Erfolgreiches Lernen und evidenzbasiertes Lehren:

Erfolgreiches Lernen und evidenzbasiertes Lehren:
Neue Erkenntnisse aus der kognitiv-neurowissenschaftlichen Forschung
und deren Praxisrelevanz
Roland H. Grabner
Begabungs- und Lernforschung
Institut für Psychologie
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Übersicht
1.
Aktuelle empirische Befunde
(ca. 60 min.)
– Wie lernen wir komplexe Inhalte?
– Wie kann dieser Lernprozess verfolgt und unterstützt werden?
2.
Transfer in die Praxis: Kollegialer Austausch
(ca. 25 min.)
– Wie können Sie diese Erkenntnisse im Unterricht nutzen?
3.
Transfer in die Praxis: Offene Punkte und Fazit
(ca. 15 min.)
– Welche best‐practice‐Beispiele gibt es?
– Was sind mögliche Knackpunkte/Hindernisse beim Transfer?
3
1. Aktuelle empirische Befunde
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Die Metaanalyse von John Hattie
Visible Learning
 >800 Meta‐Analysen
 >50,000 Studien
 >83,000,000 Schüler/innen
5
5
Die Metaanalyse von John Hattie
Effektstärke (d)
6
6
Was macht einen großen Unterschied?
Zwei ausgewählte Einflussfaktoren
 Formatives Assessment d = .90
 Kognitive Aktivierung
d ≈ .70
7
7
Formatives Assessment / Formative Evaluation
8
„If I could reduce all of educational psychology to one principle, I would say this: the most important single factor influencing learning is
what the learner already knows. Ascertain this and teach him accordingly.“
(Ausubel, 1968, p. iv)
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Die Rolle des Vorwissens
• Vorwissen ist einer der besten Prädiktoren für den Lernerfolg
• Ob etwas gelernt wird, hängt vor allem davon ab, ob es an das Vorwissen angeknüpft werden kann
• Wissen „schlägt“ Intelligenz
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Die Rolle des Vorwissens
• Wissen kann Intelligenzunterschiede kompensieren
40
Free recall score
35
30
25
20
15
10
5
0
IQ lower
IQ higher
Lower knowledge
IQ lower
IQ higher
Higher knowledge
Walker (1987)
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Die Rolle des Vorwissens
• Wissen sagt Schulleistungen besser vorher
Weinert et al. (1989)
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Lernen als Konstruktionsprozess
Vosniadou & Brewer (1992)
• Welche Form hat die Erde?
• Wenn Du immer geradeaus läufst, wo kommst Du hin?
• Kann man das Ende der Erde erreichen?
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Mental Models of the Earth
intuitive Vorstellung
Zwischenschritte: Synthetische Modelle
Wissenschaftlich akzeptiertes Modell
14
Konzeptwandel
intuitive Vorstellung
Synthetische Modelle
Wissenschaftlich akzeptiertes Modell
Konzeptwandel
(Conceptual change)
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„If I could reduce all of educational psychology to one principle, I would say this: the most important single factor influencing learning is
what the learner already knows. Ascertain this and teach him accordingly.“
(Ausubel, 1968, p. iv)
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Formatives Assessment | Formative Evaluation
= Lehrperson
= SchülerInnen
= Unterricht
= Lernziel
http://images.derstandard.at/t/12/2011/04/10/1301895827926.jpg
http://img.welt.de/img/wissen_ipad_2/crop102144292/0378726660-ci3x2l-w620/passagiere-DW-Wissenschaft-Hamburg.jpg
http://kinder-reisen-sicher.de/
http://www.educamia.de/photos/112268/city-of-London.jpg
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Arten von Evaluationen
Summative Evaluation
(Assessment of learning)
Formative Evaluation
(Assessment for learning)
• Durchführung am Ende einer Unterrichtseinheit
• Regelmäßiges Durchführen während des Unterrichtens
• Für die Selektion zählende • Wissensstanderfassung als Leistungsbeurteilung (Noten, Prädikat)
Standortbestimmung für Lernende und Lehrende
• Keine Anpassung des Unterrichts aufgrund des Ergebnisses
• Adaptation der Lernumgebung (durch die Lehrperson) bzw. des Lernens (durch die SuS)
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Formatives Assessment
Anpassung des Unterrichts
Lehrer/in
Aktueller Lernstand
Lernziel
19
Formatives Assessment
Literaturhinweis
20
Kognitive Lernziele
• Taxonomie nach Bloom
Beurteilung
Synthese
Analyse
Anwendung
Verständnis
Wissen
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CATs
Wissen Verständnis
Background knowledge probe
Focused Listening
Mis-/Preconception Check
Empty Outlines
Memory Matrix
Minute Paper
Muddiest Point
Anwendung
Analyse
Direct Paraphrasing
Application Cards
Student Generated Test
Questions
Human Tableau or Class
Modelling
Paper or Project
Prospectus
Categorizing Grid
Defining Features
Matrix
Content, Form, and
Function Outlines
Analytic Memos
Synthese
Word Journal
Approximate Analogies
Concept Maps
Invented Dialogues
Beurteilung
Pro and Con Grid
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CAT: Fehlkonzept-Check (K1,K2)
Ziel:
– Erfassung von Fehlkonzepten im Vorwissen der Lernenden
Methode:
1.
