Infobrief Recht - DFN

5 / 2015
Infobrief Recht
„My home is my office“
Landesarbeitsgericht Düsseldorf zur
einseitigen Beendigung von Home-Office-Vereinbarungen
Doppelt hält besser
Oberverwaltungsgericht NRW bestätigt
„Doppeltür-Modell“ bei der Bestandsdatenauskunft
„Die Welt ist nicht genug…!“
OLG Celle urteilt zur Reichweite von
Unterlassungserklärungen im Internet
Mai 2015
DFN-Infobrief Recht 5 / 2015 | Seite 2
„My home is my office“
Landesarbeitsgericht Düsseldorf zur einseitigen Beendigung von Home-OfficeVereinbarungen
von Clara Ochsenfeld
Die flexible Arbeit von Zuhause aus ist inzwischen in vielen Unternehmen und auch in den Hochschulen zur gängigen Praxis geworden. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hat in einer
kürzlich ergangenen Entscheidung vom 10. September 2014 (Az.: 12 Sa 505/14) der einseitigen Beendigung von Home-Office-Vereinbarungen (sog. alternierenden Telearbeitsvereinbarungen) durch
den Arbeitgeber deutliche Grenzen gesetzt. Entscheidet sich das Unternehmen, die mit dem Mitarbeiter getroffene Vereinbarung über alternierende Telearbeit aufzuheben, sind die Interessen des
Arbeitnehmers stets in die Entscheidung mit einzubeziehen.
I. Ausgangslage
er tätig war. Im Jahr 2005 traf die Bank mit dem Mitarbeiter eine
Ergänzungsvereinbarung über alternierende Telearbeit. Bei
Viele Unternehmen gestatten ihren Mitarbeitern, dass ein ge-
dieser handelte es sich um eine vorformulierte Vereinbarung,
wisser Anteil der zu erbringenden Arbeitsleistung nicht mehr
die die Bank in einer Vielzahl von Verträgen verwendete. Die
ausschließlich an der Betriebsstätte des Unternehmens, son-
Aufnahme der Telearbeit sollte auf dem Prinzip der beidersei-
dern teilweise flexibel zuhause erbracht werden kann (sog.
tigen Freiwilligkeit beruhen und keinen Rechtsanspruch auf
alternierende Telearbeit). Hierzu werden oftmals Ergänzungs-
einen alternierenden Telearbeitsplatz begründen. Im Rahmen
vereinbarungen zum Arbeitsvertrag geschlossen. Hinsichtlich
der Vereinbarung sollte der Angestellte mindestens 40% seiner
der Beendigungsklauseln in solchen Vereinbarungen hat das
Tätigkeit an der häuslichen Arbeitsstätte verrichten. Darüber
LAG Düsseldorf die einseitige Beendigung durch den Arbeitge-
hinaus wurde vereinbart, dass die außerbetriebliche Arbeits-
ber nun insoweit eingeschränkt, als es Klauseln für unwirksam
stätte von beiden Parteien mit einer Ankündigungsfrist von
erachtet, die eine voraussetzungslose Beendigung durch den
vier Wochen aufgegeben werden könne. In diesem Falle solle
Arbeitgeber gestatten. In Beendigungsklauseln müsse dem-
die gesamte Arbeitsleistung an der Betriebsstätte der Bank er-
nach stets das Interesse des Arbeitnehmers Berücksichtigung
folgen, sofern das Arbeitsverhältnis nicht insgesamt beendet
finden. Die Konsequenz einer derartig unwirksamen Klausel
werde. Nachdem die Parteien im Herbst 2013 erfolglos über die
ist, dass die Ergänzungsvereinbarung über die Telearbeit nur
einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses verhan-
noch durch eine Änderungskündigung beseitigt werden kann.
delt hatten, kündigte die Bank die Vereinbarung der Telearbeit,
Die Beendigung der alternierenden Telearbeit stelle darüber
ohne den Betriebsrat des Unternehmens zu beteiligen. Der An-
hinaus eine Versetzung i.S.d. Betriebsverfassungsgesetzes
gestellte klagte daraufhin gegen diese aus seiner Sicht unwirk-
(BetrVerfG) dar, weshalb der Betriebsrat im Falle der einseiti-
same Beendigung der Ergänzungsvereinbarung.
gen Aufhebung der Vereinbarung zu beteiligen sei.
2. Urteil
II. Die Entscheidung des LAG Düsseldorf
1. Sachverhalt
Das LAG Düsseldorf hielt die Beendigung der Ergänzungsvereinbarung zur alternierenden Telearbeit ebenfalls für unwirksam. Nach Auffassung des Gerichts fanden in der vereinbarten
Der Entscheidung des LAG Düsseldorf lag der Fall eines Ange-
Beendigungsmöglichkeit die Interessen des Arbeitnehmers
stellten zugrunde, der bei einer Bank als Firmenkundenbetreu-
keine ausreichende Berücksichtigung. Darüber hinaus habe
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es an der erforderlichen Beteiligung des Betriebsrates gefehlt.
lich Inhalt, Arbeitszeit und -ort näher bestimmen kann. Die
Die Bank wurde verurteilt, den Mitarbeiter weiterhin zu min-
Heranziehung dieser Norm begründet das Gericht damit, dass
destens 40% an seiner häuslichen Arbeitsstätte zu beschäfti-
mit der Vereinbarung von Telearbeit der Ort der Arbeitsleis-
gen.
