinandersetzung mit Dokumenten aus dem fremd- bzw. muttersprachlichen
Diskurs Wissen füreinander konstruieren. Eine Kernfrage der Untersuchung soll sein, auf
welche (aus nationalen und globalen Diskursen stammenden) Deutungsressourcen die
Teilnehmenden dabei zurückgreifen und wie sie diese Deutungsressourcen nutzen, um
Identifikationen und Identitätsvorstellungen zu kommunizieren und zu konstruieren.
Uzuntaş, Aysel [email protected]
Divergenz und Diversität in den Lehr- und Lernkulturen am Beispiel der
Fremdsprachenvermittlung an der Türkisch-Deutschen Universität
In diesem Beitrag werden die Lehr- und Lernkulturen an der Hochschule für Fremdsprachen der Türkisch-Deutschen Universität in Istanbul anhand von durchgeführten
Fragebögen dargestellt. Lehr- und Lernkulturen können selbst innerhalb einer Kultur abhängig vom Alter, von gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen, von bildungspolitischen Entscheidungen, Reformen usw. variieren. Und vor allem an einer Universität mit einem binationalen Charakter treten interkulturelle Sichtweisen hervor, die auf
divergente und diverse Erfahrungen, Erwartungen in den Lehr- und Lernformen und in
den Kommunikationsformen beruhen, und die zu einer Mehrperspektivität und zu einer
(inter)kulturellen Bewusstheit beitragen können.
Varuzza, Johanna [email protected]
Interkulturelle Interviewstudie an chinesischen Deutschabteilungen zu
unterrichtsbezogenen Einstellungen Studierender u. deutscher Lehrkräfte
Was erwarten deutsche Lehrkräfte und chinesische Studierende an kleinen, jungen
Deutschabteilungen in China vom gemeinsamen Unterricht und wie bewerten sie ihn aus
inhaltlicher und methodischer Sicht? Das ist die Ausgangsfrage meines Promotionsvor-
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
habens, mit dem ich untersuche, inwiefern Diskrepanzen zwischen den Bewertungen und
Erwartungen der Lehrenden und Lernenden bestehen. Ich gehe mittels einer mehrstufigen
triangulierten Untersuchung vor, aus der aktuelle Ergebnisse vorgestellt werden sollen.
Anhand konkreter Beispiele aus Gruppen- und Einzelinterviews sollen die Begriffe Lehrund Lernstile diskutiert sowie die Vorstellung national- oder kulturspezifischer LehrLerntraditionen hinterfragt sowie die Rolle von Fremdheit in der Begegnung zwischen
chinesischen Studierenden und deutschen Lehrenden beleuchtet werden.
Sektion C 5 – Interkulturalität (in) der Wissenschaft
Leitung: Andrea Bogner [email protected]
Ko-Leitung: Yong Liang [email protected], Ewald Reuter [email protected],
Kong Deming [email protected]
Arnold, Markus [email protected]
Ethos, Ehre, Gabentausch – Die symbolische Ökonomie der Gelehrtenrepublik
Es gibt bereits seit den 30er Jahren Diskussionen zur Frage, wie „wissenschaftliche Gemeinschaften“ entstehen und international aufrechterhalten werden. Denn nach welcher
Logik organisiert sich die sog. Gelehrtenrepublik, wie steuert sie sich (weitgehend) autonom, sodass wissenschaftliche Konkurrenten zu Kollegen (d.h. peers) werden und sich
trotz aller Konflikte und geographischer Distanzen als Mitglieder einer Gemeinschaft mit
gemeinsamen Zielen und Werten verstehen? Ist es etwa ein von den Institutionen getragenes Ethos, das Wissenschaftler international verbindet (Robert K. Merton), ist es eine eigene Kultur (u.a. Clifford Geertz), sind es gemeinsame Paradigmen (Thomas Kuhn), sind es
wissenschaftliche Forschungsprogramme (Imre Lakatos) oder – ähnlich wie im Feld der
avantgardistischen Kunst – die durch den Habitus vermittelte Logik eines vornehmlich für
