Psychotherapie in der Alterspsychiatrie Dr. med. Christopher Nardmann, Oberarzt Der Anteil der Menschen im Alter von über 70 Jahren mit alltagsrelevanten psychiatrischen Störungen ist hoch. Während nach jüngeren Untersuchungen etwa jeder Vierte in dieser Altersgruppe trotz möglicher Nebenwirkungen und Interaktionen mit anderen Medikamenten ein Psychopharmakon einnimmt, ist der Anteil derer, die eine psychotherapeutische Behandlung erhalten, deutlich geringer. Die Gründe für alltagsrelevante psychiatrische Störungen sind vielfältig. Zum einen sind die Betroffenen oftmals der Auffassung, dass ihren Beschwerden eine körperliche Ursache zugrunde liegen müsse. Nicht selten haben sie zudem tief verwurzelte Vorbehalte gegenüber Psychiatrie und Psychotherapie und befürchten eine Stigmatisierung. Auch Menschen im Umfeld der Betroffenen sind unsicher, wie sie sich verhalten sollen, zumal die Unterscheidung zwischen «normalem» Alterungsprozess und einer Störung mit Krankheitswert nicht immer leicht zu treffen ist. Die Klinik Sonnenhalde Die Klinik Sonnenhalde AG – Psychiatrie und Psychotherapie – in Riehen bei Basel (Schweiz) ist eine profilierte Fachklinik mit einem umfassenden Angebot im stationären, teilstationären und ambulanten Bereich. In der Klinik Sonnenhalde werden Menschen in ihrer Ganzheit wahrgenommen und behandelt. Zuweisungen Es ist uns ein wichtiges Anliegen, die Behandlungsziele und Therapiepläne Ihrer Patientinnen und Patienten optimal mit Ihnen abzuklären. Unsere Oberärzte stehen Ihnen dabei in allen Unterschiedliche Therapiemöglichkeiten Alterspsychiatrie in der Sonennhalde Die Therpeutin oder der Therapeut wiederum sehen sich besonderen Herausforderungen gegenüber. Neben der Kenntnis der biographischen Daten und der Lebensumstände müssen im Rahmen der Psychotherapie die jeweilige kognitive Situation und die Begleiterkrankungen des betroffenen älteren Menschen Berücksichtigung finden, auch ist der Einbezug von Angehörigen, gegebenenfalls auch von pflegenden Personen von massgeblicher Bedeutung. Wichtige Themen der psychotherapeutischen Gespräche mit älteren Patienten sind einerseits die Annahme und die Aussöhnung mit der bisherigen Lebensgeschichte bei gleichzeitiger Förderung des Gegenwartsbezugs, andererseits die Auseinandersetzung und der Umgang mit Verlust und Trauer. Entsprechend dem jeweiligen Störungsbild finden hierbei unterschiedliche psychotherapeutische Verfahren Einsatz. In der Alterspsychiatrie der Klinik Sonnenhalde wird ein spezielles Augenmerk auf Interventionen zur Förderung von Achtsamkeit und Akzeptanz gelegt. Diesen wohnt in besonderer Form auch die Möglichkeit inne, dem gerade vom älteren Menschen häufig geäusserten Wunsch nach Berücksichtigung der spirituellen Dimension Raum zu geben. Die Wirksamkeit der Psychotherapie beim älteren Menschen ist belegt, dies konnte insbesondere im Bereich der depressiven Störungen im Rahmen entsprechender Untersuchungen aufgezeigt werden. Aber auch für andere psychiatrische Erkrankungen wie Angststörungen, demenzielle Entwicklungen oder Störungen, die im Zusammenhang mit in der Lebensgeschichte erlittenen Verletzungen stehen, wurden Therapieprogramme entwickelt. Es ist ein lohnendes Ziel, durch Abbau von Hürden und Hemmnissen einem höheren Anteil älterer Menschen mit psychischer Erkrankung den Zugang zu der effektiven und nachhaltigen Behandlungsoption der Psychotherapie zu ■ erleichtern. Informationen aus der Klinik Sonnenhalde Riehen, Psychiatrie und Psychotherapie Liebe Leserinnen und Leser Legende Alterspsychiatrische stationäre Pflege Der Unterschied in der Behandlung älterer Menschen im Vergleich zu Jüngeren liegt vor allem in einer deutlich höheren Komplexität. Probleme älterer Patienten sind immer multiple. Behandlungsschwerpunkte ak tuel l Anita Postel, Leiterin Pflegeteam Ottilienhaus Redaktionsteam: Dr. Andreas Gschwind, Ann-Katrin