tung festgelegt wird. Deshalb müsse sich eine entsprechende
Klausel, bei der es um die Bestimmung des Arbeitsortes geht,
Unwirksamkeit der Klausel
an dem Mindestmaßstab einer Direktionsrechtsklausel mes-
Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die
dass die Gründe für die Ausübung des Weisungsrechts ange-
verwendete Klausel über den Ausschluss des Rechtsanspruchs
geben werden, jedoch müsse die Klausel dem gesetzlichen
auf Telearbeit in Verbindung mit der Klausel zur vierwöchig-
Leitbild, welches das billige Ermessen des Arbeitgebers bei
en Kündigungsfrist unwirksam sei, da sie einer Prüfung an-
Ausübung seines Weisungsrechts erfordert, entsprechen. Das
hand der zivilrechtlichen Bestimmungen über allgemeine Ge-
Gericht ging in seiner Entscheidung davon aus, dass die hier
schäftsbedingungen (§§ 305 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB))
verwendete Klausel eine unangemessene Abweichung von
nicht standhalte. Die voraussetzungslose und grundlose Rück-
dem gesetzlichen Leitbild des § 106 S.1 GewO darstelle. Zwar
kehrmöglichkeit ohne Berücksichtigung der Interessen des
bestimmte die Vereinbarung lediglich, dass für die einseitige
Angestellten stelle einen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB
Beendigung keine Angabe von Gründen erforderlich sei. Aus
dar, da die verwendete Klausel den Arbeitnehmer entgegen
der Formulierung ginge jedoch nicht hervor, dass diese Gründe
Treu und Glauben benachteilige. Eine derartige unangemesse-
grundsätzlich vorliegen müssten und das Interesse des Arbeit-
ne Benachteiligung liegt nach ständiger Rechtsprechung vor,
nehmers in die Entscheidung einfließe. Dies zeige sich bereits
wenn der Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen
dadurch, dass laut Vereinbarung kein Rechtsanspruch auf
durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene
einen alternierenden Televertrag bestehen sollte, was in Ver-
Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen
bindung mit der Beendigungsklausel impliziere, dass die alter-
versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinrei-
nierende Telearbeit ohne jeglichen Grund und ohne Rücksicht
chend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Aus-
auf die Interessen der anderen Vertragspartei beendet werden
gleich zuzugestehen. Für die Bewertung der Wirksamkeit einer
könne. Das Gericht verglich darüber hinaus die Vereinbarung
derartigen Klausel ist demnach eine Interessenabwägung vor-
mit dem regulären Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers, welcher
zunehmen, in welcher im Zuge einer Gesamtbetrachtung des
für Um- und Versetzungen gerade eine Vereinbarung enthält,
Vertrages das Interesse des Verwenders an der Aufrechterhal-
die an die Kenntnisse und Fähigkeiten des Arbeitnehmers an-
tung mit dem Interesse des Vertragspartners am Wegfall der
knüpft.
sen lassen. Hierfür sei zwar grundsätzlich nicht erforderlich,
Klausel unter Berücksichtigung der arbeitsrechtlichen Besonderheiten abzuwägen ist.
In seiner Entscheidung berücksichtigt das Gericht zwar auch,
dass Freiwilligkeitsvorbehalte für zusätzliche Leistungen von
Nach § 307 Abs. 2 Nr.1 und Nr. 2 BGB ist eine unangemessene
der Rechtsprechung grundsätzlich anerkannt sind. Mit sol-
Benachteiligung im Zweifel dann anzunehmen, wenn die ver-
chen Vorbehalten kann der Arbeitgeber bestimmte Leistun-
tragliche Regelung von dem wesentlichen Grundgedanken der
gen versehen, um das Entstehen einer betrieblichen Übung
gesetzlichen Regelung abweicht oder wesentliche Rechte und
und damit eines Anspruches des Arbeitnehmers auf diese
Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, inso-
Leistung von Anfang an zu unterbinden. Im vorliegenden Fall
weit Einschränkung finden, als die Erreichung des Vertrags-
sei laut der getroffenen Ergänzungsvereinbarung jedoch
zweckes gefährdet ist.
höchstens die Aufnahme der Telearbeit unter einen solchen
Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt worden, nicht jedoch deren
Das Gericht zieht für die Anforderungen an die Ausgestaltung
Beendigung. Nur über diese würden die Parteien jedoch strei-
der Klausel das gesetzliche Leitbild des § 106 Gewerbeordnung
ten. Zudem widerspreche ein völlig voraussetzungsloser Frei-
(GewO) heran. Die Norm regelt einheitlich für alle Arbeitsver-
willigkeitsvorbehalt für die Beendigung der alternierenden
hältnisse das – auch Direktionsrecht genannte – Weisungs-
Telearbeit in Formularverträgen ebenfalls dem Leitbild des §
recht des Arbeitgebers, durch welches er die im Arbeitsvertrag
106 S. 1 GewO, da die Vorschrift, obwohl im Rahmen des Direk-
festgelegten Pflichten durch genaue Anweisungen hinsicht-
tionsrechts kein Anspruch auf einen bestimmten Arbeitsplatz
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bestehe, dennoch die Ausübung eines billigen Ermessens for-
des Betriebes. Um die Zuweisung eines anderen Arbeitsberei-
dere. So lautet der Gesetzestext: „Der Arbeitgeber kann Inhalt,
ches handelt es sich dann, wenn das Gesamtbild der Tätigkeit
Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher
des Arbeitnehmers durch die Beendigung so verändert wird,
bestimmen, […]“. Dieses Ermessen werde nach Ansicht des Ge-
dass die Tätigkeit aus der Sicht eines betrieblichen Betrachters
richts im Falle eines vollkommen vorbehaltslosen Freiwillig-
als eine „andere“ zu sehen ist. Das Gericht ging in dem zugrun-
keitsvorbehalts jedoch nicht ausgeübt, weswegen eine solche
de liegenden Fall davon aus, dass die Beendigung der Telear-
Klausel nicht zulässig sei. Zudem sei kein Interesse ersichtlich,
beit für den Arbeitnehmer dazu führe, dass der Arbeitnehmer
weshalb der Arbeitgeber ohne jegliche Berücksichtigung der
völlig anders in den betrieblichen Ablauf eingebunden werde.
