Der Explosionsschutz in der neuen Gefahrstoffver

Zur neuen Betriebssicherheitsverordnung
Der Explosionsschutz in der neuen Gefahrstoffverordnung 2015
Von Judith Ortenburger
M
it der Novellierung der Betriebssicherheitsverord-
Was wurde in der GefStoffV geändert?
nung1 im Januar 2015 wurde auch die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV)2 aktualisiert. Das
Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat die
Geändert wurden alle Stellen der GefStoffV, die sich mit dem
Explosions- und Brandschutz befassen.
Aktualisierung damit begründet, so Doppelregelungen beim
Arbeitnehmerschutz vor Explosionsgefahren zu vermeiden.
Begriffsbestimmungen
Diese waren laut BMAS dadurch entstanden, dass Artikel 6
der EG-Richtlinie 98/24/EG (Gefährdung durch chemische
Im § 2 Begriffsbestimmungen wurden die Absätze 10 und 11
Arbeitsstoffe) mit der Gefahrstoffverordnung umgesetzt wor-
neu gefasst und von zwei auf fünf Absätze erweitert. Die fünf
den war – während die EG-Richtlinie 1999/92/EG (Gefährdung
neuen bzw. geänderten Absätze behandeln:
durch explosionsfähige Atmosphären) sowohl mit der Gefahrstoffverordnung als auch mit der BetrSichV (alt) umgesetzt
worden war.3
ff
(10) explosionsfähiges Gemisch
ff
(11) chemisch instabile Gase
Das BMAS sieht die GefahrstoffV inhaltlich als die zutreffen-
ff
(12) gefährliches explosionsfähiges Gemisch
dere Verordnung zur Regelung des Explosionsschutzes an und
ff
(13) gefährliche explosionsfähige Atmosphäre
führt hierzu aus: „Da die Explosionsgefährdung primär vom Ge-
ff
(14) explosionsgefährdeter Bereich
fahrstoff ausgeht, erfolgt die Gefährdungsbeurteilung und die
Festlegung von Schutzmaßnahmen zum Explosionsschutz nun-
Damit werden Begriffe aus der BetrSichV (alt, § 2, Abs. 8–10)
mehr ausschließlich nach der Gefahrstoffverordnung.“
übernommen und inhaltlich und redaktionell überarbeitet.
4
Obwohl sich die beteiligten Kreise, z. B. BDI und der Fachar-
Gefährdungsbeurteilung
beitskreis des ABS, der UA 3 AK „Brand- und Explosionsschutz“,
dezidiert gegen dieses Vorgehen ausgesprochen hatten, wur-
Im § 6 Gefährdungsbeurteilung Absatz 4 wird nun das 3-teilig
den Begriffsbestimmungen und Schutzmaßnahmen aus der
abgestufte Explosionsschutzkonzept mit primärem, sekundär-
BetrSichV, insbesondere aus den bisherigen Anhängen 3 und
em und konstruktivem Explosionsschutz prinzipiell schon bei
4 der BetrSichV, inhaltlich in die Gefahrstoffverordnung über-
der Ermittlung der Gefährdungen angelegt, nicht erst bei den
nommen und dabei angepasst und überarbeitet. Insgesamt
Schutzmaßnahmen in § 11:
wurde der Themenblock Brand- und Explosionsschutz in der
GefStoffV aktualisiert.
ff
Auftreten von gefährlichen Mengen oder Konzentra-
tionen (deren Vermeidung gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 1 =
primärer Ex-Schutz);
Anlagensicherheits-Report 2015
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ff
Vorhandensein von Zündquellen oder explosionsaus-
Schutzmaßnahmen
lösenden Bedingungen (deren Vermeidung gemäß § 11
Abs. 2 Nr. 2 = sekundärer Ex-Schutz);
ff
Möglichkeit von schädlichen Auswirkungen (deren Ver-
meidung gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 3 = tertiärer Ex-Schutz).
Die Schutzmaßnahmen und organisatorische sowie technische Anforderungen hinsichtlich Brand- und Explosionsschutz
befinden sich, wie bisher, im § 11 und im Anhang I Nummer 1.
