aktuell März 2015 - Alterspsychiatrie

Psychotherapie in der Alterspsychiatrie
Dr. med. Christopher Nardmann, Oberarzt
Der Anteil der Menschen im Alter von
über 70 Jahren mit alltagsrelevanten
psychiatrischen Störungen ist hoch.
Während nach jüngeren Untersuchungen etwa jeder Vierte in dieser Altersgruppe trotz möglicher Nebenwirkungen und Interaktionen mit anderen
Medikamenten ein Psychopharmakon
einnimmt, ist der Anteil derer, die eine
psychotherapeutische Behandlung erhalten, deutlich geringer.
Die Gründe für alltagsrelevante psychiatrische
Störungen sind vielfältig. Zum einen sind die
Betroffenen oftmals der Auffassung, dass ihren
Beschwerden eine körperliche Ursache zugrunde
liegen müsse. Nicht selten haben sie zudem tief
verwurzelte Vorbehalte gegenüber Psychiatrie
und Psychotherapie und befürchten eine Stigmatisierung. Auch Menschen im Umfeld der
Betroffenen sind unsicher, wie sie sich verhalten
sollen, zumal die Unterscheidung zwischen «normalem» Alterungsprozess und einer Störung mit
Krankheitswert nicht immer leicht zu treffen ist.
Die Klinik Sonnenhalde
Die Klinik Sonnenhalde AG – Psychiatrie und
Psychotherapie – in Riehen bei Basel (Schweiz)
ist eine profilierte Fachklinik mit einem umfassenden Angebot im stationären, teilstationären
und ambulanten Bereich. In der Klinik Sonnenhalde werden Menschen in ihrer Ganzheit wahrgenommen und behandelt.
Zuweisungen
Es ist uns ein wichtiges Anliegen, die Behandlungsziele und Therapiepläne Ihrer Patientinnen
und Patienten optimal mit Ihnen abzuklären.
Unsere Oberärzte stehen Ihnen dabei in allen
Unterschiedliche Therapiemöglichkeiten
Alterspsychiatrie
in der Sonennhalde
Die Therpeutin oder der Therapeut wiederum
sehen sich besonderen Herausforderungen
gegenüber. Neben der Kenntnis der biographischen Daten und der Lebensumstände müssen
im Rahmen der Psychotherapie die jeweilige
kognitive Situation und die Begleiterkrankungen des betroffenen älteren Menschen Berücksichtigung finden, auch ist der Einbezug von
Angehörigen, gegebenenfalls auch von pflegenden Personen von massgeblicher Bedeutung.
Wichtige Themen der psychotherapeutischen Gespräche mit älteren Patienten sind
einerseits die Annahme und die Aussöhnung
mit der bisherigen Lebensgeschichte bei gleichzeitiger Förderung des Gegenwartsbezugs, andererseits die Auseinandersetzung und der
Umgang mit Verlust und Trauer.
Entsprechend dem jeweiligen Störungsbild
finden hierbei unterschiedliche psychotherapeutische Verfahren Einsatz.
In der Alterspsychiatrie der Klinik Sonnenhalde
wird ein spezielles Augenmerk auf Interventionen zur Förderung von Achtsamkeit und Akzeptanz gelegt. Diesen wohnt in besonderer Form
auch die Möglichkeit inne, dem gerade vom
älteren Menschen häufig geäusserten Wunsch
nach Berücksichtigung der spirituellen Dimension Raum zu geben.
Die Wirksamkeit der Psychotherapie beim
älteren Menschen ist belegt, dies konnte insbesondere im Bereich der depressiven Störungen
im Rahmen entsprechender Untersuchungen
aufgezeigt werden. Aber auch für andere psychiatrische Erkrankungen wie Angststörungen,
demenzielle Entwicklungen oder Störungen, die
im Zusammenhang mit in der Lebensgeschichte
erlittenen Verletzungen stehen, wurden Therapieprogramme entwickelt.
Es ist ein lohnendes Ziel, durch Abbau von
Hürden und Hemmnissen einem höheren Anteil
älterer Menschen mit psychischer Erkrankung
den Zugang zu der effektiven und nachhaltigen
Behandlungsoption der Psychotherapie zu
■
erleichtern.
Informationen aus der Klinik Sonnenhalde Riehen, Psychiatrie und Psychotherapie
Liebe Leserinnen und Leser
Legende
Alterspsychiatrische stationäre Pflege
Der Unterschied in der Behandlung älterer Menschen im Vergleich zu Jüngeren
liegt vor allem in einer deutlich höheren Komplexität. Probleme älterer Patienten
sind immer multiple.