Interessen des Arbeitnehmers die alternierende Telearbeit ein-
Zwar handele es sich um alternierende Telearbeit, so dass der
seitig und anlasslos beenden können sollte. Zwar sei es richtig,
Arbeitnehmer nicht ausschließlich zuhause arbeite, jedoch
dass sich Umstände verändern und der Arbeitgeber hierauf re-
hätte die Beendigung der Vereinbarung zur Folge, dass sich der
agieren können muss, was § 106 GewO auch vorsieht. Jedoch
Dienstort für einen erheblicher Teil der Arbeitszeit (nämlich
ginge dies gerade nicht einseitig und unter Außerachtlassung
40%) ändern würde, sodass die funktionale Erbringung der Ar-
des Interesses des Arbeitnehmers, da die Vorschrift gerade die
beitsleistung ohne außerbetriebliche Arbeitsstätte eine völlig
Ausübung eines billigen Ermessens verlange. Hierdurch wür-
andere sei. Das Gericht hat in seiner Entscheidung jedoch da-
den auch keine unüberwindbaren Hürden zur Beendigung von
rüber hinaus angedeutet, dass auch im Falle eines geringeren
Telearbeit aufgestellt.
Anteils an häuslicher Telearbeit nichts anderes gelten könnte.
Notwendige Beteiligung des Betriebsrats
III. Fazit und Bedeutung der Entscheidung
für die Hochschulen
Das LAG Düsseldorf sah die Beendigung der alternierenden Telearbeit seitens des Arbeitgebers darüber hinaus deshalb als
Aus der Entscheidung des LAG Düsseldorf lassen sich grund-
rechtsunwirksam an, weil es sich hierbei um die personellen
legende Rückschlüsse hinsichtlich der Ausgestaltung von Ver-
Einzelmaßnahme der Versetzung i.S.d. Betriebsverfassungsge-
einbarungen zur alternierenden Telearbeit für die Hochschu-
setzes handele und eine hierfür gem. § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG er-
len ziehen. Zwar erheben sich bereits kritische Stimmen, die
forderliche Beteiligung des Betriebsrates nicht stattgefunden
berechtigterweise der Ansicht sind, das LAG Düsseldorf habe
hatte. Die Vorschrift verlangt, dass u.a. im Falle der Versetzung
das Home-Office als Arbeitsort nicht richtig definiert. Es sei
eines Arbeitnehmers die Zustimmung des Betriebsrates einge-
nicht ausreichend berücksichtigt worden, dass es gerade kei-
holt werden muss, sofern ein Betriebsrat besteht und das Un-
nen gewöhnlichen Arbeitsort darstelle, da dem Arbeitnehmer
ternehmen mehr als zwanzig wahlberechtigte Arbeitnehmer
mit der Aufnahme von Teleheimarbeit zusätzliche Pflichten
beschäftigt.
auferlegt werden und die Vereinbarung seiner ausdrücklichen
Zustimmung bedarf. Konsequenz ist in diesem Falle, dass nach
Das Gericht geht davon aus, dass nicht nur aufgrund der Ver-
dieser Ansicht die Beendigungsmöglichkeit der Vereinbarung
änderung des Arbeitsortes, sondern auch aufgrund der Verän-
durch eine Teilkündigung besteht. Da eine Teilkündigung nicht
derung der Arbeitsumstände in der Zuweisung von Telearbeit
das gesamte Vertragsverhältnis beendet, wären die arbeits-
eine Versetzung zu sehen sei, sodass für deren Beendigung
rechtlichen Anforderungen daran geringer als an eine Ände-
nichts anderes gelten könne. Das Bundesarbeitsgericht (BAG)
rungskündigung, zumal die Rechtsprechung Teilkündigungs-
hat in früheren Entscheidungen die Versetzung i.S.d. Betriebs-
klauseln regelmäßig in Widerrufsvorbehalte umdeutet.
verfassungsgesetzes als die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereiches, die die Dauer von einem Monat überschreitet oder
Dennoch ist den Hochschulen bis auf weiteres dringend zu
die mit erheblichen Änderungen der Umstände verbunden ist,
empfehlen, sich bei der Vertragsgestaltung an die vorgege-
unter denen die Arbeit zu leisten ist, definiert. Unter die Be-
benen Grenzen des LAG Düsseldorf zu halten. Das gesetzliche
grifflichkeit des Wortes „Arbeitsbereich“ – der sowohl räum-
Leitbild des § 106 GewO gilt grundsätzlich für alle Arbeitneh-
lich als auch funktional zu verstehen ist – fallen sowohl die
mer und kommt demnach auch im Angestelltenverhältnis zwi-
Aufgabe und Verantwortung des Arbeitnehmers als auch die
schen Hochschulen und ihren Mitarbeitern zur Anwendung.
Art seiner Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf
Auch wenn man die Regelung des § 4 des Tarifvertrags für den
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öffentlichen Dienst (TVöD), die als Konkretisierung des Direk-
Auch hinsichtlich der durch das LAG Düsseldorf vorgegebenen
tionsrechts für Angestellte im Öffentlichen Dienst dient, dar-
Linie, dass die Beendigung von Telearbeit eine Versetzung i.S.d.
über hinaus als Leitbild heranzieht, kann sich hinsichtlich der
BetrVG darstellt, ergeben sich für die Personalpraxis der Hoch-
durch das LAG Düsseldorf gesetzten Grenzen der Klauselge-
schulen zu beachtende Verfahrensregeln. Denn auch die zum
staltung nichts anderes ergeben. Grundsätzlich ist bei der Ver-
Betriebsverfassungsgesetz parallelen Personalvertretungs-
wendung formularmäßiger Klauseln – also solcher, die für eine
vorschriften sehen grundsätzlich ein Mitbestimmungsrecht
Vielzahl von Verträgen verwendet werden – stets gesonderte
im Falle der Versetzung eines Mitarbeiters vor (z.B. § 72 Abs.
