Scham los (Die Bibel)

Scham
Scham los
Befrei
efreiung von Wertlo
Wertlosig
sigkeit und Ab
Ableh
lehnung
Gottesdienst: 29. März 2015
Bibeltext:
1. Mose 9,18-27
Reihe:
Besteller – Die Bibel
Nach der Sintflut fing Noah an Wein anzubauen. Eines Tages trank er schamlos von seinem
Wein, wurde sturzbetrunken und legte sich nackt in sein Zelt. Sein Sohn Ham entdeckte diesen ‚Schämer‘ als erstes und beschämte seinen Vater damit, dass er seinen Brüdern Sem und
Jafet schamlos davon erzählte. „Da nahmen Sem und Jafet eine Decke, legten sie sich über
die Schultern, gingen rückwärts ins Zelt hinein und deckten ihren Vater damit zu. Dabei
schauten sie in eine andere Richtung, um ihn nicht nackt zu sehen“ (1Mose 9,23). Weshalb
bedeckten sie die Scham des Vaters? Waren sie damals so prüde?
Der Gipfel der Geschichte ist, dass der beschämte Noah Ham verfluchte, indem er ihn als
niedrigsten Knecht unter seine Brüder bestimmte. War das bloss eine Affekthandlung eines
Beleidigten oder steckt doch mehr dahinter?
Das Gefühl eines Makels
In dieser Geschichte geht es um Scham. Die Scham ist mitten unter uns. Manchmal sind
wir beschämt, weil wir selbst schuldig geworden sind. Noah hätte allen Grund dazu gehabt.
In anderen Fällen stammt unser Beschämtsein davon, dass andere Menschen an uns schuldig
geworden sind und uns durch ihre Worte oder Taten beschämt haben. Manche Menschen
schämen sich wegen ihrer Herkunft, ihrer Familie, ihrer gesellschaftlichen Stellung, ihrer
Volksgruppe, ihres Geschlechtes oder ihres Aussehens.
Ganz interessant ist, dass Geri Müller keine Scham empfand, als er seine Selfies versandte.
Doch als dann in der Zeitung über ihn geschrieben wurde, sagte er: „Ich habe mich ge-
schämt vor mir, vor meiner Partnerin, meiner Stadt, die ich über alles liebe, vor der ganzen
Welt und auch vor Ihnen.“ Die Scham hat mit der Angst vor dem Gesichtsverlust zu tun.
Am Anfang der Schöpfung war die Scham nicht da (1Mose 2,25). Dann wird der Mensch versucht, mehr als Geschöpf zu sein und zu werden wie Gott. Völlig auf sich selber gestellt,
ausgeschlossen von der Gemeinschaft mit Gott und Mitmensch fühlt er seine Nacktheit,
Blösse und Grenzen (1Mose 3,7). Und noch bevor er sich schuldig fühlte, schämte er sich
und bastelte
b astelte sich einen Lendenschurz aus Feigenblättern, um seine Scham zu bedecken
(1Mose 3,7).
Scham bedeutet auch Schande, Unehre, Kleinheit, Verachtung. Deshalb ist das Gegenteil
von Scham Ehre und Zugehörigkeit. Das Gegenteil von Schuld ist Gerechtigkeit. Ein
richtiges Schuldgefühl sagt: Du hast einen Fehler gemacht – Scham sagt: Du bist ein
Fehler! Dieser Satz ist so existentiell und tief verletzend, dass er ganz schnell zugedeckt
und eingemauert wird. Scham hat mit Selbstablehnung zu tun. In einer mehr schuldorie
schuldorienhuldorientierten Gesellschaft behandelt man oft einseitig nur das Schuldproblem. Doch die MenMenschen brauchen ebenso eine Wiederherstellung ihrer Ehre.
Beschämung hat mit dem Gefühl eines Makels zu tun. Es entsteht dort, wo wir uns ausgeliefert, ausgestellt, nicht dazugehörig fühlen oder anders als die Mehrheit zu sein. Schamgefühle gehören zu den stärksten und unangenehmsten Regungen. Wer sich schämt, ist im
Kern getroffen. Er empfindet sich in diesem Moment als wertlos, ungenügend,
ungenügend , schmutschmu t1
zig oder falsch und möchte am liebsten sich auflösen oder im Erdboden versin
versi n ken.
Scham ist sozusagen wie ein Raubüberfall auf die eigene Person, dem man ausgeliefert ist.
