PRAKTISCHE LITURGISCHE THEOLOGIE ERZIEHUNG Von Wilhelm Jannasch Kempf-Faustmann, Handbuch der Liturgik, neu bearbeitet von A. Gottron, 19. Aufl. I960, Paderborn (Schöningh), 242 S., geb. DM 7.80. — Hans Kreßel, Unser Gottesdienst. Eine Einführung in das Wesen und den Gang des lutherischen Gottesdienstes. 1948, München (Verlag d. Ev.-luth. Kirche in Bayern r. d. Rhs.), 23 S., DM 1.50. — Horst Schumann, Die Erneuerung des Gottesdienstes. Zur Wiedergewinnung der Messe und des Stundengebetes in der Evang. Kirche. 1949, Kassel (J. Stauda), 43 S„ DM 1.20. — Walter Lötz, Das hochzeitliche Kleid. Zur Frage der liturgischen Gewänder im evang. Gottesdienst. 1949, Kassel (J. Stauda), 42 S. u. 7 Abb., DM 2.40; Schnittmusterbogcn dazu DM 3.—. — Ernst Jansen, Die evangelische Michalsbruderschaft. 1949, Kassel (J. Stauda), 18 S., DM 1.—. — Das Stundengebet. Als Entwurf herausgegeben vom Liturgischen Ausschuß der Evang. Michaelsbruderschaft. O. J. Kassel (J. Stauda), 118 S., DM 3.60, geb. mit Zeichenbändern DM 4.50.— Die Heilige Woche. Ordnungen f ü r die Gottesdienste der Karwoche und die Feier der Osternacht. Als Entwurf herausgegeben im Auftrag des Liturg. Ausschusses der Evang. Michaelsbruderschaft von W. Stählin und H. Schumann. !951, Kassel (J. Stauda), DM 5.40. — Wilhelm Stählin, Die ausgesonderten Tage. Von Sinn und Praxis geistlicher Wochen. 1954, Kassel (J.Stauda), 85 S., DM 3.80. — Heinrich Benckert, Gebetshilfe. Eine Anleitung, mit der Kirche zu beten. 1949, Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht), 105 S., DM 2.50. — l'aul Vogt, Wort und Antwort. Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung f ü r den Gottesdienst in der Gemeinde und in der Krankenstube. 1951, Zollikon-Zürich (Evang. Verlag), 127 S., geb. DM 6.75. — Martin Albertz, Gebetsbüchlein I bis III, drei Hefte: 18, 26, 14 S., 1947, Berlin-Spandau (Wichern-Verlag H. Renner), je DM 1.20. — Walter Lötz, Agende f ü r die Seelsorge an Kranken und Sterbenden. 1949, Kassel (J. Stauda), 175 S„ geb. DM 4.50. — Paul Friedrich, In Gottes Namen fang ich an! Gebete f ü r Schule und Haus. 1952, München (Chr. Kaiser), 64 S., DM 2.20. Schon konfessionskundlich ist es äußerst lehrreich, daß die römisch-katholische Kirche seit 1886 ein Handbuch der Liturgik besitzt, das aus dem Unterricht an einem Gymnasium erwachsen und für den Gebrauch an höheren Schulen bestimmt ist. Gottron legt dies Buch, mit dem er als Gymnasiast großgeworden ist und nach dem er selbst 25 Jahre unterrichtet hat, in einer erneuten gründlichen Umarbeitung vor, in der es ganz zweifellos auch dem evangelischen Theologen, der den gegenwärtigen liturgischen Stand der römischen Kirche näher kennen lernen möchte, ausgezeichnete Dienste leisten könnte, zumal es dank eines eingehenden Registers auch als Nachschlagebuch gut zu brauchen ist. Der Stoff ist in drei großen Gruppen übersichtlich dargestellt (Heilige Handlungen — Heilige Zeiten — Heilige Orte); erfreulich viele und brauchbare Abbildungen bringen Klärung (nicht nur bei den „Hei27 Unauthenticated Download Date | 3/29/16 11:36 AM ligen Orten", audi im ersten Teil bei § 7, wo von den Heiligen Gewändern gehandelt wird). Eine Geschichte der Liturgie darf man natürlich nicht erwarten, wenn auch Werden und Wandel der Liturgie nicht verschwiegen werden; der abschließende § 45 (Geschichte der Liturgie im Überblick) kann eine wirkliche Geschichte nicht ersetzen. Eingehend sind — für die Konfessionskunde wichtig! — Sakramentalien, Volksbräuche und -Andachten behandelt. Die Ostkirche ist wenigstens kurz berücksichtigt (§ 13). Die Reformation kommt nur in dem peinlichen Satze vor: „Die Plünderung der sogenannten Reformations- und Säkularisationszeit (1803) hat den deutschen Gotteshäusern nur den geringeren Teil künstlerischer Hochwerte übrig gelassen . . . " (S. 16). Erfreulich ist, daß bei den verschiedenen Arten von Meßfeiern (§ 12, S. 63 ff.) auch die sogenannte Gemeinschaftsmesse