Kollegen produzierenden, eingeschränkten Marktes für symbolische Güter (Pierre Bourdieu)? Die Diskussion über die Bildung von scientific communities hat bisher zwar eine
Vielzahl an unterschiedlichen Aspekten herausgearbeitet, konnte sich aber bis heute auf
kein von allen geteiltes Erklärungsmodell einigen. Konsens besteht jedoch darin, dass das
Handeln von Wissenschaftlern und Gelehrten weder mit organisatorischen noch mit
marktwirtschaftlichen Theorien im engeren Sinne allein erklärt werden kann. Der Vortrag
wird die kulturellen Voraussetzungen der wissenschaftlichen Zusammenarbeit herausarbeiten: Nach einem kurzen Überblick über die bisherige Diskussion werden insbesondere
die Rolle von wissenschaftlichem Ethos, akademischer Anerkennung (d.h. Ehre) und der
symbolischen Ökonomie des akademischen „Gabentauschs“ erörtert. Warum spielen der
Rang, die Reputation und die symbolische Anerkennung in der Wissenschaft eine so große
Rolle? Und wie werden mit ihrer Hilfe die Grundlagen für jene internationalen Forschungsgemeinschaften geschaffen, die kulturelle Grenzen überwinden müssen?
Bogner, Andrea/Dengel, Barbara
[email protected] [email protected]
Mehrsprachige als mehrsprachliche Praxis (in) der Wissenschaft
Von der Überlegung ausgehend, dass Wissenschaftskulturen sich in wissenschaftlichen
Austauschprozessen ausdifferenzieren und sich streng genommen erst dadurch konsti-
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
tuieren, unternimmt der Beitrag den Versuch, diese Prozesse der Konstruktion von Identitäten für den Bereich der internationalen Wissenschaftskommunikation nachzuzeichnen.
Dabei kommt der sprachlichen Vermitteltheit von Austauschprozessen, in denen Wissen
erarbeitet, systematisiert und kritisiert wird, eine zentrale Bedeutung zu, so dass man von
wissenschaftssprachkulturellen Identitäten sprechen könnte. Zu klären ist nun, welche
Strategien und Möglichkeiten der Über-Setzung in diesen Ausdifferenzierungsprozessen
zum Einsatz kommen, welche Veränderungen grundlegende Konzepte auch von Wissenschaft und Wissenschaftlichkeit in diesen ‚wissenschaftsmigratorischen’ Prozessen erfahren und nicht zuletzt, welche Möglichkeiten mehrsprachiger als mehrsprachlicher Praxen
sich daraus für die Wissenschaftskommunikation entwickeln lassen.
Ezawa, Kennosuke [email protected]
Die Interkulturalität in der Grammatik – Gabelentz, Sekiguchi, Chomsky
Die Überwindung der grundsätzlichen Schwierigkeit einer grammatischen Behandlung
der chinesischen Sprache mit ihrer fehlenden Morphologie war für den deutschen Sinologen Georg v. d. Gabelentz (1840-1893) ein Grund zur Entwicklung eines neuen, „synthetischen Systems der Grammatik“ statt des traditionellen „analytischen“. Chinesisch galt
in der Tat noch im 19. Jahrhundert in der Fachwelt als „Sprache ohne Grammatik“. Es
handelte sich bei der Gabelentzschen Erneuerung um eine Umkehrung des Gesichtspunktes des Grammatikers vom System einzelsprachlicher Einheiten zu den Regeln des Erzeugens einzelsprachlicher Konstruktionen, von der Grammatik der „Einzelsprache“ zu
einer Grammatik des „Sprechens“ einer Einzelsprache, zu einer Grammatik der „Rede“.
Gabelentz entwickelte in diesem Zusammenhang etwa neue syntaktischen Begriffe wie
„psychologisches Subjekt“ (Thema) und „psychologisches Prädikat“ (Rhema) statt des
herkömmlichen grammatischen Subjekts und Prädikats. Dabei spielte das Japanische, das
eine eigene Partikel wa zur Anzeige des „Themas“ aufweist, eine entscheidende Rolle.
