Was kann die Palliativmedizin heute leisten, um den Ruf nach

Tagungsbericht
Was kann die Palliativmedizin heute
leisten, um den Ruf nach aktiver
Sterbehilfe zu verhindern?
Marion Brocke, Heike Schlegel-Höfner
Unter diesem Thema fand die Jubiläumsveranstaltung zum 5-jährigen Bestehen des Vereins zur Förderung der
Palliativmedizin im Ilm-Kreis e.V. am
31. Januar 2015 in Ilmenau statt. Dieses
aktuelle und brisante Thema, das in
Vorträgen und einer Diskussionsrunde
intensiv bearbeitet wurde, zog ein großes Publikum an. Die Diskussion um
den assistierten Suizid fordert von uns
Ärzten und dabei ganz besonders von
Palliativmedizinern eine aktive Stellungnahme.
Das große Interesse an der Veranstaltung ist ein Hinweis auf die Brisanz des
Themas. Auch weiterhin sind die Möglichkeiten der ambulanten und stationären Palliativmedizin nicht ausreichend
bekannt.
Im ersten Vortrag berichtete die Palliativmedizinerin Dr. Christina Müller
aus ihrem umfangreichen Erfahrungsschatz zum Thema „Was leistet die Palli-
ativmedizin heute?- Brauchen wir eine
gesetzliche Neuregelung zur aktiven Sterbehilfe?“.
Dabei wurden nicht nur die Möglichkeiten und Grenzen sowohl der stationären
als auch der ambulanten Patientenbetreuung thematisiert. Dr. Müller beschrieb anhand von Patientenaussagen
den starken Lebenswillen auch unheilbar Erkrankter. Die Balance zwischen
Selbstbestimmung und Fürsorgepflicht
ist bei ihrer Betreuung zu wahren. Sie
ging aber auch auf die finanzielle Vergütung im stationären Bereich ein, die sich
kontinuierlich in den letzten Jahren abwärts entwickelt. Zu den Problemen der
Finanzierung wurde im Verlauf der Veranstaltung die Thüringer Finanzministerin Heike Taubert angesprochen.
Dr. Müller betonte die Wichtigkeit der
frühen integrativen Versorgung von
Menschen mit lebensbedrohenden
Krankheiten in ein palliativmedizinisches Betreuungssystem nicht nur für
onkologische, sondern auch für Patienten mit nichtmalignen chronischen Erkrankungen (z. B. aus den Bereichen
Pulmologie, Kardiologie oder Neurologie). Durch den frühzeitigen Einsatz
palliativer Therapiemethoden kann sowohl ein Zuwachs an Lebensqualität als
auch an Lebenszeit erreicht werden. Die
ehemalige Chefärztin der Klinik für Palliativmedizin der Zentralklinik Bad Berka stellte aber auch die Frage, ob „das
romantisch gefärbte Ideal nicht mit der
Realität des Gesundheitswesens kollidiert“ und stellt fest, „dass es noch viel
zu tun gibt.“
Zum Thema „Was leistet die stationäre
Palliativmedizin im Ilmkreis?“ gab Oberarzt Dr. Lothar Iffert einen Überblick
über den Alltag auf der Ilmenauer Palliativstation. Er betonte die Bedeutung
der Kommunikation zwischen Patient,
Angehörigen und den professionellen
Helfern. Es geht dabei um Therapieund Hilfsangebote im physischen, spirituellen und sozialen Bereich, die durch
das
multiprofessionelle
Behandlungsteam gemacht werden. Mit Bildern
und Berichten gelang es Dr. Iffert, den
Zuhörern das Behandlungskonzept der
Ilmenauer Palliativstation zu vermitteln.
Der Wunsch nach aktiver Sterbehilfe ist
auf der Ilmenauer Palliativstation eine
absolute Rarität. Wenn er von Patienten
Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion von links nach rechts: Matthias Keschke (Palliativ Care Pflegefachkraft), Dr. Christina Müller (Palliativmedizinerin), Pfarrer Jürgen Friedrich (Seelsorger der Palliativstation Ilmenau), Rechtsanwalt Prof. Dr. jur. Wolfram Eberbach (Ministerialdirigent a. D.), Heike Taubert (Thüringer Finanzministerin).