behandelt wird; doch steht der Bearbeiter offensichtlich der „Betsingmesse" skeptisch gegenüber. Gehe hier die Entwicklung weiter, so fehle nur noch der deutsche Gesang des Priesters, und die deutsche Nationalliturgie sei fertig. „Daß hier im besten Bestreben, das Volk recht nahe und schnell (ist dies nötig?) an die Liturgie heranzuführen, auch große Gefahren verborgen liegen, sollte", so meint der Herausgeber, „nicht übersehen werden." — Historisch völlig unhaltbar ist die Behauptung, daß in den ersten drei Jahrhunderten vor dem Meßopfer am Sonntag stets eine Vigil mit Lesungen, Responsoriengesang und Kollekte gefeiert worden sei (S. 127). Auch die Angabe, daß mhd. baß, von dem Buße abgeleitet wird, „gut" bedeute, ist irrig; es bedeutet „besser", und Buße ist Besserung (vgl. Lexer 2 5 28 und Kluge-Götze 1 2 1 3 89 f.). Das Heft von Kreßel ist für die Hand der Gemeindeglieder gedacht und kann diesen Zweck zumal da gut erfüllen, wo die neue Liturgie der VELKD noch nicht allgemein durchgeführt wird. Das Wesen des ev. Gottesdienstes wird durch Entfaltung des bekannten Lutherwortes aus der Torgauer Kirchweihpredigt von 1544 erläutert. Da der Verf. sich in diesem Zusammenhang auch auf Calvin und Niesei beruft, hätte die konfessionalistisch klingende Gleichsetzung von evangelisch und lutherisch (S. 6) fehlen dürfen. In mtncher Hinsicht erweist sich der Verfasser unter den Liturgen der Gegenwart als ein mutig-altmodischer Mann. So macht er aus der (m. E. mit Recht erstrebten) Lösung des Kyrie und Gloria von Sündenbekenntnis und Gnadenzusage doch kein Gesetz, ja weist sogar darauf hin, daß die Verbindung schon aif ein Nürnberger Vorbild der Reformationszeit zurückgehe (S. 10), versucht nicht unter Harmonisierung der altkirchlichen Überlieferung einen urchristichen Wort-Sakramentsgottesdienst zu konstruieren und sieht die Schwierigkeiten, die aus einer entsprechenden Dauereinrichtung in der Gegenwart erwachsen könnten, so daß ihm weiterhin besondere Abendmahlsfeiern neben dem 'ollen Hauptgottesdienst nötig erscheinen (S. 16 f.); in dem von den Nebenjottesdiensten und Kasualien handelnden Teil wird den „liturgischen Gottesdiensten" neben den von Kreßel auch warm empfohlenen Gebetsg>ttesdiensten mit Psalmodie ihre Bedeutung gelassen, eine Tatsache, die untff den heutigen Verhältnissen viel Freiheit der theologischen Gesinnung zeigl Bei der uneingeschränkten Hochwertung der „Kollekte'" und der Schrifthsung (S. 11) scheint mir freilich die Frage, wie weit die Gemeinde nicht bei biidem oft über die Grenze ihres Mitbeten- bzw. Hörenkönnens hinausgedrängt wird, nicht genügend erwogen. 28 Unauthenticated Download Date | 3/29/16 11:36 AM Die Schrift von Schumann, eine der Berneuchener Einführungen in den evang. Gottesdienst der Gegenwart, bietet mancherlei Anlaß zu historischen Beanstandungen. Es kann gar nicht oft genug gesagt werden, daß es eine unerfreuliche kirchliche Methode ist, Maßnahmen bei der gegenwärtigen Gestaltung des Gottesdienstes durch schlecht gesicherte historische Aussagen zu sichern, namentlich dann, wenn es sich um Schriften zur Einführung weiterer Kreise handelt, bei denen die Möglichkeit eigener Kritik und Korrektur fast ausgeschlossen ist. Was über Luthers Stellung zur „Messe" gesagt wird, kann man nur als falsch und irreführend bezeichnen (S. 5 ) . Von der nachreformatorischen Zeit zu behaupten, daß erst in ihr der kathol. Wortgottesdienst zugunsten des Sakraments zur bloßen Vormesse degradiert worden sei, verkennt völlig den Stand der Dinge am Ende des Mittelalters. Soll uns Evangelischen etwa dadurch die polemische Anwendung der Bezeichnung „Winkelmesse" auf evangelische Gemeindeabendmahle ( ! ) schmackhafter gemacht werden? Wir wissen doch, wofür Luther diese Bezeichnung geprägt hat, und wir haben wahrlich kein Recht, die Millionen von evangelischen Abendmahlsgästen, die von seinen Tagen bis heute an Abendmahlsfeiern teilgenommen haben, die außerhalb