Genauso von der Schwierigkeit mit einem artfremden grammatischen Objekt veranlasst,
legte der japanische Sprachforscher Tsugio Sekiguchi (1894-1958) in einem synthetischgrammatischen Konzept, das er imikeitairon (Bedeutungsformlehre) nannte, eine umfassende Darstellung der Verwendungen der Artikel im Deutschen vor. Das Japanische kennt
keinen Artikel. Und der sog. Chomskyschen Revolution in den 1950er Jahren lag, unabhängig von den Leistungen von Gabelentz und Sekiguchi, als Generative (erzeugende)
Grammatik des Englischen eine synthetische Grammatik zugrunde. Die Entwicklung der
Grammatiktheorie in der Gegenwart ist interkulturell motiviert.
Georget, Jean-Louis [email protected]
Eine Geschichte der beiden Ethnologien in Deutschland im frühen 20.
Jahrhundert
Wie auch bei anderen Disziplinen der Fall, versuchten sich die französischen und amerikanischen Germanisten Ende der 70er Jahre ihren deutschen Kollegen, die im Bereich der
Anthropologie tätig waren, anzunähern. Unter den vielen Gründen hierfür spielte auch die
Faszination für das deutsche Begriffspaar Völkerkunde/Volkskunde eine Rolle, die eine
Trennlinie innerhalb der Ethnologie markiert: in Deutschland wurde die auf das eigene
Land bezogene Volkskunde von der Völkerkunde, die sich den kolonisierten Völkern zuwandte, unterschieden. Der in der britischen und französischen Ethnologie bestehende
Fokus auf das Modell der Völkerkunde steht einer stärker an der Volkskunde orientierten
amerikanischen und deutschen Ausrichtung gegenüber, die vor allem von Wilhelm Heinrich Riehl und Franz Boas gefördert wurde. Zu den Galionsfiguren, die auf deutscher Seite
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
das ethnologische Feld im frühen 20. Jahrhundert prägten und auch im Nachbarland eine
bislang unterschätzte Rezeption aufweisen, zählen Adolf Bastian, Friedrich Ratzel, Franz
Boas, Leo Frobenius, Richard Thurnwald und für die Volkskunde Hans Naumann. Sie
bieten sich für Fallstudien an, weil sie in teilweise engem Kontakt mit französischen Wissenschaftlern, standen und weil sie einen gewissen Einfluss auf die französischen Sozialwissenschaften ausgeübt haben.
Gümüsoglu, Turgut [email protected]
Kulturtranslation und Lostopie
Begegnungen finden kulturell, sprachlich, politisch, ökonomisch usw. statt, aus denen sich
ein Repertoire von Kultur von den kumulativen alten Werten bis zu den neuen Werten
bildet. Kulturen profitieren von dem Austausch mit anderen Kulturen. Die Frage wäre:
Wie geschehen solche Begegnungen, die unser Leben so beeinflussen? Was für Begegnungen finden in solchen Transiträumen statt? Wie funktioniert hybride Verständigung (Migration/Transnationalität/Integration)? Ausgehend von der derzeitigen Übersetzungswissenschaft ist die Translation längst nicht mehr textuelle Handlung allein, sondern
Schaffung von translatorischen Begegnungsräumen. Um den Transfer der Vorstellungen
und Denkweisen eines Lebensraums in einen anderen zu beschreiben, wird häufig der
Begriff der kulturellen Übersetzung angewandt. Mich interessiert allerdings, wie man sich
die oben erwähnten Fragestellungen im Hinblick auf translatorische Aspekte erschließen
kann. Ich möchte mich vor diesem Hintergrund der Frage widmen, wie zum Beispiel
Translation in wissenschaftlichem Kontext als Begriff der transitorischen Begegnungen
theoretisch verortet werden kann.
