32 create Das System 180-Magazin für urbanes Leben, Design Systeme Was sie belastbar macht Die Kunst der Inszenierung Wie Räume zu Erlebnisräumen werden www.system180.com Farbe: Emotion und Wirkung Tempelhof: Lifestyle trifft Baudenkmal und Architektur 01/2014 startup.net System 180 ist Mitglied im Impressum Herausgeber: System 180 GmbH, Kärntener Straße 21, D-10827 Berlin, T: +49 30 788 58 41, F: +49 30 787 09 160 Chefredaktion: Volker Maier (verantwortlich i. S. d. P.) Gestaltung/Layout: Marit Roloff Redaktion: Rainer Janicki, Elke Jakubowski (Schlussredaktion) Druck: BUD – Brandenburgische Universitätsdruckerei und Verlagsgesellschaft Potsdam mbH © System 180 GmbH, Berlin Editorial Volker Maier, Chefredakteur create Das Ganze im Blick Liebe Leserinnen und Leser, »Never change a running system!« lautet der Rat, den wir gerne mantraartig proklamieren, wenn eine komplexe Aufgabe – oft mit erheblichen Anstrengungen – zum Erfolg geführt wurde und wir diesen Zustand gerne dauerhaft konservieren wollen. Das grundlegende Problem dieser Formel ist, dass sie voraussetzt, Systeme seien zwangsläufig stabil und nicht – wie leider oft der Fall – sensibel und störanfällig gegenüber vielfältigen Faktoren von innen und aussen. Aber nur ständige Kontrolle und gegebenenfalls Anpassung eines Systems an seine beeinflussenden Rahmen bedingungen macht es überlebensfähig und damit erfolgreich. Eine dauerhafte Herausforderung für alle, die ein System am Laufen halten wollen. Mit der vorliegenden Ausgabe von create laden wir Sie ein zu einem kleinen Exkurs in die Welt des systemischen Denkens und des systematischen Handelns. Unser Leitartikel räumt auf mit dem Mythos vom statischen System und hält ein Plädoyer für Reflexion, Offenheit und die Bereitschaft zur Weiterentwicklung. Die systematische Auseinandersetzung mit dem Thema Einrichtung kann den Aspekt Farbe nicht ausklammern. Begleiten Sie uns auf eine kleine Reise durch die Welt der Farbe, ihrer Bedeutung und Wirkung. Die erfolgreiche Inszenierung von Räumen erfordert das harmonische Zusammenspiel von mehreren Subsystemen in einem großen Ganzen. Der Designer, Ausstellungsgestalter und Architekt, Professor Jürg Steiner, gibt in einem Interview Einblicke in sein Schaffen. Auch die Eventbranche kommt ohne einen systemischen Ansatz nicht aus. Damit sich die anspruchsvolle, internationale Modeszene in Berlin wohlfühlt, inszeniert sich die BREAD & BUTTER zweimal im Jahr sehr erfolgreich im ehemaligen Flughafen Tempelhof. Wir hoffen, dass Ihnen diese Ausgabe von create gefällt und wünschen gute Unterhaltung beim Lesen. Ihr create Inhalt Systeme Faites vos jeux – im Spiel des Lebens Ist die Welt und unser Leben in ihr Bestandteil vieler ineinandergreifender Systeme, und wenn ja, sind wir ihnen ausgeliefert oder können wir sie überlisten? Weshalb Anpassung auch Überlebenshilfe sein kann ... Seite 6 © Getty Images © DER SPIEGEL / Michael Bernhardi Farbe Die Welt zwischen Licht und Finsternis »Bleiben wir dem Weiß verpflichtet oder umgeben wir uns mit Farbe?« scheint nur auf den ersten Blick eine einfache Frage zu sein. Was Farbe überhaupt ist und was sie vermag ... Seite 14 Interview Professor Jürg Steiner Ob in Kirchen, Gefängnissen oder in Museen – seine Leidenschaft gilt der Inszenierung von Räumen. Prof. Jürg Steiner gibt Einblick in sein Schaffen ... © Jürg Steiner Seite 24 BREAD & BUTTER 2013 Wenn Baudenkmal auf Lifestyle trifft Was tun, wenn man am längsten Baudenkmal Europas nichts verändern darf, der Flughafen Tempelhof aber gleichzeitig zur idealen Location der Modemesse BREAD & BUTTER werden soll? Wie System 180 mit Bravour eine Sommerund Winterlösung fand ... © BREAD & BUTTER Seite 32 Foto: © Getty Images xxx xxx Über die Berechenbarkeit von Systemen Faites vos jeux – im Spiel des Lebens D as Drehen des Kessels wirkt fast schon hypnotisch. Dann kommt das Klackern und Rauschen der Kugel … jedes Stolpern über die Rauten quittieren die Nerven mit maximaler Anspannung … warten … warten … warten – vielleicht schwarz? Vielleicht rot? Die Zahl, das Feld? Der ganz große Gewinn? Die Kugel schert sich einen Dreck darum und macht was sie will. Dabei war das System so todsicher geglaubt, sah alles ganz einfach aus: Alle Einzelheiten bekannt, die Vorgänge auch. So erklärt man ein System. Und wer das System kennt, gehört automatisch zu den Gewinnern, oder? Das glauben die Menschen seit nahezu 300 Jahren und haben noch immer kein System gefunden, einen Roulettetisch zu ihren Gunsten zu nutzen. Zumindest keines, das nicht unmittelbar mit Hausverbot geahndet wurde oder direkt ins Gefängnis geführt hat. Ausnahmen bestätigen zwar die Regel, doch üblicherweise gewinnt der, der das Casino betreibt. Denn am Black-JackTisch nebenan sieht’s nicht anders aus. Scheitelpunkt der Gaußschen Normalverteilung befindet? Ob seine abstruse Steuererklärung angenommen wird oder vielleicht doch eine saftige Nachforderung droht? Anders ausgedrückt: Auch wenn sich Systeme mitunter gut berechnen lassen, gehört man trotzdem entweder zu den Gewinnern oder Verlierern – und das reduziert die Möglichkeiten ganz drastisch auf eine 50:50-Chance. Auch beim Steuersystem Wer das System kennt, hapert es zuweilen mit der gehört automatisch zu den Wer sich aber auch damit List: Vom Grundgedanken Gewinnern, oder? wagemutig arrangiert, sieht her klar strukturiert, einfach sich möglicherweise und zu durchschauen und demurplötzlich mit einem schwarzen Schwan konnach ebenso einfach zu überwinden – denkt frontiert – einem statistischen Ausreisser, der sich zumindest der Normalverbraucher. Wohin wohlweislich definiert ist, um das ganze System die Kugel fällt, ist hier allerdings eine Frage der nicht kollabieren zu lassen. Kontrolle, eine statistische Größe, die zwar beruhigend, aber andererseits auch irritierend ist. Das entspricht in etwa der Qualität eines MauDenn Statistik sagt nichts über aktuelle Realitärers, der rundheraus behauptet, seine Mauer ten aus: Wer weiß schon, ob er sich gerade im könnte auch ebensogut einstürzen, statt ein auf- oder absteigenden Bereich oder sogar im 8 Haus, eine Brücke oder was auch immer zu tragen. Das alarmiert natürlich die An- und Bewohner, die zahlreiche Vorsorge- und Rettungsmaßnahmen einleiten, womit wir uns vom Roulettetisch über den Bau- zum Bankensektor bewegt haben. Casino Royal Der Finanzsektor ist allerdings – man ahnt es schon – sakrosankt oder besser: systemrelevant vor dem Kollaps per Definition durch das übergeordnete System geschützt. Schwarze Schwäne sind dort nur graue Theorie. Im richtigen Leben aber, im Casino Royal, sind statistische Ausreisser mit ungeheuer zerstörerischer Kraft die bittere Realität. Deswegen gehen Casinozocker auch öfter mal zu Fuß nach Hause, Volkswirtschaften pleite und Oma ihr klein Häuschen flöten … xxx Schöpfung, die Dinge, die wir geschaffen haben, auch beherrschen? Oder entwickeln Systeme ein Eigenleben? Letzteres trifft zumindest öfter auf Computer zu. Auch beim Recycling Entwickeln Systeme stehen wir angesichts W ie aber funktionieren ein Eigenleben? ganzer Batterien unterdie ganzen Systeme schiedlicher Mülltonnen um uns herum? Gesellimmer