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Rund 70 000 Menschen starben unmittelbar nach der Detonation, Zehntausende erlagen danach den Folgekrankheiten. Noch nie hatte der Mensch eine derart zerstörerische Waffe entwickelt, zum ersten Mal in seiner Geschichte ist er seitdem in der Lage, jegliche Zivilisation auszulöschen, ja, alles Leben zu vernichten. „Mit dem Einsatz der Atombombe am Ende des Zweiten Weltkriegs hat ein gänzlich neues Zeitalter begonnen“, sagt SPIEGEL-Redakteur Joachim Mohr, der dieses Heft konzipiert hat . (Mail: [email protected]). wiederum modernisieren ihr Arsenal taktischer Atomwaffen in Europa grundlegend. Um zu schildern, welche enormen Risiken von Atomwaffen ausgingen und in Zukunft ausgehen werden, gerade auch in Zeiten des internationalen Terrorismus, sprachen SPIEGEL-Redakteure mit den beiden Friedensnobelpreisträgern Michail Gorbatschow, dem ehemaligen Kremlchef, und Mohamed Nobelpreisträger ElBaradei (l.) mit den SPIEGEL-Redakteuren Dieter Bednarz und ElBaradei, dem früheren Inspektor der Joachim Mohr in seiner Wohnung in Wien Internationalen Atomenergiebehörde. Das Interview mit Gorbatschow wäre fast gescheitert, weil der ehemalige Sowjetführer überraschend in eine Klinik musste. Gorbatschow war das Gespräch allerdings so wichtig, dass Fragen und Nun jährt sich der Schrecken von Hi- Antworten dann eben schriftlich ausgeroshima zum 70. Mal. Wieland Wagner, tauscht wurden (Seite 100). Korrespondent des SPIEGEL in Tokio, sprach mit einer der letzten Überleben- Der ehemalige deutsche Außenmiden (Seite 44). Daneben beschreiben die nister und Grünen-Politiker Joschka FiAutoren des vorliegenden Hefts, wie scher berichtet über seine Erinnerungen Wissenschaftler, darunter viele Nobel- an die deutsche Friedensbewegung in preisträger, die tödlichste aller Waffen den Achtzigerjahren. „Die Einseitigkeit, Exaußenminister Fischer (r.) im Gespräch entwickelten. Wie die entfesselte nuklea- die westlichen Raketen zu verdammen, mit den SPIEGEL-Redakteuren Konstantin re Macht zum Kalten Krieg und einem aber nicht die östlichen, das gab es na- von Hammerstein und Joachim Mohr im Berliner SPIEGEL-Büro bis dahin ungekannten Wettrüsten führ- türlich. Aber zu diesen Leuten gehörte te. Wie die Atombombe bis heute die in- ich nie.“ Mit Blick auf die aktuelle politernationale Politik bestimmt und welch tische Lage warnt Fischer vor einer weiimmense Gefahr sie für unsere Zukunft teren Verbreitung von Atomwaffen und darstellt. Und wie sie sogar, ganz neben- der Gefahr, die von Fanatikern ausgeht. „Ein echter Albtraum wäre doch vagabei, die Filmgeschichte geprägt hat. bundierendes Nuklearmaterial, das in Die USA und Russland arbeiten die Hände von Terroristen gelänge.“ Um derzeit an der Modernisierung ihrer Nu- die Welt davor zu schützen, brauche klearstreitkräfte, allein Washington will man Geheimdienste, glaubt Fischer. dafür in den nächsten zehn Jahren 350 Auch die umstrittene technische AusMilliarden Dollar ausgeben. In beiden landsaufklärung der USA, die National Ländern werden zudem Drohungen Security Agency. „Ohne Nachrichtenlaut. Im März dachte ein hoher Beamter dienste geht es nicht“, so die nüchterne Wieland Wagner, Japan-Korrespondent des des Moskauer Außenministeriums laut Erkenntnis des grünen Realpolitikers SPIEGEL, mit einem japanischen Offizier in der Nähe von Tokio über die Stationierung von Nuklearwaf- (Seite 84). SPIEGEL GESCHICHTE 4 | 2015 3 12 Mit dem „Manhattan-Projekt“ begann 1942 der Aufstieg der USA zur führenden Atommacht. 44 Die Explosionen über Hiroshima und Nagasaki brachten unfassbares Leid über die dort lebenden Menschen. Verletztes Kind nach dem Bombenabwurf in Nagasaki vom 9. August 1945 IN DIESEM HEFT ENTWICKLUNG DER ATOMBOMBE 6 Bildseiten Die erste Testexplosion am 16. Juli 1945 in New Mexico 12 Wir Hundesöhne Ein General, ein Physiker und ein gigantisches Team von Helfern machten die USA zur ersten Atommacht der Welt 20 Zweite Klasse Warum die deutschen Bombenbauer scheiterten 23 Der Pazifist und die Bombe Wie Albert Einstein auf den US-Präsidenten einwirkte 24 Porträt Der exzentrische Physiker Leó Szilárd ersann die nukleare Kettenreaktion 26 Kämpfer an der unsichtbaren Front Die sowjetische Bombe war vor allem ein Werk des Geheimdienstes 30 Seitenblick Bergwerke in Thüringen und Sachsen lieferten das Uran für Moskau 4 32 Die