Vorsicht geboten. Dies gilt unabhängig davon, ob sie als Ergän-
1 Nr. 5 Landespersonalvertretungsgesetz NRW (LPVG NRW)),
zungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag oder unmittelbar in
weshalb hier für die Beteiligung des Personalrats die gleichen
diesen einbezogen werden. Arbeitsrechtliche Besonderheiten
Anforderungen zu stellen sind wie im Falle eines privatrecht-
sollten generell immer gesondert geprüft und sorgfältig ab-
lich organisierten Betriebes. Im Falle der einseitigen Been-
gewogen werden. Die Wahrung billigen Ermessens kann nach
digung alternierender Telearbeit zu Lasten des Angestellten
der Rechtsprechung des BAG darin zum Ausdruck kommen,
bei öffentlichen Hochschulen ist demnach grundsätzlich der
dass ausweislich der Klausel das Direktionsrecht unter dem
Personalrat zu beteiligen und dessen Zustimmung einzuholen.
Vorbehalt der Interessen des Arbeitnehmers steht. Im Falle der
Dasselbe gilt für den Betriebsrat bei privaten Hochschulen, so-
Vereinbarung über alternierende Telearbeit sollten die Hoch-
fern ein solcher besteht.
schulen demnach explizit darauf achten, dass in den zwischen
ihnen und ihren Angestellten geschlossenen Vereinbarungen
lediglich Klauseln verwendet werden, die hinsichtlich der einseitigen Beendigung alternierender Telearbeit deutlich zum
Ausdruck bringen, dass stets das Interesse des Arbeitnehmers
am Fortbestand der Telearbeit umfassende Berücksichtigung
findet und gegen das Interesse der Hochschulen an der Beendigung der Telearbeitsvereinbarung umfassend abgewogen
wird. Soweit bereits bestehende Vereinbarungen, die nicht
den genannten Grundsätzen entsprechen, seitens der Hochschulen einseitig beendet werden sollen, kommt nur noch die
Möglichkeit einer Änderungskündigung gem. § 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) in Betracht.
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Doppelt hält besser
Oberverwaltungsgericht NRW bestätigt „Doppeltür-Modell“ bei der Bestandsdatenauskunft
von Florian Klein
Im Rahmen der Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr sind staatliche Stellen häufig auf die
Mithilfe von Internetprovidern angewiesen, denn diese haben die technischen Möglichkeiten,
Internetnutzer anhand ihrer IP-Adresse zu identifizieren. Ein gängiges Ermittlungsinstrument
ist dabei die sogenannte Bestandsdatenauskunft, die unter anderem in § 113 Telekommunikationsgesetz (TKG) geregelt ist. Welche Reichweite dieser Vorschrift dabei zukommt und
inwiefern die Bundesnetzagentur befugt ist, gegenüber Telekommunikationsdiensteanbietern
Anordnungen zu erlassen, um die Erfüllung von Auskunftsansprüchen zu sichern, war jüngst
Gegenstand eines Urteils des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen
(OVG NRW, Urt. v. 10.11.2014 – 13 A 1973/13).
I. Hintergrund
die nötigen Anmeldedaten der Nutzer, um zuverlässig sagen
zu können, wer eine dynamische IP-Adresse zu welchem Zeit-
Das Internet ist aufgrund seiner nahezu unbeschränkten
punkt genutzt hat. Dies ist also auch für Hochschulen relevant,
Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten häufig
die ihren Studierenden und Mitarbeitern den Zugang zum In-
Schauplatz von Straftaten. So lassen sich beispielsweise auf
ternet über das Hochschulnetz ermöglichen. Geht es um die
einfachste Art und Weise urheberrechtlich geschützte Werke
Auskunft über Daten aus dem Vertragsverhältnis zwischen
einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. Doch selbst
Nutzer und Telekommunikationsdiensteanbieter, ist die soge-
wenn eine Straftat nicht unmittelbar im Internet verübt wird,
nannte Bestandsdatenauskunft einschlägig.
kann es eine besondere Funktion bei der Vorbereitung von
Straftaten oder bei der Kommunikation zwischen Tätern wahr-
Für diese gelten seit dem 1.7.2013 aufgrund des Gesetzes „zur
nehmen. Nicht zuletzt kann es bei der Vernetzung krimineller
Änderung des Telekommunikationsgesetzes und zur Neurege-
oder terroristischer Vereinigungen hilfreich sein. Ein großer
lung der Bestandsdatenauskunft“ neue Regelungen. Bestands-
Vorteil für Straftäter besteht dabei darin, dass man meist
daten sind diejenigen Daten des Nutzers, die für die Begrün-
nicht mit seinem Namen, sondern nur mit einer IP-Adresse
dung, inhaltliche Ausgestaltung, Änderung oder Beendigung
im „Netz“ unterwegs ist. Insofern versteht es sich von selbst,
eines Vertragsverhältnisses über Telekommunikationsdiens-
dass die Sicherheitsbehörden in diesem Bereich nicht untätig
te erhoben werden. Dies sind insbesondere Name, Anschrift,
bleiben dürfen. Für ihre Ermittlungen ist es von großer Be-
sonstige Kontaktdaten, Geburtsdatum, Anschlusskennung
deutung, bestimmte Internetnutzer identifizieren zu können.
und (im Falle eines entgeltlichen Vertrages) Zahlungsdaten
Dies hat auch der Gesetzgeber gesehen und Rechtsgrundlagen
des Nutzers, durch welche er dem Telekommunikationsdiens-
geschaffen, die den Sicherheitsbehörden einige Ermittlungs-
teanbieter gegenüber individualisiert wird.
instrumente und -befugnisse an die Hand geben. Da die Identifizierung einer Person im Internet in der Regel voraussetzt,
Die Neuregelung der Bestandsdatenauskunft zeichnet sich
dass man den Nutzer einer bestimmten IP-Adresse kennt, gibt
durch eine Art Doppeltür-Modell aus. Dies bedeutet, dass zwei
es Auskunftsansprüche gegen Anbieter, die ihren Nutzern Zu-
Dinge zusammen kommen müssen, damit eine Bestandsda-
gang zum Internet vermitteln. Denn nur diese verfügen über
tenauskunft rechtmäßig ist: Einerseits muss es auf Seiten der
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Diensteanbieter eine Rechtsgrundlage geben, die es ihnen er-
Inanspruchnahme des Telekommunikationsdienstes entste-
laubt, die Daten an die Behörden zu übermitteln, und anderer-
hen (z.B. Beginn, Dauer und Ende einer Verbindung, beteiligte
seits muss es für die Behörden eine andere Rechtsgrundlage
Nummern, etc.).
geben, die sie dazu ermächtigt, die Daten vom Diensteanbieter abzufragen, und die diesen zur Mitwirkung verpflichtet.
