2.3. Vektorprodukt und Spatprodukt

2.3. Vektorprodukt und Spatprodukt
Das Vektorprodukt
In sehr vielen mathematischen und physikalisch-technischen Problemstellungen geht es darum, zu
einer gegebenen Fläche deren Inhalt und auf ihr senkrecht stehende Vektoren zu bestimmen.
Hierzu benutzt man das (nur im 3-dimensionalen Raum definierte) Vektor- oder Kreuzprodukt
axb
zweier Vektoren a und b. Im Gegensatz zum Skalarprodukt liefert es einen Vektor, und zwar
ist dieser durch die folgenden drei geometrischen Eigenschaften vollständig bestimmt:
(G1) axb steht senkrecht auf a und b :
(axb)a = (axb)b = 0
(G2) die Länge von axb ist gleich dem Flächeninhalt des von a und b aufgespannten
Parallelogramms:
|axb| = |a||b|sin(a|b)
(G3) a, b und axb bilden ein Rechtssystem:
Wird a im Uhrzeigersinn nach b gedreht, so zeigt axb in Blickrichtung.
Wir zeichnen zwei Vektoren im Raum, ihre Summe, ihre Differenz, das von ihnen aufgespannte
Paralleogramm, und schließlich ihr Vektorprodukt (senkrecht dazu). Die Länge dieses Vektors
entspricht dem Flächeninhalt des Parallelogramms.
Beispiel 1: Tischplatte und Tischbein
Bei einer von zwei Vektoren aufgespannten Platte bleibt das Vektorprodukt (Tischbein) konstant,
wenn die Platte rotiert:
Beipiel 2: Uhrzeiger
Wir beobachten, wie sich das Vektorprodukt zweier Uhrzeiger verändert (wenn der eine den
anderen überholt, wechselt das Vorzeichen und damit die Richtung):
Der Produktvektor zeigt vom Zifferblatt aus nach vorne (bzw. im Bild nach oben), wenn der
Minutenzeiger sich im Uhrzeigersinn vor dem Stundenzeiger befindet; andernfalls zeigt der
Produktvektor nach hinten.
Merkregel für ein Rechtssystem
Wird durch eine Schraubbewegung a nach b gedreht, so bewegt sich die Schraube in Richtung von
axb.
Algebraische Beschreibung des Vektorprodukts
Es läßt sich mit einigem Aufwand zeigen, daß das Vektorprodukt x die einzige Abbildung von
R3 x R3 nach R3 ist, die folgende drei Eigenschaften hat:
(Anti-Kommutativität)
(V1) axb = -bxa
(V2) (ra+sb)xc = r(axc) + s(bxc) (Bilinearität)
(V3) ixj = k , jxk = i , kxi = j
(Zyklische Vertauschung)
Aus den Axiomen (V1), (V2) und (V3) folgt die wichtige
Koordinatendarstellung des Vektorprodukts
(a1, a2, a3) x (b1, b2, b3) = (a2 b3 − a3 b2, a3 b1 − a1 b3, a1 b2 − a2 b1)
oder in Spaltenschreibweise:
 a1   b1  a2 b3 − a3 b2
    