Hess-Lüttich, Ernest [email protected]
Wenn Wissenschaft auf Alltag trifft und Arzt auf Patient. Bausteine zur
Rhetorikgeschichte medizinischer Kommunikation
Die Diskursanalyse medizinischer Kommunikation als Spezialfall institutioneller Kommunikation hat in den vergangenen Dekaden enorme Fortschritte gemacht, sich dabei aber
weitgehend konzentriert auf die empirische Gesprächsanalyse von Corpora aktueller ArztPatienten-Gespräche. Dabei gerieten andere Bereiche medizinischer Kommunikation ebenso aus dem Blick wie deren historische Dimension. Daher will dieser Beitrag nach einleitenden begriffssystematischen Festlegungen zunächst die Relevanz rhetorischen Wissens
für eine gelingende Verständigung zwischen (medizinischen) Experten und Laien (Patienten) hervorheben und sodann die rhetorischen Traditionslinien medizinischer Kommunikation (Antike bis Gegenwart) rekonstruieren. Vor diesem Hintergrund lassen sich die
pragmatischen Bedingungen dieses spezifischen Redekonstellationstypus genauer explizieren. Auf einem solchermaßen sowohl historisch-rhetorisch als auch systematisch-pragmatisch gegründeten Fundament kann die Gesamtheit diskursiver Phänomene institutioneller Kommunikation in Institutionen des Gesundheitswesens genauer in den Blick genommen werden. Dies ermöglicht zugleich einen (im Vergleich z. traditionellen Literaturwissenschaft) deutlich informierteren Zugang zur Interpretation von Formen der ,ästhetischen Problematisierung’ medizinischer Kommunikation in ausgewählten Beispielen belletristischer Literatur.
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
Huang, Yuhuan [email protected]!!
Konstruktion von Wissenschaftskulturen in den Erfahrungsweitergaben
unter jungen chinesischen Forschern in Deutschland
Mit der Internationalisierung der deutschen Hochschulen und Forschungsinstitutionen
kommen heute zahlreiche junge Chinesen für einen längeren Forschungsaufenthalt oder
ein ganzes Promotionsstudium nach Deutschland. Sie wechseln aus einer Wissenschaftskultur in eine andere, in der sie sich völlig neu orientieren müssen. Für sie ist der Aufenthalt voller Chancen sowie Herausforderungen. In diesem Kontext ist der kommunikative Austausch zwischen erfahrenen und neukommenden Forschern wertvoll und geschätzt. Der Austausch zwischen ihnen bietet eine Gelegenheit, ihre gesammelten Erfahrungen und Wissen wiederzugeben und zu reflektieren sowie ihre Anliegen auszudrükken. In ihren privaten sowie offiziellen Gesprächen zur Erfahrungsweitergabe ist häufig zu
hören, dass sie über die Unterschiede in den wissenschaftlichen Praktiken, Wahrnehmung
und Haltung zwischen Forschern aus verschiedenen Kulturen diskutieren. Dabei konstruieren sie mit ihrem ausgedrückten Wissen und ihren Gesprächspraktiken eine Art Wissenschaftskultur für sich und für ihren Peer. Im Rahmen des Projekts „Forschungswege im
Dialog“ wurden Eins-Zu-Eins-Gespräche zur Erfahrungsweitergabe zwischen jungen chinesischen Forschern mit dem Thema „Forschen in Deutschland“ aufgezeichnet, um mit gesprächsanalytischen Verfahren die interaktive Konstruktion von Wissenschaftskulturen im
Kontext der internationalen bzw. deutsch-chinesischen Wissenschaftskommunikation herauszuarbeiten.
Jakovleva, Emma [email protected]
Interkulturelle Forschung der kognitiv syntaktischen Distributionen der
Hesitationen im spontanen Diskurs
Unsere experimentale Forschung ist dem Problem der Segmentierung des spontan gesprochenen dialogischen Diskurses gewidmet. Die inhaltliche Segmentierung des spontanen
Redeflußes erfolgt durch syntaktische als auch nichtsyntaktische Pausen und zwar durch
sogenannte Hesitationsperioden, die ein spezifisches Phänomen der spontanen Rede sind.