Behandlungsschwerpunkte
ak tuel l
Anita Postel, Leiterin Pflegeteam
Ottilienhaus
Redaktionsteam:
Dr. Andreas Gschwind, Ann-Katrin Schreiner,
Rudolf Güninger
Gestaltung: Qualimat AG / toolbox GmbH
Die psychopathologischen Prozesse sind von
normalen Entwicklungsvorgängen im Alter nicht
immer leicht zu unterscheiden. Psychische,
soziale, physische und umweltbedingte Einflüsse gilt es zu berücksichtigen. Aus diesem
Grund ist die Vertrautheit der Mitarbeitenden
mit den Gegebenheiten des Alters wichtig.
Publikation der Klinik Sonnenhalde Riehen
Klinik Sonnenhalde AG
Psychiatrie und Psychotherapie
Gänshaldenweg 28
CH-4125 Riehen
Telefon +41 61 645 46 46
Fax
+41 61 645 46 00
[email protected]
www.sonnenhalde.ch
Sofern Sie «aktuell» nicht per Post bekommen haben, den Newsletter aber regelmässig erhalten möchten, dann senden Sie ein
Mail an [email protected]
mit dem Betreff «Bestellung aktuell» und
Ihrer Adresse.
Februar/März 2015
aktuell: Alterspsychiatrie
Besonderheiten und Herausforderungen bei älteren Menschen
medizinischen Fragen und der Auswahl des richtigen Behandlungssettings zur Verfügung. Bitte
wenden Sie sich an unseren Empfang, der Ihnen
gerne weitere Auskünfte gibt.
■ Affektive Störungen
■ Angststörungen
■ Essstörungen
■ Borderlinestörungen
■ Stationäre qualifizierte Entzugsbehandlung
bei Alkohol-/Tranquilizerabhängigkeit
■ Postpartale psychische Störungen, bei Bedarf
stationäre Aufnahme von Mutter mit Kind
a kt u el l
Erfassung der psychiatrischen
Problemfelder
Beim Eintritt bzw. in der ersten Behandlungswoche geht es neben der Erfassung der psychiatrischen Problemfelder zusätzlich um die differenzierte Abklärung von Hilfsbedürftigkeit in
folgenden Bereichen:
■ Grundpflege: selbständig oder Hilfeleistung
(wie oft) erforderlich?
■ Mobilität: sind Einschränkungen vorhanden?
Wenn ja, welcher Art?
■ Orientierung: zeitlich, örtlich?
■ Alltagsgestaltung: selbständig? Braucht es
Anregung oder Unterstützung und wie oft?
■ Behandlungspflege – z.B. Umgang mit Medikamenten: selbständig?
■ Ernährung: selbständige Zubereitung der
Mahlzeiten? Einkaufen?
■ Kommunikation bzw. Organisation persönlicher Angelegenheiten: selbständig? Sind einzelne Hilfeleistungen notwendig?
■ Häusliche Situation: sauber halten der Wohnung? Waschen: selbständig oder Hilfeleistungen notwendig oder schon vorhanden?
■ Soziale Kontakte: Familie? Nachbarn?
Freunde?
Diese Informationen gilt es frühzeitig zu erfassen, erforderliche Massnahmen bedeuten eine
erhöhte Betreuungsintensität und stellen auch
höhere Anforderungen an die Infrastruktur.
Ist die Patientin oder der Patient in einem
oder mehreren von obigen Punkten unterstützungsbedürftig, bedeutet dies eine intensivere
Begleitung für uns. Der Pflegeprozess gestaltet
sich entsprechend komplexer und umfangreicher.
Auch das Tempo muss den Fähigkeiten der
Patienten angepasst werden. Gespräche, das
«Sammeln» und Erfassen von Informationen,
Fortsetzung auf Seite 2
Wussten Sie schon, dass für das Alter die
Psyche massgebend ist? «Ich bin so alt, wie
ich mich fühle.» Zudem ist unser Wunsch
nicht nur länger, sondern auch «gut» zu leben,
wobei «gut» ebenfalls stark von der Psyche
bestimmt wird. Leider sind psychische Störungen auch im Alter weit verbreitet. Die Lebenserwartung und der Anteil älterer Menschen in
der Bevölkerung nehmen zu.
Die psychiatrische Versorgung muss sich
dieser Entwicklung anpassen. Altersspezifische Fragen und Besonderheiten sind wichtig
für die psychiatrische Diagnostik und Therapie, körperliche Erkrankungen müssen
erkannt und oftmals mitbehandelt werden. In
unserer alterspsychiatrischen Abteilung ist
die direkte somatische Versorgung durch eine
Fachärztin für Allgemeine Medizin und die
enge Zusammenarbeit mit somatischen Spezialisten unabdingbar.