 a  x  b  = a b − a b 
1 3
 2  2  3 1
 a   b  a b − a b 
 3  3  1 2
2 1
Denn es ist aufgrund der Bilinearität und der Antikommutativität
(a1, a2, a3) x (b1, b2, b3) = (a1i + a2j + a3k) x (b1i + b2j + b3k) =
(a2 b3 − a3 b2)(jxk) + (a3 b1 − a1 b3)(kxi) + (a1 b2 − a2 b1)(ixj)
und das ist wegen (V3) gleich
(a2 b3 − a3 b2) i + (a3 b1 − a1 b3) j + (a1 b2 − a2 b1) k .
Umgekehrt läßt sich leicht nachrechnen, daß die durch die Koordinatendarstellung definierte
Operation x die drei Axiome (V1), (V2) und (V3) erfüllt. Aus diesen lassen sich also sämtliche für
das Vektorprodukt gültigen Regeln ableiten!
Einige zusätzliche Eigenschaften sieht man allerdings besser an den "geometrischen" Axiomen
(G1), (G2) und (G3).
Lineare Abhängigkeit
Das Vektorprodukt zweier Vektoren ist genau dann der Nullvektor, wenn sie linear abhängig
sind, d.h. wenn einer ein Vielfaches des anderen (eventuell der Nullvektor) ist. Denn in diesem
(und nur in diesem Fall) ist der Flächeninhalt des Parallelogramms zwischen den beiden Vektoren
gleich 0.
Flächenberechnung von Polygonen
Jedes Polygon läßt sich in Dreiecke zerlegen, und ein von zwei Vektoren a und b aufgespanntes
Dreieck (also ein halbes Parallelogramm) hat natürlich den Flächeninhalt
|axb|/2 = |a||b|sin(a|b)/2.
Für Dreiecke in der Ebene gibt es zwar kein Vektorprodukt, aber man kann ja eine dritte
Koordinate "dazu erfinden" und bekommt dann sofort für die
Fläche F eines Dreiecks
mit den Seiten a = (a1, a2) und b = (b1, b2) :
F= |(a1, a2, 0) x (b1, b2, 0)| /2 = |a1 b2 − a2 b1| /2 .
Beispiel 3: Flächeninhalt eines regulären Fünfecks
2π
mit Zentriwinkel α =
und Umkreisradius 1.
5
Die Fläche eines der fünf Teildreiecke (z.B. des linken) beträgt einerseits
π
π
F5 = sin  cos 
5
5
(halbe Grundlinie mal Höhe), andererseits nach der Sinus-Flächenformel
1
2π
 ,
F5 = sin
2
 5 
im Einklang mit der trigonometrischen Formel
sin( 2 α ) = 2 sin( α ) cos( α ).
Also ist die Gesamtfläche des Fünfecks
π
π 5
2π
.
F = 5 sin  cos  = sin
5
5 2
 5 
Einen von vielen interessanten Zusammenhängen zwischen dem Skalarprodukt und dem
Vektorprodukt beschreibt ein
abgewandelter Satz von Pythagoras
Die Summe der Quadrate von Skalarprodukt und Vektorprodukt ist gleich
dem Quadrat des Produktes der Beträge.
Mit anderen Worten: Ein Dreieck mit den Seitenlängen |ab|, |axb| und |a||b| ist stets rechtwinklig!
Diese Tatsache folgt unmittelbar aus den Gleichungen
|ab| = |a||b|cos(a|b)
|axb| = |a||b|sin(a|b)
cos( γ )2 + sin( γ )2 = 1 .
Das Spatprodukt
Drei Ortsvektoren a,b,c im Raum...
... und der von ihnen aufgespannte Spat
Wir machen den Spat durchsichtig und zeichnen nur den Boden und die Kanten:
Dann bilden wir das Vektorprodukt der beiden Basisvektoren a und b :
Projektion von c auf axb :
c[axb] = r(axb) , r = (axb)c/(axb)(axb)
r=
( a2 b3 − a3 b2 ) c1 + ( a3 b1 − a1 b3 ) c2 + ( a1 b2 − a2 b1 ) c3
2
2
2
( a2 b3 − a3 b2 ) + ( a3 b1 − a1 b3 ) + ( a1 b2 − a2 b1 )
Spatvolumen
Das Volumen des ursprünglichen Spats ist gleich dem Volumen des Prismas über der gleichen
Grundfläche und mit der gleichen Höhe:
Ergebnis:
Volumen des Spats = Grundfläche mal Höhe
|axb||c[axb]| = |(axb)c|
Das Spatprodukt
abc := (axb)c
ist das orientierte Volumen des Vektorentripels (a,b,c) (Reihenfolge beachten!)
Vertauschungsregel
abc = bca = cab = -cba = -acb = -bac
Vorzeichenregel
abc > 0 <==> (a,b,c) ist ein Rechtssystem
abc < 0 <==> (a,b,c) ist ein Linkssystem
abc = 0 <==> (a,b,c) ist ein linear abhängiges System.
Lineare Abhängigkeit
Ein System von drei Vektoren a,b,c heißt linear abhängig, wenn sie in einer Ebene durch 0
liegen.
Algebraisch bedeutet das: Es gibt reelle Zahlen r,s,t, nicht alle drei gleich 0, mit
ra+sb+tc = 0.
Zum Beispiel bilden die kanonischen Einheitsvektoren i, j, k in der Reihenfolge (i,j,k) ein
Rechtssystem, wohingegen (j,i,k) und (-i,j,k) Linkssysteme sind.
Aus der Koordinatendarstellung von Skalar- und Vektorprodukt gewinnt man unmittelbar die
Koordinatendarstellung des Spatprodukts
abc = ( a2 b3 − a3 b2 ) c1 + ( a3 b1 − a1 b3 ) c2 + ( a1 b2 − a2 b1 ) c3
In diesem Aggregat tritt jedes Produkt
ai bj ck mit {i, j, k} = {1, 2, 3}
genau einmal auf. Das Vorzeichen bestimmt man aus dem untenstehenden Schema (steigend
=positiv, fallend =negativ). Das ist die sogenannte
Regel von Sarrus
a1