Schreiner, Rudolf Güninger Gestaltung: Qualimat AG / toolbox GmbH Die psychopathologischen Prozesse sind von normalen Entwicklungsvorgängen im Alter nicht immer leicht zu unterscheiden. Psychische, soziale, physische und umweltbedingte Einflüsse gilt es zu berücksichtigen. Aus diesem Grund ist die Vertrautheit der Mitarbeitenden mit den Gegebenheiten des Alters wichtig. Publikation der Klinik Sonnenhalde Riehen Klinik Sonnenhalde AG Psychiatrie und Psychotherapie Gänshaldenweg 28 CH-4125 Riehen Telefon +41 61 645 46 46 Fax +41 61 645 46 00 [email protected] www.sonnenhalde.ch Sofern Sie «aktuell» nicht per Post bekommen haben, den Newsletter aber regelmässig erhalten möchten, dann senden Sie ein Mail an [email protected] mit dem Betreff «Bestellung aktuell» und Ihrer Adresse. Februar/März 2015 aktuell: Alterspsychiatrie Besonderheiten und Herausforderungen bei älteren Menschen medizinischen Fragen und der Auswahl des richtigen Behandlungssettings zur Verfügung. Bitte wenden Sie sich an unseren Empfang, der Ihnen gerne weitere Auskünfte gibt. ■ Affektive Störungen ■ Angststörungen ■ Essstörungen ■ Borderlinestörungen ■ Stationäre qualifizierte Entzugsbehandlung bei Alkohol-/Tranquilizerabhängigkeit ■ Postpartale psychische Störungen, bei Bedarf stationäre Aufnahme von Mutter mit Kind a kt u el l Erfassung der psychiatrischen Problemfelder Beim Eintritt bzw. in der ersten Behandlungswoche geht es neben der Erfassung der psychiatrischen Problemfelder zusätzlich um die differenzierte Abklärung von Hilfsbedürftigkeit in folgenden Bereichen: ■ Grundpflege: selbständig oder Hilfeleistung (wie oft) erforderlich? ■ Mobilität: sind Einschränkungen vorhanden? Wenn ja, welcher Art? ■ Orientierung: zeitlich, örtlich? ■ Alltagsgestaltung: selbständig? Braucht es Anregung oder Unterstützung und wie oft? ■ Behandlungspflege – z.B. Umgang mit Medikamenten: selbständig? ■ Ernährung: selbständige Zubereitung der Mahlzeiten? Einkaufen? ■ Kommunikation bzw. Organisation persönlicher Angelegenheiten: selbständig? Sind einzelne Hilfeleistungen notwendig? ■ Häusliche Situation: sauber halten der Wohnung? Waschen: selbständig oder Hilfeleistungen notwendig oder schon vorhanden? ■ Soziale Kontakte: Familie? Nachbarn? Freunde? Diese Informationen gilt es frühzeitig zu erfassen, erforderliche Massnahmen bedeuten eine erhöhte Betreuungsintensität und stellen auch höhere Anforderungen an die Infrastruktur. Ist die Patientin oder der Patient in einem oder mehreren von obigen Punkten unterstützungsbedürftig, bedeutet dies eine intensivere Begleitung für uns. Der Pflegeprozess gestaltet sich entsprechend komplexer und umfangreicher. Auch das Tempo muss den Fähigkeiten der Patienten angepasst werden. Gespräche, das «Sammeln» und Erfassen von Informationen, Fortsetzung auf Seite 2 Wussten Sie schon, dass für das Alter die Psyche massgebend ist? «Ich bin so alt, wie ich mich fühle.» Zudem ist unser Wunsch nicht nur länger, sondern auch «gut» zu leben, wobei «gut» ebenfalls stark von der Psyche bestimmt wird. Leider sind psychische Störungen auch im Alter weit verbreitet. Die Lebenserwartung und der Anteil älterer Menschen in der Bevölkerung nehmen zu. Die psychiatrische Versorgung muss sich dieser Entwicklung anpassen. Altersspezifische Fragen und Besonderheiten sind wichtig für die psychiatrische Diagnostik und Therapie, körperliche Erkrankungen müssen erkannt und oftmals mitbehandelt werden. In unserer alterspsychiatrischen Abteilung ist die direkte somatische Versorgung durch eine Fachärztin für Allgemeine Medizin und die enge Zusammenarbeit mit somatischen Spezialisten unabdingbar. Umgekehrt steigt die Nachfrage nach psychiatrischer Expertise in somatischen Spitälern und Pflegeeinrichtungen, wobei diesbezüglich leider eine Unterversorgung besteht, so dass psychische Probleme oftmals nicht erkannt oder nicht adäquat behandelt