ÜBER-LEBEN MIT / OHNE POLITIK – Sicherheit, Menschenrechte und Entwicklung im Lichte europapolitischer, antipolitischer und kosmopolitischer Entwürfe. Internationale Tagung des Europahauses Burgenland vom 18. –21. Mai 2015 Kosmopolitische Bibliothek, Eisenstadt, AT / Kloster Wandorf, Sopron, HU Earth Politics or “Politics as Usual”? Security, development and human rights in a time of crisis International Encounter in Pannonia 18th to 21st of May 2015 Kosmopolitische Bibliothek, Eisenstadt, AT / Kloster Wandorf, Sopron, HU IDEEN, INTENTIONEN, FRAGEN Die globale Entwicklung wird gemeinhin als politisches Geschäft betrachtet. Die Gestaltung von Lebens- und Überlebensbedingungen wird zu einer Art von Erdpolitik, die immer weniger auf nationalem Terrain und immer mehr in einem internationalen Feld versucht wird. Aktuell steht die internationale Gemeinschaft vor der Frage, wie eine Nachfolgeagenda für die im Jahr 2015 auslaufenden Millenium Development Goals (MDGs) aussehen könnte; die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat das Jahr 2015 zum Internationalen Jahr der Böden (International Year of Soils – IYS) erklärt und die Europäische Union hat das Jahr 2015 unter dem Motto „Unsere Welt, unsere Würde, unsere Zukunft“ zum „Europäischen Jahr der Entwicklung“ bestimmt. So weit, so gut. Wir fragen indes, ob das politische Format, in dem all diese guten oder gut gemeinten Bemühungen ihre Form finden sollen, dafür überhaupt passend ist. Wir hegen den Verdacht, dass hier immer aufs Neue versucht wird, Probleme mit einem Denken zu lösen, das diese Probleme immer aufs Neue erzeugt? Politik, wie wir sie kennen und können, wurde ja auch nicht für die Überlebensfragen eines Planeten, sondern zunächst für die Interessen der Bürgerschaft einer antiken Stadt, schließlich für die Interessen der Bürgerschaft eines Nationalstaats konzipiert - und ihre Geschichte war durchwegs begleitet von Zweifeln und alternativen Entwürfen, die ihre Begrenztheit (auf die Interessen der Bürgerschaft) aufzeigten. Ist es nicht bezeichnend, dass sich Diogenes von Sinope (405320 v. Chr.) zum ersten Weltbürger bestimmt hatte, indem er sich aus dem Spiel von Zugehörigkeiten, Identitäten und Interessen herausnahm, als er die ihm zugemutete Zu- bzw. Einordnung in einen Stadtstaat mit dem Hinweis „Ich bin ein Bürger der Welt“ ablehnte? Damit trat er nämlich aus dem Rahmen des Politischen heraus, galt doch damals der griechische Stadtstaat als der eigentliche Ermöglichungsraum politischen Seins. Können wir also heute so ohne weiteres annehmen, dass das Feld für planetarisches Gestalten gerade in der Politik seine passende Form gefunden hat? stand unter dem Verdacht der Antipolitik. Auf die Frage, ob er denn ein politischer Mensch sei, antwortete er: „Ich möchte aktiv sein, wo es darauf ankommt“. Er war nie Mitglied einer politischen Partei, darauf kam es ihm also nicht an. In seinem Lebenswerk spiegelt sich eine Lebenskönnerschaft, die ziemlich antipolitisch anmutet und es schaut ganz so aus, als ob seine Denkwege aus antipolitischen und kosmopolitischen Traditionslinien kommen, an die, warum auch immer, aktuelle Bemühungen der internationalen Community offenbar nicht mehr anknüpfen können; ein Phänomen, das man auch in seiner Paradoxie sehen könnte: man spricht von Globalisierung und die Weltbürgerschaft, deren eigentliche Zeit nun gekommen sein sollte, ist einfach verschwunden!? Globale Umwelt- und Entwicklungsfragen sind in der Bildungsarbeit in Österreich seit über 20 Jahren zwar stark präsent, doch auch hier finden sich kaum Anschlüsse an Traditionslinien weltbürgerlicher Erziehung.1 Ähnlich ist es in Deutschland, wo Klaus Seitz dieses Manko benennt 2 und wo im Rückgriff auf Immanuel Kant sowie über die Rezeption des angelsächsischen Diskurses über Kosmopolitismus in den letzten Jahren versucht worden ist, einen modernisierten Begriff des Weltbürgers in formale und non-formale Bildung einzubringen. 3 Ein interessantes Potential könnte auch die typisch mitteleuropäische Tradition kosmopolitischen und antipolitischen Denkens (von Vaclav Havel bis György Konrad, um nur die prominentesten zu nennen) bieten. Kurzum, die Konferenz versammelt sich um die These, dass über antipolitische und kosmopolitische Wege Welt- und Menschenbilder entschlossen werden können, die weltverträglicher sind, als der ingenieurhafte Machbarkeitswahn des globalen Politikbetriebs. Auch der wohl profilierteste Generalsekretär in der Geschichte der Vereinten Nationen, der Schwede Dag Hammarskjöld (1905-1961) – er diente der UNO von 1953 bis 1961 - 1 Eine ausführliche Erkundung dieses Feldes bietet Helmuth Hartmeyer: Die Welt in Erfahrung bringen. Globales Lernen in Österreich: Entwicklung, Entfaltung, Entgrenzung. IKO-Verlag für Interkulturelle Kommunikation, 2007. 