§ 11 (Schutzmaßnahmen) wurde bis auf einen neuen Absatz 3
Das Explosionsschutzdokument gemäß § 6 BetrSichV (alt) wird
nur redaktionell geändert. Absatz 3 enthält nun explizit auch
in § 6 Abs. 9 GefStoffV (2015) erwähnt, aber nicht als eigen-
den anlagentechnischen Explosionsschutz, der bisher von der
ständiges Dokument wie bisher, sondern als besonders aus-
BetrSichV (alt) abgedeckt war: „(3) Arbeitsbereiche, Arbeits-
zuweisender Teil der Gefährdungsbeurteilung. Die Inhalte des
plätze, Arbeitsmittel und deren Verbindungen untereinander
Explosionsschutzdokuments bleiben im Wesentlichen gleich;
müssen so konstruiert, errichtet, zusammengebaut, installiert,
jedoch wird hinsichtlich der Prüfungen zum Explosionsschutz
verwendet und instand gehalten werden, dass keine Brand- und
nun auf Anhang 2 Abschnitt 3 der BetrSichV (2015) verwiesen.
Explosionsgefährdungen auftreten.“
Außerdem gibt es in Absatz 10 analog zu § 7 BetrSichV (2015)
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Erleichterungen bei der Dokumentation, wenn nur geringe Ge-
Der Anhang I Nummer 1 wurde nicht nur erheblich überarbei-
fährdungen vorliegen.
tet und ergänzt, sondern auch neu gegliedert. In den Num-
TÜ Bd. 56 (2015)
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mern 1.2 bis 1.6 wurden inhaltlich folgende Schutzmaßnah-
Dokumentation und Gefährdungsbeurteilung
men ergänzt:
Auch die inhaltlichen Anforderungen an die Gefährdungsbeff
1.3 (4) Maßnahmen bei Energieausfall, Automatikbetrieb
urteilung haben sich nicht wesentlich geändert. Es wurden
und Abbau von gespeicherten Energien bei Notab-
einige Passagen zum Explosionsschutz bzw. zum Explosions-
schaltung (bisher BetrSichV (alt), Anhang 4, 3.8);
schutzdokument ergänzt und präzisiert. Außerdem wurde die
ff
1.5 (5) Schutz- und Sicherheitsabstände bei Lagerung von
Gefahrstoffen;
Lesbarkeit erhöht, indem die einzelnen Maßgaben nun durchnummeriert wurden.
ff
1.6 (2) bis (4): Maßnahmen, wenn die Bildung gefährli-
cher, explosionsfähiger Atmosphäre und/oder eine Explosion nicht sicher verhindert werden kann (z. B. Vermeidung von Zündquellen, Zoneneinteilung nach 1.7,
Auswahl von Geräten nach 1.8, bzw. konstruktive Explosionsschutzmaßnahmen).
Trotzdem wird sich insgesamt erheblicher Änderungsbedarf
für den Arbeitgeber bzw. den Betreiber von überwachungsbedürftigen Anlagen ergeben, da – soweit in den bisherigen
Dokumenten verwendet – alle Regelwerksbezüge in der technischen Dokumentation und den existierenden Gefährdungsbeurteilungen geprüft und ggf. aktualisiert werden müssen.
In Nummer 1.8 werden im Wesentlichen die noch fehlenden
Technische Regeln
Anforderungen aus Anhang 4 der BetrSichV (alt) zum technischen Explosionsschutz übernommen.
Da die Regelungen zum atmosphärischen Explosionsschutz
von der BetrSichV zur GefStoffV überführt wurden, ist nun aus-
Zusammenfassend wurden die Ex-Schutz-Anforderungen –
ausgenommen die Prüfvorschriften aus der BetrSichV (alt) –
vollumfänglich in die geänderte GefStoffV übernommen. Die
Gefährdungsbeurteilung wurde hinsichtlich der Brand- und
Explosionsgefährdungen präzisiert. Technische Anforderungen sind im Wesentlichen gleich geblieben.
Wann treten die Änderungen der GefStoffV
in Kraft?
schließlich der Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) für diesen Teil
des Explosionsschutzes zuständig. Dies betrifft insbesondere
die TRBS der Reihe 2000 (gefährdungsbezogene Regeln) mit
z. B. der TRBS 2152 (atmosphärischer Ex-Schutz) oder der TRBS
2153 (Zündgefahren durch elektrostatische Aufladungen) sowie die TRBS der Reihe 3000 (Anwendungsspezifische Regeln),
wie die TRBS 3151 (Tankstellen), sofern darin Explosionsschutz
behandelt wird.
Da diese Regeln jedoch bereits in wechselseitiger Abstimmung
Die Änderungen der GefStoffV treten am 1.6.2015 in Kraft.
Welche Konsequenzen haben die Änderun
gen der GefStoffV?