Als Experimentalmaterial der Untersuchung dienten alltagssprachliche Dialoge der deutschen Muttersprachler. Als Hypothese wurde die These vorgebracht, dass Erscheinen der
Hesitationen in bestimmten Positionen einer spontanen Äußerung durch die Syntaxspezifik des Deutschen bedingt ist. Um unsere Hypothese zu bestätigen oder zu widerlegen,
wurde von uns ein Experiment durchgeführt, das zwei Analysen enthielt: Eine Höranalyse
und eine syntaktisch-distributive, an denen Vertreter verschiedener Sprachkulturen teilgenommen haben. Aus den Ergebnissen wurde folgende Schlußfolgerung gezogen. Der
nichtsyntaktische Charakter der Hesitationsperioden ist trotzdem mit der Syntax der
Sprache und den kulturgebundenen mentalen Prozessen der Kommunikanten eng verbunden. Diese Tatsache erlaubt Hesitationen als ein linguistisch relevantes Phänomen zu
rehabilitieren.
Kimura, Naoji [email protected]
Peter Schlemihls Weltreise. Aussicht auf eine Erweiterung des
literarischen Wandermotivs
In Ost und West wandern die Dichter gern. Auch die Naturforscher wandern von je her
durch die ganze Welt und schreiben ihre mannigfaltigen Erlebnisse nicht nur wissenschaftlich, sondern auch manchmal literarisch nieder. Bekanntlich ist das Wandermotiv
besonders in der deutschen Romantik sehr beliebt. Wenn die Naturforscher literarisch be-
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
gabt sind, hinterlassen sie auch ausgesprochen dichterische Werke wie z B. Albrecht von
Haller, Johann Wolfgang von Goethe oder Adelbert von Chamisso. Hallers idyllisches
Lehrgedicht Die Alpen (1729) war bahnbrechend, und Chamissos Peter Schlemihls wundersame Geschichte (1814) erwies sich als zukunftsweisend, weil ihr 1821 sein realer Reisebericht
Bemerkungen und Ansichten auf einer Entdeckungsreise folgte. Vor ihm war aber Alexander
von Humboldt mit seiner Goethe gewidmeten Schrift Ideen zu einer Geographie der Pflanzen
(1807) als exakter Naturforscher und romantischer Reiseschriftsteller hervorgetreten.
Qian, Minru [email protected]
Textpragmatisch-diskursanalytische Synergie der korpuslinguistisch
digitalisierten Humanität und der humanisierten Digitalität
Das vorgestellte Projekt ist das „Deutsch-chinesische Korpus der Gemein- und Fachsprachen“ (DeChiKoGF): Neben dem im Jahre 2008 aufgebauten „Korpus des Deutschen als
Intersprache in China“ (KODIC) als ein Subkorpus wurden noch fachsprachliche Subkorpora erstellt. Damit wurden auch einige methodologische Versuche im chinesischen Germanistikbereich vorgenommen. Ein Konzept, das in allen diesen Versuchsanalysen mit
inbegriffen ist, bildet den Fokus des Vortrags. Es geht bei der Diskussion darüber auch um
eine anfängliche Kontroverse über Korpuslinguistik überhaupt. Und das Konzept, das im
Rahmen der Textpragmatik konstruiert ist, versucht zum diskursanalytischen Zweck besser zu explizieren, wie die Meinungsverschiedenheit der anfänglichen Kontroverse um die
Korpuslinguistik zu einem Konsens kommen kann. Digitalisierte Humanität ist nämlich
dem textpragmatischen Konzept gemäß ebenfalls humanisierte Digitalität. Speziell wird
dabei auf folgende Fragestellungen eingegangen: a. Was gilt als Stärke der textpragmatisch-diskursanalytischen Synergie der korpuslinguistischen Forschungsmethoden überhaupt? b. Wie kann digitalisierte Humanität als humanisierte Digitalität betrachtet werden? c. Welche konkreten Versuche wurden und werden vorgenommen? Wozu können sie
einen Beitrag leisten?