wieder vor neuen Herausforderungen. schaftssysteme, die freie Marktwirtschaft, TaTarifsysteme des öffentlichen Nahverkehrs rif- und Einrichtungssysteme, Recycling-, und verstehen wir in aller Regel schon gleich gar Computersysteme? Können wir, die Krone der nicht. Mit Einrichtungssystemen machen wir, was wir wollen. Gesellschaftsysteme sind nur soweit tauglich wie unsere Ideen davon, deren Realisierung wir täglich überprüfen können. Ist das Anarchie? Oder liefern wir den Systemen damit kontinuierlich neuen Input, an dem diese sich messen (und auch scheitern) können? Systeme haben immanente Regeln, an die sie sich per Definition mit stoischer Gelassenheit halten: Aktion A hat Reaktion B zur Folge. Das ist allerdings eine rein mechanische Sicht, die 9 Rien ne va plus Ein System, sagt der Brockhaus, ist ein ganz heitlicher, regelhaft strukturierter Zusammenhang von Einzelheiten, Dingen oder Vorgängen. Kennen wir die Einzelheiten und die Regeln, können wir das System erklären. © Getty Images Können Systeme kreativ sein? Sind wir also einfach nur nicht in der Lage, die zum Beispiel die Humanmedizin seit JahrhunPerspektive zu wechseln? Oder fehlt uns die derten versucht zu etablieren. Anderslautende Zeit, um WahrscheinlichAnsichten wurden auf keiten abzuwarten und den Scheiterhaufen der Sind wir einfach nicht in d a v o n z u p ro f i t i e re n ? Geschichte verbrannt. der Lage, die Perspektive Oder ist unser PerspekWer in dem Ganzen zu wechseln? tivwechsel für diejeniaber mehr sieht als die gen, die sich im System Summe der Einzelteile, bewegen, schlicht und ergreifend nicht nachhat es mit dynamischen Prozessen zu tun und vollziehbar? Kurzum: Können Systeme kreativ vor allem einer ganz anderen Perspektive, eisein? ner Außenansicht nämlich. Seit Kopernikus wissen wir demnach, dass die Erde doch keine Scheibe ist und weiß Gott nicht im Zentrum des Universums steht. Warum? Weil Kopernikus gewohnte Wege verlassen, eine neue Perspektive gesucht hat. Eine Außenansicht. Auch Einstein hat sich bemüht, die Dinge von außen zu betrachten und dabei revolutionäre Erklärungen geliefert, die nach unserem Wissen erst einmal das Maß der Dinge sind. So wie zuvor die Erklärung der Erde als Mittelpunkt des Universums. Damit sind die Dinge vorerst schön geordnet, systematisiert und in ihren Dimensionen verankert. Bringt uns diese Erkenntnis aber weiter, wenn wir mit unserem Müll ratlos im Wertstoffhof stehen? © Edina Tokodi / mosstika.com 10 Das Auto ist ein System voller Systeme. Dass sich die Fesseln ganz leicht sprengen Präzise wie ein Uhrwerk, in dem jedes Rädlassen, zeigen ökologische Systeme, die nach chen seine Funktion hat und mit anderen interDefinition gar keine Systeme sind, weil sie nicht agiert. Entsprechenden Nachschub von Benzin regelhaft strukturiert sind: Zufällige Mutationen und Öl vorausgesetzt, verfolgt es ein mechaoder Störungen der Beziehungen untereinnisches Prinzip: Es fährt und fährt und fährt. ander oder in der Umgebung können jederWas so allerdings nicht ganz richtig ist: Der zeit zu neuen Regeln und Strukturen führen. Motor ist es, der unentwegt läuft und d adurch Das hat schon etwas Anarchisches und lässt etwas antreibt – oder einfach nur sinnlos Öl sich tage in, tagaus vor der eigenen Haustür und Benzin verbraucht. Egal. In jedem Fall beobachten: zum Beispiel im frisch anges t e h t e r i n We c h s e l legten Komposthaufen, wirkung mit mindestens einem Mikrokosmos für Fällt ein System aus, hat dies einem anderen System, Mikrosysteme, der sich unweigerlich Konsequenzen für das wiederum mit je – je nach Zutaten – ganz alle anderen. weils ganz anderen anders entwickeln wird. Systemen in Wechselwirkung steht und so weiter und so fort. Rund um den Globus können wir beobachten, Fällt eines davon aus, hat dies unweigerlich wie unsere hochtechnisierte Welt einen vorKonsequenzen für alle anderen: Fallen dem mals gemütlichen Lebensraum im Handum Fahrer, dem Menschsystem, zum Beispiel die drehen in eine feindliche Todeszone verwanAugen zu, knallt das ganze Ding in die Leitdeln kann. planke, was Entwickler dazu anspornt, auto © iStockphoto.com/RonfromYork 11 matische Fahrsysteme zu entwickeln. Setzen sich Elektrofahrzeuge durch, wird’s eng für erdölexportierende Länder, die sich neue Einnahmequellen suchen müssen. Wenn die anderen, die nach- oder übergeordneten, damit zusammenhängenden Systeme offene Systeme sind, werden sie mit Veränderungen umgehen können, einen Ausfall überleben. 12 »Alles wird gut!« – dachte sich auch der Hamster in seinem Laufrad, »wenn ich nur erstmal das Ende der Leiter erreicht habe«. Eine Wirtschafts- und Finanzkrise, in der jemand alles verliert, ist seine persönliche Innenansicht, ein schwarzer Schwan. Die Außensicht: In der statistischen Gesamth eit entwickelt sich das System weiter, baut Sicherungen ein, verändert Bedeutungen, setzt neue Schwerpunkte. optimistisch durch die, wie er meinte, beste aller denkbaren Welten stolpern ließ. »Alles wird gut!« – dachte sich auch der Hamster in seinem Laufrad, »wenn ich nur erstmal das Ende der Leiter erreicht habe«. Die Frage ist: Wohin steuern Systeme? Gibt es diese eine, alles dominierende Alpha-Idee? Die beste aller denkbaren Welten Oder wird das Ziel nicht vielmehr in jedem Augenblick neu definiert, von Gesellschaften, Für offene Systeme geht es also im Prinzip Abhängigkeiten und (künstlichen) Intelligendarum, neue Regeln und Strukturen zu finden, zen geprägt? Die Geschichte zeigt, dass Menauf zufällige Mutationen zu reagieren und sich schen ab einem gewissen dementsprechend weiterPunkt auch ganz anders zuentwickeln bzw. neu zu Wieder zurück, alles auf agieren können … organisieren. Lineare ProAnfang. Faites vos jeux! gression und Routine? Offene Systeme sind in der Lage, Input zu verarbeiten, mit laufenden Gesellschaften nehmen für sich gerne in AnVeränderungen umzugehen, kreativ zu sein – spruch, Bewährtes zu bewahren, in Erinne also Dinge einbinden zu können und daraus rungen zu schwelgen. Von der Natur wird Neues zu schaffen – oder auch aussterben das Prinzip aber nur müde belächelt, denn zu lassen. So, wie unsere Spezies den auf Veränderung hätte dann keine Chance mehr. rechten Gang, das Feuer, die Maschinen ent Das natürliche Prinzip ist eher ziemlich radikal: wickelt hat und sich selbst – aller Voraussicht Was nicht passt, wird modifiziert oder in einen nach – wieder abwickeln wird. Das Universum neuen Kontext gestellt – immer weiter, immer wird trotzdem immer weiter expandieren – und höher, immer schneller? vermutlich eines Tages auf sich selbst zurückfallen, weil es eben doch nur die Form eines Bewertungen sollte man dabei besser außen riesigen Doughnuts hat, einer zirkularen Skala: vor lassen. Das hat schon Voltaire erkannt, der Wieder zurück, alles auf Anfang. Faites vos jeux! seinen Candide im 18. Jahrhundert reichlich Sofern man also nicht in einem statischen System lebt, muss man nicht umkehren, um an den Ort der Überzeugung zurückzugelangen. Wir drehen uns unablässig weiter, ohne Stillstand. 