einer „Messe" stattfanden, durch das Wort „Winkelmesse" herabzusetzen. Wir sollten auch wissen, daß die Reformation eine gewaltige Steigerung der Kommunikantenzahlen herbeigeführt hat und daß das erst allmähliche, dann immer steilere Abfallen dieser Zahl uns vor eine noch keineswegs gelöste historische und theologische Forschungsaufgabe stellt. Typisch für die heutige liturgische Verwirrung ist es, daß Schumann dem Wortteil der ,,Messe" zwar audi eine (außersakramentale) „Realpraesenz" Christi zuerkennt, daß er sie aber „insbesondere bei der Lesung des Evangeliums" zu erkennen meint; die liturgisch normierte Darbietung des Bibelwortes wird für wichtiger gehalten, als die tatsächliche Verkündigung in der Predigt, deren Überbewertung bei „der üblichen protestantischen P r a x i s " „die Kirche zur Synagoge" werden ließ (S. 6) J ) . Als geradezu peinlich müssen die Ausführungen über das den Berneuchenern so überaus wichtige Worte „ M e s s e " bezeichnet werden, das mit allen Mitteln, mag es biegen oder brechen, in der evangelischen Kirche wieder heimisch gemacht werden soll. Berneuchen versteht Missa als Sendung, nämlich Sendung der Gemeinde vom Altar aus in die Welt. Warum nennt man dann den Gottesdienst, von dem diese Sendung ausgeht, eben den aus Predigt und Sakrament bestehenden „christlichen Vollgottesdienst" (S. 5 ) , nicht einfach Sendungsfeier, was den Berneuchener Pfarrern und den von ihnen geleiteten und angeleiteten Gemeindegliedern immer wieder eine schöne Gelegenheit geben würde, vom Sinn des Gottesdienstes Zeugnis abzulegen? Aber wenn schon Messe, weshalb dann die falsche und nun wirklich „ein wenig töricht" klingende Ausführung auf S. 8 f. unserer Schrift? Steht es nicht längst fest, daß das „Ite, missa est" lauter ganz normale lateinische Worte sind, daß missa, wie schon Georges I I , Spalte 9 4 6 , ) 9 1 3 ( ! ) mitteilte, das Fortlassen, das Entlassen, bedeutet, als keineswegs 1 ) Siehe eine entsprechende bissige Bemerkung auf S. 16, wo wir erfahren, daß die gleichzeitige Einführung eines Talars für die evangelischen Geistlichen in Prculien und für die dortigen Rabbiner „vielleicht nicht ganz zufällig" gewesen sei. 29 Unauthenticated Download Date | 3/29/16 11:36 AM als „Sendung"' e m p f u n d e n w u r d e ? Wenn Schumann bei der Abfassung seiner Schrift die einschlägigen A u s f ü h r u n g e n von J. A. J u n g m a n n (Missaruim solemnia II, 524 ff.) noch nicht kennen konnte, so hätten ihm sehr wo>hl die recht zahlreichen „liturgiegeschichtlichen Forschungen der letzten Jahrce" bek a n n t sein können, die dort verarbeitet sind, um ihn vor seinen dilletanttischen A u s f ü h r u n g e n zu bewahren. Davon, daß schon aus sprachlichen Gründien die Messe „Messe" heissen müsse, kann gar keine Rede sein. Es können einem n u r die Gemeindeglieder leid tun, denen mit dem Schein der Gelehrsiamkeit derartige Irrtümer eingeflößt werden. Auf S. 11 ff. widmet sich Schiumann dem Bemühen, nachzuweisen, daß es „durchaus möglich sei, zu sagem, daß wir im christlichen Abendmahle das heilige Opfer feiern". Wenn deir Verfasser bereit ist, stets hinzuzufügen, „des H e r r n " oder „Christi", dainn ist sicher gegen diese Aussage nichts einzuwenden; wenn es aber nicht gestchieht, k a n n sie n u r als eine gefährliche Angleichung an die römische Dogmatiik verstanden werden. Historisch f r a g w ü r d i g und sachlich unrichtig sind d i e Ausf ü h r u n g e n über das unverbundene Nebeneinanderstehen von Kyrie un<d Gloria. Auch wenn man die seit d e r Liturgiereform Friedrich Wilhelm III. üblich gewordene Verbindung von Kyrie und Gloria mit einem Confiteor undl einer Absolution aus theologischen und seelsorgerlichen Gründen ablehnt (wüe auch der Rezensent es t u t ) , d ü r f e n wir doch nicht so reden, als ob Kyrie und 'Gloria ursprünglich in der Liturgie wirklich die christliche Existenz „in ihrer Spann u n g bezeichneten". Sie sind in der Missa Romana durch