Formvorschriften für bestimmte Klauseln im Aktionärbindungsvertrag

FORMVORSCHRIFTEN FÜR BESTIMMTE KLAUSELN IM AKTIONÄRBINDUNGSVERTRAG
Der Abschluss eines Aktionärbindungsvertrages ist gerade bei Gesellschaften mit geschlossenem Aktionärskreis,
wo ein Verkauf von Aktien an unbeteiligte Dritte wenn möglich verhindert werden soll, wichtig. Im Internet findet
sich sodann eine Vielzahl von Mustervorlagen und Formulierungsvorschlägen, welche die gängigen Bestimmungen wie Vorhandrechte, Vorkaufsrechte und Kaufrechte aufnehmen und dem Anwender so die Möglichkeit verschaffen, selber einen Aktionärbindungsvertrag aufzusetzen. Häufig nur ungenügend erörtert bleibt darin jedoch
die Frage nach der Formvorschrift für Aktionärbindungsverträge. Dabei stellen sich gerade dann, wenn Bestimmungen im Hinblick auf das Ableben eines oder mehrerer Aktionäre getroffen werden, diesbezüglich heikle Fragen.
I. AUF DEN TOD EINES AKTIONÄRS WIRKENDE BESTIMMUNGEN
Aktionärbindungsverträge beinhalten regelmässig zwei Arten von Bestimmungen – Bestimmungen zur Einflussnahme auf den Geschäftsgang der Aktiengesellschaft und Bestimmungen zur Regulierung der Beteiligungsverhältnisse an der Gesellschaft. Unter die erste Kategorie (Einflussnahme auf den Geschäftsgang) fallen insbesondere Stimmbindungsklauseln, womit sich die unterzeichnenden Aktionäre verpflichten, ihre Stimme in der Generalversammlung in einer bestimmten Art und Weise oder nach einem vorgegebenen Konzept auszuüben. Unter
die zweite Kategorie (Regulierung der Beteiligungsverhältnisse) fallen Vorhand-, Vorkaufs- und Kaufrechte, welche die Zusammensetzung des Aktionärskreises beeinflussen und die Aktionäre vor einer „Überfremdung“ schützen sollen.
Oftmals zielen die Aktionäre jedoch nicht nur darauf ab, den Aktionärskreis zu ihren Lebzeiten kontrollieren zu
können, sondern es besteht auch das Bedürfnis, die Beschränkung des Aktionärskreises für die Zeit nach dem
Tod sicherzustellen. Häufig sollen dabei die gesetzlichen und/oder eingesetzten Erben eines Aktionärs vom Erwerb der Aktienanteile ausgeschlossen werden. Rechtlich ist dies durch die Vereinbarung von Kaufrechten auf
den Todesfall hin möglich, welche den übrigen Aktionären im Fall des Todes eines einzelnen Aktionärs das Recht
einräumen, die Aktien von den Erben des verstorbenen Aktionärs zu erwerben. Ohne eine solche Bestimmung
würden die Aktien des ablebenden Gesellschafters nämlich im Zeitpunkt des Todes ipso iure auf seine Erben
übergehen (Art. 560, 652 ff. ZGB).
Rechtlich handelt es sich bei solchen Kaufrechten, die auf den Tod eines Aktionärs hin wirken, um doppeltbedingte Aktienkaufverträge. Die erste Bedingung besteht darin, dass der Aktienerwerb von der Ausübung des
Kaufrechts abhängig ist. Die zweite Bedingung darin, dass das Kaufrecht erst bei Eintritt des Todes eines Aktionärs ausgeübt werden kann (Gloor/Flury, die Call Option an Aktien beim Tod eines Aktionärs, in: SJZ 101/2005,
S. 305, 306).
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II. FORMVORSCHRIFTEN FÜR AUF DEN ZEITPUNKT DES TODES EINES AKTIONÄRS WIRKENDE KAUFRECHTE
Fraglich und nachfolgend abzuklären ist, ob auf den Zeitpunkt des Todes eines Aktionärs hin wirkende Kaufrechte in einem Aktionärbindungsvertrag als Verfügungen von Todes wegen zu qualifizieren sind und daher der Form
der öffentlichen Beurkundung bedürfen, oder ob es sich dabei – trotz der Wirkung auf den Zeitpunkt des Todes –
um ein Rechtsgeschäft unter Lebenden handelt. Im letztgenannten Fall erübrigte sich die Einhaltung einer besonderen Form.
Wesentliches Kriterium zur Abgrenzung eines Rechtsgeschäfts unter Lebenden von einer Verfügung von Todes
wegen bildet der Wirkungszeitpunkt der Bestimmung. Wirkt das Rechtsgeschäft erst nach dem Tod des Erblassers oder verpflichtet es bereits das Vermögen des Erblassers vor seinem Tod? Das Bundesgericht nimmt bei der
Beantwortung dieser Frage eine Einzelfallbeurteilung unter Berücksichtigung aller Umstände vor. Folgende Kriterien sind heranzuziehen (vgl. zum Ganzen: Gloor/Flury, a.a.O., S. 305, 308 ff.):
(1) Entscheidend ist zum einen der Wille der vertragsschliessenden Parteien: War es die Absicht der Parteien,
sich bereits vor dem Eintritt des Todes zu binden oder wollten sie erst den Nachlass verpflichten?
(2) Weiter stellt sich die Frage, ob sich das Rechtsgeschäft im Sinne der Liberalität als unentgeltliche Zuwendung auf das Ableben eines Aktionärs hin beurteilt oder nicht.