13 © Getty Images Und trotzd em bleibt dieser Ort stets in Sichtweite und erreichbar, liegt zugleich hinter und vor uns! Wussten Sie übrigens, dass System 180 viel mehr als ein Einrichtungskonzept, nämlich ein offenes Raumsystem ist, das Ihren persönlichen Regeln folgt? Ein Subsystem, das sich in Ihr Umgebungssystem integriert, um als Teil des Ganzen immer wieder an den Ursprung zurückzukehren … Alles nur eine Frage der Per spektive und der richtigen Verbindung! 14 wollen, oder ist Farbe nicht auch ein Lebensbedürfnis des Menschen? Schauen wir uns also um in der Welt der Farben, ehe wir neue Experimente wagen. Farbe ist der Reichtum des Lebens ... ... und das Salz in der Lebenssuppe. Das gilt für Flora und Fauna, wozu der Mensch sich als Krönung zählt, obwohl er eher farblos daherkommt. Kein leuchtendes Fell, kein buntes Gefieder, keine exotische Maserung, die ihm zur Verfügung stünde, um zu signalisieren: Ich bin interessant, oder wahlweise: Ich bin gefährlich! Was © iStockphoto.com/fpm M ag sein, wir nutzen die Ruhe eines Urlaubs, beginnen einen neuen Lebensabschnitt oder beginnen – einfach so! – uns irgendwann ganz schlicht zu fragen, warum wir eigentlich seit Jahren in ewig weißen Wänden leben, während das Leben doch ziemlich bunt daherkommt. Vielleicht gerade deshalb? Weil wir den Rückzug in die Ruhe, in Reinheit und eine friedliche Atmosphäre brauchen. Oder die ersten Farbexperimente mit flaschengrünen Wänden und schokoladenbraunen Fensterrahmen uns irgendwann gehörig auf die Nerven gingen und wir in eine neue Uniformität flüchteten. Und so hocken wir nun in ungestörter Neutralität, mal mehr, mal weniger zufrieden. Dabei haben Viele die Freiheit der eigenen vier Wände; kein Vermieter, der sie auf Farblosigkeit festnageln könnte. Was spricht also gegen: Ruder rum und »alles auf Farbe«? bei Fliegenpilzen, Wespen, Tigern oder Vögeln und Fischen zur »Grün macht glücklich« verheißt die Headline eines Journals, Grundausstattung gehört, steht uns nicht zur Verfügung. Neutral das sich dem Bereich Wohnen, Lifestile und Ästhetik widmet. und angepasst, wie wir Menschen daherkommen, scheint es eiAha ..., aber war es nicht unlängst Gelb? Oder Orange? Wer gentlich in der Logik der Dinge, in Harmonie mit der Umwelt leben sich aufmacht, die Farbe für sich zu entdecken, wird schnell zu sollen und uns Farbe und Ausdruck verzweifeln, wenn er auf seiner Suche von außen in unser Leben zu holen. Zu nach dem idealen Ton beginnt, in einWas bei Fliegenpilzen, Wespen, keiner Zeit waren die Bedingungen dafür schlägigen Gazetten zu blättern. Denn Tigern oder Vögeln und Fischen zur günstiger als heute, da wir sie nicht mehr hier wird ein sich ständig wechselnder Grundausstattung gehört, steht uns aus Naturstoffen, Pflanzen, Ruß oder Blut Zeitgeschmack zum Programm und nicht zur Verfügung. mühselig und teuer herstellen müssen. hält ein System am Laufen, das aus »schneller, bunter, in jedem Fall aber Genau genommen aber existieren Farben gar nicht, sie sind ein neuer« besteht. Das scheint nicht anders als bei den zahllosen Produkt unserer Sinneswahrnehmung, die unser Sehsinn aus Einrichtungstrends, die uns alle Jahre wieder neue Wege weider wahrgenommenen Schwingung und Energie des Lichts ersen. Ist das Leben mit Farbe also nur einer der üblichen Tricks, zeugt. eine Richtung, in die uns geschickte Marktstrategen lenken Über die Wirkung von Farbe DieWelt zwischenLicht undFinsternis Farbstudie von System 180 für neue Dekore 16 © iStockphoto.com/manx_in_the_world Farben wirken über drei Ebenen auf uns ein: assoziativ, symbolisch und physikalisch über Schwingung und Energie. Was macht die Farbe mit uns? Die Lehre der Farben Isaac Newton mit seinem Spektralfarbkreis gilt als eine Art Urvater der Farblehre. Er folgte der physikalischen Erkenntnis der Lichtbrechung und fand dafür Anhänger und Epigonen, aber auch Gegner wie Goethe, der seine eigene Farbenlehre entwickelte, der die wissenschaftliche Anerkennung jedoch versagt blieb. Dennoch blieb er überzeugt, es sei eine Grenze notwendig, um eine Farbe hervorzubringen und folgerte daraus seine Kernthese, dass die Farben generell zwischen Hellem und Dunklem, respektive Licht und Finsternis entstehen. © Gala-Salvador Dalí Foundation Man kann ihr nicht entgehen, sie beeinflusst uns, ob wir wollen oder nicht. Farben wirken über drei Ebenen auf uns ein: assoziativ, symbolisch und physikalisch über Schwingung und Energie. Greifen wir uns die Farbe Rot als eine Art Urfarbe heraus, so assoziie- ren wir mit ihr seit alters Blut, Feuer und Liebe, aber auch Gefahr. Symbolisch wurde Rot zur Farbe des Mutes, der Kraft und des Krieges, und auch Kirche und Politik bemächtigten sich ihrer. Bis Ende des 19. Jahrhunderts trugen z. B. in Europa Soldaten rote Röcke und Uniformen, Henker trugen Rot, und bis heute gewanden sich oberste RichMan kann ihr nicht entgehen, ter in rote Talare. Die physikalische Wirkung sie beeinflusst uns – ob wir der Farbe Rot polarisiert, sie aktiviert Kräfte, wollen oder nicht. verursacht aber auch nervöse Zustände. Philipp Otto Runge, ein Zeitgenosse Goethes, entwickelte ein Farbsystem, das reichlich hundert Jahre später im Bauhaus auf große Ankerkennung stieß, und von den Malern Johannes Itten und Paul Klee aufgegriffen wurde. Johannes Itten beschäftigte sich intensiver mit Runge, modulierte dessen Farbkugel und bezog in sein Modell die Komplementärfarben mit ein. Nachdem die Maler des Bauhauses »die Farbe einmal für sich entdeckt hatten«, blieben Itten und Klee dieser lebenslang in besonderer Weise verpflichtet, die Kunstwelt nimmt daran noch heute begeistert Anteil. Generell wird zwischen kalten und warmen Farben unterschieden, und natürlich werden auch den übrigen Farben Bedeutungen und Wirkungen zugeschrieben, viele Farben haben ambivalente Wirkungen, wie am Beispiel Rot gezeigt. Nur wenige haben durchgängig positive Wirkungen wie etwa Gelb. Oder eben: Weiß ... 17 Linke Seite oben: Red-Blue-Chair von Gerrit Rietveld, 1917 Linke Seite Mitte: Sofa »Lips Of Mae West« von Salvadore Dalí, 1937 Rechts: Regal System 180 18 © iStockphoto.com/Nikada © iStockphoto.com/archimobil 19 Ein bewusst platziertes farbiges Möbel vermag verblüffende Effekte zu erzielen. Mitunter gelingt der Coup, dass Farbe »zum Design an sich«, zum unverkennbaren Identitäts-Code wird und durch Wiedererkennung jedes weitere Dekor oder Einzeldisziplinen wie Typographie nahezu auszuschalten vermag, wie es beispielsweise in der Spektralfarben-Reihe des Suhrkamp Verlages der Fall ist. Aber auch Post-Gelb, Telekom-Magenta, Milka-Lila oder NiveaBlau wissen ihre Erfolgsgeschichten zu erzählen. Dass kalte Farben Distanz schaffen, beruhigend und kühlend wirken, ist ebenfalls als gesicherte Erkenntnis zu nehmen – günstig in heißen Landstrichen. Die empirische Feldforschung in blau gestrichenen Schlafzimmern hat allerdings gezeigt, dass die in ihnen schlummernden überarbeiteten Menschen auch alles Weitere vergaßen ... Grün wirkt erfrischend, steigert die Konzentration und dämpft die Angst. Macht also glücklich? © DER SPIEGEL / Michael Bernhardi Mitte: Treppenhaus in Paris Rechts: die SPIEGEL-Kantine von Verner Panton, 1969 Die Farbe im Wohnbereich Auch hier herrscht eine verwirrende Vielfalt der Erkenntnisse, zumal auch Einflüsse aus anderen Kulturkreisen in den unseren einfließen, wie die wachsende Zahl der Feng-Shui-Anhänger zeigt. Die Tücke liegt mitunter im Detail, denn Weiß z. B. ist auch hier ein Symbol der Reinheit, aber im Gegensatz zu unserer PositivBelegung auch die Farbe der Trauer, weswegen sie in Asien im Wohnbereich eher gemieden wird. Fakt ist: Helle Farben weiten Räume, während dunkle sie einengen, aber auch Geborgenheit vermitteln können. Ob das auch für Schwarz gilt, ist zu bezweifeln, und so wußte Goethe zu warnen: »Freunde, flieht die dunkle Kammer, wo man euch das Licht verzwickt ...