Mit Fischen Geld verdienen ? / BauernZeitung

4. WOCHE 2015
Riesiges Interesse: Auf der Hannovermesse fanden sich Tausende Gäste
im Forum Aquakultur ein.
Ratgeberin in Aquakulturfragen:
Dr. Birgit Schmidt-Puckhaber.
Mit Fischen
Geld verdienen?
Erfahrungsaustausch live: Im
Vortragsforum war über Stunden
kein Platz zu bekommen.
D
icht umlagerte Stände,
ein rund um die Messezeit gerammelt volles Forum, Fachsimpeleien an diversen Ständen – so lief die Messe
nicht in allen Hallen ab. In dem
vergleichsweise winzigen Themenbereich Aquakultur hingegen war die Begeisterung der
Menschen geradezu ansteckend: regelrechte Goldgräberstimmung. Die Gründe dafür
dürften vielseitiger Art sein.
Rettung in der Not?
Da ist sicher aktuell eine ganze
Portion Ratlosigkeit vieler Landwirte, die sehen, dass Ertragschancen in den klassischen
landwirtschaftlichen Produktionsbereichen schwinden. Unsicherheiten im Pflanzenbau,
Kostendruck bei der Milchproduktion, Preisrallye bei den
Schweinen …, da ist die Hoffnung auf neue Produktionsideen riesengroß. Und Aquakultur
scheint Chancen zu bieten,
denn sie ist, zumindest auf den
ersten Blick, eine beeindruckende Erfolgsgeschichte. Mit Steigerungsraten von durchschnittlich
fast zehn Prozent pro Jahr ist sie
seit Jahren der am schnellsten
wachsende Zweig in der globalen Ernährungswirtschaft. 2012
wurden laut FAO weltweit fast 70
Millionen Tonnen Fisch und
Meeresfrüchte in Süßwasserund Meereszuchten erzeugt.
Das entspricht knapp 40 % des
weltweit konsumierten Speisefisches. Für die Zukunft rechnet
Glaubt man dem Eindruck, der sich im November auf der EuroTier-Messe ergab,
hat die Aquakultur eine ganz große Zukunft in Deutschland. Könnte hier eine
betriebswirtschaftliche Diversifizierungsstrategie liegen?
die FAO mit weiteren Steigerungen. So sollen 2022 etwa 50 %
des weltweiten Fischaufkommens aus Aquakultur stammen.
Auch in Europa geht es mit der
Aquakultur schon gut vorwärts.
Hier liegt ihr Anteil am Speisefischaufkommen bei gut einem
Viertel. Produziert werden neben Karpfen und Forellen auch
Welse, Aal, Stör und Zander. Insgesamt sollen es rund 150 Fischarten sein, die in Aquakulturen
gezüchtet werden – in Becken,
Hallen, Teichen oder Netzkäfigen. Doch Vorsicht! „Das Nachdenken über Aquakultur sollte
sich nicht auf Fisch beschränken. Wir sollten auf das gesamte
Wachstum im Wasser blicken“,
weitet Dr. Birgit Schmidt-Puckhaber, Projektleiterin Aquakultur bei der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft, den Blick
auf das Geschehen. „Wenn man
über sieben Milliarden Menschen ernähren will, kommt
man daran einfach nicht vorbei.
Es gibt über 30 000 Algenarten,
von denen sich viele hervorragend zur Futterproduktion oder
für andere Zwecke eignen könnten. Hinzu kommen die Muschelzucht oder die Produktion
von Tang. Mithilfe von Mikroalgen lässt sich in einem technischen Verfahren sogar Kraftstoff
herstellen“, so Schmidt-Puckhaber. „Das ist effizient und macht
ökologisch Sinn, denn das Algenwachstum verläuft um ein
Vielfaches schneller als das
Wachstum der Landpflanzen,
und es basiert energetisch rein
auf Sonnenlicht. Wirtschaftlich
ist das allerdings unter den gegebenen Rahmenbedingungen
heute noch nicht darzustellen.“
Grund genug für Einrichtungen wie die TU Cottbus, die
Hochschule Lausitz und das
Deutsche Biomasseforschungszentrum Leipzig, sich in einem
Projekt („AUFWIND“) mit anderen Einrichtungen der Erforschung solcher Produktionen zu
widmen. Auch die Deutsche Agrarforschungsallianz hat jüngst
einen „Strategieplan Aquakultur“ ausgearbeitet, der den nationalen Strategieplan des Bundes zu diesem Thema ergänzen
soll. Doch momentan muss man
die meisten dieser Pläne wohl
noch unter „Zukunftsmusik“ abheften. Bei der Frage, ob Aquakultur eine Alternativstrategie
für Landwirte sein könnte,
kommt man an Erfahrungen des
Auslands noch nicht vorbei.
