partnerschaft TTIP

Marienstraße 6
12207 Berlin
Beschluss
für die 30. Sitzung des
Europaausschusses des
Deutschen Städte- und Gemeindebundes
„Gemeinsamer Europatag“
am 27./28. April 2015 in Wien
Telefon: 030-77307-0
Telefax: 030-77307-200
Internet: www.dstgb.de
E-Mail: [email protected]
Datum
27.04.2015
TOP 04:
Die Transatlantische Handels- und Entwicklungspartnerschaft TTIP – aktuelle Entwicklungen
Der Gemeinsame Europatag erkennt grundsätzlich die wirtschaftlichen Chancen,
welche die Verhandlungen zum TTIP-Abkommen der beiden größten Wirtschaftsregionen der westlichen Welt bieten sollen. Es wird allerdings Wert auf die Feststellung gelegt, dass das Abkommen in keiner Weise die bisherigen Rechte der
kommunalen Seite im Bereich der Daseinsvorsorge einschränken darf. Zudem
darf das Abkommen nicht dazu führen, dass im Rahmen der TTIP-Bestimmungen
kommunalrelevante Entscheidungen durch Schadenersatzforderungen seitens
Dritter - eingeschränkt oder aufgehoben werden.
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(B) Begründung:
I.
Ausgangslage
Im Rahmen der bisherigen Diskussion sind von verschiedenen Seiten Bedenken
gegen den Abschluss der TTIP erhoben worden. Es werden insbesondere Nachteile im Bereich des Gesundheits- und Umweltschutzes durch eine Absenkung der
europäischen Standards befürchtet. Auch hegt man Bedenken gegen das ISDSAbkommen (Investor-state dispute settlement, i.e. Schiedsgerichtsverfahren) zum
Investitionsschutz für Unternehmen, welches die europäischen Rechtsauffassungen aushebeln könnte. In diesem Zusammenhang befürchtet man auch die Einschränkung kommunaler Entscheidungsräume insbesondere durch Schadensersatzforderungen seitens Dritter.
Für die kommunale Seite ist hier von Bedeutung, dass die Verhandlungen zum so
genannten Marktzugang nicht zu einer Einschränkung der kommunalen Rechte im
Bereich der Daseinsvorsorge, insbesondere im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen, führen.
Die o.g. Bedenken sind von der Kommission ggü. dem DStGB schon mehrmals offiziell zurückgewiesen worden. Als „Beweis“ verweist man hier auf das so genannte CETA-Abkommen, welches mit Kanada geschlossen worden ist und sich jetzt
noch in den letzten Abstimmungsprozessen befindet. Er wird erstens als „Blaupause“ für das TTIP-Abkommen bezeichnet und behandelt zweitens inhaltlich diejenigen Gebiete, die auch im TTIP kommunalrelevant sind (Wasserbereich, Abfall
etc.).
Seit Juli 2013 verhandelt die Europäische Kommission mit den USA über das
Handels- und Investitionsabkommen/-partnerschaft TTIP. Die Verhandlungen
werden auf europäischer Ebene von der Generaldirektion Handel (EUKommission) geführt. Derzeit ist die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström
für die Verhandlungen zuständig. Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft oder TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) ist sicher eines der wichtigsten Abkommen in den europäisch-amerikanischen Beziehungen seit langem. Die Kommission verspricht sich vom TTIP-Abkommen, dass
durch die Öffnung der US-Märkte europäische Unternehmen aller Größen und aus
allen Branchen - das heißt auch KMUs - leichter exportieren, importieren und investieren können Die Unternehmen könnten bis zu 187 Milliarden Euro im Jahr
zusätzlich erwirtschaften, i.e. eine Steigerung der Exporte um 28 %. Ferner erhofft
sich die Kommission, dass dadurch neue Arbeitsplätze entstehen und z. B. ein
durchschnittlicher europäischer Haushalt mit vier Personen pro Jahr etwa 545 €
mehr zur Verfügung haben könnte. Das Bruttosozialprodukt der EU könnte um
0,5 % jedes Jahr steigen.