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Ärzteblatt Thüringen
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artikuliert wurde, war dies aufgrund
von Sorgen um Autonomieverlust und
um die erhöhten Belastungen für pflegende Angehörige der Fall. Diese Sorge
lässt sich oft durch die adäquate Organisation der Betreuung nach Entlassung
lösen, sei es im häuslichen Milieu, im
Pflegeheim oder in einem Hospiz. Dabei ist die gute Kooperation von stationär und ambulant Tätigen für den Patienten essentiell.
Die Ilmenauer Palliativstation bietet telefonische Beratungsmöglichkeiten für
pflegende Angehörige auch nach der
Entlassung der Patienten.
Der dritte Vortrag hatte den provokanten Titel „Was ist an der Palliativmedizin
eigentlich palliativ?“. Matthias Keschke,
der die Palliativstation in Ilmenau pflegerisch von 2009 bis 2011 leitete, stellte
anschaulich dar, wie im Mittelpunkt der
Palliativmedizin die Bedürfnisse der
schwerstkranken Menschen und ihrer
Angehörigen stehen. „Mindestens jeder
fünfte Patient versteht nicht, was ihm
Ärzte und Pflegekräfte auf wichtige Fragen antworten.“ Die Palliativmedizin ist
im Gegensatz zur kurativen Medizin
nicht auf Hightech-Maßnahmen ausgerichtet, sondern wendet sich dem Menschen ganzheitlich zu. Welche Herausforderung die Therapiezieländerung
vom kurativen zum palliativen Behandlungsziel insbesondere an die kommunikativen Fähigkeiten stellt, wurde intensiv erläutert.
Ehrenamtliche Mitarbeiter leisten auch
angesichts knapper finanzieller Mittel
einen unschätzbaren Beitrag in der Versorgung von Palliativpatienten. Dr. Lothar Zeuner nannte hierfür stellvertretend in seinem Vortrag die Arbeit der
beiden ambulanten Hospizvereine Arnstadt und Ilmenau sowie den nun fünf
Jahre bestehenden Verein zur Förderung der Palliativmedizin im Ilm-Kreis,
dessen Vorsitzender er seither ist.
Es folgte die Podiumsdiskussion „Brauchen wir in Deutschland eine gesetzliche
Neuregelung zur aktiven Sterbehilfe und
den ärztlich assistierten Suizid? – Pro und
Contra“., moderiert von Dr. Heike Schlegel-Höfner, Chefärztin der Klinik für An-
Ausgabe 4/2015 26. Jahrgang
Mitglieder des Vereins zur Förderung der Palliativmedizin im Ilmkreis nach der gelungenen
Veranstaltung. Von links nach rechts: Dr. Lothar Iffert, Dr. Marion Brocke, Dr. Lothar Zeuner, Monika Brandstädt, Sandra Schmidt, Matthias Keschke, Dr. Heike Schlegel-Höfner.
Fotos: V. Krause
ästhesie und Intensivmedizin, Schmerzund Palliativmedizin der Ilm-Kreis-Kliniken Arnstadt-Ilmenau.
Die stellvertretende Ministerpräsidentin
Thüringens, Heike Taubert (SPD) berichtete über eigene Erfahrungen zum
Thema aus der Sicht eines „Nichtmediziners“. Als Finanzministerin legte sie
dar, dass mit vorhandenen Mitteln verantwortungsvoll umzugehen ist.
Im Dialog mit der Geschäftsführerin
der Ilm-Kreis-Kliniken Arnstadt-Ilmenau gGmbH, Marina Heinz, fand diese
Diskussion im Auditorium reges Interesse.
Medizinrechtliche und ethische Aspekte
dieser schwierigen Problematik wurden
von Rechtsanwalt Prof. Dr. jur. Wolfram
Eberbach, Ministerialdirigent a.D., kompetent dargelegt. Erläutert wurden nicht
nur Begrifflichkeiten (passive Sterbehilfe, indirekte Sterbehilfe u.a.), sondern
auch die Bedeutung der Grundsätze der
Bundesärztekammer zur ärztlichen
Sterbebegleitung. In diesem Zusammenhang erklärte Dr. Christina Müller,
unter welchen Voraussetzungen eine
palliative Sedierung am Lebensende im
Falle von unerträglichem Leiden möglich ist.