einen Zufalll und nicht durch die Absicht, etwas Bestimmtes auszudrücken, n e b e n e i n a n d e r geraten. Wir können ihnen als evangelische Christen einen guten, verlkündigungsgemäßen Sinn geben, aber wir sollen nicht so tun, als ob d i e s e r Sinn ursprünglich in ihnen läge (S. 19). Ich übergehe die Fehler, die denn Verfasser hinsichtlich der Salutatio und der Kollekte untergelaufen sind. Lehrreich sind die zwei Zeilen über die P r e d i g t : „Die Lesungen werden ergänzt durch die Predigt, die als Auslegung und Anwendung des Textes n u r in seltenen Fällen entbehrt werden k a n n . " — Der zweite Teil der Schrift h a n d e l t vom Stundengebet, insonderheit von der „Wiederentdeckung des altkirchlichen Stundengebetes in der Evangelischen Kirche". Sein Wiederaufleben ist nach Meinung des Verfassers „eines der wichtigsten Stücke der liturgischen Bewegung innerhalb der Evangelischen Kirche geworden". Historisch unsicher ist in diesem Teil, was über die ältesten Zeiten des christlichen Stundengebetes gesagt wird, historisch falsch der auf S. 28 mit etwas schillernden Worten erweckte Anschein, als ob Metten und Vespern zu der „ F ü l l e liturgischen Gutes" gehört hätten, die „die Reformationszeit (gemeint wird wohl die Reformation sein) aus der alten Kirche h e r ü b e r g e r e t t e t " hätte, während es umgekehrt „die Aufklärungszeit (gemeint ist wohl die A u f k l ä r u n g ) gewesen" sei, denen die evangelischen Hören zum Opfer fielen, wie sie ja überh a u p t „in so verheerender Weise das gottesdienstliche Leben der Evangelischen Kirche zerstört h a t . " Daß die alten Gebetsgottesdienste in Wirklichkeit schon dadurch dem Verfall preisgegeben waren, daß sie von Luther und Bugenhagen in Hauptsache in Gottesdienste der Lateinschulen verwandelt wurden, paßt natürlich nicht in das dem Kenner der Dinge allmählich etwas langweilig werdende Bild von der wunderbar konservierenden Macht der Reformation und den dämonisch-bösartigen Zersetzungskräften der Auf- 30 Unauthenticated Download Date | 3/29/16 11:36 AM k l ä r u n g . Im übrigen muß man es der Z u k u n f t überlassen, ob es „in den einzelnen Gemeinden" wirklich „möglich sein wird, wenigstens die Mette und die Vesper als Morgen- und Abendgottesdienst der Gesamtgemeinde regelmäßig zu halten.'" Wir kommen auf die F r a g e des Berneudiener Stundengebetes noch in anderem Zusammenhang zurück. Aus der vorliegenden Schrift möchte ich nur noch die Tatsache hervorheben, daß lt. S. 16 die Berneudiener P f a r r e r zur Messe einen Teil der „altkirchlichen G e w ä n d e r " wieder eingeführt haben. Rein kirchenrechtlich scheint es demnach evangelische Teilkirchen in Deutschland zu geben, in denen die Berneuchener eine weitgehende innerkirchliche Selbstbestimmung besitzen. Dem Rezensenten ist d a s lehrreich, weil er in einer Landeskirche lebt, in der die Amtstracht bis auf die Form der Beffchen (Hohlsaum verboten!) durch kirchliche V e r o r d n u n g normiert ist, und weil er wirklich meint, daß rd. 160 J a h r e nach der Abschaffung der letzten evangelischen Meßgewänder in Deutschland („ausgestorben infolge von Sparsamkeit, Gleichgültigkeit, und auch wohl durch das Bedürfnis, sich von der römischen Kirche zu unterscheiden", S. 16) die Gemeinden nicht gerade vor hohlgesäumten Beffchen, aber doch immerhin vor der pfarrherrlichen Willkür im Anlegen des sog. „hochzeitlichen K l e i d e s " (S. 16) geschützt werden sollten. Das Büchlein von Walter Lötz über „Das hochzeitliche K l e i d " ist nicht etwa eine Auslegung des bekannten evangelischen Gleichnisstückes, sondern eine Abhandlung über den eben schon aus der Schrift von Schumann angeführten Gegenstand der liturgischen Gewandung. Auf wessen Schuldkonto die unglaubliche Geschmacklosigkeit kommt, der pfarrherrlichen Amtstracht diese d a f ü r völlig unpassende biblische Bezeichnung zu geben, bleibe dahingestellt. Die Schrift von Lötz ist auf jeden Fall in ihren