Wer sich selbst verachtet

© Preußische Allgemeine Zeitung Ausgabe 19/15 vom 09.05.2015
Wer sich selbst verachtet ...
von Frank Horns
Was mag so ein potenzieller Einwanderer aus fremden Landen eigentlich denken, wenn er
ausgerechnet dieser Tage in Deutschland seine neue Heimat sucht? Mal angenommen, er ist
absolut willens, sich zu integrieren. Er will fleißig sein, sich anpassen und dazugehören.
Irgendwann möchte er sogar von sich sagen können, dass er ein guter Deutscher sei, vielleicht
sogar, dass er stolz sei, ein Deutscher zu sein.
Aber wie verstört wird dieser – ja nicht unwillkommene – Mensch sein, wenn er auf eine
Nation im Selbsthass trifft. Der derzeitige Umgang mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges
vor 70 Jahren macht dies wieder einmal besonders deutlich (siehe Seite 1). Der zugewanderte
„Möchtegern-Deutsche“ findet sich in einem Land wieder, dass seine weit über
tausendjährige, großartige Geschichte auf zwölf dunkle Jahre reduziert. Karl der Große,
Luther, Friedrich der Große, Bismarck – sie alle stehen aus dieser Sicht im düsteren Schatten
des Mannes mit dem lächerlichen Schnauzbart. Zudem hat sich der exzessive Schuldkult
längst verselbstständigt. Anscheinend alle Untaten der Welt möchte die Nation auf ihre
derzeit 81 Millionen Schultern laden. Der Völkermord an den Armeniern? Ja, irgendwie sind
natürlich auch wir Deutschen Schuld daran. Wenn das der Bundespräsident behauptet, wird es
schon stimmen. Andere Menschheitsverbrechen? Wenn man lange genug sucht, wird sich
bestimmt etwas Deutsches finden lassen, was sich damit in Zusammenhang bringen lässt,
selbst wenn es noch so abwegig ist.
Der Hass auf die eigene Geschichte verschattet auch die Gegenwart. Verschämt und
verängstigt tritt man den Fremden gegenüber. Bloß nichts falsch machen, lautet die Vorgabe
der political correctness, und wenn sich doch jemand beschwert, dann wird er schon recht
haben. Als Deutsche können wir ja nur alles falsch machen.
Wer mit dieser Einstellung allerdings Hunderttausende aus aller Herren Länder in die eigene
Nation integrieren möchte, wird katastrophal scheitern. Zu einer erfolgreichen
Willkommenskultur gehört ein Gastgeber, der dem Neuzugang eben nicht nur mit Speis und
Trank versorgt, sondern ihm gerade in die Augen schaut. Mit festem Händedruck und
selbstbewusstem Auftreten muss er ihm bewusst machen, dass er nicht irgendwo
aufgenommen wird, sondern dass er sich glücklich schätzen kann, ausgerechnet an diesem
Flecken und bei diesem Völkchen Unterkunft zu finden. Wer sich dagegen selbst verabscheut
und verachtet, dem werden genau diese Gefühle auch von anderen entgegengebracht. Er wird
nicht mehr ernst genommen, sondern ausgenutzt. Er wird im eigenen Land zum Opfer.