2 Klaus Seitz: Globales Lernen in weltbürgerlicher Absicht: zur Erneuerung weltbürgerlicher Bildung in der postnationalen Konstellation. In: Bettina Gruber: Demokratie lernen heute. Böhlau 2008, S. 131-144; siehe auch: Klaus Seitz: Bildung in der Weltgesellschaft. Gesellschaftstheoretische Grundlagen Globalen Lernens. Brandes & Apsel, 2005; 3 Benedikt Widmaier, Gerd Steffens (Hrsg.): Weltbürgertum und Kosmopolitisierung. Interdisziplinäre Perspektiven für die Politische Bildung. Wochenschau-Verlag, 2010. PROGRAMM Montag 18. Mai 2015, Europahaus Burgenland 14.00 Uhr 14.45 Uhr EINTREFFEN und ERÖFFNUNG VORTRÄGE „Die Erde spricht - fluchtartig Parteien verlassen“ (Joseph Beuys) Neue demokratische Ausdrucksformen gesucht! Wolfgang Zumdick, Philosoph, Schriftsteller; Dozent an der Social Sculpture Research Unit, Oxford Brookes University. Warum Mitgespielten und Mitspielern die Lust am Mitspielen vergehen soll. Zur Kündigung der Politik! Franz Schandl, Herausgeber der Zeitschrift „Streifzüge“. Transnationale Demokratisierung – notwendig und möglich! Das Wesen von Politik / Antipolitik im Leben und Werk von Béla Hamvas. Katalin Thiel, Eszterházy Károly Universität, Eger, HU 16.45 Uhr PODIUMSDISKUSSION Kosmopolitisches Mitteleuropa? Mit den Referenten des Tages: 19.00 Uhr LIEDERLICHER ABEND MIT ABENDESSEN Mittwoch, 20. Mai 2015, Kloster Wandorf 09.00 Uhr VORTRÄGE Andreas Gross, Politiker, Abgeordneter zum Schweizer Parlament und Delegierter zum Europarat; Gründer des Wissenschaftlichen Instituts für Direkte Demokratie, Zürich. Überschreiten und Unterwandern. Albert O. Hirschman (1915 - 2012) - eine Odyssee durch das 20. Jahrhundert. Entpolitisierung? – Nein, Danke!? Determinism and Reification: The Twin Pillars of the Amoral Society Benedikt Widmaier, Direktor der Akademie für politische und soziale Bildung „Haus am Maiberg“, Heppenheim, D 17.45 Uhr PODIUMSDISKUSSION Globalisiert und grenzenlos – wo bleibt Politik? Mit den vier Referenten des Nachmittags, moderiert von Otmar Höll, Politologe; Prof. an der Universität Wien; em. Direktor des Österreichischen Instituts für Internationale Politik, Wien. 19.15 Uhr LANGE TAFEL IM KOSMOPOLITISCHEN GARTEN Dienstag, 19. Mai 2015 09.00 Uhr 10.30 Uhr ABREISE NACH WANDORF VORTRAG „Ein gewisser Geschmack der Güte“. Über Vaclav Havel. Eine Erforschung mit Roger Lipsey, Schriftsteller, Kunsthistoriker; Verfasser der Biographie „Hammarskjöld. A Life“, 2013, New York 12.15 Uhr 14.00 Uhr MITTAGESSEN VORTRÄGE György Konrad – ein antipolitischer Träumer? György Dalos, Schriftsteller, Berlin Tilman Evers, Politologe, Freier Dozent, Vorstand des „Forum Ziviler Friedensdienst“, Kassel, D Gerald Gutenschwager, Detroit; Emeritus Professor, Sch. of Arch., Washington University in St. Louis, Missouri. Member, World Academy of Art and Science 12.30 Uhr 14.00 Uhr MITTAGESSEN VORTRÄGE Emile Ciorans Lehre vom Zerfall oder Kulturpessimismus als politische Gefahr. Bernd Guggenberger, Bildender Künstler, Schriftsteller, Rektor der Lessing-Hochschule, Berlin Albert Camus: Vom Demokraten in der Résistance über das Weltbürgertum zum Anarchismus Lou Marin, Schriftsteller, Marseille 17.00 Uhr PODIUM / KOLLOQUIUM Das Weltbürgerliche am Weltbürgertum. Mit den Referenten des Tages, moderiert von Sybille Fritsch-Oppermann, Religions- und Kulturwissenschaftlerin, Schriftstellerin, Leiterin des Hauses Kultur und Kirche, Rüsselsheim, D 18:30 MULATSÁG IN SOPRON Donnerstag, 21. Mai 2015, Kloster Wandorf 08.00 Uhr FRÜHSTÜCK danach Abreise. (Stand der Planung 23.04.2015) THESIS Global development is generally regarded as the political concern of sovereign states cooperating insofar as it suits them to cooperate. But ensuring conditions for lives of dignity and even for survival is becoming something more like “Earth politics”. Currently, the member states of the United Nations are facing the question of what will follow after the Millennium Development Goals (MDGs) expire in 2015. The General Assembly has declared 2015 to be the International Year of Soils (IYS), and the European Union has chosen the motto “Our World, our Dignity, Our Future” for 2015, declaring it “The European Year for Development”. So far, so good. But just here begin the questions which this conference will explore. Is international “politics as