Die handelsrechtlichen Hauptziele des Abkommens sind
a) die Zölle zwischen den beiden Seiten abzubauen. Die Zölle sind jedoch
volkswirtschaftlich mit meist unter 2,5 % nicht von entscheidender Bedeutung;
b) eine Harmonisierung der technischen Regelungen, Standards und Zertifizierungen durchzuführen, um Kosten zu senken;
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c) Schaffung von gleichen Wettbewerbsbedingungen beim Export von Waren
und Bereitstellung von Dienstleistungen (Marktzugang).
Die EU-Kommission, die mit einem Verhandlungsmandat durch die Mitgliedstaaten ausgestattet ist, hat politisch ihre Absicht bekannt gegeben, bei den Verhandlungen die EU-Maßstäbe für Sicherheit, Gesundheits- und Umweltschutz beizubehalten. Andere wichtige Punkte in der Verhandlungen sind: Der Schutz des geistigen Eigentums von Unternehmen und Personen sowie die Arbeitnehmer- und
Verbraucherrechte.
Für Streitfälle soll es einen Mechanismus zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Unternehmen und Regierungsbehörden in der EU bzw. den USA (Investorto-State Dispute Settlement, ISDS) geben. Dies soll dem Schutz von Unternehmensinteressen bei Investitionen dienen
II.
Bereich Öffentliche Dienstleistungen
Im Bereich Dienstleistungen verfolgt die Kommission mit der TTIP wie in allen
Freihandelsabkommen ein zweifaches Ziel:
a) europäischen Unternehmen verbesserten Zugang zu den Märkten des Verhandlungspartners zu verschaffen. Im Falle der TTIP liegt das Hauptaugenmerk
vor allem in den Bereichen Luft- und Seeverkehr, der Erleichterung der Anerkennung von Berufsqualifikationen und der Verbesserung der Mobilität von
Dienstleistungserbringern.
b) Verbesserung des regulatorischen Rahmens für Dienstleistungen, vor allem in
den Bereichen Telekommunikation, elektronischer Handel, Post- und Expressdienste und Finanzdienstleistungen, zum Beispiel durch Regelungen zu den Lizenzierungsverfahren.
Grundsätzlich geht es in Freihandelsabkommen ausdrücklich nicht um die
Frage, ob öffentliche Dienstleistungen liberalisiert werden, sondern um die
die Gleichbehandlung von ausländischen und inländischen privaten Anbietern. Wenn durch nationale oder europäische Regelungen privaten Anbietern unabhängig von der Nationalität (ob USA oder EU) der Zugang zum
Markt versperrt ist, dann wird der Dienstleistungsmarkt auch nicht durch die
TTIP geöffnet. Wenn der Zugang jedoch besteht, dann darf kein Unterschied
zwischen US-Anbietern und EU-Anbietern gemacht werden.
Bereich Öffentliches Auftragswesen
Der Bereich des öffentlichen Auftragswesens, der in Europa fast gänzlich liberalisiert ist, ist eines der Kernanliegen der EU im TTIP-Abkommen. Der Bereich des
öffentlichen Auftragswesens in den USA wird auf etwa elf Prozent des USBruttoinlandsproduktes geschätzt – dies sind 1250 Milliarden Euro – und ist damit
nach der EU der zweitgrößte öffentliche Markt der Welt. Deutschen und europäischen Unternehmen, insbesondere dem Mittelstand, wird hier der Marktzugang
erschwert oder sogar vollständig verwehrt (sogenannte „Buy America“-Klauseln).
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CETA als Vorbild für TTIP?
Die Verhandlungen über CETA (Handelsabkommen mit Kanada) gelten als die
„Blaupause“ für TTIP. Sie erstreckten sich auf fünf Jahre und wurden im August
2014 abgeschlossen. Die Juristen der Kommission überprüfen derzeit den Text
des Abkommens. Sobald die Übersetzungen in alle EU-Amtssprachen vorliegen,
werden der Rat der EU und das Europäische Parlament das Abkommen erörtern.
Im Interesse vollständiger Transparenz gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern
der EU wurde der Wortlaut des Abkommens in einem frühen Stadium der Debatte
veröffentlicht. Falls sowohl der Rat auch das Europäische Parlament das Abkommen 2015 billigen, könnte es ab 2016 angewandt werden. Voraussetzung dafür ist
allerdings, dass auch der kanadische Gesetzgeber den Text billigt.