Beispiele aus Asien?
Praktisch lernen können wir da
von Berufskollegen in asiatischen Ländern. Sie realisieren
derzeit weit über 80 % der globalen Aquakulturproduktion, die
USA und Europa liegen lediglich
bei je 3–4 %. Wo im fernen Osten
der Trend hingeht, zeigte auf der
Messe in Hannover unter anderen die Firma Xiamen Recircinvest Biotech Co. Ltd (RIB). Als
Modell präsentierte sie ein regelrechtes Fischkombinat auf
dem platten Land. Mehrstöckige
Produktionsgebäude, intensives
Wasserrecycling – ein Gigant in
Produktion und Ressourceneffizienz könnte das werden. Ein
Prototyp entstehe in China, erzählt Werner Gaus, der die Firmengruppe zwischen Deutschland und China betreibt. Für
„Old Germany“ gebe es allerdings noch erhebliche Probleme. „Eine Hürde ist die Baugenehmigung, denn für solche Gebäude gibt es in Deutschland ja
noch keine wirklichen Referenzobjekte. Zum anderen: Wohin
mit den Fischmassen? In einem
typischen Basismodul werden
schon mal 200 t Fisch pro Jahr
produziert. Ein drittes Problem
ist die Deklaration des Abwassers:
Wirtschaftsdünger
oder Industrieabfall? Dennoch
ist Gaus zuversichtlich: Wenn
man die heute schon vorhandenen Technologien klug nutze,
sei eine Fischfabrik durchaus
umweltneutral zu gestalten.
Diese komplexe Problematik
kennt auch Dr. Günther Scheibe
aus dem vorpommerschen
Abtshagen. Er gehört zu den Wenigen in Deutschland, die beim
Thema Aquakultur nicht nur
über Träume, sondern über Realitäten reden können. Immerhin zwölf Anlagen in Mecklenburg, Brandenburg, Sachsen,
Thüringen, Bayern und Österreich haben er und sein Team
von der PAL Anlagenbau GmbH
in den letzten Jahren gebaut. „Es
gibt derzeit drei Knackpunkte in
der ganzen Geschichte“, sagt Dr.
Scheibe an die Adresse aller
Aquakultur-Interessenten: „Die
4. WOCHE 2015
BETRIEBSFÜHRUNG
BAUERN Z EITUNG
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Ökologisch okay?
Erfahrung mit Aquaponik:
Dr. Günther Scheibe.
Energieversorgung, die Abwasserproblematik und die Vermarktung der Produktion.“
Referenzanlagen
der PAL Abtshagen: Praktische
Beispiele gibt es
mittlerweile auch
in Ostdeutschland
genug. FOTOS: PAL (2),
THOMAS TANNEBERGER
Ohne Wärme geht nichts
Wichtigste Entstehungsvoraussetzung für eine Aquakultur sei
eine Biogasanlage mit ständigem, verlässlichem Wärmeanfall, der anderweitig nicht oder
nur bedingt genutzt werden
kann. „Alle anderen Varianten
sind wirtschaftlich deutlich
schlechter oder gar nicht umsetzbar“, meint Dr. Scheibe. Solarthermie scheitere hier an der
Frage der Lieferkontinuität, und
die Idee einer Kaltwasserhaltung von Fischen in Hallen oder
Scheunen sei nicht praxisreif.
Schwieriger noch sei die Wasser- und Abwasserproblematik.
Becken, Filter, Leitungen, Heizung und Klär- bzw. Biogasanlage – es sei ein erheblicher technischer Aufwand erforderlich,
um unter deutschen Bedingungen genehmigungsfähig zu werden. Dr. Scheibes Team hat sich
hier besonders mit dem Aquaponik-Verfahren eine zukunftsfähig erscheinende Technologie
einfallen lassen. Fische und ggf.
Pflanzen werden unter kontrollierten Bedingungen in einem
einheitlichen System produziert. Das Besondere daran sind
die weitestgehend automatisierte Bewirtschaftung und ein nahezu geschlossener Wasser- und
Nährstoffkreislauf. Um technische und wirtschaftliche Aspekte zu erforschen, laufen bei PAL
umfangreiche Versuche und sogar ein internationales Projekt.