(3) Ebenfalls zu berücksichtigen ist der vom Bundesgericht bereits mehrfach beigezogene „favor negotii“. Demnach deuten die Nichtbeachtung von erbrechtlichen Formvorschriften sowie eine Vertragsformulierung ohne
Bezugnahme auf das Erbrecht auf den Abschluss eines Rechtsgeschäfts unter Lebenden hin.
Im Sinne des ersten Kriteriums, des eigentlichen Willens der Parteien (1), stellt sich bei der Beurteilung eines auf
den Zeitpunkt des Todes bedingten Kaufrechts daher die Frage, in welchem Rahmen dieses vereinbart wurde.
Gliedert es sich ein in einen umfassenden Aktionärbindungsvertrag mit einer Vielzahl weiterer Bestimmungen zur
Regelung der Rechtsverhältnisse zwischen den Aktionären, bspw. der Vereinbarung gegenseitiger Vorhand- und
Vorkaufsrechte, ist anzunehmen, dass die vertragsschliessenden Aktionäre primär ihre eigenen Interessen sowie
die Interessen der Aktiengesellschaft optimieren wollten und nicht auf die Begünstigung einzelner Personen abzielten. Die Parteien verpflichten durch solche Bestimmungen somit nicht nur ihren Nachlass, sondern in erster
Linie auch sich selber in ihrer heutigen Rechtsposition.
Im Sinne des zweiten Kriteriums, der sogenannten Liberalität (2), wird entscheidend sein, zu welchem Preis das
Aktienpaket von den Erben erworben werden kann, und ob der übernehmende Aktionär somit zu Lasten des
Nachlasses begünstigt wird. Für den Fall, dass der Übernahmepreis gleich hoch oder gar höher liegt als der Verkehrswert der Aktien, ist dies sicher zu verneinen. Liegt der Übernahmepreis jedoch tiefer als der Verkehrswert,
ist eine Begünstigung des erwerbenden Aktionärs zu Lasten der Erben gegeben, was eigentlich charakteristisches Merkmal für ein Rechtsgeschäft von Todes wegen ist. In diesem Sinne hat auch das Bundesgericht in BGE
113 II 270 ff. die in einem Gesellschaftsvertrag getroffene „Abfindungsklausel“, wonach den übrigen Gesellschaftern im Fall des Todes eines Gesellschafters eine Abfindung zu bezahlen ist, als Verfügung von Todes wegen
qualifiziert.
Diese bundesgerichtliche Rechtsprechung wird jedoch von einem beachtlichen Teil der Lehre kritisiert, und es
wird die Ansicht vertreten, dass in Fällen, in denen Kaufrechte zu Vorzugspeisen eingeräumt werden, die aufwiegende Gegenleistung in der latenten Optionsbelastung liege, welche die übernehmenden Aktionäre aufgrund der
gegenseitigen Vereinbarung von Kaufrechten treffe. Zudem wird in der Lehre auch dafür gehalten, dass – selbst
wenn der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gefolgt werden sollte – die teilweise Unentgeltlichkeit eines Kaufrechts nicht ausreiche, um das Argument der Einordnung in den Rahmen einer umfassenden gesellschaftsrechtlichen Vereinbarung auszuhebeln. Folglich sei auch bei der Übernahme zu Vorzugspreisen von einem Rechtsgeschäft unter Lebenden auszugehen.
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Im Sinne des dritten Kriteriums, des „favor negotii“ (3), deutet der Verzicht auf die öffentliche Beurkundung eines
Aktionärbindungsvertrages sodann auf die Qualifikation eines Rechtsgeschäfts unter Lebenden hin. Dies kann
aber selbstverständlich nur gelten, wenn klar feststellbar ist, dass es sich dabei um den effektiven Wille der Vertragsparteien handelt und nicht nur um den vorgeschobenen Willen zur Umgehung von Formvorschriften.
III. FAZIT
Das Bundesgericht hat bis zum heutigen Zeitpunkt noch nicht entschieden, ob die in Aktionärbindungsverträgen
vielfach enthaltenen, auf den Tod eines Aktionärs wirkenden, Kaufrechte als Rechtsgeschäfte unter Lebenden
oder als Verfügungen von Todes wegen zu qualifizieren sind. Die überwiegende Rechtslehre beurteilt sie als
Rechtsgeschäfte unter Lebenden. Folglich bedürfe es keiner öffentlichen Beurkundung solcher Aktionärbindungsverträge. Aufgrund der bundesgerichtlichen Rechtsprechung im Zusammenhang mit gesellschaftsrechtlichen Abfindungsklauseln rät die Lehre jedoch in jenen Fällen zu Zurückhaltung und folglich zur Einhaltung der erbvertraglichen Formerfordernisse, in denen der Preis, zu welchem die Aktien von den Erben eines verstorbenen Aktionärs
gekauft werden dürfen, tiefer liegt als der Verkehrswert der Aktien. In diesem Sinne ist der Rechtsanwender gut
beraten, die Bestimmungen eines Aktionärbindungsvertrages vor der finalen Ausfertigung von einem Spezialisten
auf deren rechtliche Qualifikation und allfällige Formvorschriften hin untersuchen zu lassen und im Zweifelsfall
von einem Notar öffentlich beurkunden zu lassen.
4. Mai 2015 / lic. iur. Patricia Geissmann, Rechtsanwältin
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