« Dennoch schien in der Phase der Farbexperimente des Dessauer Bauhauses nichts tabu, und so gab es im Meisterhaus Muche-Schlemmer das Experiment »schwarzes Schlafzimmer«. Muche floh schon nach der ersten Nacht. Warme Farben dagegen schaffen Nähe und eine anheimelnde Atmosphäre. Sie wirken anregend und aktivierend – günstig in kalten Landstrichen, denn die Raumtemperaturen werden um einige Grad höher empfunden. Die Suche nach dem idealen Ton ... ... gestaltet sich schwierig, soviel ist gewiss. Da das menschliche Auge bis zu 10 Millionen Farben zu unterscheiden vermag, gibt es unzählige Varianten der Farbgestaltung. Materialien, Texturen und Lichteinfall lassen ein und denselben Farbton in unzähligen Schattierungen erscheinen. Sehr verwirrend, vor allem, wenn man dann noch versucht, die Bücher in den Regalen und die Bilder an den Wänden ins neue Farbkonzept mit einzubeziehen. Ohne dem neuen Gestaltungsdrang ein farbliches System zugrunde zu legen, erscheint ein befriedigendes Ergebnis eher dem Zufall überlassen. 20 Da erinnern wir uns lieber des Mottos »weniger ist mehr«, lassen die Wände klassisch weiß und setzen stattdessen gekonnt farbige Akzente. Ein bewusst platziertes farbiges Möbel vermag verblüffende Effekte zu erzielen und ist weit mehr als »nur« Eyecatcher, was zahlreiche farbige Möbelklassiker beweisen. Aber insgesamt gilt Gropius’ Motto von der »Lieblingsfarbe bunt« für Möbelhersteller eher nicht. Deshalb sehen selbst ausgewiesene Experten in der Entwicklung eines Farbkonzepts eine Herausforderung, da sie bislang 90 Prozent ihrer Produkte in Schwarz oder Weiß verkaufen. Nur wenige stellen sich der Herausforderung und entwickeln ein Farbkonzept. System 180 hat sich 2013 dieser Aufgabe gestellt. In einem mehrstufigen Auswahlverfahren wurden die neuen, farbigen Unidekore bestimmt. Sie bieten jetzt die Möglichkeit, im heimischen oder gewerblichen Bereich Highlights oder Akzente zu setzen. Das eröffnet ganz neue Optionen bei unserem Versuch, Farbe in unser Leben zu holen. Jetzt müssen wir nur noch anfangen ... Foto: © LAGO - Air Sofa, design by Daniele Lago »Die Farbe hat mich. Ich brauche nicht nach ihr zu haschen. Sie hat mich für immer.« Paul Klee ▲ 21 System 180 stattet media.net Lounge beim animago 2013 aus Das Medien-Netzwerk media.net bot, gemeinsam mit der ZukunftsAgenturBrandenburg (ZAB) und Berlin Partner, regionalen Firmen und Institutionen die Möglichkeit, sich unter der Überschrift »VFX & Animation – Made in Berlin-Brandenburg« dem internationalen Publikum zu präsentieren. Zentrum der über 100 m2 großen und von System 180 ausgestatteten Lounge war ein u-förmiger BarCounter in Signalrot, der die Besucher zu Erfrischungen und Networking-Gesprächen einlud. An Stehtischen und gemütlichen Sitzgruppen konnten sich potenzielle Partner und Kunden austauschen. Bereits zum fünften Mal war der animago zu Gast in Potsdam-Babelsberg. Die Teilnehmerzahl sowie das positive Feedback von nationalen und internationalen Besuchern zeigen, dass sich die Veranstaltung auf hohem Niveau etabliert hat. Wir freuen uns über ein weiteres Medien-Highlight in der Region und auf viele erfolgreiche Produktionen – Made in Berlin-Brandenburg. ▲ Der animago AWARD & CONFERENCE ist die wichtigste Networking-Plattform Deutschlands für die digitale Medienproduktion. Mit rund 1.000 Besuchern, 40 hochkarätigen Referenten und elf glück lichen Gewinnern war auch die diesjährige Veran staltung ein voller Erfolg. Table DT-Line mit einem Focus Open in Silber ausgezeichnet Der Team-Steh-Arbeitstisch der DT-Line wurde in einer Kooperation von System 180 mit der HPI School of Design Thinking am Hasso-PlattnerInstitut Potsdam (D-School) speziell für die Design Thinking-Methode entwickelt. Beim Internationalen Designpreis Baden-Württemberg überzeugte der einzigartige Tisch die Jury und wurde mit einem Focus in Silber gekürt. Mit seinen zwei Arbeitsflächen dient er Teams bis zu sechs Personen als Kommunikationsort, Materiallager und Zentrum für Zusammenarbeit. Die Tische stehen auf Rollen, sind leicht und stabil konzipiert, lassen sich einfach bewegen und dadurch vielseitig nutzen. Ergänzt werden die Tische der DT-Line durch ebenfalls speziell ent wickelte, multifunktionale Whiteboard-Raumteiler. Die DT-Line Whiteboards sind mobile Schreibtafeln, Pinnwände und Wandschirme zugleich. Bei Nichtgebrauch sind die Boards aufgrund ihrer Konstruktion besonders platzsparend stapelbar. Wir freuen uns über die Auszeichnung und danken dem Design Center Stuttgart für die damit verbundene Bestätigung der Qualität unserer Produkt entwicklung. 22 23 Interview mit Professor Jürg Steiner Designer, Ausstellungsgestalter, Architekt und Erfinder des System 180 Über die Inszenierung von Räumen Der Appetit kommt beim © Marit Roloff Im Gespräch: Prof. Jürg Steiner und Volker Maier © Werner Zellien Urhütte, Afrika – die Kunst eines Kontinents Lieber Jürg, der Blick zurück auf die letzten Monate deines Schaffens offenbart eine breite Themenvielfalt: Mit dem Buch »Himmel und Erde – Vertikalpanoramen sakraler Innenräume« versetzt du den Betrachter – wie es dein Kollege und Rektor Prof. Dr. Koch formuliert – in »ehrfürchtiges Staunen«. Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie hast du die Eignung des Gefängnisses des ehemaligen Präsidiums der Volkspolizei in Berlin für eine künftige Nutzung untersucht, nachdem es ein Ort war, der exemplarisch Mechanismen der staatlichen Machtausübung und der Herrschaftssicherung der DDR-Diktatur darstellte. »Das Erbe – Die Ausstellung zum Bergbau im Saarland«, die du kuratiert und mit System 180 realisiert hast, wurde ein voller Erfolg. F: Wo siehst du die thematische Klammer zwischen beispielsweise der Neresheimer Klosterkirche und einem Gefängnisbau der SED-Diktatur? Rechte Seite: Vertikalpanorama St. Jacobikirche Stralsund S: Die Klammer über allem ist die Inszenierung von Räumen als Bühne unterschiedlicher Programmatik. Sei es zur Huldigung Gottes, zur Inszenierung der Macht oder zur Bewahrung von Geschichte … Der Zusammenhang erschließt sich aus meinen © Jürg Steiner 25 Essen Hauptprofessionen: das Ausstellungsmachen und das Ausstellungsgestalten. Das Ureigene dieser Berufe ist das dreidimensionale Darstellen von Inhalten und das Präsentieren von Objekten. Dabei ist die theoretische Auseinandersetzung mit den Mechanismen von Inszenierungen genauso wichtig wie die konkrete Auseinandersetzung mit den Inhalten – und es ist ähnlich wie bei der Nahrungsaufnahme: Der Appetit kommt Die Klammer über allem ist beim Essen. die Inszenierung