Aktueller Stand der Diskussion und der Verhandlungen
Das Gesundheitssystem, maritime Dienstleistungen, der Zugang von kleinen und
mittleren Unternehmen zum öffentlichen Auftragswesen sowie der Investorenschutz sind u.a. diejenigen Punkte, über die sich die EU und die USA bisher noch
nicht einig sind.
Auch das EU-Parlament arbeitet an einem Zwischenbericht zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. In dem Bericht werden Empfehlungen an
die Kommission für die Verhandlungen gegeben. Fünf Ausschüsse haben bereits
über ihre Stellungnahme zum Zwischenbericht abgestimmt. Drei Ausschüsse
stimmen in der 16. KW darüber ab. Der deutsche S&D-Abgeordnete und Vorsitzende des Ausschusses für Internationalen Handel, Bernd Lange, ist für den Bericht zuständig. Die Abstimmung findet allerdings erst statt, wenn alle 13 Ausschüsse ihre Stellungnahme abgegeben haben. Das Plenum soll dann über den
Bericht im Mai abstimmen.
Wichtige Beiträge, die im Zwischenbericht berücksichtigt werden sollen, sind die
Stellungnahmen des Industrieausschusses, des Binnenmarktausschusses
und des Wirtschaftsausschusses zu TTIP. Im Folgenden werden die wichtigsten (kommunalrelevanten) Forderungen der jeweiligen Ausschüsse vorgestellt:
Der Industrieausschuss fordert die Kommission auf, das Ziel beizubehalten, die
TTIP um ein spezifisches Kapitel zu Energie zu ergänzen, wodurch die Energiesicherheit der EU erheblich erhöht werden könnte. Er verweist weiter auf die Harmonisierung der Standards und Vorschriften in Bezug auf die Grundsätze der Unterstützung aus öffentlichen Mitteln für unterschiedliche Energiequellen (z. B.
deutsches Energieeinspeisungsgesetz) hinzuarbeiten.
Der Binnenmarktausschuss fordert, dass die Verhandlungen in erster Linie zu einem ehrgeizigen und umfassenden Abkommen führen, mit dem eine nennenswerte Öffnung des Markts für EU-Unternehmen, einschließlich KMU, einhergeht. Er
fordert, dass TTIP nicht nur auf den Abbau von Barrieren, sondern auch auf die
Förderung eines hohen Verbraucherschutzniveaus in Europa ausgerichtet sein
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sollte. Ferner ruft der Ausschuss die Kommission auf, dafür Sorge zu tragen, dass
europäische Unternehmen, einschließlich KMU, bei der Bewerbung um öffentliche
Aufträge auf dem Markt der Vereinigten Staaten auf sämtlichen Regierungsebenen nicht diskriminiert werden. Er hebt außerdem hervor, dass KMU unverhältnismäßig stark von nichttarifären Handelshemmnissen betroffen sind, die durch
die TTIP verringert oder vollständig abgeschafft werden müssen.
Der Wirtschaftsausschuss fordert, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass ein umfassendes und ehrgeiziges TTIP-Abkommen abgeschlossen wird, mit dem der faire Wettbewerb auf beiden Seiten des Atlantiks gefördert wird. Er spricht sich dafür aus, dass die Bedeutung staatlicher Unternehmen für bestimmte wichtige Dienstleistungen anerkannt werden und betont, wie wichtig es ist, die Tradition der öffentlichen Dienste in der EU gepflegt wird. Er fordert die Ausklammerung der öffentlichen Dienstleistungen
aus dem Abkommen.
Schiedsgerichtsverfahren ISDS (Investor-state dispute settlement):
Ferner hat sich das Parlament gegen ISDS ausgesprochen. Die EU-Kommission
plädiert jedoch für ISDS in einer überarbeiteten “besseren” Version, die allerdings
noch nicht bekannt ist
III.
Nächste Schritte
Die neunte Verhandlungsrunde findet am 20. - 24. April 2015 in New York statt.
Vielleicht ist ein Abschluss der Verhandlungen Ende des Jahres 2015 möglich.
Wenn die endgültige Fassung vorliegt, entscheiden die Regierungen der EULänder und die Abgeordneten des Europäischen Parlaments (allerdings nur über
das Gesamtpaket).