Theologen fordern kohärente Außenpolitik

neues-deutschland.de, 5. Mai 2015
Theologen fordern kohärente Außenpolitik
Bischof Dröge: Friedenspolitik geht vor Sicherheitspolitik /
Evangelische Friedensverbände befürworten einseitige
Abrüstung
Der evangelische Landesbischof Markus Dröge. Foto: dpa/Ralf Hirschberger Berlin. Evangelische Theologen erwarten von der Bundesregierung eine kohärentere Strategie
für ihre Außenpolitik. »Wir können die Fragen der Flüchtlingsproblematik nicht erst angehen,
wenn das dritte Schiff im Mittelmeer untergegangen ist«, sagte Michael Haspel von der
Evangelischen Akademie Thüringen bei einer friedensethischen Podiumsdiskussion am
Montagabend in der Berliner Friedrichstadtkirche. Um Friedensperspektiven umzusetzen,
seien langfristige Zielsetzungen unverzichtbar.
Friedenstiftende Maßnahmen müssen nach Ansicht des Berliner Bischofs Markus Dröge
Vorrang vor der eigenen Sicherheitspolitik haben. Friedensethische Diskussionen müssten
auch in die Gemeinden getragen und damit der Gesellschaft zugänglicher gemacht werden,
forderte der Theologe. Bei der Veranstaltung unter dem Titel »Deutschlands Verantwortung
für den Frieden« wurden Ergebnisse und Empfehlungen der Evangelischen Akademien zur
Friedensethik vorgestellt.
Stephan Steinlein, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, begrüßte den friedensethischen
Diskurs der Evangelischen Akademien. Über friedensethische Fragen müsse stetig diskutiert
und gestritten werden. Allerdings dürfe die Anwendbarkeit auf die konkrete politische Lage
nicht von Ethikern und Theologen außer Acht gelassen werden.
Der evangelische Militärbischof Sigurd Rink sagte, nach den deutschen Waffenlieferungen an
kurdische Peschmerga-Kämpfer im Irak und der Entscheidung für die Entwicklung
bewaffneter Drohnen stehe Deutschland vor neuen friedensethischen Herausforderungen. Die
aktuelle Friedensethik der Bundesrepublik müsse nun auf ihre Tragfähigkeit überprüft
werden.
Der Friedensbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Renke Brahms,
sagte, die Evangelischen Akademien leisteten dazu mit ihrem Diskursprojekt »Dem Frieden
in der Welt zu dienen« einen wichtigen Beitrag. Es sei die Aufgabe der Kirche, Fragen zu
stellen. Die Politik stehe vor der Herausforderung, Antworten darauf zu finden.
Zum 70. Jahrestag des Weltkriegsendes am 8. Mai haben kirchliche Friedensverbände zu
Abrüstung und mehr Engagement für zivile Konfliktlösungen aufgerufen. »Friedenssicherung
bleibt auch 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges der vorrangige politische
Auftrag der Staatengemeinschaft«, heißt es in dem am Dienstag in Bonn veröffentlichten
Aufruf: »Militärische Gewalt schafft keinen Frieden, sondern löst neue Konflikte aus.«
Unterzeichner des Aufrufs sind der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in
Deutschland (EKD), Renke Brahms, die Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden, die
Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden sowie Vertreter
von Landes- und Freikirchen.
Sie fordern in dem Papier Bundestag und Bundesregierung auf, die Mittel für zivile
Friedenssicherung zu stärken, statt den Bundeswehretat zu erhöhen. Exporte von Kleinwaffen
und Rüstungsexporte in sogenannte Drittstaaten dürften nicht genehmigt werden. Nötig seien
außerdem eine »deutliche Erhöhung des humanitären Engagements in der
Flüchtlingsaufnahme« und eine aktive Entwicklungspolitik, um Konfliktursachen in Krisenund Kriegsgebieten zu bekämpfen. Zum Einsatz für Abrüstung gehöre die Bereitschaft zu
einseitigen Schritten.
In ihrem Aufruf heben die Friedensbeauftragten die besondere Verantwortung Deutschlands
angesichts von mehr als 60 Millionen Opfern des NS-Regimes und des Zweiten Weltkriegs
hervor. Anlass der Erklärung ist auch der 60. Jahrestag des bundesdeutschen NATO-Beitritts
am 9. Mai 1955. epd/nd