KAUFBEURER TAGBLATT | NEUGABLONZER NACHRICHTEN ... A llgäuer Zeitung Verbotsdebatte Droht uns bald eine Gesundheitsdiktatur? Feuilleton DONNERSTAG, 19. MÄRZ 2015 Arbeitskampf Verdi fordert mehr Gehalt für Menschen in sozialen Berufen Allgäu-Rundschau Wolkig Freundlich und trocken, 14 Grad Wetter www.all-in.de NR. 65 Richter rechnet mit Georg Schmid hart ab PREIS ¤ 1,60 Blickpunkt Lokales Randale in der Bankenmetropole Es wird ungemütlich Am Montag starten die Bauarbeiten am Neuen Markt in Neugablonz. Trotz vieler Vorkehrungen wird die Sperrung für Anlieger und Autofahrer wohl ungemütlich. »Seite 29 Justiz Bewährungsstrafe für Ex-Spitzenpolitiker. Er habe „Geldtöpfe des Landtags leer gemacht“ VON HOLGER SABINSKY-WOLF Augsburg Knapp zwei Jahre nach dem Auffliegen der Verwandtenaffäre des Bayerischen Landtags ist der frühere CSU-Fraktionschef Georg Schmid zu einer Bewährungsstrafe von 16 Monaten verurteilt worden. Der ehemalige Spitzenpolitiker aus Donauwörth muss zudem eine Geldauflage von 120 000 Euro zahlen. Schmid habe seine Frau fast 22 Jahre lang als Scheinselbstständige beschäftigt und dadurch rund 300 000 Euro an Sozialabgaben hinterzogen, urteilte das Amtsgericht Augsburg. Richter Michael Nißl führte eine ganze Liste von Belegen für das illegale Beschäftigungsverhältnis an: Georg Schmid, 61, habe seine Frau teilweise noch vor Rechnungsstellung honoriert, es habe keinerlei Leistungsnachweise gegeben. Zudem habe Gertrud Schmid über all die Jahre von 1991 bis 2013 ihre Einkünfte immer zu mehr als 90 Prozent von ihrem Mann bezogen. Frau Schmid war kurz vor Prozessbeginn wegen Beihilfe zu einer Geldstrafe von 13 200 Euro verurteilt worden. Das Gericht glaubte Georg Schmid nicht, dass er das Beschäftigungskonstrukt aus Versehen gewählt hat. Richter Nißl sagte: „Das Gericht nimmt Ihnen diesen Irrtum nicht ab. Sie sind Jurist, und nicht irgendein Jurist, sondern Sie waren Jurist im bayerischen Staatsdienst.“ Zudem sei Schmid Staatssekretär gewesen, „und zwar nicht in irgendeinem Ministerium, sondern im Ministerium für Arbeit“, so Nißl. Scharfe Kritik übte der Richter an Georg Schmids Mentalität: „Sie haben sich entschlossen, die Geldtöpfe des Landtags bis auf den letzten Tropfen leer zu machen.“ Das Gericht bemängelte aber auch die jahrelang gängige Praxis, mit der der Landtag die Verwandtenbeschäftigung abrechnen ließ. Ein Blatt Papier mit der eingetragenen Summe habe gereicht. Dennoch musste sich Schmid vom Richter sagen lassen: „Das Ihnen entgegen gebrachte Vertrauen haben Sie missbraucht.“ Georg Schmid behält trotz der Strafe seine Pensionsansprüche, wie das Gericht betont. Und die seien „fürstlich“, so Nißl wörtlich. Sie betragen im Moment nach Schmids eigenen Angaben knapp 8000 Euro brutto. Ab 65 kommt noch eine Pension aus der Zeit als Staatssekretär hinzu. Schmid und seine Verteidiger hatten immer wieder behauptet, der Ex-Politiker stehe vor dem finanziellen Ruin. „Davon kann nicht im Ansatz die Rede sein“, beschied Richter Nißl und empfahl den Verkauf einer von mehreren Immobilien, falls liquide Geldmittel fehlen sollten. Georg Schmid ist der prominenteste Fall der Verwandtenaffäre. Eine Vielzahl von bayerischen Abgeordneten hatten über Jahre enge Verwandte auf Steuerzahlerkosten in ihren Büros beschäftigt, obwohl dies seit 2000 verboten war. Sie nutzten eine zum Übergang gedachte Altfallregelung. Schmid selbst verfolgte das Urteil ohne Gefühlsregung. Danach verließ er fluchtartig das Gericht. Seine Verteidiger ließen offen, ob sie in Berufung gehen. »Kommentar und Bayern Scheinselbstständigkeit ● Definition Scheinselbstständigkeit liegt dann vor, wenn ein Arbeitnehmer, der in Wirklichkeit wie ein Angestellter arbeitet, gegenüber Finanzamt und Sozialversicherung als selbstständiger Unternehmer auftritt. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können sich so eine Reihe von Zahlungen sparen. ● Prüfung Laut Sozialgesetzbuch wird daher im Zweifel geprüft, ob der angeblich selbstständige Unternehmer selbstständig am Markt auftritt oder ob er auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig ist. (AZ) Kommentar VON HOLGER SABINSKY-WOLF » [email protected] Georg Schmid ist gut bedient K Chaoten zerstörten mit Brandsätzen insgesamt sieben Polizeifahrzeuge. Foto: Arne Dedert, dpa Bei schweren Krawallen in Frankfurt werden über 220 Menschen verletzt Gewalt Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank führt zu Ausschreitungen. Polizisten werden mit Brandsätzen und Steinen angegriffen Frankfurt am Main Heftige Auseinandersetzungen zwischen gewalttätigen Demonstranten und der Polizei haben die offizielle Einweihung des Neubaus der Europäischen Zentralbank in Frankfurt überschattet. Vermummte Randalierer bewarfen Beamte mit Steinen und setzten mehrere Streifenfahrzeuge und Barrikaden in Brand. Auch ein Polizeirevier wurde angegriffen. Die Polizei setzte Wasserwerfer, Tränengas und Schlagstöcke ein: Über 220 Menschen auf beiden Seiten wurden verletzt. Die Polizei nahm 19 Randalierer fest und registrierte von 300 Verdächtigen die Personalien. Laut Polizei mussten 94 Beamte und zwei Feuerwehrleute medizinisch versorgt werden: Die meisten wurden kurzfristig wegen ReizgasVergiftungen behandelt, 14 Beamte erlitten durch Steinwürfe und Tritte Verletzungen. Die Protest-Organisatoren gaben die Zahl der verletzten Demonstranten mit 130 an. Nach Angaben der Polizei versuchten rund 3000 Demonstranten das EZB-Gelände zu stürmen, wurden aber von den Beamten gestoppt. Am Vormittag versammelten sich laut Organisatoren zunächst 6000 Demonstranten. Sie folgten Aufrufen des sogenannten „Blockupy“Bündnisses – das nach dem Vorbild der amerikanischen „Occupy Wall Street“-Bewegung („Besetzt die Wall Street“) die Eröffnung des neu errichteten EZB-Wolkenkratzers im Frankfurter Ostend blockieren wollte. Am Nachmittag demonstrierten rund 17 000 Menschen friedlich gegen die Folgen der Eurorettungspolitik. Politiker aller Parteien verurteilten die Krawalle. „Niemand hat das Recht, Polizei- und Feuerwehrbeamte an Leib und Leben zu gefährden“, sagte CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter nannte die Bilder brennender Polizeiautos „einfach nur beschämend“. Bayerns CSU-Innenminister Joachim Herrmann kündigte Konsequenzen für die Einsatzplanungen beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau im Juni an. Heute will sich der Bundestag mit den Krawallen befassen. (AZ) »Leitartikel und Die Dritte Seite ein Abgeordneter hat in der Verwandtenaffäre so hingelangt wie Georg Schmid. Er hat nicht nur seine Frau auf Kosten des Steuerzahlers beschäftigt, das haben andere auch getan. Das ist moralisch verwerflich und wurde, Gott sei Dank, inzwischen vom Landtag abgestellt. Doch Schmid hat auch noch mit illegalen Tricks die Geldtöpfe des Landtags geplündert. Und das, obwohl er einer der bestverdienenden Politiker Deutschlands war. Eine Verurteilung war unausweichlich. Dafür ist die Strafe milde ausgefallen. Andere sind für Sozialbetrug in dieser Höhe ins Gefängnis gewandert. Die eigentliche Strafe ist für den leutseligen Georg Schmid der gesellschaftliche Abstieg und der Bedeutungsverlust. Und eine echte Strafe besteht auch in der kräftigen Strafpredigt des Richters Michael Nißl. Es ist selten, dass in Bayern einem früheren CSU-Spitzenpolitiker so deutlich die Leviten gelesen werden. Aber der Prozess hat gezeigt, dass das Gericht allen Grund für die Standpauke hatte. Schmid wird durch die Affäre viel Geld verlieren. Er hat auch einen Teil seiner Ehre verloren. Doch nüchtern betrachtet kann er, auch mithilfe einer „fürstlichen“ Pension, angenehm weiterleben. Insofern ist er mit dem Urteil gut bedient. Heute in Ihrer Zeitung Netanjahu hat es eilig Nach seinem deutlichen Wahlsieg hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine schnelle Regierungsbildung angekündigt. In drei Wochen solle die neue Koalition stehen. »Politik In dieser Ausgabe Islamisten ermorden Touristen Gericht stärkt Mieter Terror Insgesamt 21 Tote bei Anschlag und Geiselnahme in Tunis Tunis Terroristen haben am Mittwoch das Nationalmuseum Tunesiens gestürmt und dabei 19 Menschen getötet, darunter 17 ausländische Touristen. Insgesamt starben 21 Menschen, 44 wurden verletzt. Unter den Toten wurden nach Regierungsangaben bislang vier Italiener, fünf Japaner, zwei Spanier, zwei Tunesier und zwei Kolumbianer identifiziert. Auch je ein Urlauber französischer, polnischer und australischer Herkunft seien gestorben. Die Identität eines Getöteten sei noch ungewiss. Auch zwei Attentäter sind nach Regierungsangaben umgekommen. Wie es am Nachmittag hieß, könnte auch ein Deutscher umgekommen sein. Das Auswärtige Amt in Berlin sagte dazu, man bemühe sich mit Hochdruck um Aufklärung. Der Anschlag löste auch international Entsetzen aus und wurde scharf verurteilt. Bewaffnete hatten am Mittag auf dem Platz, an dem Tunesische Spezialeinheiten stürmten Foto: dpa das Nationalmuseum. das Bardo-Museum und das Parlament liegen, willkürlich auf Touristen gefeuert und sie bis in das Museum verfolgt, sagte Tunesiens Ministerpräsident Habib Essid. Dort nahmen sie zahlreiche Urlauber als Geiseln. Die meisten der etwa 100 Besucher, die sich zu dieser Zeit im Museum aufhielten, konnten laut Innenministerium rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden. Tunesische Sicherheitskräfte, die das Gebäude zunächst umstellt hatten, beendeten am Nachmittag die Geiselnahme. Auf der Avenue Habib Bourguiba im Herzen der Hauptstadt versammelten sich am Abend tausende Tunesier, um ein Zeichen gegen den Terroranschlag zu setzen. (dpa) »Politik Wohnen Grundsatzurteile zu Renovierungskosten Karlsruhe Der Bundesgerichtshof hat die Rechte von Mietern beim Dauerstreitthema Schönheitsreparaturen an Mietwohnungen erheblich gestärkt. Wenn Vermieter eine Wohnung unrenoviert an Mieter übergeben, sind Klauseln im Mietvertrag zu fälligen Schönheitsreparaturen ungültig, heißt es in einem der drei gefällten Grundsatzurteile des höchsten deutschen Zivilgerichts. Mieter müssen in diesen Fällen weder während der Mietzeit noch beim Auszug die Wohnung renovieren oder für unterlassene Renovierungen Schadenersatz zahlen. Reparaturklauseln sind laut Gericht bei unreno- viert übergebenen Wohnungen nur dann zulässig, wenn der Vermieter dem Mieter für dessen Schönheitsreparaturen beim Einzug einen „angemessenen Ausgleich“ zukommen lässt. Eine halbe Monatsmiete für Streicharbeiten in drei Zimmern ist einem weiteren Urteil zufolge „kein angemessener Ausgleich“. Das Gericht in Karlsruhe stoppte damit die Praxis von Vermietern in Ballungsräumen wie etwa Berlin, die die Kosten für Schönheitsreparaturen unrenovierter Wohnungen oftmals auf Mieter abwälzen. Mehr zu den Mieturteilen lesen Sie auf Wirtschaft. (afp) » Wochenblatt extra mit: Leute vor der Kamera, Horoskop und vielen Informationen aus der Region. Kontakt Redaktionsleitung Allgäu (0831) 206-439 [email protected], Fax (0831) 206-123 Lokales Tel. (08341) 8096-41, Fax -55 [email protected] Anzeigen Tel. (08341) 8096-25, Fax -88 [email protected] Abo-Service Tel. (08341) 8096-70, Fax -96 [email protected] AZ Service-Center Josef-Landes-Straße 38, Kaufbeuren . 40012 4 190107 401605 Ihre Heimatzeitung 2 Wochen gratis ! Gehen Sie bestens informiert in den Tag – mit Ihrer Heimatzeitung Zwei Wochen kostenlos und völlig unverbindlich. 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