Auswahl bekannter Fehlkonzepte
2.
Erstellung eines kurzen Fragebogens mit spezifischen Fragen
3.
Fragebogenerhebung (anonym!)
Auswertung (Beispiel):
– durch Lernende (nach Neuverteilung)
Vorteile:
– schnell und ökonomisch
– in allen Themenbereichen anwendbar
– durch die Anonymität ehrliche Antworten
– Lernende erkennen, dass sie nicht alleine dieses Fehlkonzept haben
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CAT: Unklarster Punkt (K2)
Beispiel:
„Was war für Euch in der heutigen Einheit am unklarsten?“
Ziel:
– Erfassen, was nicht verstanden wurde, und worauf in der nächsten Stunde nochmals eingegangen werden sollte
Methode:
1.
Am Ende eines Themas / einer Einheit fragt die Lehrperson, was am unklarsten oder am schwersten zu lernen war
2.
Lernende notieren dies auf einem Blatt Papier und geben es ab
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CAT: Unklarster Punkt (K2)
Beispiel:
„Was war für Euch in der heutigen Einheit am unklarsten?“
ca. 70 % der Antworten:
• Was genau ist Formative Assessment?
• Formative Assessment
• Formative Assessment in Abgrenzung zu Summative Assessment
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CAT: Merkmalsmatrix (K4)
Methode:
1.
Auswahl von 2‐3 ähnlichen Konzepten
2.
Auswahl der kritischen Eigenschaften der Konzepte
3.
Erstellen einer Liste mit geteilten und nicht‐geteilten Eigenschaften
4.
Verteilen der Aufgabe, die Eigenschaften den Konzepten zuzuordnen
Beispiel
Mutation
Modifikation
Umwelteinflüsse als Auslöser
+
+
DNA wird verändert
+
-
Eigenschaft wird stets weiter vererbt
-
-
Veränderung auf Zellebene
+
+
etc.
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CAT: Grobe Analogien (K5)
Beispiele:
• Masse verhält sich zu Volumen wie _______ zu ________ .
• Selektion verhält sich zu Evolution wie ________ zu ______ . Ziele:
• Erfassung des Verständnisses von Beziehungen zwischen Konzepten (A verhält sich zu B wie C zu D)
• Verstärkung und Erweiterung des Wissensnetzwerks
Methode:
1.
Auswahl eines zentralen Zusammenhangs
2.
Beispiele für Analogien präsentieren
3.
Prompt vorgeben (d.h. A:B ‐ ?:?)
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CAT: Grobe Analogien (K5)
Auswertung:
• Grobe Kategorisierung (gut, fragwürdig, ungeeignet)
• Fragwürdige Analogien nochmals checken
• Präsentation einiger Analogien (Warum ist eine gut? Warum ist eine andere ungeeignet?)
Übung:
• Formatives Assessment verhält sich zum Unterricht wie _____ zu ____.
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Was macht einen großen Unterschied?
Zwei ausgewählte Einflussfaktoren
 Formatives Assessment d = .90
 Lernen ist Konstruktion und Umstrukturierung von Wissen. Vorwissen bestimmt, ob und wie neue Informationen gelernt werden
 Formatives Assessment fördert Lernen und Lehren durch (wiederholtes) Erfassen des Wissens und Feedback an die Lernenden und Anpassung des Unterrichts durch die Lehrenden
 Kognitive Aktivierung
d ≈ .70
29
29
Kognitive Aktivierung
• Lernende können ihr Wissen nur selbst konstruieren und umstrukturieren
 Kognitive Aktivierung / «minds on»
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Kognitive Aktivierung
Vergleichen und Kontrastieren
„Das ist ein SIBB. Welches ist auch ein SIBB?“
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Kognitive Aktivierung
Vergleichen und Kontrastieren
Diese zwei sinken im Wasser.
Welches von denen sinkt genauso wie diese beiden?
Warum?