Die Probleme des Seelsorgens am Bett
eines unheilbar Kranken erklärte Kirchenrat Jürgen Friedrich, ehemaliger
Direktor des Marienstiftes Arnstadt.
Nach seiner Meinung wird es zu dieser
Thematik keine allgemeingültige Lösung geben können, denn individuelle
Wünsche und Vorstellungen spielen
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eine außerordentliche Rolle. Er zitierte
Goethe: „Grau, teurer Freund, ist alle
Theorie…“
Dass die Veranstaltung großes Interesse
fand, lässt sich durch die zahlreichen
Teilnehmer belegen. Dabei waren Ärzte,
Pflegekräfte, Mitarbeiter von Hospizdiensten, die Klinikleitung der IlmKreis-Kliniken, interessierte Bürger der
Region, aber auch Politiker wie Eleonore
Mühlbauer (MdL) und Tankred Schipanski (MdB) vertreten.
Palliativmedizin ist insbesondere gekennzeichnet durch den Respekt vor der
Würde des Menschen. Der Wunsch, das
Leben vorzeitig zu beenden, ist selten
und in der Regel ein Hilferuf. Sterbewünsche müssen vom Patienten thematisiert werden dürfen. „Die Haltung
steht in der Betreuung von Schwerkran-
ken vor den Fähigkeiten und dem Wissen.“ (Matthias Keschke). Für die Betreuung dieser Patienten sind große
personelle Ressourcen in allen Berufsgruppen nötig.
Dr. med. Marion Brocke
Dr. med. Heike Schlegel-Höfner
im Namen des Vereins zur Förderung der
Palliativmedizin im Ilmkreis e.V.
www.palliativ-verein.de
24. Thüringer Unfallchirurgisch-Orthopädisches Symposium
5./6. Juni 2015, Kultur- und Kongresszentrum, An der Alten Post 2, 99947 Bad Langensalza
Tagungsleitung:
Dr. med. Jens Moor, Chefarzt der Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Wirbelsäulenchirurgie,
Hufeland Klinikum GmbH, Standort Bad Langensalza
Tagungsorganisation:
Conventus Congressmanagement & Marketing GmbH
Linda Winterot/Dirk Eichelberger
E-Mail: [email protected]
Tagungswebsite: www.vlou-symposium.de
Herbert-Lewin-Preis
Forschungspreis zur Rolle der Ärzteschaft in der Zeit
des Nationalsozialismus
Das Bundesministerium für Gesundheit, die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung schreiben nunmehr zum fünften Mal den Herbert-Lewin-Preis für wissenschaftliche Arbeiten zum Thema „Aufarbeitung der Geschichte der
Ärztinnen und Ärzte in der Zeit des Nationalsozialismus“ aus. Der Preis ist mit insgesamt 12.500 Euro dotiert und kann von der
Jury auf mehrere verschiedene Arbeiten aufgeteilt werden. An der Ausschreibung können Zahn-/Ärztinnen und Zahn-/Ärzte
sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten als Einzelpersonen, Kooperationen oder Gemeinschaften von Zahn-/
Ärztinnen und Zahn-/Ärzten sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, Studierende der Zahn- oder Humanmedizin und an zahn- und humanmedizinischen Fakultäten oder medizinhistorischen Instituten tätige Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler teilnehmen. Jede teilnehmende Person und jede Arbeitsgruppe kann sich mit je einer Arbeit bewerben. Die
Arbeiten müssen in deutscher Sprache verfasst sein (Papierform in sechsfacher Ausfertigung oder in elektronischer Form). Es
werden nur Arbeiten berücksichtigt, die ab dem 1. Januar 2010 erstellt oder veröffentlicht wurden. Die wissenschaftlichen Arbeiten müssen bis zum 18. Juni 2015 bei der Bundesärztekammer eingegangen sein (Bundesärztekammer, Hauptgeschäftsführung, Elke Böthin M.A., Herbert-Lewin-Platz 1, 10623 Berlin, E-Mail: [email protected]). Weitere Informationen zum Forschungspreis finden Interessierte unter www.baek.de/Forschungspreis.
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