usual” capable of acting on all of these good and well-intentioned efforts? Do we repeatedly try to solve problems in ways that produce the same problems again and again? The political structures and processes with which we are familiar did not develop in eras when planetary survival was an issue. From the ancient city-state to the modern sovereign nation and today’s multinational structures, questioning and modification, experiment, failure, and renewal have been the rule. And more questioning is needed as a source of ideas that can be put to work. Europahaus Burgenland has explored throughout its existence the idea of cosmopolitan identity. Surely it is more important than ever, but how is it to be understood today? It has its ancient origin in the stubborn, ironic, touching refusal of Diogenes of Sinope (405-320 B.C.E.) to be anything other than a citizen of the world. He was the first cosmopolitan, the first to assert that identity and give it an unforgettable voice. In our own time, UN Secretary-General Dag Hammarskjöld (serving 1953-61) offered a further example. Be rooted in your home culture, he urged, but act for the world. Writing to a statesman with whom there had been much difficulty, he spoke of the need “to transcend our immediate duty in order to fulfil the higher duty of creative action.” The cosmopolitan is of this kind: a wider and, yes, higher vision, not free of politics but asking political processes to serve transnationally, to serve all men and women. This conference will reach for a new statement of the cosmopolitan identity. We do not call it an ideal; that is too distant. It is a necessity of our time. Globalisation is primarily an economic force and agenda; cosmopolitanism is a force for mutuality and understanding. Europahaus Burgenland has also long been a listener, a gathering place, a source of fresh thinking about Middle Europe. Through the hard experience of dissent, the propagation of ideas, censorship, repression and imprisonment, to the current era of democracies across Middle and Eastern Europe, much has been gained. Some of the most courageous, eloquent, and truth-telling voices of our time are from this neighbourhood: in Hungary, Győrgy Konrád and his friends; in Poland, Adam Michnik and his friends; in the Czech Republic, Václav Havel and his friends, not least the martyr Jan Patočka. What endures in what they have said, in their examples? This conference asks that question. We can hope for responses from the many distinguished thinkers joining us in Eisenstadt and Sopron. A third perennial theme of Europahaus Burgenland is Austria itself. Global environmental and developmental issues have figured in Austria’s educational programmes for more than 20 years, but much more is possible and needed. We expect also to look carefully at the ideas of Klaus Seitz and others in the German-speaking world who have been striving to modernise the concept of world citizenship in both formal and informal educational settings. In short, the conference will meet around the thesis that the cosmopolitan perspective needs to be understood anew, and that it is needed; it is not a refusal of the nation but rather a steady, analytic and compassionate awareness of the global crisis that spares no nation. We will look to Middle European experience and hard-earned wisdom. And we can hope to influence the global political machinery to recognize, respect, and move toward “the higher duty of creative action” in our era when standard solutions no longer suffice. Die Veranstaltung ist Teil des Projekts „Globales Lernen und internationale Begegnung in Burgenland / Pannonien und wird aus Mitteln der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (EZA) und des Bundesministeriums für Bildung und Frauen (BMBF) gefördert. The conference is part of the project: „Weltoffenens Pannonien- Entwicklungspolitische Bildung und internationale Begegnung im Burgenland“ (Pannonia Open to the World – Global Learning and International Encounter in Burgenland, Austria) and is sponsored by means of the Austrian Development Agency and by the Federal Ministry of Education, and Women‘s Affairs (BMBF). Information/Anmeldung: Europahaus Burgenland Campus 2, 7000 Eisenstadt Tel.: 0043•2682•72190-5933 Fax: 0043•2682•72190-5931 mail: [email protected] HP: www.europahaus.eu Teilnahmebeitrag € 60,-(für Mitglieder des Europahauses frei). Übernachtung und Reisekosten tragen die TeilnehmerInnen selbst. Anmeldung bis 30. April 2015.
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