Redder, Angelika [email protected]
Mehrsprachiges Wissen in der (Hoch-)Schulkommunikation
Die Bildungsinstitutionen Schule und Hochschule (Universität) sind hochgradig versprachlichte Institutionen. Das bedeutet: Sprache ist als Medium der Wissenstradierung,
Wissensgewinnung und Wissensrevision unverzichtbar – über alle Fächer oder Disziplinen
hinweg. Diese Konstellation fordert zu einer Komparatistik von sprachlicher Wissensvermittlung heraus, die (i) einen Vergleich der Verfahren von Wissensvermittlung in den
Einzelsprachen und Einzelkulturen in den Blick nimmt und (ii) die Nutzung mehrerer Einzelsprachen für die Wissensaneignung unter den Bedingungen der Mehrsprachigkeit.
Durch beide Dimensionen kann eine neue sprachliche Handlungswirklichkeit in Bildungsinstitutionen entstehen, die im Sinne von Redder & Rehbein (1987) ‚Kultur’ als Kritikpotential interkultureller Kommunikation wirksam werden lässt und mit Koole & ten Thije
(1994) eine innovative diskursive Interkultur befördert. Diese Diskussion soll empirisch
basiert erfolgen. Dazu werden einerseits Ergebnisse der Komparation deutscher und italienischer Hochschulkommunikation genutzt (VW-Projekt euroWiss) und mit Bezug auf (i)
präzisiert. Andererseits werden laufende Forschungen zur Aktivierung der Erstsprachen
im Mathematikunterricht (Jahrgangsstufe 7) zwecks Förderung des Verstehens komplexer
mathematischer Konzepte herangezogen (BMBF- Verbundprojekt MuM-Multi). Dadurch
kann Punkt (ii) mit besonderer Berücksichtigung der Relation von Denk- und Arbeitssprache betrachtet und für die Entfaltung interkultureller Wissensdiskurse in der universi-
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
tären Ausbildung eingeschätzt werden. Ein Plädoyer für mehrsprachige, interkulturell sensible Wissenschaftsbildung mag so weitere empirische Evidenz erhalten.
Reuter, Ewald [email protected]
Imperative der Globalisierung im Diskurs der Interkulturellen Germanistik
Weltweit zeichnet sich eine systematische Ersetzung der alten Bildungsuniversität durch
die neoliberale Unternehmensuniversität ab. Konkret bedeutet dies, dass man an immer
mehr Universitäten immer öfter die Erfahrung macht, dass akademischer Erfolg nur noch
numerisch gemessen wird, zählbar etwa in der Einnahme von Forschungsgeldern, der
Zahl der Bewerbungen um einen Studienplatz und der Rekrutierung angesehener Wissenschaftler. Deshalb sehen sich immer mehr Studiengänge gezwungen, ihre Existenz durch
den Nachweis besonderer Arbeitsmarktrelevanz, zu rechtfertigen. Aus kulturwissenschaftlicher Perspektive ist zu fragen, welche Akteure im Rückgriff auf welche Leitbilder und
Leitbegriffe die Unternehmensuniversität als hegemoniales hochschulisches Organisationsmodell durchsetzen. Dabei versteht es sich, dass es sich bei der „Globalisierung“ um keine
Naturgewalt handelt, sondern um ein kulturelles, von Macht gesteuertes Konstrukt
handelt. Wie reagiert die Wissenschaftlergemeinde auf diese Herausforderungen? Am Beispiel der Interkulturellen Germanistik versuche ich zu skizzieren, durch welches sprachund wirtschaftskulturgebundene Vokabular neuartige Handlungsspielräume eröffnet und
neuartige Identitätspolitiken befeuert werden und wie die Interkulturelle Germanistik
darauf reagiert.