von Räumen als Bühne unterschiedlicher Ich hatte das Glück, Programmatik. in meiner Berufs praxis mit den unterschiedlichsten Themen konfrontiert zu werden, und rückblickend ist zu resümieren, dass es kein langweiliges Thema gab. Ob es ostasiatische Kunst in Berlin, Dortmund, Köln und Luzern war, das Thema Zucker im Brauerei-Museum in Dortmund oder im ZuckerMuseum in Berlin oder die Auseinandersetzung mit historischen Persönlichkeiten wie Alfred Krupp in Essen – jedes Thema ist auch ein neuer Wissensbaustein, und man schuldet den Auftraggebern Dank, sich mit einem Thema, das einem möglicherweise ferner liegt als beispielsweise Bier, intensiv befassen zu dürfen. Bleibt noch die Frage nach den Vertikalpanoramen. Man könnte sagen, dass ich mich als Vorbereitung für die große Landesausstellung »Der Naumburger Meister – Bildhauer und Architekt im Europa der Kathedralen« ab 2006 mit dem Abbild von sakralen Innenräu© Jürg Steiner 26 men befasste. Der Auftrag für diese Ausstellung kam allerdings erst Ende 2009. Natürlich hat mir bei der Erarbeitung der Ausstellung die vorhergehende Beschäftigung mit dem Vertikalpanorama dann geholfen. Anspruch war, einen Kirchenraum anders abzubilden, als er üblicherweise zu Grundsätzlich sind wir Papier gebracht wird und damit das, was Verfechter des planvollen man mit dem Auge sieht, auch in einer AbErarbeitens eines Themas. bildung sichtbar werden zu lassen. Insofern zielen dann doch alle Bemühungen auf ein Zentrum, nämlich das Wahrnehmen und Inszenieren von Räumen. Und kaum stößt man eine Tür auf, öffnen sich fünf neue, und das führt oft zum Grübeln, wie viel Neues eigentlich in diesem Leben noch zu entdecken sein wird. F: Lass uns doch ein bisschen teilhaben am Prozess deines Schaffens. Wie näherst du dich einer Aufgabe wie beispielsweise der Gestaltung einer Ausstellung zum Bergbau im Saarland? Was treibt dich bei deiner Arbeit an? Folgst du einem System? S: Jedes Projekt ist anders. Im Saarland kam der Auftrag sehr spät, und dem damaligen Geschäftsführer der veranstaltenden Industriekultur Saar GmbH, Karl Kleineberg, war daran gelegen, schon bei der ersten größeren Sitzung – vor der eigentlichen Auftragserteilung – ein komplettes Gestaltungskonzept zu haben. Dadurch war die übliche Arbeitsweise – sich in ein Thema einzuarbeiten, zu recherchieren und daraus erst einmal eine Basis zu schaffen – nicht gegeben. Wir gingen also vom äußeren Rahmen aus, das heißt, von der Idee, einen Raum in Strecken, Stollen und Querschläge zu gliedern und einen sinnfälligen Rundgang zu formulieren. Dass am Schluss sämtliche vertikalen Bauteile – bis auf die Rampe, die aus System 180 gefertigt ist – aus Glas sein würden, war am Anfang noch nicht abzusehen. F: Was war denn der Grund dafür? Vertikalpanorama ehemaliges Polizeigefängnis Keibelstraße © Jürg Steiner S: Es gelang, ein modulares System zu entwickeln, das auf 1 x 1 m großen Sicherheitsglasscheiben basierte. Nach der technischen und ästhetischen Bemusterung konnten die üblichen architektonischen Arbeitsphasen realisiert werden, indem endgültige Form, Ausschreibung, Vergabe nach öffentlichen Richtlinien 27 und Aufbau erfolgten. Grundsätzlich sind wir Verfechter des planvollen Erarbeitens eines Themas. Das schließt nicht aus, dass man bei Auftreten von Unvorhergesehenem improvisieren können muss. Die Erfahrung und Routine, die wir uns im jahrelangen Schaffen in unterschiedlichen Projekten und Thematiken erarbeitet haben, ist dabei aber hilfreich. F: Inwieweit bietet der Einsatz eines Bausystems wie dem System 180 bei deiner Arbeit eine Einschränkung oder Erleichterung? © Jürg Steiner S: Die Frage ist treffend, weil beides, also Einschränkung und Erleichterung, wirkt. Zum einen ist es natürlich erfreulich, dass das System 180 sehr vielseitig einsetzbar ist. Zum anderen gibt es aber auch Anforderungen, die sinnvollerweise nicht in System 180 erstellt werden. Wenn wir noch einmal auf die Ausstellung »Das Erbe – die Ausstellung zum Bergbau im Saarland« zurückkommen, so haben wir dort die Grundstruktur, also Wände, die auch als Vitrinen fungieren können, selbsttragend aus Glas gebaut. Lediglich die Beschläge in Form von Schlägel und Eisen halten die Glasplatten zusammen. Man hätte diese Vitrinenwände möglicherweise auch aus System 180 bauen und dann verglasen Das erste Objekt aus Rohren stellungssystem entwickelt worden. Das können; aufgrund der selbstragenden mit flachgepressten Enden war stimmt nur bedingt. Das erste O bjekt Eigenschaft von Glas wäre System 180 ein Regal für mich zu Hause aus Rohren mit flachgepressten Enden in den Vitrinen dann gleichsam Tara in der Bleibtreustraße. war ein Regal für mich zu Hause in der geworden. Ich glaube, dass das System Bleibtreustraße. Ich wollte ein selbst 180 von allen Stabbauwerken das am konstruiertes Regal haben und wollte einer Idee, die schon universellsten einsetzbare ist, aber es bleibt ein Stabwerk, und einige Jahre in meinem Kopf geisterte, freien Lauf lassen. nicht alle konstruktiven Ideen können mit Stabwerken hergestellt werden. Das heißt: Die Wurzeln des Systems liegen – wie ja auch das 180 mm Raster nahelegt – im Möbelbau. Da aber die meisten Es gibt auch Fälle in der Geschichte von System 180 – ich denke meiner Aufträge im Ausstellungs da an die Gestaltung der »Urhütte« für die Ausstellung »Afrika – wesen waren, lag es nahe, alle ausdie Kunst eines Kontinents« 1996 im Martin-Gropius-Bau Berlin –, Die Wurzeln des Systems liegen – stellungstechnischen Anforderungen bei denen man die Meinung vertreten kann, dass das System wie ja auch das 180 mm Raster erst einmal unter dem Blickwinkel zu 180 letztlich eine Aufbauhilfe war und es sich beim eigentlichen nahelegt – im Möbelbau. prüfen, ob sie denn mit System 180 Baukörper um ein Gewölbe aus flächigen, abgekanteten Blechzu bewerkstelligen wären. Für meinen kassetten handelte. Freund, den Ausstellungsmacher Christos Joachimides, konnten wir Raumtrenner, Stellwände, verglaste Tonnendächer, aber Oft – auch in der Selbstdarstellung von System 180 – ist davon auch seine Büroausstattung in System 180 erstellen. die Rede, System 180 wäre Anfang der 1980er Jahre als Aus- 28 © Jürg Steiner Das Erbe – die Ausstellung zum Bergbau im Saarland Für meine Dortmunder Freunde, die Museumsdirektoren Wolfgang Weick, den verstorbenen Ingo Bartsch und Heinrich Tappe konnten wir Eingangspavillons, Vordächer, Wände, Vitrinen, Shops und Hochregallager in System 180 bauen. Dies Überall dort, wo Aufgaben mit einem sind nur einige Beispiele von vieStabbauwerk gelöst werden können, len. Es gibt nur Einen in meinem kann das System 180 schlüssige Bekanntenkreis, dessen Namen Entwurfsparameter bieten. ich hier nicht nenne, der sagt, in sein Haus käme kein System 180. Bis jetzt hat dies unsere freundschaftliche Verbundenheit nur leicht getrübt (lacht). Überall dort, wo Aufgaben mit einem Stabbauwerk gelöst werden können, kann das System 180 schlüssige Entwurfsparameter bieten. F: In deinem Buch »System 180 Bauwelten« zeichnest du das Bild von den »Räumen, in denen wir leben, als Museumssäle, in den wir entweder Exponate oder Besucher sind«. Wenn du dich heute so in den »Museumssälen« umsiehst, gefällt dir dann, was du als »Publikum« geboten bekommst? S: Jeder ist heute sein eigener Regisseur. Jeder weiß, wie seine Diplomarbeit auszustellen und zu präsentieren ist. Jede Tapete, jeder Stuhl und jedes Schreibgerät ist Teil der persönlichen Inszenierung – das geht weit über sogenannte Statussymbole hinaus. Alle Gedanken, die wir uns im Großen gleichsam allgemeingültig machen, sind im Kleinen bereits gedacht. Manche sind stolz auf ihren Auftritt; andere merken nicht einmal, dass sie einen haben. F: Und so ist die Inszenierung dann teils gewollt und teils unfreiwillig, denn – frei nach Watzlawick – man kann nicht nicht inszenieren. 