Technische Anforderungen
der beiden Ausschüsse für Betriebssicherheit (ABS) und für
Gefahrstoffe (AGS) entstanden sind, werden die Anpassungen
weniger technische Inhalte betreffen und sich eher auf formale und redaktionelle Änderungen beschränken. So müssen
alle Regelwerksbezüge in den TRBS/TRGS geprüft und ggf. angepasst werden. Dies gilt allerdings nicht nur für die den Ex-
Soweit ersichtlich werden keine weitergehenden Anforderun-
Schutz betreffenden technischen Regeln, sondern im großen
gen an Arbeitsmittel und Anlagen gestellt als bisher.
Umfang auch für andere Regelwerksbezüge, da sich ja auch
Anlagensicherheits-Report 2015
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die BetrSichV erheblich geändert hat. Nicht betroffen vom Zuständigkeitswechsel der Ausschüsse sind die TRBS 1201 Teil 1
Quellen
- Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei
(Prüfung von Ex-Anlagen) und Teil 5 (Prüfung von Anlagen für
1
entzündbare Flüssigkeiten), da das Prüfen der Anlagen im Ver-
der Bereitstellung von Arbeitsmitteln und deren Benutzung
antwortungsbereich des ABS verbleibt.
bei der Arbeit, über Sicherheit beim Betrieb überwachungsbedürftiger Anlagen und über die Organisation des betrieb-
Fazit
lichen Arbeitsschutzes (Betriebssicherheitsverordnung - BetrSichV), Stand 08.11.2011 – im Text bezeichnet als: BetrSichV
Der technische und atmosphärische Explosionsschutz – ausge-
(alt).
nommen die Prüfpflichten an überwachungsbedürftigen Anla-
- Verordnung zur Neuregelung der Anforderungen an den
gen mit Explosionsgefährdungen – wurden von der BetrSichV
Arbeitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln und
in die GefStoffV überführt. Ergänzt wurden insbesondere die
Gefahrstoffen, Stand 07.01.2015 – im Text bezeichnet als:
Begriffsbestimmungen, die Anforderungen an die Gefähr-
BetrSichV (2015).
dungsbeurteilung und die Schutzmaßnahmen. Die formalen
2
- Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (Gefahrstoff-
oder technischen Anforderungen an die Dokumentation bzw.
verordnung – GefStoffV), Stand 15.07.2013 – im Text be-
an Arbeitsmittel oder Anlagen haben sich jedoch nicht wesent-
zeichnet als: GefStoffV (alt).
- Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (Gefahrstoffver-
lich geändert.
ordnung – GefStoffV), Stand 07.01.2015 – im Text bezeichWeil sich zahlreiche Bezüge ändern, werden dennoch umfang-
net als: GefStoffV (2015).
- GefahrstoffV: http://www.baua.de/de/Themen-von-A-Z/
reiche Aktualisierungen an der technischen Dokumentation,
den Gefährdungsbeurteilungen sowie am nachgeordneten
technischen Regelwerk erforderlich sein. Dies trifft Arbeitgeber und Betreiber von Anlagen mit Explosionsgefährdungen
gleichermaßen.
Gefahrstoffe/Rechtstexte/Gefahrstoffverordnung.html
3
Bundesrat – Drucksache 400/14 vom 28.08.2014: Verord-
nung zur Neuregelung der Anforderungen an den Arbeitsschutz bei der Verwendung von Arbeitsmitteln und Gefahrstoffen – Begründung, Allgemeiner Teil, I. Ausgangslage, Ziel-
Mit der Verschiebung der Anforderungen zum atmosphärischen Ex-Schutz von der BetrSichV zur GefStoffV ändert sich
auch die Zuständigkeit für die Erstellung der Technischen Regeln. Diese wechselt vom Ausschuss für Betriebssicherheit
zum Ausschuss für Gefahrstoffe. Da diese Ausschüsse bisher
schon die Technischen Regeln zum Explosionsschutz miteinander abgestimmt haben, werden die betreffenden Technischen
Regeln voraussichtlich nur redaktionell angepasst werden
müssen.
setzung und wesentliche Inhalt[e] des Entwurfs, S. 67, 4. Absatz.
4
Ebd., Seite 70, 5. Spiegelstrich.
5
Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 Des Europäischen Parla-
ments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und
Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien
67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006.
Dipl.-Ing. Judith Ortenburger
TÜV SÜD Industrie Service GmbH
[email protected]
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