Jeder von uns kennt Scham-Erfahrungen:
• Ursula hat sich nicht an das Gemeindewochenende angemeldet, weil sie Angst hat, dass
sie sich einsam fühlen wird.
• Tim steht an der Wandtafel und alle lachen, weil er etwas Falsches gesagt hat.
• Anna errötet und schwitzt, wenn sie in einer Gruppe etwas sagen muss.
• David verheimlicht seine Internetsucht vor seiner Frau, weil er sich schämt
• Emma schämt sich, weil sie geschieden ist und als Kind vergewaltigt wurde.
• Emil, 95 Jährig, nimmt zum wiederholten Mal Sündenvergebung in Anspruch für etwas,
das sich vor 60 Jahren ereignet hat. Er kann die Vergebung nicht annehmen.
• Marta schämt sich, weil ihr Vater Alkoholiker war. Sie achtet sehr darauf, dass dies niemand erfährt.
• Im Gottesdienst wird Beat immer wieder mal vom Gefühl erfasst, nicht dazugehören.
• Astrid schämt sich, weil sie Single ist. Irgendwie ist das doch nicht normal…
Was habe ich mich als Jugendlicher dafür geschämt, mit der Chrischona Gemeinde in Verbindung gebracht zu werden. Als Schutz musste ich oft Notlügen einsetzen. Ich erinnere
mich, dass ich einmal als Knabe an einer Veranstaltung in der Kirche war und da ging mir
lautstark einer ab. Ich wurde knallrot und bestritt, dass ich es war… Die Rekrutenschule war
für mich eine sehr schwierig, weil ich von dem Gefühl beherrscht wurde, nicht dazuzugehören. In der ersten Zeit meines Pastorendaseins hatte ich oft mit Gesichtsröte und Schweiss
zu kämpfen. Ich fühlte mich falsch und lehnte mich selbst ab.
Seit sich Adam und Eva zum ersten Mal geschämt haben, gehört dieses Gefühl zu unserem
Leben. Es gibt auch eine gesunde Scham. Sie zeigt uns eine Grenze an, die von andeand eren nicht übertreten werden darf. Diese Art von Scham schützt uns vor Übergriff.
Selbstzerstörende Auswirkungen
Scham spielt uns oft übel mit. Mit dem Schamgefühl blockieren wir uns selbst und
schwächen unsere Beziehungen. In stark schamorientierten Gesellschaften gibt es Ehrenmorde, weil Menschen beschämt und ‚ihr Gesicht verloren haben‘. Aber auch bei uns sind die
Auswirkungen massiv. Geri Keller, der Gründer der Stiftung Schleife in Winterthur, hat dies
auch erlebt: „Ich habe als junger Mann lange gekämpft, weil ich mich wegen meiner Schei-
dung so schämte. Ich hängte den Pfarrerberuf an den Nagel und ging als Hilfspfleger in die
Psychiatrie. Ich wollte mich selbst bestrafen und erlebte stattdessen, dass Gott mich mit
diesem Makel und mit diesen Wunden wieder als Pfarrer in der Gemeinde haben wollte. Obwohl ich fand, dessen nicht wert oder würdig zu sein, lernte ich, mit diesem Makel zu leben
und mit der Tatsache, dass Jesus auch diesen Makel brauchen wollte.“
• Scham grenzt unseren Aktionsradius
Aktionsradius ein. Man muss immer in der Nähe des Feigenbaumes bleiben, weil die Sache mit den Feigenblättern so provisorisch ist. Die Scham hält
uns im Versteck gefangen und hindert uns daran, das Richtige und Gute zu tun und unsere Berufung zu leben.
• Ich muss die Leistung bringen,
bringen damit ich nicht beschämt werde. So rackert man bis zum
Burnout oder Manager begehen eher Suizid, als zugeben zu müssen, es nicht geschafft zu
haben.
• Der Perfektionismus und die ständig innere Kritik sind ebenfalls Manifestationen der
Scham. Viele Formen des Zwangs haben ihre Wurzel in der Scham. Das zwanghafte Verhalten soll durch Kontrolle über Dinge und Menschen Beschämung verhindern.
• Auch die Co
Co--Abhängigkeit ist eine Folge der Scham. Es wäre eine zu grosse Blösse, die
Sucht des Partners zuzugeben und mit andern darüber zu reden.
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• Die vielleicht schlimmste Folge
Folg e der Scham ist, dass wir die Liebe Gottes nicht empempfan
fan gen können.
können Wir fühlen uns dessen nicht würdig. Deshalb sollten wir uns dringend
der Scham unseres Lebens stellen und uns nicht trotz, sondern samt der Scham von Jesus
annehmen, lieben und brauchen lassen.