29 nen. Dass das einen Rückschluss auf mich zulässt, befürchte ich S: Ja, du gibst das richtige Stichwort. Mein Interesse jedoch gilt durchaus. Es sind die Räume eines Menschen, der nach Neuem mehr dem grand spectacle. Ulrich Borsdorf, der langjährige Direksucht, der Ideen ausprobiert und so lange daran herumtüftelt, bis tor des Ruhr Museums in Essen, sagt gern, dass das einzige, was sie verbindlich gescheitert oder erfolgin den Museen störe, das Publikum wäre. reich veröffentlicht sind. Da kann ich sehr Und ist es im Leben nicht genauso wie im Insofern sucht man sich doch beharrlich sein. Andererseits zeigt die Museum: Man kann sich das Publikum, wiederum im Museum und im Leben Erfahrung, dass wenn man die unvollendas sich im eigenen Werk aufhält, nicht die Orte aus, in denen Menschen ein deten Objekte nicht im Auge behält, sie aussuchen. Das Museum wird ja gerne vergleichbares Ziel haben. irgendwann verschwinden und keiner als außerschulischer Lernort bezeichnet. weiß, wo sie geblieben sind. Meine FaUnd in der Tat geht man ins Museum milie muss manchmal tapfer sein im Aushalten der zum Teil nicht nicht nur, um Fun und Distraction geboten zu bekommen, sondern ganz pflegeleichten Wohnobjekte. um etwas auf andere Weise zu sehen als beispielsweise im Fernsehen oder in der Zeitschrift, und man ist sich dessen bewusst, dass Meine persönlichen, F: Wenn du heute noch einmal ein Bausysdort andere Menschen sein können. Immerhin weiß man, dass sie privaten Räume sind eher tem entwickeln müsstest, worauf würdest einen ähnlichen oder sogar den gleichen Antrieb haben wie man ein Prototypenmuseum. du besonderen Wert legen? Was würdest selbst. Insofern sucht man sich doch wiederum im Museum und du anders machen? im Leben die Orte aus, in denen Menschen ein vergleichbares Ziel haben. So sieht man beispielsweise in einem Kunstmuseum ein S: Seit der Beschäftigung mit System 180 habe ich mehrere Sysanderes Publikum als in einem Technikmuseum. teme entwickelt, produziert und zum Teil wieder eingestellt. Es gibt beispielsweise eine Blechmöbelserie, an der ich seit zehn Für Museen zitiere ich da immer gerne meinen Mentor Gottfried Korff, der sagt, das Museum wäre ein Omnibus im eigentlichen Sinn des Wortes, also für alle da. Das Bedürfnis im Museum ist ein anderes als im Supermarkt, und schon ist man in der beliebten Zielgruppendiskussion, an der ich mich im Allgemeinen nicht gern beteilige. Bazon Brock spricht von der Musealisierung Europas; er möchte uns alle zu Museumsaufsehern schulen, damit wir in Zukunft die Chinesen und Inder durch die Geschichte Europas führen. Für ihn ist Europa das zukünftige Museum, und wir werden nach seiner Voraussage eben Exponate, Aufseher, Kassierer oder Museumsleiter. S: Meine persönlichen, privaten Räume sind eher ein Prototypenmuseum. Das erste Regal aus flachgepressten Rohren von 1981 dient meiner Tochter als Aufbewahrungsort ihrer Sachen, auf Prototypen von 1986 stehen meine technischen Geräte, und Prototypen von 1990 rahmen das Klavier ein. An der Decke hängen Prototypen von realisierten und nicht realisierten Beleuchtungsideen – man könnte die Wohnung als Prototypen-Werkstatt bezeich- © Jürg Steiner F: Inwieweit lässt denn die Inszenierung des eigenen privaten Raums Rückschlüsse auf den darin lebenden Menschen – das Exponat – zu? 30 Links: Prototyp Kinderschreibtisch Mitte: Studenten der Bergischen Universität Wuppertal auf System 180-Hockern Rechts: Eingemachtes Licht © Jürg Steiner Jahren kontinuierlich, aber mit niedrigen Stückzahlen arbeite. Es gibt den sogenannten Rahmen 2000, ein hybrides flächiges System aus Glasplatten und Flachstählen, wobei die Glasplatten ihre Stärken ausspielen – also Transparenz und hohe Festigkeit der Fläche – und der Stahl die seinen, da er einfach mit Schrauben und ähnlichem zu verbinden ist. Diese beiden Beispiele stehen weder in Konkurrenz zum System 180, noch sind sie in der direkten Nachfolge zu sehen, sondern sie ergaben sich aus Aufgaben, mit denen ich konfrontiert wurde, die eben nicht mit einem Stabbauwerk realisierbar waren. © Jürg Steiner Grundsätzlich ist zu sagen, dass die meisten Entwicklungen aus konkreten Notwendigkeiten entstanden. Das wäre dann auch das entscheidende Kriterium für eine etwaige Neu- oder Weiterentwicklung. Was verlangt die Aufgabe, was nicht durch eines der Der Druck muss von Außen bestehenden Systeme bekommen, und von Innen muss der reits gut lösbar ist? Arnold gleich starke Gegendruck kommen: Schönberg soll gesagt haSo entsteht Kreativität. ben »Kunst kommt von müssen«. Der Druck muss von Außen kommen, und von Innen muss der gleich starke Gegendruck kommen: So entsteht Kreativität. Das war ja auch die treibende Kraft bei der Entwicklung des System 180. Inzwischen ist die Bandbreite des kreativen Schaffens größer geworden. Zu nennen wäre beispielsweise das Thema Beleuchtung, das letztlich auch als System zu sehen ist. Den von mir entwickelten »Museumsspot« kann man in manchen Museen antreffen und das »eingemachte Licht«, also Leuchten, deren Gehäuse Einmachgläser sind, sind Belege dafür. Andere Designer haben diese Idee übernommen und sind damit durchaus erfolgreich. F: Am Lehrstuhl für Interior and Exhibition Design der Bergischen Universität Wuppertal beschäftigst du © Marit Roloff dich mit deinen Studenten mit Themen wie Farbkonzepten, Lichtinszenierung und der Entwicklung von flexiblen Ausstellungssystemen. In welchen Bereichen siehst du das größte Innovationspotenzial für die Zukunft? Wo werden uns die Designer mit inte ressanten Neuheiten überraschen können? S: Wahrscheinlich ist das größte Potenzial für Innovationen im Beleuchtungswesen zu sehen. Allein der rasante Siegeszug der LED, die Glühlampen, Leuchtstofflampen und Entladungslampen in atemberaubendem Tempo ablösen, verlangt neue Produkte. Die Designer am Automobil zeigen uns bei jedem neuen Typ neue Anwendungen. Im Leuchtendesign gibt es neue Anforderungen, so sind beson- 31 dere Vorschaltgeräte unterzubringen und andere Wärmeableitsysteme zu berücksichtigen, dafür ist die eigentliche Lichtquelle kompakter. Zur Person: Professor Jürg Steiner Hier sind es vor allem neue Materialien, mit denen Designer arbeiten können. Ich selber mache ja seit Jahren immer wieder Versuche mit Holzstäben, die sich in das System 180 integrieren lassen. Holzprofile mit quadratischer Schnittfläche, mit entsprechenden Endstücken aus Flachstahl oder Schraubhülsen ausgestattet, bilden einen ebenen, einfach zu