Der technische Hintergrund sah dabei wie folgt aus: Der Kläger vergab vollautomatisch dynamische IP-Adressen an seine
Die „erste Tür“, also die Rechtsgrundlage für die Übermittlung
Internetnutzer. Hierzu wurde ein Breitband-Zugangsserver
der Daten durch die Diensteanbieter, findet sich nun zentral in
(Broadband Remote Access Server = BRAS) genutzt, welcher die
§ 113 TKG. Die jeweilige Ermächtigung zur Abfrage durch die
verfügbaren IP-Adressen aus dem von ihm verwalteten Pool
Behörden ist dagegen in den jeweiligen Fachgesetzen gere-
dem Netzwerkanschluss zuordnete, über welchen der Inter-
gelt. So findet sich beispielsweise für den Bereich der Strafver-
netzugang erfolgen sollte. Eine Speicherung der jeweils ge-
folgung durch Staatsanwaltschaft und Polizei eine Regelung
nutzten IP-Adresse erfolgte dabei nicht, sodass sie nach Ende
in § 100j der Strafprozessordnung (StPO) (s. zu den Vorausset-
der jeweiligen Verbindung nicht mehr im System des Klägers
zungen dieses Anspruchs im Detail: Klein, „Sag mir alles, was
vorhanden war.
du weißt!“ in: DFN-Infobrief Recht 11/2013).
Nachdem der Kläger die Auskunft verweigert hatte, wurde die
II. Die Entscheidung des Gerichts
Bundesnetzagentur tätig, welche im Hinblick auf die Einhal-
Mit der Norm des § 113 TKG hatte sich kürzlich nun das OVG
eine Kontrollfunktion innehat. Sie verpflichtete ihn, entspre-
NRW zu beschäftigen, nachdem sich ein Telekommunika-
chende Auskunftsersuchen im Hinblick auf die Bestandsdaten
tionsdiensteanbieter geweigert hatte, einem bestimmten
von Nutzern dynamischer IP-Adressen zukünftig auch dann
Auskunftsersuchen Folge zu leisten. Daraufhin hatte sich die
unverzüglich zu erfüllen, wenn zur Feststellung der Bestands-
Bundesnetzagentur eingeschaltet und diesem gegenüber eine
daten eine Auswertung von Verkehrsdaten erforderlich ist und
Anordnung erlassen, die ihn verpflichten sollte, bestimmte
auf diese im konkreten Fall tatsächlich zugegriffen werden
Auskunftsansprüche zukünftig zu erfüllen. Diese Anordnung
kann. Gegen diese Anordnung der Bundesnetzagentur erhob
wurde von den Richtern jedoch aufgehoben, welche zugleich
der betroffene Provider schließlich Klage, über welche die
eindeutig feststellten, dass § 113 TKG keine Auskunftspflicht
Richter des OVG NRW in zweiter Instanz zu entscheiden hat-
der TK-Diensteanbieter begründet.
ten.
1. Sachverhalt
2. Urteil
Kläger war ein Internetzugangsanbieter. An diesen war das
Das OVG NRW gab der Klage des Internetzugangsanbieters
Landeskriminalamt (LKA) NRW mit einem Auskunftsersuchen
statt und hob den Bescheid der Bundesnetzagentur auf, weil
herangetreten, weil es Nutzerbestandsdaten in einem Ermitt-
er rechtswidrig sei. Zur Begründung führten die Richter an,
lungsverfahren wegen der Verbreitung kinderpornographi-
dass die Bundesnetzagentur nicht generell zur Überwachung
scher Inhalte benötigte. Konkret verlangte das LKA NRW von
der Tätigkeiten von Telekommunikationsunternehmen befugt
dem Kläger, dass er prüfen solle, ob die Nutzerbestandsdaten
sei. Vielmehr gewähre § 115 TKG ihr nur das Recht, Anordnun-
während der laufenden Nutzung einer dynamischen IP-Adres-
gen gegen TK-Diensteanbieter zu erlassen, wenn diese Ver-
se – „on the fly“ – an die Ermittler übermittelt werden könnten.
pflichtungen, die sich aus bestimmten Vorschriften des Tele-
Eine solche Datenübermittlung lehnte der Internetzugangsan-
kommunikationsgesetzes (§§ 88-115 TKG) ergeben, nicht erfüllt
bieter jedoch aus rechtlichen, technischen und organisatori-
hätten. Bei Verstößen gegen andere Gesetze bestehe dagegen
schen Gründen ab. Hierfür sei es nämlich erforderlich, in den
keine Eingriffsmöglichkeit.