Die zurückgegebene Ehre
Was tat Gott, als Adam und Eva nackt und beschämt dastanden und sich notdürftig einen
Lendenschurz aus Feigenblättern anfertigten? „Und Gott, der Herr, machte Adam und seiner
Frau Kleidung aus Tierfellen und zog sie ihnen an“ (1Mose 3,21). Er tat dies, weil er die beiden vor Beschämung schützen wollte. Das erste Tieropfer wird gegen die Scham ge
g ebracht
und nicht gegen die Schuld! Vor dem Schuldproblem löste er das Schamprob
Schampro b lem.
Sara musste viele Jahre mit dem Makel leben, dass sie kinderlos blieb. Deshalb schlug sie
ihrem Mann Abraham vor, ihre Sklavin Hagar als Nebenfrau zu nehmen. Hagar wurde tatsächlich schwanger und verachtete ihre Chefin. Das Blatt hatte sich also gewendet, so dass
sich jetzt Sara beschämt fühlte. Dies versetzte sie so in Rage, dass Hagar zu einer Quelle in
die Wüste fliehen musste. Dort wurde sie von einem Engel des Herrn aufgesucht. Dieser gab
ihr eine Verheissung. „Da nannte Hagar den HERRN […] El-Roi (‚Der mich sieht‘). Denn sie
sagte: ‚Ich habe den gesehen, der mich sieht!‘“ (1Mose 16,13). Gott hat ein Auge auf die
Beschämten und gibt ihnen ein Anse
Ans ehen!
Im Neuen Testament wird der himmlische Vater durch ein Gleichnis vorgestellt (Lukas
15,11ff). Darin bezieht der Sohn sein Erbe, obwohl der Vater noch lebt. Mit einem unmoralischen Lebensstil verprasst er das Millionenerbe und landet schliesslich als Hirte bei den
Schweinen. Nach jüdischem Denken ist das Entehrung pur! Der Sohn schämt sich dementsprechend. Dennoch wagt er sich auf den Heimweg, allerdings mit dem Gedanken, dort als
Knecht angestellt zu werden. Nachdem der Vater ihn mit offenen Armen empfangen hatte,
beschenkte er ihn mit den besten Kleidern, einem Ring, Sandalen und einem Festessen. Das
Kleid ist ein Zeichen für die Bedeckung der Scham, mit dem Siegelring gab er ihm die vollen
Sohnesrechte zurück, die Sandalen waren ein Zeichen dafür, dass er nicht mehr Sklave war,
und das Festessen symbolisiert die Zugehörigkeit. Der Vater hat ihm Zu
Zugehö
geh ö rigkeit, WertWertschätzung und Ehre entgegengebracht, er hat das Scham
Schamproblem ge
g elöst. Was passiert
eigentlich mit der Schuld?
Eine Frau, die fünfmal verheiratet war und jetzt unverheiratet im Konkubinat lebt, schämte
sich zutiefst für ihren Lebenswandel (Johannes 4). Sie fühlte sich derartig nicht zugehörig,
dass sie gezielt zur Mittagszeit zum Brunnen ging, um Wasser zu holen. Alle andern machten
in jener Gegend während der Glutofenhitze Siesta. Doch Jesus war auch unterwegs. Entgegen allen damaligen jüdischen Gewohnheiten machte er keinen Bogen um Samaria herum
und sprach sogar in aller Öffentlichkeit mit der samaritanischen Frau. Er gab ihr Ehre und
Wür
Wü rde zu
zu rück, so dass sie ins Dorf zurücklief
zu rücklief und aktiv den Kontakt zu den Leuten
suchte. Was nur war mit der Schuld dieser Frau?
Bischof Ammonas war bekannt für sein geordnetes und geistliches Wesen. Eines Tages klagte man ihm den unmoralischen Lebensstil eines bestimmten Mönchs. Als Ammonas ihn aufsuchen wollte, sah er, wie gerade eine fremde Frau in dessen Behausung schlüpfte. Auch die
Nachbarn hatten es gesehen und kamen herzu. Als Ammonas an die Tür des Mönchs klopfte,
verbarg dieser die Frau unter einem grossen Waschzuber. Ammonas trat ein, erfasste sofort
die Situation, setzte sich dann auf den Waschzuber und winkte die aufgebrachte Menge herein. Die Leute durchsuchten jeden Winkel nach der fremden Person, fanden aber niemand
und gingen wieder hinaus. Bischof Ammonas aber, als er wieder alleine war mit dem Mönch,
fasste dessen Hand und sagte zu ihm: „Gib Acht auf dich, Bruder!“ Dann segnete er ihn mit
dem Kreuzeszeichen und ging fort. Damit hinterliess er im Raum das Aroma des Evangeliums.