beplankenden, flächigen Rost. Fälzt man diese Profile, erzeugt man einen kreuzförmigen Querschnitt, der es erlaubt, Plattenmaterialien formschlüssig in diesen Rost einzulegen. Auch bei System 180 sind solche Entwicklungen im Gange. Die Kollegen forschen nach neuartigen Plattenwerkstoffen; sie praktizieren die Anwendung von Luftkissen als Wand- und Deckenhaut, und das Büromöbel als solches wird in vielen Variationen als eigenständiges Marktsegment perfektioniert. Für die Studierenden, mit denen ich forschen, lehren und lernen darf, hoffe ich, dass sie ein ausreichendes Rüstzeug für diese Zukunft vermittelt bekommen und ihre Kreativität angestachelt wird. Lieber Jürg, ich danke für das interessante Gespräch und wünsche für die Zukunft und die kommenden Projekte alles Gute und viel Erfolg. © Jürg Steiner Auch bezogen auf Ausstellungssysteme gibt es viele innovative Ansätze: Hier sind es vor allem neue Materialien, mit denen Designer arbeiten können. Gerade im Bereich des Flachglases gibt es neue Gestaltungs- und Qualitätsvarianten, denn eine Vielzahl unserer Gestaltungsbemühungen sind Vitrinen. geboren 13. April 1950 in Zürich Nationalität schweizerisch 1977 Theatermeisterprüfung, Darmstadt 1981 Beleuchtungsmeisterprüfung, Berlin 1989Patent für ein modulares Bausystem (system180.com) 1992 Aufnahme in die Architektenkammer Berlin 1996Aufnahme in den Bund Deutscher Architekten 2000Professor für Ausstellungs- und Messe-Design Bergische Universität Wuppertal Auszug Publikationen: System 180 Bauwelten Berlin, Tübingen, 2010 ISBN 978 3 8030 0723 0 Himmel und Erde Jürg Steiners Vertikalpanoramen sakraler Innenräume Weimar, 2010 ISBN 978 3 89739 687 6 museumstechnik Zweite, erweiterte Auflage Berlin, 2003 ISBN 978 3 9363 1425 0 Katalog der Werke Szenische Architektur Bottrop, Essen, 2000 ISBN 3 89355 214 6 BREAD & BUTTER Sommer 2013 Wenn Baudenkmal auf Lifestyle trifft W as braucht es, um einen emotionalen Rahmen für ein spektakuläres Ereignis zu schaffen? Einen Ort mit Geschichte und Strahlkraft, eine große Idee und eine mutige Umsetzung. So geschehen im Sommer 2013 während der 29. Show der Modemesse BREAD & BUTTER im Flughafen Berlin-Tempelhof. Das verantwortliche Leitungsteam der Messe konnte zufrieden sein, Aussteller und Besucher waren es auch © BREAD & BUTTER und nicht zuletzt das Team von System 180. Erstmalig wurde in diesem Jahr auch zur Sommerveranstaltung der BREAD & BUTTER die spekta kuläre 400 Meter lange Luftkissenmembranwand von System 180 unter dem Dach des Flugvorfeldes errichtet. Im Zusammenspiel mit dem historischen Flughafengebäude entstand damit ein Rahmen, der weit mehr als nur Schutz vor Hitze, Wind und Nässe bot. Köln – Berlin – Barcelona – Berlin Die 2001 von Karl-Heinz Müller, Kristyan Geyr und Wolfgang Ahlers gegründete Messe BREAD & BUTTER – tradeshow for selected brands ist viel herumgekommen auf der Suche nach der idealen Location für ihren Anspruch. Schließlich sollte das als Fachmesse konzipierte Event ausgewählten, international maßgebenden Brands, Labels und Designern aus dem Segment 34 der zeitgenössischen Street- und Urbanwear eine kreative und emotionale Marketing- und Kommunikationsplattform bieten. Klar war, dass die 19.000 m2 große Fläche unter dem rund 400 m langen, offenen Flugsteigdach geschlossen werden sollte. Nach Stationen in Köln, Berlin und Barcelona hatten die Ausstellungsmacher 2009 endlich gefunden, wonach sie so lange gesucht hatten: die Gebäude des stillgelegten Flughafens Tempelhof. Mit seinen zwei Hangarbereichen und dem dazwischen gelagerten Flugvorfeld war ein Areal gefunden, das einerseits genügend Fläche und andererseits auch eine einzigartige Atmosphäre in zentraler Lage der Kreativmetropole Berlin bietet. 35 Schritte in der Entwicklung der BREAD & BUTTER-Fassade bei System 180 V. l. n. r.: Ausführungsplanung, Schneiden von Bauteilen aus Stahl am hauseigenen Laser, Montage der Fassadenkonstruktion durch System 180 in Berlin-Tempelhof Das längste Gebäude Europas wird zum Laufsteg Lange galt das Flughafengebäude von Ernst Sagebiel als das größte Gebäude der Welt und ist selbst heute noch mit seiner durchgehenden Fassade von 1.231 Metern Europas längstes. Durchaus beeindruckend, wenn man verstehen will, in welchen Dimensionen die Macher der BREAD & BUTTER planten. Klar war, dass die 19.000 Quadratmeter große Fläche unter dem rund 400 Meter langen, offenen Flugsteigdach geschlossen werden sollte, um auch im Winter für den Messebetrieb nutzbar gemacht zu werden. Unklar war, wie das gehen konnte, denn die Vorgaben des Denkmalschutzes sowie statische, konstruktive und ästhetische Ansprüche bildeten ein komplexes Lastenheft für die Ausführung. Eine der wesentlichen Vorgaben des Denkmalschutzes war, dass die Fassade nur für den Zeitraum des Messe betriebs stehen durfte. Also musste eine mobile Lösung entwickelt werden. Ein Konstruktionsprinzip, welches eine einfache Montage in einem möglichst kurzen Zeitraum ermöglichte, gleichzeitig aber eine gestalterisch und architektonisch anspruchsvolle und überzeugende Lösung darstellte, um dem hohen Anspruch der Veranstalter zu genügen. 36 Von den physischen und ästhetischen Vorteilen einer luftbefüllten Membranfassade konnte der Kunde schnell überzeugt werden. Die Fassade steht: Die Messe kann beginnen. Rechts: Impressionen 2013 Diese sollte gewährleisten, dass man sich innerhalb der Hülle auch bei Minus 20 Grad Außentemperatur im T-Shirt bewegen konnte. Das hieß, dass das Airfield eine klimatische Wetterschutzschicht für den überdachten, aber offenen Bereich des Flughafens benötigen würde. Eine ambitionierte Aufgabe! Kunde findet Problemlöser Mehrere führende Anbieter von Standardlösungen hatten bereits dankend abgelehnt, bevor die Anfrage von BREAD & BUTTER auf den Schreibtischen der Entwicklungs- und Planungsabteilung von System 180 landete. Hier war man gerade mit der Entwicklung einer Luftkissenmembran für geodätische Kuppeln beschäftigt, die System 180 aus dem gleichnamigen universellen Bausystem erstellt. Schnell waren die Parallelen der beiden Projekte offensichtlich: In beiden Fällen sollte eine leichte aber steife Tragwerkskonstruktion eine transluzente aber wind- und wetterfeste Schutzhülle tragen. So war das interdisziplinäre Team aus Architekten, Designern und technischen Angestellten bestens aufgestellt, um die bereits erworbenen Kenntnisse auf das nun geplante neue Projekt zu übertragen. © BREAD & BUTTER Von den physischen und ästhetischen Vorteilen einer luftbefüllten Membranfassade konnte der Kunde schnell überzeugt werden. Für das Team von System 180 hieß das jedoch in der Folge: Tragverhalten, Gewicht, Lager- und Dämmeigenschaften, Faltenfreiheit, Form der Kissen bei konstantem Innendruck, Verhalten bei Wind, geringes Gewicht, Lichtdurchlässigkeit und so manch anderes »Detail« zu messen, zu definieren und zu optimieren. Und das für eine Fläche von 5.000 Quadratmetern, die den Raum in der beabsichtigten Weise zu schließen vermag. Schlimmster Feind des ganzen Projekts: die extreme Zeitknappheit. Denn zwischen dem ersten Kundengespräch und dem ersten Messetag lag gerade mal ein knappes halbes Jahr. So