Schiewer, Gesine Lenore [email protected]
Interkulturalität als Forschungsgegenstand und als wissenschaftliches
Paradigma: Das Beispiel interkultureller Literaturgeschichte
Im Ausgang von dem Desiderat interkultureller Literaturgeschichtsschreibung soll es
zunächst um diese Fragen gehen: 1) Wie ist mit Forschungsgegenständen angemessen umzugehen, die per se verlangen, dass verschiedene Forschungstraditionen einbezogen werden? Denn z.B. die Untersuchung interkultureller Literatur wird vielfach die literaturwissenschaftliche Expertise verschiedener Philologien erfordern. 2) Wie sind entsprechende
Untersuchungsgegenstände für die internationale Lehre angemessen aufzuarbeiten? Denn
seien es traditionell einzelsprachbezogene literarische Texte oder interkulturelle Texte – in
der internationalen Lehre sind gewiss jeweils spezifische Konstellationen bezüglich des
Zugangs zu Literatur zu berücksichtigen. In einem zweiten Schritt soll die entsprechende
Diskussion dieser beiden Fragen über die im engen Sinn literaturwissenschaftlichen Anliegen hinaus exemplarisch auf ganz unterschiedliche Wissenschaften bezogen werden und
u.a. danach gefragt werden, ob bzw. inwiefern etwa theoretische Ansätze der Informatik
oder der Wirtschaftswissenschaften ebenfalls unter dem Aspekt der Kontextbezogenheit
von Wissenschaft zu beleuchten sind.
Surana, Pawan [email protected]
Sprachkulturelle Überlegungen zu Ujjawal Bhattcharyas HindiÜbersetzung von Goethes Gedichten
Zum Anlass des Goethe-Jahres 1999 wurden an jedem Sontag ein Gedicht und eine
Maxime von Goethe von der Deutschen Welle auf Hindi übertragen. Diese auf Hindi übertragenen Gedichte und Maximen wurden von einem populären indischen Verlag „VaniPrakashan“ 2000 veröffentlicht. In meinem Referat werde ich diese literarische Überset-
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
zung interkulturell analysieren. Es werden folgende Fragen berücksichtigt: Von welchen
interkulturellen Ansätzen musste U. Bhattacharya Gebrauch machen, damit die Texte auf
Hindi durchsichtiger und verständlicher werden? Stehe die übersetzten Texte dem Originaltext nah? Bringt das Weglassen und Hinzufügen bei dieser Übertragung einen sprachkulturellen Gewinn oder einen Verlust mit sich?
Tavares, Pedro Heliodoro [email protected]
Die Subjektivität zwischen den Sprachen: Die Einführung der freudschen
Psychoanalyse im heutigen China auf Grundlage der frz. Lacan-Rezeption
Erfunden und in deutscher Sprache von Sigmund Freud am Ende des 19. Jahrhunderts
zunächst im Bereich der psychiatrischen Medizin als eine rein klinische Behandlungstechnik konzipiert, gewinnt die Psychoanalyse seit Beginn ihrer Rezeption in Frankreich ab
den 50er Jahren eine neue Perspektive. Nach ihrer Annährung an Ferdinand de Saussures
und Roman Jakobsons Linguistik und an die Annahme „das Unbewusste sei wie eine
Sprache strukturiert”, gewinnt die Psychoanalyse den Status einer Wissenschaft der Symbolik. Lacan weist anfangs darauf hin, Saussures „Signifiant” sei entscheidender für das
Verständnis und die Bearbeitung des Diskurs eines Subjekts als das „Signifié”. In seinem
Seminar beschäftigt er sich besonders mit den Unterschieden und Besonderheiten seiner
Formulierungen zum freudschen Unbewussten. Dabei fällt sein Augenmerk auf die chinesische Sprache bzw. die chinesische Schrift. Er beschreibt die chinesische Sprache als einen Sonderfall und ein untersuchungswertes Forschungsgebiet für die Studien der Psyche.
Wang, Zhiqiang [email protected]
Zur Konstruktion des interkulturellen Dilemmas aus Sicht interkultureller Epistemik
Die bisherige Theoriebildung zum interkulturellen Verstehen geht in erster Linie von der
positiven Annahme aus, dass man durch interkulturelle Kommunikation zur interpersonellen Verständigung gelangen sollte. Mit Blick auf die interkulturelle Praxis im Zeitalter
der ökonomischen Globaliserung kann man jedoch feststellen, dass in der interkulturellen
Kommunikation Dilemmata aufkommen, die man trotz guten Willens und des Kulturwissenserwerbs in vielen Fällen schwer überstehen kann. Der Vortrag wendet sich den Dilemmata interkulturellen Verstehens zu und versucht, ausgehend von der Grundannahme,
dass die Beziehungsgestaltung den Kern der Interkulturalität bildet, zu ermitteln, wie sich
interkulturelle Dilemmata konstruieren, wie sie sich typisieren lassen. Im Schlus-teil der
Abhandlung werden einige konstruktive Empfehlungen zur Bewältigung interkultureller
Dilemmata gemacht, die objekt-, relationalitäts- und subjektbedingt sind.