a
 2

a3
b1
b2
b3
c1
c2
c3
a1
a2
a3
b1 

b2

b3 
Normierte Vektoren
Ein Vektor der Länge 1 heißt normiert oder Einheitsvekor.
Oft ist es praktisch, einen vom Nullvektor verschiedenen Vektor b zu normieren, d.h. einen
Einheitsvektor gleicher Richtung (und mit Länge 1) zu bestimmen. Dies ist offenbar der Vektor
b* := b/|b|
mit
2
2
2
2
|b| =
b1 + b2
|b| =
b1 + b2 + b3
in der Ebene bzw.
2
im Raum.
a := [ 1, -2, 2 ]
Orthonormalbasen
Sind a und b zwei aufeinander senkrecht stehende Einheitsvektoren, so ist auch axb ein
Einheitsvektor, und die Vektoren a,b,a b spannen einen Würfel mit Volumen 1 auf. Man nennt
drei solche Vektoren eine Orthonormalbasis.
Beispiel:
1
2 2
2 1
2
2 2 1
a = ( , − , ) , b = ( , , − ) , c = axb = ( , , ) , abc = 1.
3
3 3
3 3
3
3 3 3
2 2 1
ab = 0, axb =  , , , abc = 1
3 3 3
Zusammenfassung
Gegeben seien zwei Vektoren a,b im dreidimensionalen Raum.
(1) Das Skalarprodukt von a und b ist
ab = |a||b|cos(a|b)
= a1 b1 + a2 b2 + a3 b3
und die Projektion von a auf b (nicht 0) ist
a[b] = a[b*] = (ab*) b* = (ab)b/(bb) .
(2) Das Vektor- oder Kreuzprodukt von a und b ist
a b = |a||b| sin(a|b) n
= ( a2 b3 − a3 b2 , a3 b1 − a1 b3 , a1 b2 − a2 b1 )
wobei n derjenige auf a und b senkrecht stehende Einheitsvektor ist, für den (a,b,n) ein
Rechtssystem wird.
Der Flächeninhalt des von a und b aufgespannten Parallelogramms ist
|a b| = |a||b| sin(a|b)
=
2
2
2
( a2 b3 − a3 b2 ) + ( a3 b1 − a1 b3 ) + ( a1 b2 − a2 b1 ) .
(3) Das Spatprodukt oder orientierte Volumen des von a,b,c aufgespannten Spats ist
abc = (a b)c
= a1 b2 c3 + a2 b3 c1 + a3 b1 c2 − a1 b3 c2 − a2 b1 c3 − a3 b2 c1.
Bei Wahl des von a und b aufgespannten Parallelogramms als Grundfläche ist die
Höhe (also der Abstand des Punktes c von der Ebene durch a und b) gegeben durch
h =(abc)/|axb|
und der zugehörige Höhenvektor durch
c[axb] = h (axb)*.