Mr. Gaus’s Fischkombinat auf dem platten Land: Was heute in China
entsteht, kann für hiesige Breiten zumindest ein Zukunftstraum sein.
und Vermarktungssystem gegründet. Regionale FischgutGenossenschaften bieten ihren
Mitgliedern heute fachliche Beratung und Produktionsstandards, die Fischzucht Abstshagen sichert die Elterntierhaltung, und der Fischgut-Vertrieb
(Marke „filetas“) übernimmt
Handel, Verarbeitung sowie
Produktentwicklung. „Nur über
die Mengen und Qualitäten, die
wir produzieren bzw. bündeln,
sind wir für die Handelsketten
interessant geworden“, berichtet
Dr. Scheibe. Heute liefern zehn
Betriebe 1 600 t Fisch über die in
Abtshagen ansässige „filetas“Vertriebsgesellschaft an den Le-
bensmittelhandel von Rewe und
Netto über Globus bis Edeka.
„Das könnte rein vom Bedarf
her ruhig noch mehr sein“, meint
Dr. Scheibe und deutet an, dass
die Fischgut-Kooperation gern
weitere Produktionspartner aufnehmen und mit Systemlösungen versorgen würde.
FAZIT: So verlockend Ideen
und Angebote auch erscheinen mögen − betriebswirtschaftlich muss man beim Thema Aquakultur genau kalkulieren. Einen methodischen
Ansatz dazu gibt die unten stehende Tabelle. Gute Voraussetzungen für die Schaffung eines
Kritik an der Aquakultur übt
zum Beispiel der Worldwide
Fund for Nature (WWF). Um
Fisch zu züchten, werde zum
einen viel Wildfisch gefangen
und verfüttert, was oftmals
nicht nachhaltig sei. Außerdem
verursachten Aquakulturen oft
große Umweltschäden, wenn
Chemikalien, Nahrungsreste,
Fischkot und Antibiotika aus
Anlagen in Flüsse und Meere
gelangen. Letztlich benötige
die Aquakultur vor allem in tropischen Ländern auch oft viel
Fläche. Auf den Philippinen
zum Beispiel seien für den Bau
von Shrimpszuchten zwei Drittel der Mangrovenwälder abgeholzt worden.
Allerdings erkennt auch der
WWF Unterschiede bei den
Formen der Aquakultur an.
Welszucht in Kreislaufanlagen
beispielsweise ist ökologisch
unbedenklich, da bei gutem
Management die Fische nur
mit Wasser, Wärme und Futter
versorgt werden, Medikamente und Chemikalien außen vor
bleiben und Wasser und Nährstoffe im Kreislauf geführt werden. Deshalb wird die Welszucht vom WWF in seinem Einkaufsführer auch komplett „auf
Grün gesetzt“ (www.wwf.de/
aktiv-werden/tipps-fuer-denalltag/vernuenftig-einkaufen/
ta
einkaufsratgeber-fisch)!
Aquakulturbetriebs hat in jedem Fall, wer eine kontinuierliche Wärmeversorgung aus
eigener Produktion sichern
und eine günstige und in den
Maßen passende Bauhülle bereitstellen kann. Wenn sich
dann eine sichere Vermarktungsschiene aufzeigen lässt
und ein erfahrener Anlagenlieferant für Beratung, Bau
und Service einsteht, kommt
es nur noch auf zwei Faktoren
an: wirtschaftliches Fingerspitzengefühl und unternehmerisches Geschick, vor allem
in der Vermarktung.
Dr. Thomas Tanneberger
Grundlagen Wirtschaftlichkeitsprüfung Aquakultur
Vermarktung planen
Erträge
Dritter Punkt ist nach Aussagen
von Dr. Scheibe die Vermarktung: „In einer Anlage mit
225 m3 Haltungsvolumen werden ca. 250 t Fisch im Jahr produziert – der muss irgendwo
hin!“ Deshalb habe sich seine
Firma dieser Frage in Eigenregie
angenommen und ein genossenschaftliches
Produktions-
• Verkauf von Fisch und Fischprodukten
• Verkauf von Pflanzen und/oder Futterstoffen
• Verkauf von weiteren Rohstoffen
• Erstattungen für Düngestoffe (ausgebrachte Festfraktionen)
• Förderungen (zum Beispiel vom Europäischen Meeres-
und Fischereifonds, von Bundes- oder Landesprogrammen)
Aufwendungen
• laufende Kosten der Produktion und Entsorgung
(Wasser, Energie, Futter etc.)
• Jungfischzukauf
• Vermarktungskosten, ggf. Aufbereitung und Verarbeitung
• Abschreibungen Anlagen, Technik, Fahrzeuge und Gebäude
• Unterhaltung Anlagen, Technik, Fahrzeuge und Gebäude
• Personalkosten, Pachten und Mieten, Finanzierungskosten
• Versicherungen, Beiträge, Sonstiges