historischen Abschnitten wertvoll, ebenso in dem, was sie über die liturgische K l e i d u n g in außerdeutschen evangelischen Kirchen berichtet. Dagegen ist es ihr nicht gelungen, die Wiedereinführung der Meßgewänder als theologisch notwendig und sinnvoll zu begründen. Die Ausführungen über die allmähliche Umerziehung der Gemeinden berühren peinlich. Wenn die an sich durchaus diskutable Frage einer Umformung des evangelischen Amtsgewandes heute mit Vorurteilen belastet und durch Hemmungen erschwert ist, so liegt die Schuld daran ganz gewiß auf der Berneuchener Seite, die unter Umgehung der Kirchen im ganzen in einzelnen Gemeinden fertige Tatsachen zu schaffen versucht hat. Dabei ist Berneuchen offenbar völlig verborgen geblieben, daß in r-iner Kirche des allgemeinen Priestertums die F r a g e nach dem rechten Abendmahlskleid eine Frage an die Gemeindeglieder, nicht aber an die P f a r r e r als stellvertretende Diener sein kann. Daß Berneuchen das nach Ausweis der Schrift von Lötz (und den gleichlaufenden Darlegungen von Schumann) nicht sieht, zeigt deutlich die Wegrichtung zum Klerikalismus hin. Andernfalls würde Lötz nicht mit folgenden Worten schließen: ,,. . . wenn es uns wirklich ernst damit ist, daß Christus unser Bräutigam ist, der seine Gemeinde aus Not und T r a u e r dieser Welt gefreit (sie!) hat, dann werden wir d a n k b a r auch jedes Mittel gebraudien, das uns und der Gemeinde helfen kann, uns solchen Christenstandes immer wieder zu erinnern und seiner froh zu werden, und dazu gehört f ü r den Liturgen auch das hodizcitliche K l e i d . " Die Sdirift von Ernst Jansen über „Die Evangelische Michaelsbruder- 31 Unauthenticated Download Date | 3/29/16 11:36 AM schaft" gehört trotz ihrer Kürze zum Wichtigsten, was über diesen Gegenstand veröffentlicht ist. Auf knappstem R a u m wird nicht nur der Weg der Berneuchener geschildert, sondern audi deutlich gemacht, wie die evangelische Michaelsbruderschaft sich allmählich aus der ursprünglich noch sehr wandelb a r e n und wandlungswilligen Berneuchener Bewegung heraus entwickelt hat. Manchem wird es neu sein, daß die Bruderschaft „in den ersten zehn Jahren ihres Bestehens seit 1931 ihren Gliedern die Pflicht des Schweigens über alle Angelegenheiten der Bruderschaft auferlegt" hatte, so daß nicht einmal ihr Bestehen als solches b e k a n n t werden sollte (S. 13). Man wird Verständnis haben d a f ü r , daß durch dies Verborgenbleiben die Gefahr des Zerredetwerdens vermieden werden sollte, und man wird doch andererseits das peinvolle Gef ü h l nicht los, was aus der evangelischen Kirche werden würde, wenn etwa ähnliche Bildungen diesen Weg des Geheimnisses f ü r ein erstes Jahrzehnt ihres Bestehens einschlagen würden. Als das Grundgesetz der Bruderschaft, die in den drei Bereichen der Martyria (des Zeugnisses), der Leitourgia (des Gottesdienstes) und der Diakonia (der tätig dienenden Liebe) auf Grund i h r e r engen inneren Verbundenheit zu wirken bemüht ist, bezeichnet Jansen d a s Gesetz der Konkretion, wobei „alles Handeln der Kirche auf den Dienst a m Altar zu beziehen und vom Sakrament her erfüllen zu lassen" ist (S. 9 ) . Die wichtigsten Schriften und literarischen Unternehmungen werden vorg e f ü h r t . Die etwa drohenden inneren Gefährdungen werden gesehen, wobei ich freilich den Vorwurf „katholisierender Neigung" sehr viel ernster nehmen würde, als es der Verfasser tut (S. 18). Das Berneuchener Stundengebet hat seit den Anfängen der Bewegung gewisse Wandlungen durchgemacht und ist allmählich einem evangelisch gereinigten Horengebet alter Art immer ähnlicher geworden, darin dem offenb a r unwiderstehlichen Zuge aller gegenwärtigen liturgischen Strömungen folgend. Das Buch ist übersichtlich geordnet, indem es zunächst den feststehenden A u f b a u der Mette, des Mittagsgebetes, der Vesper und der Complet bringt, darnach die wechselnden Stücke, insonderheit die Psalmen (auf die einzelnen Wochentage