tung der Vorschriften des TKG durch die TK-Diensteanbieter
durch das Fernmeldegeheimnis geschützten Verkehrsdaten
zu recherchieren. Verkehrsdaten sind Daten, die bei der Er-
An einer entsprechenden Nichterfüllung von telekommunikati-
bringung eines Telekommunikationsdienstes erhoben, verar-
onsrechtlichen Verpflichtungen fehlte es im vorliegenden Fall je-
beitet oder genutzt werden, d. h. alle Daten, welche bei einer
doch, da § 113 TKG, auf den sich die Bundesnetzagentur bei ihrer
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Anordnung gestützt hatte, keine Verpflichtung zur Auskunftserteilung vorsieht. Hierbei war unter anderem entscheidend, dass
III. Fazit und Konsequenzen für die
Hochschulpraxis
die Bundesnetzagentur den Kläger verpflichten wollte, bestimmte Auskunftsersuchen zukünftig unverzüglich zu erfüllen, und
Das Urteil des OVG NRW führt klar vor Augen, dass sich das
sie sich somit anmaßte, über das „Ob“ der Auskunftserteilung zu
vom Bundesverfassungsgericht geforderte Doppeltür-Modell
entscheiden anstatt nur über die Art und Weise (das „Wie“) der
bei der Bestandsdatenauskunft seit mittlerweile fast zwei
Bereitstellung der geforderten Auskünfte. Eine derartige Anord-
Jahren im geltenden Recht wiederfindet. § 113 TKG ermächtigt
nung wäre nur möglich, wenn sich die Pflicht zur Auskunftser-
staatliche Stellen nicht mehr dazu, Bestandsdaten von TK-
teilung unmittelbar aus den Vorschriften des TKG ergäbe. Eine
Diensteanbietern abzufragen, sondern sichert letztere nur da-
solche Interpretation von § 113 TKG in seiner seit dem 1.7.2013
tenschutzrechtlich ab, wenn diese auf ein anderweitig begrün-
geltenden Fassung hält das Gericht allerdings nicht für möglich.
detes Auskunftsverlangen hin Daten ihrer Nutzer an staatliche
§ 113 TKG regelt nur die Frage, unter welchen Voraussetzungen
Stellen übermitteln. Eine alleinige Berufung auf § 113 TKG kann
TK-Diensteanbieter befugt sind, Auskünfte über Bestandsdaten
ein staatliches Auskunftsersuchen deshalb nicht mehr recht-
zu erteilen. Er stellt also lediglich eine datenschutzrechtliche
fertigen. Unentbehrlich bleibt insofern eine spezialgesetzliche
Erlaubnis dar, durch welche die Übermittlung der Daten an die
Regelung, die den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden
Behörden als datenschutzrechtlich relevanter Vorgang gerecht-
eine entsprechende Abfrage erlaubt.
fertigt wird. Die Verpflichtung zur Erteilung der Auskunft ergibt
sich indes erst aus den jeweiligen Fachgesetzen für die Sicher-
Darüber hinaus zeigt das OVG NRW mit diesem Urteil aber
heits- und Strafverfolgungsbehörden, die darin zugleich ermäch-
auch klar die Grenzen der Handlungsbefugnisse der Bundes-
tigt werden, die entsprechenden Daten abzufragen. Zu diesem
netzagentur auf: Eine „Dachkompetenz“ für alle Tätigkeiten
Ergebnis kommen die Richter unter Heranziehung der üblichen
der TK-Diensteanbieter besitzt sie gerade nicht. Stattdessen
juristischen Auslegungsmethoden: Wortlaut, Systematik und
ist sie darauf beschränkt, die Einhaltung bestimmter tele-
Entstehungsgeschichte des Gesetzes.
kommunikationsrechtlicher
Vorschriften
durchzusetzen.
Insoweit Hochschulen ihren Studierenden und Mitarbeitern
§ 113 Abs. 1 TKG öffne also die bei den privaten TK-Dienstean-
einen Internetzugang zur Verfügung stellen, werden sie damit
bietern vorhandenen Datenbestände unter datenschutzrecht-
ebenfalls zum Telekommunikationsdiensteanbieter, der von
lichen Gesichtspunkten für die staatliche Aufgabenwahrneh-
den zuständigen staatlichen Stellen potentiell zur Auskunfts-
mung. Nur dieses Verständnis könne dem verfassungsrechtlich
erteilung aufgefordert werden kann. Eine entsprechende
gebotenen „Doppeltür-Modell“ gerecht werden, bei dem eine
Verpflichtung zur Erfüllung dieser Ersuchen darf die Bundes-
Tür die Befugnis zur Übermittlung der Daten symbolisiert,
netzagentur einer Hochschule dagegen nicht auferlegen, wie
während die zweite Tür für die Befugnis zur Abfrage dieser Da-
sich aus dem vorliegenden Urteil ergibt. Erlässt sie dennoch
ten durch die staatlichen Stellen steht.
eine entsprechende an die Hochschule gerichtete Anordnung,
sollte diese jedoch keinesfalls schlicht ignoriert werden, da
Da also kein Verstoß gegen § 113 TKG festgestellt werden
dies wohl meist in Form eines Verwaltungsakts geschehen
konnte, lagen die Voraussetzungen für ein Tätigwerden der
wird, der auch trotz Rechtswidrigkeit grundsätzlich wirksam
Bundesnetzagentur nicht vor. Eine darüber hinausgehende
ist. Um zu verhindern, dass die Anordnung als Verwaltungsakt
„Dachkompetenz“ der Bundesnetzagentur für alle Fragen im
Bestandskraft erlangt, muss dagegen deshalb mit einem Wi-
Zusammenhang mit der Beantwortung von Auskunftsersu-
derspruch bzw. einer Anfechtungsklage vorgegangen werden,
chen der Fachbehörden bestehe indes nicht. Im vorliegenden
sodass spätestens dann die Einschaltung des Hochschuljusti-
Fall richtete sich die Auskunftsverpflichtung des TK-Dienstean-
ziariats angezeigt ist.
bieters nicht nach dem TKG, sondern nach den Vorschriften des
nordrhein-westfälischen Polizeigesetzes, welches bestimmt,
Im Hinblick auf die Art und Weise der Auskunftserteilung darf
unter welchen Voraussetzungen das LKA NRW Bestandsdaten
die Bundesnetzagentur jedoch aufgrund von § 115 Abs. 1 TKG
abfragen darf. Mangels einschlägiger Rechtsgrundlage war die
Einfluss nehmen, sofern diese Modalitäten in § 113 TKG gere-
Anordnung der Bundesnetzagentur daher rechtswidrig und
gelt sind. Davon erfasst ist beispielsweise die Verpflichtung,
von den Richtern aufzuheben.