Leuchter, Saalbach & Hardy (2011)
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Kognitive Aktivierung
Vergleichen und Kontrastieren
Gadgil, Nokes‐Malach & Chi (2012)
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Kognitive Aktivierung
Vergleichen und Kontrastieren
Gadgil, Nokes‐Malach & Chi (2012)
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Kognitive Aktivierung
Vergleichen und Kontrastieren
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Kognitive Aktivierung
Vergleichen und Kontrastieren
Ziegler & Stern (2014)
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Kognitive Aktivierung
Vergleichen und Kontrastieren
Ziegler & Stern (2014)
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Kognitive Aktivierung
Vergleichen und Kontrastieren
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Kognitive Aktivierung
Vergleichen und Kontrastieren
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Was macht einen großen Unterschied?
Zwei ausgewählte Einflussfaktoren
 Formatives Assessment d = .90
 Lernen ist Konstruktion und Umstrukturierung von Wissen. Vorwissen bestimmt, ob und wie neue Informationen gelernt werden
 Formative Assessment fördert Lernen und Lehren durch (wiederholtes) Erfassen des Wissens und Feedback an die Lernenden und Anpassung des Unterrichts durch die Lehrenden
 Kognitive Aktivierung
d ≈ .70
 Lernende müssen kognitiv aktiv sein, um ihr Wissen konstruieren und umstrukturieren zu können
 Vergleichen und Kontrastieren fördert den Konstruktions‐ und Umstrukturierungsprozess
40
40
Übersicht
1.
Aktuelle empirische Befunde
(ca. 60 min.)
– Wie lernen wir komplexe Inhalte?
– Wie kann dieser Lernprozess verfolgt und unterstützt werden?
2.
Transfer in die Praxis: Kollegialer Austausch
(ca. 25‐30 min.)
– Wie können Sie diese Erkenntnisse im Unterricht nutzen?
3.
Transfer in die Praxis: Offene Punkte und Fazit
(ca. 15‐20 min.)
– Welche best‐practice‐Beispiele gibt es?
– Was sind mögliche Knackpunkte/Hindernisse beim Transfer?
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Transfer in die Praxis
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Einladung zum kollegialen Austausch
… in Kleingruppen über eines der beiden Themenbereiche (oder beide)
Nehmen Sie sich ca. 25 Minuten Zeit
Leitfragen:
• Formatives Assessment
– Wie berücksichtigen Sie das Vorwissen der SchülerInnen?
– Wie verfolgen Sie den Wissensaufbauprozess?
– Wie passen Sie Ihren Unterricht an den Lernfortschritt der SchülerInnen an?
– Was sind mögliche Knackpunkte/Probleme bei formativem Assessment?
• Kognitive Aktivierung
– Mit welchen didaktischen Elementen fördern Sie die kognitive Aktivierung?
– Welche positiven und negativen Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
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Beispiele, offene Fragen und Fazit
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Best practice und offene Punkte
• Formatives Assessment
– Brainstorming, Tests, Gespräche, Fragebögen ....
– Lernbegleiter/in
– Wie wird diese Methode von den SuS aufgenommen?
– Wie passt man Unterricht dann an?
• Kognitive Aktivierung
– Lust am Denken, Neugierde, Motivation
– Anspruch: es müssen alle kognitiv sein!
– Zeigen von „falschen Konzepten“
– Rolle der Begabung Fazit
1.
Aktuelle empirische Befunde
– Wie lernen wir komplexe Inhalte?
– Wie kann dieser Lernprozess verfolgt und unterstützt werden?
2.
Transfer in die Praxis: Kollegialer Austausch
– Wie können Sie diese Erkenntnisse im Unterricht nutzen?
3.
Transfer in die Praxis: Offene Punkte und Fazit
– Welche best‐practice‐Beispiele gibt es?
– Was sind mögliche Knackpunkte/Hindernisse beim Transfer?
„Lehrkräfte können auf sehr unterschiedliche, aber nicht beliebige
Art und Weise gleichermaßen guten und erfolgreichen Unterricht halten.“
(Weinert, 1996)
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Angebot-Nutzungs-Modell (nach Helmke, 2007)
LEHRPERSON
Fachwissen
Fachdidaktisches Wissen
Pädagogisches u. Psychologisches Wissen
UNTERRICHT
ALLGEMEINE VORAUSSETZUNGEN
Angebot
Alter, Geschlecht, Erziehung, Bildungsnähe ...
Qualität der
Instruktion
und des
Materials
LERNVORAUSSETZUNGEN
Vorwissen, Intelligenz, Kreativität, Motivation …
Didaktische
Gestaltung
...
LERNPROZESS
LERNERFOLG
Nutzung
Ertrag
Lernaktivitäten
Kompetenzen
KONTEXT
Kulturelle Rahmenbedingungen, Schulform, Regionaler Kontext, Schulklima, Klassenklima …
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Vielen Dank für Ihr Interesse
und die großartige Mitarbeit!