aufgeteilt). Nicht entziehen kann ich mich der Sorge, d a ß die aus der katholischen Überlieferung übernommene H ä u f u n g der Psalmen und Gebete (zu den Psalmen treten noch Wochenspruch und Lesung hinzu) eine Ü b e r f o r d e r u n g der an den Hören teilnehmenden Gemeinde sein möchte. Das f ü r die „Heilige Woche" herausgegebene Sonderheft enthält die „ F e i e r n der drei T a g e " , nämlich Mette, Mittagsgebet und Vesper am Gründonnerstag, denen die Gründonnerstag-Beichte und Stücke f ü r die Abendmahlsfeier beigefügt sind, Mette, Mittagsgebet und Feier der Todesstunde f ü r den Karfreitag, die Mette, das Mittagsgebet und die Vesper f ü r den Karsamstag und die Feier der heiligen Osternacht. Passions-Lesegottesdienste mit betrachtenden Chorälen der Gemeinde darf man hier nicht suchen. Es handelt sich allenthalben um evangelische Nachbildungen katholischer Feiern (abgesehen von der Gründonnerstags-Beichte, bei der die Herausgeber der allmählich gewordenen Berneuchener Beichtform treugeblieben sind). Ob man bei der Feier der Osternacht wirklich das alte Vorbild soweit nachahmen darf, wie es die Herausgeber tun (Entzünden der Osterkerze in der dunklen Kirche, Versenken der Osterkerze in den T a u f b r u n n e n , Epiklese über dem Wasser u . a . ) scheint mir fraglich; für mein Verstehen befindet sich der 32 Unauthenticated Download Date | 3/29/16 11:36 AM Pfarrer mit dem Gebet der Wasserepiklese im Widerspruch zur lutherischen Tauflehre 2 ) . In dem Buch Stählins über „Die ausgesonderten Tage" wird nicht etwa, wie man vermuten könnte, eine Lehre über das Kirchenjahr und seine einzelnen Stationen gegeben, vielmehr bekommt man hier eine aus der Arbeit des Berneuchener Dienstes erwachsene Anleitung zur Abhaltung von Freizeiten oder geistlichen Wochen. Die Berneuchener gehören zu den ersten, die auf diesem Gebiet gearbeitet und Erfahrungen gesammelt haben; der Reichtum dieser Erfahrungen wird in dem kleinen Buch auf Schritt und Tritt sichtbar. Es werden, soweit ich gesehen habe, ungefähr alle Fragen äußerer und innerer Art, die im Zusammenhang mit solchen Freizeiten und auf solchen Freizeiten auftauchen können, sachverständig und nüchtern behandelt. So sehr sich der Verfasser von verwandten englischen Vorbildern beeindruckt zeigt, so wenig ist er doch geneigt, das unserer Art und Überlieferung Gemäßere zugunsten nachahmender Experimente preiszugeben. Auf Einzelheiten können wir hier nicht eingehen. Daß als Andacht das Stundengebet gepflegt wird und der Gottesdienst immer die „Messe" ist (u. U. bis zur täglichen Messe), braucht kaum betont zu werden. Bedenken erweckt es mir, daß es nach Stählin (S. 74) in den Kirdiengemeinden, in die die Freizeiter zurückkehren, evangelische Messe zu geben scheint, die in ihrer inneren Haltung eine unglaubwürdige Gestalt hat; da die innere Haltung m. E. sich nur auf den Pfarrer beziehen kann, kommen wir auf diesem Weg zu der gefährlichen Folgerung, daß der Wert des Sakramentes von der Haltung des Spenders abhängen könnte. Soll das wirklich evangelische Meinung werden? Die Gebetshilfe von Benckert, der sidi ebenfalls sehr stark für das Stundengebet, namentlich für das kirchliche Nachtgebet einsetzt, aber stärker von Alpirsbadi beeinflußt zu sein scheint, will eine Anleitung geben, mit der Kirche christlich zu beten. Dem Verfasser ist es wichtig, daß auch das Gebet im Kämmerlein, so sehr es der Grund jeglichen Betens ist, in innerer Verbindung mit dem gottesdienstlichen Gebet bleibe. Erfreulich ist, daß der Verfasser der Frage der Mitbetbarkeit des gottesdienstlichen Gebetes so ernsthaft nachgeht und infolgedessen dem prosphonetischen Gebet so stark das Wort redet. Audi für die alten Kollekten hat der Verfasser eine große Vorliebe. Er versucht sie daher nach ihrem formalen Aufbau und ihrem Gehalt der Gemeinde verständlich zu machen. Midi hat er allerdings nicht davon überzeugt, daß die alten Kollekten, auch soweit sie im Sinne