bei einer Bestandsdatenauskunft die Daten unverzüglich und
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vollständig zu übermitteln und sowohl über das Auskunftser-
Insgesamt sollten Hochschulen umsichtig mit staatlichen
suchen als auch die Auskunftserteilung Stillschweigen gegen-
Auskunftsersuchen umgehen, da nach den Fachgesetzen
über dem Betroffenen und Dritten zu wahren. Ebenso gilt dies
meist tatsächlich eine Auskunftspflicht bestehen wird, wenn
für die Pflicht, sämtliche unternehmensinternen – im Fall der
Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden bestimmte Daten
Hochschulen hochschulinternen – Datenquellen zu berück-
anfragen. Eine Verweigerung der Mitwirkung kann dann ggf.
sichtigen. Diese Regelungen zum „Wie“ der Auskunftsertei-
durch den Einsatz von Zwangs- oder Ordnungsmitteln geahn-
lung ergeben sich unmittelbar aus § 113 TKG und fallen daher
det werden. Interventionen durch die Bundesnetzagentur sind
in den Normbereich, dessen Einhaltung die Bundesnetzagen-
dagegen nur in eng begrenztem Rahmen zulässig, sodass hier
tur kontrollieren kann. Nur die Frage, ob überhaupt eine Aus-
stets geprüft werden sollte, ob Gegenstand einer etwaigen An-
kunftspflicht besteht, kann nicht anhand des TKG beantwor-
ordnung Verpflichtungen sind, die sich unmittelbar aus dem
tet werden, weshalb die Bundesnetzagentur insoweit nicht
TKG ergeben.
anordnungsbefugt ist.
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„Die Welt ist nicht genug…!“
OLG Celle urteilt zur Reichweite von Unterlassungserklärungen im Internet
von Marten Hinrichsen
Urheberrechtsverletzungen stehen im Internet an der Tagesordnung. Um sich gegen die unerlaubte Verwendung von geschützten Werken dauerhaft abzusichern, drängen die Rechteinhaber im Rahmen des außergerichtlichen Abmahnungsverfahrens zusätzlich auf die Abgabe einer
strafbewehrten Unterlassungserklärung. In diesem Zusammenhang ergeben sich jedoch immer
wieder rechtliche Probleme hinsichtlich der Reichweite solcher Erklärungen. Im Kern dreht sich
die rechtliche Auseinandersetzung um die Frage, welche Pflichten zur Unterlassung und Beseitigung einer Rechtsverletzung im Internet noch als zumutbar angesehen werden können. In einem
aktuellen Urteil hat sich jetzt auch das Oberlandesgericht (OLG) Celle zu der Reichweite dieser
Unterlassungserklärungen geäußert und den Rahmen des Zumutbaren dabei sehr weit abgesteckt.
Hintergrund
Reichweite erhebliche Haftungspotentiale. Zugleich besteht
in diesem Bereich eine erhebliche Rechtsunsicherheit, da die
Urheberrecht und Internet erscheinen auf den ersten Blick als
damit einhergehenden rechtlichen Fragen nicht alle hinrei-
zwei Dinge, die nur schwer miteinander in Einklang zu bringen
chend geklärt sind.
sind. Tagtäglich kommt es im Internet zu einer Vielzahl von
Urheberrechtsverletzungen. Die technischen Möglichkeiten
gestatten es, schnell und ohne viel Aufwand Bilder und andere Inhalte zu kopieren und für andere Zwecke zu nutzen. Dass
Rechtsverletzungen im Internet und die
Reichweite der Unterlassungserklärung
diese Inhalte häufig durch das Urheberrecht geschützt wer-
Neben der Formulierung solcher Erklärungen (vgl. dazu zuletzt
den, wird dabei teils bewusst, teils unbewusst übersehen. Um
bspw. Landgericht Hamburg, B. v. 11.1.2013, 308 O 442/12 in:
sich gegen diese massenhaften Urheberrechtsverletzungen
Klein, Die strafbewehrte Unterlassungserklärung – schmaler
zur Wehr zu setzen, hat sich seitens der Rechteinhaber eine au-
Grat in rechtlichem Minenfeld, DFN-Infobrief Recht 7/2013) er-
ßergerichtliche Abmahnpraxis etabliert. Hierbei werden dem
weisen sich oftmals die technischen Möglichkeiten des Inter-
Schädiger, sofern dieser feststellbar ist, in erster Linie der ent-
nets als problematisch. Entgegen dem laienhaften Verständ-
standene Schaden und die für die Rechtsverfolgung notwendi-
nis reicht es beispielsweise bei der urheberrechtswidrigen
gen (Anwalts-) Kosten auferlegt.
Verwendung eines Bildes nicht aus, lediglich die betroffene
Webseite zu löschen.
Als weitere Absicherungsmittel werden zudem Beseitigungsund Unterlassungsansprüche geltend gemacht. Zu diesem
Je nach Webdesign sind die Inhalte oft isoliert über eine geson-
Zweck wird oftmals die Abgabe einer sogenannten strafbe-
derte URL abrufbar oder auf mehreren Servern hinterlegt. Hier-
wehrten Unterlassungserklärung gefordert. Hierbei verpflich-
zu urteilte beispielsweise das OLG Karlsruhe (U. v. 12.9.2012 –
tet sich die betreffende Person zukünftige Rechtsverletzun-
6 U 58/11), dass allein die technische Möglichkeit der Erreich-
gen zu unterlassen und bei einer Zuwiderhandlung eine hohe
barkeit ausreiche, um einen Verstoß gegen die Unterlas-
Vertragsstrafe zu zahlen. Eine solche Erklärung birgt sowohl
sungserklärung im konkreten Fall zu begründen. (vgl. dazu
hinsichtlich ihrer Formulierung, aber auch im Hinblick auf ihre
ausführlich: Klein, Die strafbewehrte Unterlassungserklärung
DFN-Infobrief Recht 5 / 2015 | Seite 11
– schmaler Grat in rechtlichem Minenfeld, DFN-Infobrief Recht
7/2013.) Die Reichweite von Unterlassungserklärungen wird
Fazit und Auswirkungen auf die
Hochschulpraxis
somit gerade im Internet drastisch erhöht, da hier die technische Erreichbarkeit bereits eine Zugänglichmachung im Sinne
Das Urteil des OLG Celle fügt sich in die bisherige obergericht-
von § 19a Urheberrechtsgesetz (UrhG) darstellt und eine Ver-
liche Entscheidungspraxis ein. Dabei wird durchgehend die
letzung der Unterlassungserklärung bedeuten kann.