Ylönen, Sabine [email protected]
Inwiefern werden Wissenschaftssprachkulturen von Wissenschaftlern
reflektiert?
Mit der strategischen Internationalisierung des Wissenschaftsbetriebs wird in allen akademischen Bereichen und Disziplinen zunehmend in Englisch kommuniziert. Besonders weit
verbreitet ist die Verwendung von Englisch als Lingua franca in den Naturwissenschaften,
während Geisteswissenschaftler auch heute zuweilen noch in anderen Sprachen agieren.
Begründet werden diese Praxen häufig mit unterschiedlichen Geltungsansprüchen des
produzierten Wissens. So gehe es in den Naturwissenschaften um das „Finden“ allgemeingültiger Gesetzmäßigkeiten, in den Geisteswissenschaften dagegen auch um regionale
Phänomene und Prozesse. Allgemeingültige Gesetzmäßigkeiten sind der verbreiteten Mei-
!
!
!
!
!
!
!
SEKTIONEN C – KULTURWISSENSCHAFT
nung nach nicht einzelsprachenabhängig, während der Erforschung regionaler Phänomene die Notwendigkeit der Verwendung verschiedener Sprachen zugestanden wird.
Dass Wissen aber auch in den Naturwissenschaften über Sprache in sozial eingebundenen
Prozessen konstruiert wird, die auch das Erkenntnisinteresse lenken, wird seltener thematisiert. In diesem Beitrag soll untersucht werden, inwiefern Wissenschaftler verschiedener
Disziplinen überhaupt die Existenz von und ihre Zugehörigkeit zu bestimmten Wissenschaftskulturen reflektieren. Als Untersuchungsmaterial dienen die Antworten auf eine
Umfrage zur Rolle von Sprachen unter finnischem Universitätspersonal aus dem Jahr 2009,
auf die wir rund 3600 Antworten erhielten. Speziell sollen die offenen Antworten auf
folgende Frage inhaltsanalytisch untersucht werden: „Unter den Fremdsprachen wird
Englisch oft als hinreichendes Kommunikationsmittel an finnischen Universitäten erachtet.
Können Sie sich Argumente für die Verwendung verschiedener Sprachen vorstellen?”
Zhang, Yehong [email protected]
Interkulturalität des Verstehens als Grundlage der Interkulturalität der
Wissenschaft
Die vermeintliche Globalisierung eröffnet Menschen immer mehr Gelegenheit, dasselbe
Wissen zu teilen und dadurch eine internationalisierte Wissensgemeinschaft herauszubilden. In diesem Kontext leistet die Forschung des interkulturellen Verstehensverfahrens
einen grundlegenden Beitrag zu dem bislang erst in Ansätzen etablierten Bereich der interkulturellen Wissensübertragung. In dem Vortrag geht es um die wechselseitige Beeinflussung von Kultur und Sprache. Im Hinblick auf interkulturelle Kommunikation soll vor
allem der Verstehensprozess im Vergleich der Kulturen bzw. Sprachen beschrieben werden. Die klassischen Theorien gehen von der Annahme aus, dass Verstehensprozesse stets
in kulturelle und historische Zusammenhänge eingebunden sind. Um das Verfahren auf
einer basalen Ebene zu untermauern und die theoretische Grundlage zu vertiefen, zieht
der Vortrag die kognitionswissenschaftlichen Erkenntnisse heran. Wie vollzieht sich das
abduktive Verfahren des Verstehens? Gibt es so etwas wie eine gemeinsame kognitive
Grundlage für das kulturübergreifende Verstehen und wo beginnt die kulturspezifische
Gestaltung in einer mehrsprachigen Wissenschaftspraxis?