Luthers „rein" sind, durchgängig hohes Lob verdienen. Wir historisch und sprachlich gebildeten Theologen sollten öfter einmal den Versuch machen, festzustellen, wie weit die im lateinischen Original für uns oft so berückend prägnanten und eindrucksvollen Kurzgebete wirklich von unseren Gemeindegliedern verstanden und mitgebetet werden können. Von neuformulierten Gebeten hat der Verfasser offenbar keine allzuhohe Meinung; und doch sind auch die heute alten und ehrwürdigen Gebete der kirchlichen Überlieferung einmal neu gewesen und der Verfasser bestreitet auch nicht, daß in Sachen des Gebets der Geist Gottes noch heute sein Werk tut. Daß es dann immer wieder audi zu 2 ) Eine ähnliche Epiklese bei der Nottaufe findet sich in der unten besprochenen Agende von Lötz auf S. 12. 33 Unauthenticated Download Date | 3/29/16 11:36 AM neuen Gebeten kommen kann, zeigen uns die Bücher und H e f t e von Paul Vogt und dem eben aus unserer Mitte abgerufenen Martin Albertz. Beide sind M ä n n e r der reformierten Kirche. Vielleicht war das mit ein Grund, daß sie sich, minder gehemmt durch den Blick auf die Tradition des Gottesdienstes als wir Lutheraner, entschlossen, ihre Gebete niederzuschreiben. Die Vogtschen, dem Gang des bürgerlichen Jahres folgend (solche Kühnheit gibt es also in der evangelischen Kirche!), sind als Fürbittgebete f ü r den sonntäglichen Gottesdienst niedergeschrieben und gebetet worden. Der Verfasser hat seinen Predigttext jeweils ausgedruckt vorangestellt. E s kann nicht geleugnet werden, daß in vielen dieser Gebete Sätze stehen, die weder Bekenntnis, noch Lob, noch Bitte, die vielmehr meditierende Aussage sind. Aber solche Gebete werden ja darum weitergegeben, damit wir, die wir einmal in unserem Gottesdienst oder unseren Bibelstunden mit der Gemeinde ein Gebet aus unseren T a g e n beten möchten, an dem Vorbild arbeiten und ändern, damit es seinem großen Dienst noch mehr gerecht werde. So nehmen wir das Vogtsche Buch mit Dank entgegen. Aus noch ernsterer Situation als es die des schweizerischen Flüchtlingspfarrers im letzten Kriege war, stammen die in der Schweiz schon längst, bei uns erst nach dem Krieg erstmalig gedruckten Gebete von Martin Albertz. Sie alle sind im Gefängnis entstanden. Im ersten H e f t wird das Vaterunser in neunundzwanzig Gebeten nachbetend entfaltet, immer nach dem Schema Bitte — Gebet — F ü r b i t t e — Danksagung, wobei der Verfasser bei der Bitte vom Menschen ausgehen will, während er beim Gebet seine Augen von sich weg auf den H e r r n richtet. Die Gebete sind kürzer als die Vogtschen; durch die Erprobung im Gemeindegottesdienst sind sie nicht hindurchgegangen: die Meditation, in der Stille der Zelle vollzogen, fehlt ihnen nicht. Aber viel echtes Gebet ist hier vor uns in Bitte, Fürbitte und Danksagung ausgebreitet, und die Kirche würde weder weise noch d a n k b a r sein, wenn sie diese Gabe nicht nutzte. Das zweite Heft bringt in vierundzwanzig Gebeten nach dem gleichen Schema den nachgebeteten Dekalog, das dritte folgt dem Christusweg an Hand der Verkündigung der großen Feste von Advent bis Pfingsten und darüber hinaus bis zum Kommen Christi in der Herrlichkeit. Das H e f t von Paul Friedrich bietet eine Zusammenstellung von Liedern und Liedstrophen aus dem Bayrischen Gesangbuch, die als Schulgebete gedacht sind. Das Büchlein enthält auch Tischgebete und kann sehr wohl auch f ü r die Hausandacht gebraucht werden. Im Anhang enthält es eine Reihe von K a n o n s und je ein dreistimmiges und vierstimmiges Lied mit Noten. Mit der kleinen Agende von Walter Lötz kehren wir noch einmal zu Berneuchen zurück. Die äußere Ausstattung und das handliche Format machen das Buch zu einem zweifellos sehr bequemen Begleiter auf den Wegen des Seelsorgers zu K r a n k e n und Sterbenden. Sehr erwünscht ist die knappe Auswahl von Lesungen und Psalmen, von kurzen Gebeten und Fürbitten usf. Besonders erfreulich ist die reiche Heranziehung des