WESTFALEN Mittwoch, 29. April 2015 NR. 99 RWF01 NACHRICHTEN Bombe problemlos entschärft -ska- BORKEN. Die Borkener Innenstadt war am Dienstag für drei Stunden komplett gesperrt. Weil eine 500 Kilogramm schwere Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg entschärft wurde, musste das gesamte Stadtzentrum evakuiert werden. Die Bombe war unter dem Kirchplatz entdeckt worden, den die Stadt sanieren lässt. Feuerwerker des Kampfmittelräumdienstes bei der Bezirksregierung Arnsberg entschärften den Blindgänger. Für die rund 1500 Bewohner des Stadtzentrums hatte der Malteser Hilfsdienst eine Notunterkunft eingerichtet. 224 Einsatzkräfte von Feuerwehr, Stadt, Polizei und Malteser-Hilfsdienst waren an der Evakuierung beteiligt. Wie übersetzt man „Rottenführer“? „ABZ Sprachendienst“ aus Neuenkirchen dolmetscht im Lüneburger NS-Prozess gegen Oskar Gröning Schulfrei nach Einbruch -sti- DÜLMEN. Sämtliche Räume der Paul-Gerhardt-Schule in Dülmen haben Unbekannte in der Nacht zu Dienstag durchsucht. Bei ihrem Beutezug schraubten sie einen in einen Wandschrank eingelassenen Tresor aus der Verankerung, aus dem Safe ließen sie etwa 20 Euro mitgehen. Gestohlen wurden unter anderem ein Laptop und ein Beamer, einen weiteren Computer beschädigten die Täter. Hohen Schaden richten sie auch durch das Aufbrechen der Schubladen an. Wegen der Ermittlungen der Polizei hatten die 299 Schüler der Schule unerwartet einen Tag schulfrei. Köhler Ehrengast im Schloss Der Angeklagte Oskar Gröning (M.) sitzt mit seinen Anwälten Susanne Frangenberg und Hans Holtermann im Gerichtssaal in Lüneburg. Die Anklage wirft dem früheren SS-Mann Beihilfe zum 300 000-fachen Mord im Vernichtungslager Auschwitz vor. Foto: dpa Von Jörg Homering NEUENKIRCHEN/LÜNEBURG. Man nennt ihn auch den „Buchhalter von Auschwitz“: Vor dem Landgericht Lüneburg wird derzeit einer der vermutlich letzten großen NSProzesse verhandelt. 70 Jah- Alt-Bundespräsident Horst Köhler (4.v.l.) besuchte das Institut für Neutestamentliche Textforschung der Uni Münster. Foto: Oliver Werner -ide- MÜNSTER. Gedenken an den 100. Geburtstag von Prof. Kurt Aland und die Gründung der Hermann-Kunst-Stiftung vor 50 Jahren: Ehrengast im Schloss war am Dienstag Horst Köhler. Der Bundespräsident a.D. ist Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung, die das Institut für Neutestamentliche Textforschung der Universität unterstützt. Köhler unterstrich die Bedeutung dieser Arbeit, die weltweit Anerkennung genießt. Stadtreinigung mit dem Dreirad -gös- AHLEN. Die Ahlener Umweltbetriebe satteln bei der Stadtreinigung um – vom Handkarren auf das E-Lastenfahrrad. Das motorisierte Müllmobil wurde als Einzelstück nach den konkreten Vorstellungen in Steinfurt maßgefertigt. Kaum im Einsatz, lenkt das mit Arbeitswerkzeug, Tanks und einem Müllbehälter ausgestattete Dreirad in Fachkreisen bundesweites Interesse auf sich. Bisher kostete der Weg zum Einsatzort mit dem Handkarren viel Arbeitszeit, die jetzt effektiver eingesetzt wer- Das Dreirad der Ahlener Stadtreinigung. Foto: Gösmann den kann. Weggeworfener Unrat lässt sich neuerdings auch im Vorbeifahren mit dem Greifer aufheben. Ahlens Umweltbetriebe wollen im nächsten Jahr ein weiteres E-Lastenfahrrad anschaffen. MENSCHEN LWL-Preis für Peter Wittkampf Peter Wittkampf hat den mit 3100 Euro dotierten Förderpreis für westfälische Landeskunde bekommen. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe würdigte damit das Engagement des Telgters in diesem Bereich. Wittkampf ist seit 2006 Mitglied der Geographischen Kommission für Westfalen und hat sich intensiv mit der landeskundlichen Forschung und ihrer Vermittlung beschäftigt. Die Buchreihe „Westfalen Regional“ hat Wittkampf nach Angaben des LWL maßgeblich mitgestaltet. Peter Wittkampf Er ist Mitherausgeber des zweiten Bandes der Reihe. LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüschoff-Thale und der Vorsitzende der Geographischen Kommission für Westfalen, Prof. Dr. Karl-Heinz Otto, lobten die Arbeit des pensionierten Lehrers. (agh) »„Wir müssen genau sein, wir müssen neutral übersetzen, wir dürfen keine Meinung haben.« Eszter Bobory-Küwen re nach der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz ist der SS-Aufseher Oskar Gröning (93) angeklagt. Er muss sich wegen Beihilfe zum Mord in 300 000 Fällen verantworten. Neben über 60 Nebenklägern und deren Angehörigen aus aller Welt verfolgt die internationale Presse im Gerichtssaal den Prozess, der simultan ins Hebräische, Englische und Ungarische übersetzt wird. Ein Teil dieser SimultanÜbersetzung liegt in der Verantwortung eines Überset- zungsbüros aus Neuenkirchen. „Das ist für uns ein wichtiger und ganz besonderer Auftrag“, sagt Eszter BoboryKüwen. Die 40-jährige Neuenkirchenerin stammt gebürtig aus Ungarn, hat an der Universität Osnabrück Anglistik studiert. Dort lernte sie ihre Geschäftspartnerinnen kennen: die Juristinnen Dr. Malene Stein Poulsen (47) aus Dänemark und Beate Bauer (44) aus Polen. Gemeinsam gründeten sie vor vier Jahren in Neuenkirchen den „ABZ Sprachendienst“. Eszter Bobory-Küwen übersetzt im Gröning-Prozess simultan ins Ungarische. Nicht an jedem Prozesstag, nicht allein. „Unser Sprachdienst hat einen Stamm von über 100 Übersetzern und Dolmetschern, diese Aufgabe verteilen wir auf viele Schultern“, sagt die Neuenkirchenerin. Ihr Büro ist in dem Prozess für Ungarisch und Englisch zuständig, jeweils zu zweit wird eine Sprache übersetzt – 20 bis 30 Minuten, danach übernimmt ein Kollege. Eszter Bobory-Küwen (M.) dolmetscht simultan in Lüneburg. Mit Malene Stein Poulsen (l.) und Beate Bauer ist sie beim NS-Prozess gegen Oskar Gröning für die Übersetzung ins Ungarische und Englische zuständig. Foto: Jörg Homering Zum Prozess selber, zu Inhalten und eigenen Gefühlen, darf die beeidigte Dolmetscherin und Übersetzerin während des laufenden Verfahrens nichts sagen. „Wir würden schnell als befangen gelten. Als Übersetzer haben wir uns zur Neutralität verpflichtet“, betont Malene Stein Poulsen. Der NS-Prozess in Lüneburg ist für einen Übersetzer in mehrfacher Hinsicht etwas Besonderes. Neben dem emotionalen Moment des Themas – über das die Über- Der Energie-Pionier Antonio Bautista macht sich unabhängig von Stromanbietern Von Martin Fahlbusch OCHTRUP. Aus der Absage wurde eine interessante Lösung. Weil die Stadtwerke Ochtrup der Familie Bautista, die im Außenbereich der Töpferstadt wohnt, das Einspeisen von durch Sonnenenergie produziertem Strom aufgrund von Leitungskapazitätsgrenzen nicht genehmigten, suchte der Elektroingenieur eine finanzierbare Alternative. Mit Hilfe der ortsansässigen Firma Sonntec entschied sich Antonio Bautista für eine sogenannte Insellösung. Das Herzstück ist eine mit intelligenter Schaltungstechnik ausgestattete Unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV), die die Speichervorgänge in den BleiGel-Akkus und die Verbrauchssituation ständig überwacht, regelt und optimiert. Die gesamte „Standalone-Lösung“ in der Bauerschaft Oster ist erst einmal vom öffentlichen Netz unabhängig und getrennt, braucht auch keine Schalt- setzerinnen noch nicht sprechen dürfen – gibt es im Landgericht Lüneburg viele Unterschiede zu anderen Prozessen. Da ist zum einen das große internationale Interesse. „Neben 60 Zuhörern sitzen 60 Journalisten im Saal“, sagt Eszter Bobory-Küwen. „Was wir übersetzen, steht am nächsten Tag in der Weltpresse.