Umgekehrt steigt die Nachfrage nach
psychiatrischer Expertise in somatischen Spitälern und Pflegeeinrichtungen, wobei diesbezüglich leider eine Unterversorgung
besteht, so dass psychische Probleme oftmals
nicht erkannt oder nicht adäquat behandelt
werden. Deshalb leistet die Klinik Sonnenhalde seit knapp zwei Jahren den psychiatrischen Konsiliardienst für das Adullam Spital
und seit kürzerem auch für das Palliativzentrum Hildegard!
Dr. med. Andreas Gschwind
Chefarzt
www.sonnenhalde.ch
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Altersdepression: was ist wichtig – und was
gilt es zu beachten?
Anja Oswald ist neue
Direktorin der Klinik
Sonnenhalde
Sie liegt bei 5 bis 10 % im Rahmen der medizinischen Grundversorgung und bei bis zu 37 %
nach schwerwiegenden Hospitalisationen.
Depression im Alter korreliert mit einer hohen
Suizidrate, die in fast 90 % der Fälle auf eine
zugrundliegende Depression zurückgeführt werden kann. Weltweit ist die Suizidrate in der
Altersgruppe der über 75-jährigen am höchsten.
Der Geschlechtsunterschied verschiebt sich im
Alter weiter zugunsten der Männer bis zu 4:1.
Der Verwaltungsrat hat Dr. med. Anja Oswald
(47), MBA, zur neuen Direktorin der Klinik Sonnenhalde gewählt. Sie ist Nachfolgerin von
Ursula Fringer, welche seit Oktober 2014 CEO
des Felix Platter-Spitals ist. Anja Oswald wird die
operative Führung per 1. Mai 2015 übernehmen.
Nach ihrem Studium und der Promotion an der
Universität Basel übernahm Anja Oswald
diverse Führungspositionen und absolvierte
medizinische und sportwissenschaftliche Fachausbildungen sowie Managementweiterbildungen und qualifizierte sich als Master in Business
Administration (MBA). Zuletzt war sie im
Gesundheitsdepartement Basel-Stadt als Abteilungsleiterin
Medizinisch-pharmazeutische
Dienste, stv. Kantonsärztin, stv. Kantonsapothekerin und stv. Fachbereichsleiterin Gesundheit
des Kantonalen Krisenstabs tätig.
Anja Oswald verfügt als Medizinerin und
Betriebswirtschafterin über eine mehrjährige
Management- und Führungserfahrung, umfangreiche Kenntnisse des kantonalen und nationalen Sozial- und Gesundheitswesens sowie ein
breites Netzwerk zu wichtigen Stakeholdern aus
Medizin, Wirtschaft, Verwaltung und Politik.
Der Verwaltungsrat ist überzeugt, dass er
zusammen mit Anja Oswald den kommenden
Herausforderungen im Gesundheitswesen bestens begegnen kann, und, dass die Klinik Sonnenhalde AG, als Klinik mit christlicher Werteorientierung, ihren Auftrag im Kontext der Psychiatrieversorgung beider Basel wahrnehmen kann
und als Privatklinik auf nationaler und interna■
tionaler Ebene weiterhin etabliert ist.
Psychosoziale Auslöser wie Verlustsituationen
wie z.B. der Tod von wichtigen Bezugspersonen,
aber auch von früheren Beschäftigungs- und
Freizeitmöglichkeiten oder der Verlust der
gewohnten Umgebung und Selbstständigkeit
sind im Alter häufiger, was aber nicht zwangsläufig heissen muss, dass im Alter weniger
Lebenszufriedenheit besteht. Im Gegenteil, die
Fähigkeit, trotz eingeschränkter Möglichkeiten
zufrieden zu sein, steigt im Alter an.
sind zeitaufwendiger als bei jüngeren Patienten.
Denken, Handeln, Fühlen der Patientinnen und
Patienten sind nicht nur aufgrund der diagnostizierten psychiatrischen Krankheit langsamer
und schwerfälliger. Sie werden häufig auch
durch Schwerhörigkeit bzw. Minderung des Hörvermögens zusätzlich erschwert.
erkennen und den Umgang damit zu erarbeiten.
Da die Anlässe für Rückschläge bei älteren Menschen häufig vielschichtig sind (körperliche
Erkrankung, Auftreten mehrerer Beschwerden
gleichzeitig, unzureichende soziale Kontakte,
Alleinsein, Herbst, Winter,...) bedarf die Rückfallprophylaxe besonderer Aufmerksamkeit.
Die pflegerische Begleitung
Die Veränderungen bzw. Verbesserungen müssen in den Alltag transferiert werden und sich
im ambulanten Setting fortsetzen.