Gesangbuchs. Wie viele unserer ausgezeichnet singbaren Lieder sind doch auch ausgezeichnet brauchbare Gebete zum Nachsprechen! (Gerade ein Kranker wird ihnen oft leichter folgen können als anderen Gebeten, teils, weil er sie halb oder ganz kennt, teils, weil der Reim ihm das Mitgehen erleichtert.) Zweierlei macht mich an dieser kleinen Agende vom Standpunkt der evangelischen Kirche aus b e t r ü b t : 1. Es 34 Unauthenticated Download Date | 3/29/16 11:36 AM ist eine S p e n d u n g des Abendmahls an Kranke, Alte und Sieche im H a u s e i m Anschluß an den Gottesdienst vorgesehen, bei der eine wirkliche Abendm a h l s h a n d l u n g im evangelischen Sinne nicht stattfindet. W i e wollen wir als evangelische Pfarrer bestehen, wenn wir unseren kranken und siechen Abendmahlsgästen, zu denen wir ins H a u s kommen, das Herzstück der Evangeliumsverkiindigung im Sakrament, die verba testamenti, vorenthalten und statt dessen s a g e n : „ S o empfanget nun in Ehrfurcht die Heilige Speise und den Trank unseres immerwährenden Heils von Gottes Altar."? So konnten vielleicht die römischen Diakonoi z. Zt. Justins sprechen, wenn sie in die H ä u s e r der nicht in der gemeinsamen Versammlung Anwesenden geschickt w u r d e n ; aber können wir e s noch? 2. Der Anhang, der einen Vorschlag für e i n e Ordn u n g der K r a n k e n s a l b u n g enthält. War es wirklich dringende Notwendigkeit, diesen prekären Gegenstand ohne weitere Erörterung in der Kirche in e i n e m Formular f e s t z u l e g e n ? Wir fürchten, daß uns damit kein guter Dienst geschah. Ü B E R E I N K U N F T IM P R E D I G T H Von Friedrich A N D W E R K Vorster I. H. J. Iwand, Göttinger P r e d i g t m e d i t a t i o n e n . Götlingen, V a n d e n h o e c k <£ R u p r e c h t , j ä h r l . DM 6.—; d a z u K. G. S/eck, Der Dienst d e r M e d i t a t i o n u n d die A u f g a b e der Predigt, Beiheft 1. — „ H a n d r e i c h u n g f ü r die P r e d i g t " in: F ü r Arbeit u n d B e s i n n u n g . Kirchl.-theolog. H a l b m o n a t s s c h r . , S t u t t g a r t , Quell-Vlg., besorgt von H. Lamparter. — Geory Eichholz, Herr l u e m e i n e L i p p e n auf. E i n e P r e d i g t h i l f e . Bd. 4, Die n e u e n Episteln. 551 Seiten, 1955. W . - B a r m e n , E. Müller, geb. DM 20.80. — Martin Doerne, E r k o m m t a u c h n o c h heute. Homilet. Auslegg. d. alten E v a n g e l i e n . 163 Seiten, 4. völlig n e u b e a r b . Aufl. 1956. Göttingen, V a n d e n h o e c k & R u p r e c h t , geb. DM 8.40. II. Helmut Goes, Werner Lutz, Otto Müllerschön, S c h m ü c k e t d a s Fest. Zwölf F e s t t a g s p r e d i g l e n . 79 S., 1955. Bad Cannstatt, R. M ü l l e r s c h ö n , DM 4.—. III. Otto Müllerschön in Verb. m. Werner Jetter u. Friedrich Vorster, Predigten f ü r J e t l e r m a n n . 3. Jg., 1955. Bad C a n n s t a t t , R. M ü l l e r s c h ö n , m o n a t l i c h eine Predigt, je DM 0.25. IV. Werner Jetter, W a r u m verbirgst Du Dein Antlitz? Sechs P r e d i g t e n ü b e r d a s Zeugnis des B u c h e s Hiob. 98 S., 1955. Stuttgart, Quell-Vlg., DM 4.50. geb. 5.80. — Paul Schempp. Der P r e d i g e r . Vier P r e d i g t e n , K a p . 1 — i . 31 S., 1953. Bad C a n n s t a t t , R. Müllerschön, DM 1.20. — Manfred Mezf/er, Die F r e i h e i t evangelischen Glaubens. Paul Schempp, D a s Gesetz d e r F r e i h e i t ( = S c h r i f t e n r e i h e d. Kirchl.-Theol. Sozietät in W ü r t t . , H. 6). 45 S., 1956. B a d C a n n s t a t t , R. Müllerschön, DM 1.50. — Hans Walter W o l f f , A l t t e s t a m e n t l i c h e Predigten N F . 132 S., 1956. N e u k i r c h e n , Vlg. d. B u c h h a n d l g . d. Erziehungsvereins, geb. DM 5.80 V. Hanns Lilje, Christus am See; ders., D a s L o b Gottes; ders.. W a n d e r e r auf d e m W e g ; ders., Der A'ater des G l a u b e n s = Nr. 20, 60, 82 u. 94 d e r 35 Unauthenticated Download Date | 3/29/16 11:36 AM
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