werden. Deshalb leistet die Klinik Sonnenhalde seit knapp zwei Jahren den psychiatrischen Konsiliardienst für das Adullam Spital und seit kürzerem auch für das Palliativzentrum Hildegard! Dr. med. Andreas Gschwind Chefarzt www.sonnenhalde.ch Fortsetzung von Seite 1 Altersdepression: was ist wichtig – und was gilt es zu beachten? Anja Oswald ist neue Direktorin der Klinik Sonnenhalde Sie liegt bei 5 bis 10 % im Rahmen der medizinischen Grundversorgung und bei bis zu 37 % nach schwerwiegenden Hospitalisationen. Depression im Alter korreliert mit einer hohen Suizidrate, die in fast 90 % der Fälle auf eine zugrundliegende Depression zurückgeführt werden kann. Weltweit ist die Suizidrate in der Altersgruppe der über 75-jährigen am höchsten. Der Geschlechtsunterschied verschiebt sich im Alter weiter zugunsten der Männer bis zu 4:1. Der Verwaltungsrat hat Dr. med. Anja Oswald (47), MBA, zur neuen Direktorin der Klinik Sonnenhalde gewählt. Sie ist Nachfolgerin von Ursula Fringer, welche seit Oktober 2014 CEO des Felix Platter-Spitals ist. Anja Oswald wird die operative Führung per 1. Mai 2015 übernehmen. Nach ihrem Studium und der Promotion an der Universität Basel übernahm Anja Oswald diverse Führungspositionen und absolvierte medizinische und sportwissenschaftliche Fachausbildungen sowie Managementweiterbildungen und qualifizierte sich als Master in Business Administration (MBA). Zuletzt war sie im Gesundheitsdepartement Basel-Stadt als Abteilungsleiterin Medizinisch-pharmazeutische Dienste, stv. Kantonsärztin, stv. Kantonsapothekerin und stv. Fachbereichsleiterin Gesundheit des Kantonalen Krisenstabs tätig. Anja Oswald verfügt als Medizinerin und Betriebswirtschafterin über eine mehrjährige Management- und Führungserfahrung, umfangreiche Kenntnisse des kantonalen und nationalen Sozial- und Gesundheitswesens sowie ein breites Netzwerk zu wichtigen Stakeholdern aus Medizin, Wirtschaft, Verwaltung und Politik. Der Verwaltungsrat ist überzeugt, dass er zusammen mit Anja Oswald den kommenden Herausforderungen im Gesundheitswesen bestens begegnen kann, und, dass die Klinik Sonnenhalde AG, als Klinik mit christlicher Werteorientierung, ihren Auftrag im Kontext der Psychiatrieversorgung beider Basel wahrnehmen kann und als Privatklinik auf nationaler und interna■ tionaler Ebene weiterhin etabliert ist. Psychosoziale Auslöser wie Verlustsituationen wie z.B. der Tod von wichtigen Bezugspersonen, aber auch von früheren Beschäftigungs- und Freizeitmöglichkeiten oder der Verlust der gewohnten Umgebung und Selbstständigkeit sind im Alter häufiger, was aber nicht zwangsläufig heissen muss, dass im Alter weniger Lebenszufriedenheit besteht. Im Gegenteil, die Fähigkeit, trotz eingeschränkter Möglichkeiten zufrieden zu sein, steigt im Alter an. sind zeitaufwendiger als bei jüngeren Patienten. Denken, Handeln, Fühlen der Patientinnen und Patienten sind nicht nur aufgrund der diagnostizierten psychiatrischen Krankheit langsamer und schwerfälliger. Sie werden häufig auch durch Schwerhörigkeit bzw. Minderung des Hörvermögens zusätzlich erschwert. erkennen und den Umgang damit zu erarbeiten. Da die Anlässe für Rückschläge bei älteren Menschen häufig vielschichtig sind (körperliche Erkrankung, Auftreten mehrerer Beschwerden gleichzeitig, unzureichende soziale Kontakte, Alleinsein, Herbst, Winter,...) bedarf die Rückfallprophylaxe besonderer Aufmerksamkeit. Die pflegerische Begleitung Die Veränderungen bzw. Verbesserungen müssen in den Alltag transferiert werden und sich im ambulanten Setting fortsetzen. Unser Ziel in der pflegerischen Begleitung ist, die bestmögliche Lebensqualität für den Patienten zu erhalten, zu erarbeiten und/oder zu erreichen, immer unter Beibehaltung seiner grösstmöglichen Autonomie. Dazu gehören in der Alltagsbegleitung: ■ Ressourcenunterstützung und -förderung, sowohl im physischen als auch psychischen Bereich ■ Verbesserung von sozialen Fertigkeiten ■ Erarbeiten praktischer Lösungen wie z.B. das gemeinsame Erstellen von Wochenplänen mit sowohl angenehmen, stimmungshebenden Tätigkeiten als auch täglichen Pflichten ■ Herstellen des Gegenwartsbezugs, immer unter Berücksichtigung des Körpers (in Krankheit und Gesundheit) ■ Einbezug von Angehörigen ■ Auseinandersetzung mit dem Altern Austrittsplanung und -vorbereitung Ein weiterer wichtiger Baustein in der Begleitung für das gesamte interdisziplinäre Team ist die Austrittsplanung und -vorbereitung. Hierzu gehört es, Krisen und schwierige Phasen zu Ein wesentliches Kennzeichen der Altersdepression ist die häufige Komorbidität mit somatischen Erkrankungen. Hinzu kommt ein erhöhtes Risiko für Medikamentennebenwirkungen und Wechselwirkungen aufgrund der Polypharmazie. Eine Besonderheit der Altersdepression ist, dass häufig somatische Beschwerden wie Klagen über Appetitlosigkeit, Obstipation, Schwindel, Schwäche, Atem- oder Herzbeschwerden, psychomotorische Unruhe, Ängste oder Klagen über kognitive Beeinträchtigungen im Vordergrund stehen. Dr. med. Bernadette Lessing, Fachärztin Hier bedarf es einer guten Koordination mit dem Sozialdienst, um ggf. Tagesstätten, Spitex, Haushaltshilfen, externe Gruppenaktivitäten (z.B. Seniorengymnastik) u.a. frühzeitig aufzugleisen. Immer wieder zeigt sich, wie wichtig ein differenziertes und interdisziplinäres Abklärungsgespräch für eine gute Behandlung im Sinne des Patienten ist. Das Einbeziehen des Pflegedienstes im Abklärungsgespräch ist deshalb sinnvoll, um ein ideales Behandlungssetting für den Patienten herzustellen. Und nicht zuletzt versuchen wir unsere Patienten mit Humor zu begleiten, denn: «Humor ist das Salz im Alter, nur, wer gut gesalzen ist, bleibt lange frisch.» Beschwerdebild anderer depressiver Erkrankungen. Definition Als Altersdepression wird das Auftreten einer depressiven Episode ab einem Alter von 60 Jahren und darüber bezeichnet. Differentialdiagnostisch sollte immer an somatische Erkrankungen gedacht werden, die zu einer Depression führen können: Patientinnen und Patienten mit einer Altersdepression sind eine heterogene Gruppe mit unterschiedlicher klinischer Vorgeschichte und begleitenden Erkrankungen. Grundsätzlich unterscheidet man Patienten mit einer erstmaligen depressiven Episode im Alter über 60 Jahren von solchen, die in jüngeren Jahren bereits eine depressive Episode hatten. Erstere weisen häufiger neurologische Auffälligkeiten, neuropsychologische Defizite oder stärker ausgeprägte Veränderungen in der kranialen Bildgebung auf. ■ Degenerative Erkrankungen wie Demenzen oder Morbus Parkinson ■ Zerebrovaskuläre Erkrankungen, wie zerebrale Infarkte, vaskuläre Demenz ■ Endokrine Störungen wie Hypothyreose, Cushing Syndrom, Diabetes ■ Kardiovaskuläre Erkrankungen wie Herzinsuffizienz, COPD, Schlafapnoe-Syndrom ■ Sonstige wie Vitamin-B12-Mangel, Folsäuremangel, virale Erkrankungen ■ Medikamente wie z.B. Steroide, manche Antihypertensiva Diagnose Häufigkeit Die Diagnose wird im Allgemeinen anhand der ICD-10-Kriterien gestellt und unterscheidet sich generell nicht wesentlich vom allgemeinen Depressionen sind im Alter die häufigsten psychischen Erkrankungen. Die Häufigkeit wird mit 5 % bei Menschen über 60 Jahren angegeben. Häufig gehen kognitive Beeinträchtigungen mit einer Altersdepression einher, dabei können diese Zeichen einer fortschreitenden hirnorganischen Erkrankung sein, aber auch eine Prädisposition sowie einen aufrechterhaltenden Faktor für eine Depression darstellen. Umgekehrt kann die Depression ein Risikofaktor für und/oder eine Manifestation einer beginnenden Demenz sein. Fazit Die Altersdepression wird vielfach übersehen, führt zu erhöhter Pflegebedürftigkeit und erhöht die Sterblichkeit. Sie ist aber in vielen Fäl■ len gut behandelbar.
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