Unser Ziel in der pflegerischen Begleitung ist,
die bestmögliche Lebensqualität für den Patienten zu erhalten, zu erarbeiten und/oder zu erreichen, immer unter Beibehaltung seiner grösstmöglichen Autonomie. Dazu gehören in der Alltagsbegleitung:
■ Ressourcenunterstützung und -förderung,
sowohl im physischen als auch psychischen
Bereich
■ Verbesserung von sozialen Fertigkeiten
■ Erarbeiten praktischer Lösungen wie z.B. das
gemeinsame Erstellen von Wochenplänen
mit sowohl angenehmen, stimmungshebenden Tätigkeiten als auch täglichen Pflichten
■ Herstellen des Gegenwartsbezugs, immer
unter Berücksichtigung des Körpers (in
Krankheit und Gesundheit)
■ Einbezug von Angehörigen
■ Auseinandersetzung mit dem Altern
Austrittsplanung und -vorbereitung
Ein weiterer wichtiger Baustein in der Begleitung für das gesamte interdisziplinäre Team ist
die Austrittsplanung und -vorbereitung. Hierzu
gehört es, Krisen und schwierige Phasen zu
Ein wesentliches Kennzeichen der Altersdepression ist die häufige Komorbidität mit somatischen Erkrankungen. Hinzu kommt ein erhöhtes
Risiko für Medikamentennebenwirkungen und
Wechselwirkungen aufgrund der Polypharmazie.
Eine Besonderheit der Altersdepression ist, dass häufig somatische Beschwerden
wie Klagen über Appetitlosigkeit, Obstipation, Schwindel, Schwäche, Atem- oder
Herzbeschwerden, psychomotorische Unruhe, Ängste oder Klagen über kognitive
Beeinträchtigungen im Vordergrund stehen.
Dr. med. Bernadette Lessing, Fachärztin
Hier bedarf es einer guten Koordination mit
dem Sozialdienst, um ggf. Tagesstätten, Spitex,
Haushaltshilfen, externe Gruppenaktivitäten
(z.B. Seniorengymnastik) u.a. frühzeitig aufzugleisen.
Immer wieder zeigt sich, wie wichtig ein differenziertes und interdisziplinäres Abklärungsgespräch für eine gute Behandlung im Sinne des
Patienten ist. Das Einbeziehen des Pflegedienstes im Abklärungsgespräch ist deshalb sinnvoll,
um ein ideales Behandlungssetting für den
Patienten herzustellen.
Und nicht zuletzt versuchen wir unsere Patienten mit Humor zu begleiten, denn:
«Humor ist das Salz im Alter,
nur, wer gut gesalzen ist,
bleibt lange frisch.»
Beschwerdebild anderer depressiver Erkrankungen.
Definition
Als Altersdepression wird das Auftreten einer
depressiven Episode ab einem Alter von 60 Jahren und darüber bezeichnet.
Differentialdiagnostisch sollte immer an somatische Erkrankungen gedacht werden, die zu einer
Depression führen können:
Patientinnen und Patienten mit einer Altersdepression sind eine heterogene Gruppe mit
unterschiedlicher klinischer Vorgeschichte und
begleitenden Erkrankungen. Grundsätzlich
unterscheidet man Patienten mit einer erstmaligen depressiven Episode im Alter über 60 Jahren von solchen, die in jüngeren Jahren bereits
eine depressive Episode hatten. Erstere weisen
häufiger neurologische Auffälligkeiten, neuropsychologische Defizite oder stärker ausgeprägte Veränderungen in der kranialen Bildgebung auf.
■ Degenerative Erkrankungen wie Demenzen
oder Morbus Parkinson
■ Zerebrovaskuläre Erkrankungen, wie zerebrale Infarkte, vaskuläre Demenz
■ Endokrine Störungen wie Hypothyreose, Cushing Syndrom, Diabetes
■ Kardiovaskuläre Erkrankungen wie Herzinsuffizienz, COPD, Schlafapnoe-Syndrom
■ Sonstige wie Vitamin-B12-Mangel, Folsäuremangel, virale Erkrankungen
■ Medikamente wie z.B. Steroide, manche Antihypertensiva
Diagnose
Häufigkeit
Die Diagnose wird im Allgemeinen anhand der
ICD-10-Kriterien gestellt und unterscheidet sich
generell nicht wesentlich vom allgemeinen
Depressionen sind im Alter die häufigsten psychischen Erkrankungen. Die Häufigkeit wird mit
5 % bei Menschen über 60 Jahren angegeben.
Häufig gehen kognitive Beeinträchtigungen mit
einer Altersdepression einher, dabei können
diese Zeichen einer fortschreitenden hirnorganischen Erkrankung sein, aber auch eine
Prädisposition sowie einen aufrechterhaltenden
Faktor für eine Depression darstellen. Umgekehrt kann die Depression ein Risikofaktor für
und/oder eine Manifestation einer beginnenden
Demenz sein.
Fazit
Die Altersdepression wird vielfach übersehen,
führt zu erhöhter Pflegebedürftigkeit und
erhöht die Sterblichkeit. Sie ist aber in vielen Fäl■
len gut behandelbar.