Liebe des Dr. Seltsam Edward Teller warb für Massenvernichtungswaffen und sah sich als Mann des Friedens 36 Grafik: Schlüssel zur Apokalypse Wie die Bomben funktionieren HIROSHIMA 38 Bildseiten Was am 6. August 1945 in Hiroshima geschah 44 „Als wäre die Sonne vom Himmel gefallen“ Eine Überlebende, die heute 84 Jahre alt ist, berichtet vom Tag der Katastrophe und ihrem Leben danach 46 Das japanische Trauma Wie das Land den nuklearen Schrecken bis heute verdrängt 52 Zeitzeugen Zwei US-Soldaten, die am Tag des Abwurfs in der „Enola Gay“ saßen, erinnern sich 54 Bilder aus der Hölle Die beklemmende MangaKunst eines Überlebenden KALTER KRIEG & WETTRÜSTEN 58 Mit Stöcken und Steinen Globales Wettrüsten und Logik der Abschreckung: Im Kalten Krieg war die Atombombe eine politische Waffe 68 Blaue Springmaus Menschen und Natur leiden noch immer unter den Folgen der mehr als 2000 Bombentests 74 Die Welt am Abgrund Die Kubakrise 1962 eskalierte zur gefährlichsten Auseinandersetzung seit dem Zweiten Weltkrieg 80 Bomben, Busen und Bikini Atomare Verirrungen in Popkultur und Alltag der USA 84 „Das große Desaster“ Der frühere deutsche Außenminister Joschka Fischer über die Kraft der Friedensbewegung und die Gefahr eines neuen Wettrüstens SPIEGEL GESCHICHTE 4 | 2015 THE LIFE PICTURE COLLECTION / GETTY IMAGES (L.); GALERIE BILDERWELT (R.) Beobachter eines US-Atomtests im Pazifik am 8. April 1951 58 Das nukleare Arsenal des Kalten Krieges hätte den gesamten Globus verwüsten können. 100 Eine Welt ohne Atomwaffen? Michail Gorbatschow skizziert den Weg dorthin. Britischer Bombentest im australischen Maralinga 1956 HERAUSFORDERUNGEN DER GEGENWART 88 Sehnsucht nach den Dingern Die nuklearen Träume deutscher Politiker und die bis heute fortdauernde Wirklichkeit der „Teilhabe“ 110 Bildseiten 133 Buchempfehlungen 134 Legal, illegal, scheißegal Schauplätze der Verwüstung durch die Bombentests Im Völkerrecht, das auch die Kriegführung regelt, gibt es für die Atombombe keinen Platz 116 „Reine Glückssache“ 92 Schwerter statt Pflugscharen Die Angst vor Atomwaffen und die Sorge um den Frieden waren große Themen in beiden deutschen Staaten 98 Grafik: Der Anfang Friedensnobelpreisträger Mohammed ElBaradei über die harten Realitäten der Rüstungskontrolle 120 Grafik: Vernichtende Fracht vom Ende Mit Anregungen, Fragen oder Kritik wenden Sie sich gern an die Redaktion: [email protected] Bomber, U-Boote, Raketen – die wichtigsten atomaren Waffensysteme Was würde passieren, wenn eine Atombombe über Washington explodiert? 122 Politische Kontrolle 100 „Gefährliche Logik“ Welche Verträge halten die Bombe im Zaum? Ein Überblick Der ehemalige Sowjetführer Michail Gorbatschow über die Notwendigkeit der atomaren Abrüstung 124 Rüstungswettlauf 2.0 Wie die Militärs unter dem Deckmantel der Modernisierung neue Atomwaffen entwickeln 104 Skorpione in der Flasche STOCKWAVE / COI (L.); AFP (R.) US-Präsident Reagan und Kreml-Chef Gorbatschow 1988 in Moskau Die gefährliche Rivalität der Nuklearmächte Indien und Pakistan 128 Geschenk des Himmels 108 Nahaufnahme Wie ein defekter Computer beinah den Atomkrieg auslöste Von Godzilla bis James Bond: das nukleare Inferno als KinoSpektakel Titelbild: US-Atombombentest „Operation Ivy“, Enewetak-Atoll 1952 Fotos: atomcentral.com, Stefan Enders, Dennis Dailleux/VU/laif, Werner Schuering 3 Hausmitteilung | 132 Impressum | 138 Vorschau SPIEGEL GESCHICHTE 4 | 2015 5 »Das mit der Atombombe war keine ›große Entscheidung‹. Jedenfalls keine, die einem Kopfzerbrechen bereitete.« Harry S. Truman, US-Präsident von 1945 bis 1953 6 Der Sündenfall Am 16. Juli 1945 um 5.29 Uhr zündeten Experten des US-Militärs die erste Atombombe der Welt. Die Plutonium-Bombe explodierte in der Wüste im US-Bundesstaat New Mexico. Die Detonation hinterließ einen rund 360 Meter breiten Krater, die atombombentypische Pilzwolke erreichte eine Höhe von zwölf Kilometern. Der Sand in der Explosionsumgebung schmolz wegen der großen Hitze zu grünlichem Glas. Der Codename des Projekts: »Trinity« (englisch für Dreifaltigkeit). Die folgenden Fotos zeigen die Sekunden nach der Zündung dieser ersten Atombombe. »Eine widerliche und Ehrfurcht gebietende Vorführung.« LOS ALAMOS NATIONAL LABORATORY NEW MEXIKO Kenneth Bainbridge, Physiker und Leiter des »Trinity«-Tests, am 16. Juli 1945 7
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