“ Außerdem sei Dolmetschen in der Kabine vor Gericht selten. „Es ist außergewöhnlich, dass wir in diesen Kabinen sitzen und unsere Übersetzung auf Kopfhörer übertragen wird“, sagt Beate Bauer. Normalerweise sitze der Übersetzer direkt neben dem Angeklagten und übersetze simultan oder in einer Sprechpause. Wie auf jeden Prozess müssen sich die SimultanÜbersetzer des „ABZ Sprachendienstes“ auch auf diesen NS-Prozess vorbereiten. Das heißt: 90 Seiten Anklageschrift lesen, Fachvokabular nachschlagen, NS-Jargon lernen: „Rottenführer“ ist so ein Wort, „zackige und schneidige Truppe“ eine Formulierung, die in der Dolmetscher-Kabine für ein Zögern gesorgt hat. „Unbedarft“ nannte Gröning in seiner Aussage die Menschen, die er an der Rampe in Auschwitz in Empfang nahm. Und der Angeklagte sprach von „Entsorgung“, als es um die Morde in Auschwitz ging. „Wir müssen genau sein, wir müssen neutral übersetzen, wir dürfen keine Meinung haben – darauf sind wir vereidigt worden“, betont Eszter Bobory-Küwen. „Das ist für uns eine Gratwanderung.“ Landtaler soll Kaufkraft binden Drei Gemeinden wagen Geld-Experiment Von Achim Giersberg Blick in den Schaltschrank: Antonio Bautista produziert und speichert seine Energie selber. Foto: Martin Fahlbusch impulse aus den Leitungen der Stadtwerke Ochtrup. Das macht sie derzeit wohl für das Münsterland einmalig. Lediglich wenn es zu Versorgungsproblemen kommt, schaltet die Technik innerhalb von 16 Millisekunden auf die städtische Stromversorgung um und ebenso fix wieder zurück „Das Projekt musste so bemessen werden, dass es in 18 Jahren ausfinanziert ist“, erläutert Bautista. Für die Investitionssumme hätte sich die Familie einen kleineren Mittelklassewagen zulegen können. Wenn alles gut läuft, wird diese Anlage rund 80 Prozent des Jahresstrombedarfs der Bautistas decken. „Wir orientieren uns in unseren Verbrauchgewohnheiten um, gewaschen wird nicht am späten Abend“, sagt er. Zudem hofft der Ingenieur, dass in der Entwicklung von langlebigeren und günstigeren Akkus noch Reserven liegen. An der Detailverbesserungen seiner autarken Anlage hat er übrigens kräftig mitgetüftelt. KREIS STEINFURT. Vereine in Steinfurt, Horstmar oder Laer könnten künftig kommunale Zuschüsse in „Landtalern“ statt in Euro erhalten. Der, zum Beispiel, neue Trikotsatz müsste dann beim Sportgeschäft vor Ort gekauft werden statt online oder im nächsten Oberzentrum. Damit nicht genug. Mit Landtalern könnte man regionale Produkte erwerben oder in der örtlichen Gastronomie bezahlen, ja sogar ein städtisches Grundstück kaufen. Im Gegenzug würden die Gemeinden das neue Geld auch für die Grundsteuer oder das Parkknöllchen akzeptieren. Andreas Hoge, Robert Wenking und Detlev Prange, die Bürgermeister der drei Gemeinden im Kreis Steinfurt, sind fest entschlossen, das Experiment mit der Regionalwährung zu wagen, am liebsten im Rahmen eines geförderten EU-Projekts, noch lieber unter Beteiligung weiterer Kommunen. Regionale Wertschöpfung, Kaufkraftbindung, Förderung der regionalen Identität: Das ist der hoffnungsvolle Dreiklang gegen die Verödung von Dorfzentren und kleineren Innenstädten. Eine Info-Veranstaltung mit Christian Gelleri, dem Erfinder des „Chiemgauers“, einer Regionalwährung aus dem Süden Oberbayerns, stellte am Montagabend in Steinfurt die Landtaler-Idee einem größeren Publikum vor. Das war ganz angetan von den Möglichkeiten, wobei dem Landtaler, kommunal unterstützt und professionell gemanagt, der Vorzug vor einem Chiemgauer-Klon gegeben wurde. „Endlich passiert was Konkretes“, lobte ein Händler, der in Steinfurt ums Überleben kämpft und nun auf viele LandtalerMitstreiter hofft.
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