war es unvermeidbar, dass ab einem gewissen Zeitpunkt Planung, 38 39 © BREAD & BUTTER © BREAD & BUTTER Linke Seite: Fassadendurchlass mit Tragwerksstruktur und Membran Rechte Seite: Impressionen 2013 heißt, eine Durchdringung der Fassade für notwendige techniProduktion und Montage parallel laufen mußten. Ein veritables sche und klimatische Infrastruktur musste gewährleistet werden. Problemfeld, wenn dann neue Ergebnisse der statischen BeAll diese Positionen können sich von einer zur anderen Veranrechnungen Veränderungen der Konstruktion zur Folge hatten, staltung verändern, also musste die Fassade in ihrer Konzeption die »mal eben« in den bereits aufgebauten Teil der Konstruktion darauf reagieren können. nachträglich integriert werden mussten. Eine Aufgabe, die nur zu leisten ist, wenn – wie bei System 180 – alle am Projekt beteiNah am Kunden – nah am Projekt ligten Kompetenzen und Gewerke unter einem Dach angesiedelt sind und damit Es sollte ein spektakulärer, Ausschlaggebend für die Auftragsverüber kurze Wege und Reaktionszeiten mitarchitektonisch anspruchsvoller gabe an System 180 war von Anfang an einander agieren können. Raum entstehen. die Kommunikation mit dem Kunden auf Augenhöhe. Es wurde schnell eine Ebene Darf’s noch etwas mehr sein? des Vertrauens hergestellt und eine klare Sprache gefunden, was ermöglichte, Anforderungen und Bedürfnisse an das VorAls ob die schieren Dimensionen und die technischen Anfordehaben schnell zu erfassen und mit den gemeinsamen gestalterungen der Fassade nicht schon Herausforderung genug gerischen und ästhetischen Vorstellungen in Einklang zu bringen, wesen wären, ergaben sich durch den geplanten Messebetrieb die da hießen: Es sollte ein spektakulärer, architektonisch annoch zusätzliche Aufgaben für die Planer. Mit dem ständigen spruchsvoller Raum entstehen. Wandel durch schwankende Ausstellerzahlen, variierende Größen und wechselnde Standbauten ergeben sich jedes Jahr neue Als weiterer Pluspunkt für System 180 als Komplettdienstleister räumliche Strukturen, die Anpassungen erfordern. erwies sich die räumliche Nähe zur Baustelle. Nur wenige Kilo meter liegen zwischen dem Firmensitz in Berlin-Schöneberg So wurden in die Fassade diverse Bauteile wie Notausgangs und dem Flughafengelände in Tempelhof. Die kurzen Wege türen, großflächige Schnelllauftore und Übergänge integriert, die ermöglichten regelmäßige Besuche vor Ort, um Auflagen des die Ausstellungsfläche mit Hallen und Zelten im Außenraum verDenkmalschutzes mit den Besonderheiten der Bausubstanz binden und per Sattelschlepper angeliefert werden können. Das 40 Oben: Premiere von »The Wall« bei der Winter BREAD & BUTTER 2010 Unten links und rechts: Impressionen 2013 © BREAD & BUTTER Geometrisch entstand eine selbsttragende, gekrümmte Fläche, die (…) der monumentalen und imposanten Flughafenarchitektur einen eleganten Schwung entgegensetzt. abzugleichen, ergänzend zum Planmaterial aus den 1930er Jahren, umfassendes Aufmaß zu nehmen sowie später in der Montagephase auf neue Gegebenheiten schnell reagieren zu können. Erfolg ist, wenn alle zufrieden sind Um den besten Weg zu finden, wurden eine Vielzahl von Entwürfen und Konstruktionsideen durchgespielt. Am Ende setzten sich die bestimmenden Parameter »gestalterischer und konstruktiver Anspruch, Wirtschaftlichkeit, Funktionalität und einfache, schnelle Montierbarkeit« durch und die richtige »Gewichtung« wurde gefunden. Zusätzlich ergaben sich besondere technische oder gestalterische Lösungen wie beispielsweise die Schrägstellung der Fassade. Durch das Herausziehen der unteren Ankerpunkte der Wandstruktur bis fünf Meter vor die Dachkante konnte ein beachtlicher Raumgewinn realisiert werden. Fünf Meter Raum auf eine Länge von 400 Metern ergibt zusätzlich 2.000 Qua dratmeter Standfläche, die sich im zentralen und attraktivsten Bereich – dem Airfield – bestens vermarkten lässt. Zudem schaffte die Schrägstellung der Fassade einen gänzlich neuen 41 © Mila Hacke Raumeindruck. Geometrisch entstand eine selbsttragende, gekrümmte Fläche, die neben den Vorteilen im Tragverhalten der monumentalen und imposanten Flughafenarchitektur einen eleganten Schwung entgegensetzt. des Jahr aufs Neue wiederverwendet werden können. Oben wird das System über Klemmplatten an den mächtigen Dachträgern befestigt. Und jetzt auch im luftigen Sommerschnitt Und auch die strengen Vorgaben des Denkmalschutzes wurden eingehalten: Das Flughafengebäude blieb gänzlich unberührt. Nur an den Fußpunkten waren Bohrungen für die Befestigung notwendig, die je- Die temporäre Fassade, die ursprünglich zum Schutz gegen die Kälte des Winters geplant war, hat sich in den letzten Jahren so gut bewährt, dass die Veranstalter der BREAD & BUTTER sie zu- © BREAD & BUTTER Neben dem gestalterischen Konzept wussten die Verantwortlichen von BREAD & BUTTER auch funktionale Aspekte zu überzeugen: Die stehende Luftschicht in den Membrankissen ermöglicht einen beachtlichen K-Wert von 2,9 und macht somit die Fassade zu einem wesentlich besser gedämmten Bauteil als das Flughafendach oder die großen Hangartore. Auch die strengen Vorgaben des Denkmalschutzes wurden eingehalten. 42 künftig auch für die Sommerveranstaltung einsetzen werden. Denn einerseits vermag sie auch im unberechenbaren deutschen Sommer als wirksamer Wind- und Wetterschutz zu dienen, vor allem hat sie sich aber als markantes Gestaltungselement bewährt. Denn die monumentale Struktur mit der transluzenten Membran und den natürlich und künstlich erzeugten Lichtstimmungen schafft eine spürbar bereichernde, atmosphärische Klammer um die bunte Vielfalt der Modeindustrie. Für den Sommerauftritt 2013 erhielt die Wand einen zentral positionierten knapp 50 Meter breiten und begrünten Durchlass zur ca. 220 Hektar großen, unbebauten Grünfläche der Tempelhofer Freiheit. Mit dieser Sichtachse wurden noch einmal ganz neue und überzeugende visuelle Akzente gesetzt. System 180 hat den Kunden BREAD & BUTTER über alle Leistungsphasen vom Entwurf über Planung, Produktion, Montage/Demontage, Qualitätssicherung, Ertüchtigung, Erweiterung, Lagerung, Reinigung bis zu notwendigen Reparaturmaßnahmen mit FullService, Verlässlichkeit und Qualität überzeugt. In der Zusammenarbeit der letzten Jahre ist eine vertrauensvolle Partnerschaft gewachsen, die eine stabile Basis für die zukünftige Zusammenarbeit bildet. Begrünte Freifläche vor dem zentralen Fassadendurchlass 33 startup.net System 180 ist Mitglied im Impressum Herausgeber: System 180 GmbH, Kärntener Straße 21, D-10827 Berlin, T: +49 30 788 58 41, F: +49 30 787 09 160 Chefredaktion: Volker Maier (verantwortlich i. S. d. P.) Gestaltung/Layout: Marit Roloff Redaktion: Rainer Janicki, Elke Jakubowski (Schlussredaktion) Druck: BUD – Brandenburgische Universitätsdruckerei und Verlagsgesellschaft Potsdam mbH © System 180 GmbH, Berlin create Das System 180-Magazin für urbanes Leben, Design Systeme Was sie belastbar macht Die Kunst der Inszenierung Wie Räume zu Erlebnisräumen werden www.system180.com Farbe: Emotion und Wirkung Tempelhof: Lifestyle trifft Baudenkmal und Architektur 01/2014
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