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Jesus versteht dich in deiner Scham. Er wurde nämlich auf eine Art und Weise beschämt, wie
keiner von uns. Das begann schon bei der Geburt: kein Platz, nicht erwünscht. Bald schon
mussten seine Eltern mit ihm fliehen, ihn verstecken. Am Ende seines Lebens wurde er gefoltert, er hängt nackt am Schandpfahl, verspottet und schonungslos ausgestellt. Das Intimste, was es gibt, das eigene Sterben, passiert in aller Öffentlichkeit. Keine Demütigung
und Erniedrigung kann grösser sein. Zudem wurde er ausserhalb der Stadt bei den Verbrechern gekreuzigt. Es gibt kein Gefühl der Beschämung, das Christus nicht kennen würde
und durchlitten hätte. Es gilt auch hier – frei übertragen: „Fürwahr, er trug unsere Beschämung – durch seine Beschämung sind wir geheilt“ (Jesaja 53,5). Fest steht: Jesus hat
nicht nur unsere Schuld und Sünde, sondern auch alle damit verbundene Beschämung
auf sich genommen. Das Blut Jesu hat nicht nur die Kraft zu vergeben, sondern auch
zu reinigen: von Sünde, von Ungerechtigkeit, von Selbstanklage, schlechtem Gewissen
und damit auch von aller Beschämung.
Diese Tatsache soll uns den Mut geben, uns nicht länger von unserer Scham einschränken zu
lassen. Hören wir doch auf, uns hinter selbstgebastelten Feigenblättern zu verstecken und
lassen wir uns von Gott mit dem Kleid der Ehre und seiner Herrlichkeit beschenken! Gott
gibt dir Ansehen, Wertschätzung und Würde. Deshalb sollst du trotz Schamgefühl die
Dinge
Dinge tun, die du richtig und wichtig findest! Bringe deine Scham ans Licht. Rede mit
jemandem darüber und erfahre Heilung durch den, der deine Scham zudeckt und dir
einen unfassbar grossen Wert beimisst.
Als seetal chile wollen wir bewusst einen Raum der Heilung für beschämte Menschen bieten.
Deshalb arbeiten wir an einer himmlischen Kultur der Zugehörigkeit, Ehre und Annahme. Beschämte Menschen sollen von Gott ein Ehrenkleid bekommen, so dass sie ihren selbstgebastelten Lendenschurz ablegen und Heilung erfahren können. Wenn das Schamproblem gelöst
ist, dürfen wir auch Vergebung der Sünden erfahren, und uns als Söhne und Töchtern Gottes
einsetzen lassen.
Warum wurde Ham nun ‚ans Ende der Nahrungskette‘ gesetzt? Gottes Anliegen, die Scham
der Menschen zu bedecken und ihnen Ehre, Wertschätzung
ertschätzung und Zugehörigkeit
Zugehörigkeit zu geg eben, zieht sich wie ein roter Faden durch die Bibel. Ham steht dieser Gesinnung diametral entgegen. Deshalb sollte sein Geschlecht die Geschichte Gottes mit den Menschen nicht
dominieren. Zum Schluss spreche ich dir einen Satz gegen alle Unehre, Wertlosigkeit und
Scham zu: „Der Herr, dein starker Gott, der Retter, ist bei dir. Begeistert freut er sich an dir.
Vor Liebe ist er sprachlos ergriffen und jauchzt doch mit lauten Jubelrufen über dich“
(Zefania 3,17).
Matthias Altwegg
Umsetzung in den Kleingruppen
Bibeltext lesen: 1. Mose 9,18-27; 16,1-16; Lukas 15,11ff
1. Was ist deiner Meinung nach der Grund dafür, dass Ham verflucht wurde?
2. Erzähle für was du dich in deinem Leben geschämt hast und immer noch schämst?
3. Was für einen Einfluss hat diese Scham auf dein Leben?
4. Es ist Gott ein grosses Anliegen, unsere Scham zu bedecken. Warum konzentriert er sich
nicht nur auf die Schuld?
5. Wie könntest du von dem Gefühl der Wertlosigkeit frei werden?
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