faktische technische Erreichbarkeit von Inhalten, die gegen abgegebene Unterlassungserklärungen verstoßen, in den Vorder-
Urteil des OLG Celle
grund gestellt. Die Gerichte verfolgen damit einen umfassenden
In einem kürzlich ergangenen Urteil hat sich auch das OLG Cel-
als ausreichend erachtet wird, um eine Rechtsverletzung anneh-
le zu der Reichweite von Unterlassungserklärungen bei Urhe-
men zu können. Dass ein Abruf oftmals nur umständlich und für
berrechtsverletzungen im Internet geäußert (OLG Celle, Urt. v.
den Durchschnittsinternetnutzer nur in seltenen Fällen möglich
29.1.2015 – 13 U 58/14). Wie im Urteil des OLG Karlsruhe stand
ist, spielt in der Rechtsprechung keine Rolle. Bereits die bloße
dabei die weiter bestehende Erreichbarkeit und somit die fort-
Möglichkeit einer Erreichbarkeit wird als ausreichend erachtet.
Ansatz, bei dem die bloße technische Erreichbarkeit der Inhalte
dauernde Rechtsverletzung im Blickpunkt. In dem Verfahren
hatte sich der Beklagte im Wege einer Unterlassungserklärung
Das Urteil des OLG Celle erweitert den Rahmen der zumutba-
dazu verpflichtet, es zukünftig zu unterlassen, Ferienwohnun-
ren Handlungspflichten auf die Bereinigung des Cache großer
gen der Klägerin auf seiner Internetpräsenz darzustellen und
Suchmaschinenanbieter. Dies erscheint insoweit nicht als
zu bewerben.
zwingend notwendig, da sich der Cache im Rahmen der Aktualisierungsvorgänge der Suchmaschinen ohnehin regelmäßig
Nach Abgabe dieser Unterlassungserklärung waren im Inter-
ändert und somit das Fortbestehen der Rechtsverletzung nur
net zwar keine Lichtbilder der Wohnungen mehr abrufbar,
von kurzer Dauer ist. Auf der anderen Seite erscheint es vor
Namens- und Adressdaten der Klägerin fanden sich jedoch
dem Hintergrund, dass die faktische Erreichbarkeit als aus-
weiterhin auf der Webseite des Beklagten. Da anhand dieser
reichend für einen Verstoß erachtet wird, jedoch auch als in-
Daten weiterhin der Eindruck vermittelt würde, dass der Be-
konsequent, die zumutbaren Handlungspflichten auf einzelne
klagte die Wohnungen der Klägerin vermittle, nahm das Ge-
große Suchmaschinenanbieter zu beschränken. Hier besteht
richt grundsätzlich einen Verstoß gegen die abgegebene Un-
im Rahmen der Zumutbarkeit ein Widerspruch.
terlassungserklärung an.
Das Urteil des OLG Celle wirft zudem die Frage auf, inwiefern
Zur Verteidigung berief sich der Beklagte darauf, dass es sich le-
seitens der Verpflichteten auch auf Internetarchivangebote
diglich um Datenreste handle, die nur noch über den Cache der
eingewirkt werden muss. Mittels dieser Angebote lässt sich
Suchmaschine abrufbar seien, da dieser seitens des Suchma-
der Zustand vieler Webseiten zeitlich zurückversetzt anzei-
schinenbetreibers noch nicht aktualisiert worden sei. Insofern
gen und somit die Rechtsverletzung reproduzieren. In diesem
stellte das OLG Celle unter Berufung auf weitere obergericht-
Zusammenhang stellt sich die Frage, wann die Grenze des Zu-
liche Rechtsprechung fest, dass der Unterlassungsschuldner
mutbaren überschritten ist.
durch geeignete Maßnahmen sicherstellen müsse, dass die
betroffenen Inhalte nicht mehr im Internet abgerufen werden
Insgesamt lässt sich festhalten, dass Hochschulen bei der Abgabe
können. Diese Pflicht umfasst nach Ansicht des Gerichts nicht
einer Unterlassungserklärung besondere Vorsicht walten lassen
nur die unmittelbare Löschung von der Webseite, sondern auch
sollten. Dieser Bereich gestaltet sich zum einen als besonders
die Zugangsverhinderung mittels Internetsuchmaschinen. So
komplex und zum anderen können Fehler hohe Kosten auslösen.
müsse zumindest eine Abrufbarkeit über Google als gängigste
Aus diesem Grund sollte vor der Abgabe einer Unterlassungser-
Internetsuchmaschine unterbunden werden. Im Rahmen einer
klärung immer ein Rechtsbeistand zu Rate gezogen werden. Ins-
Zumutbarkeitsprüfung könne höchstens fraglich sein, ob die-
besondere bei Rechtsverletzungen im Internet sollten darüber
se Pflicht auch weitere Suchmaschinenanbieter umfasse oder
hinaus alle technischen Möglichkeiten zur Beseitigung ergriffen
ob der Verweis auf deren laufende Aktualisierungen ausreiche.
werden. Die Rechtsprechung zeigt, dass das bloße Entfernen von
der eigenen Webseite nicht als ausreichend erachtet wird.
DFN-Infobrief Recht 5 / 2015 | Seite 12
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