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Das Hochschulmagazin von Seezeit
1 - Sommersemester 2015
FlUchtpunkt
Konstanz
Fluchtpunkt Konstanz – Geflüchtete erzählen
Flüchtlingsorganisationen in Konstanz
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Editorial
Christin Gas Redaktionsleitung
Helmut Baumgartl Geschäftsführer
Liebe Leser,
„Studieren, wo andere Urlaub machen“, heißt es über
Konstanz. Für manche ist die neue Studienstadt ein
Fluchtpunkt von zu Hause, der Startschuss zum eigenständigen Leben. Auch die Urlauber, die sich für
den See entscheiden, flüchten: vor dem Alltäglichen,
dem Arbeitsstress. Diese Ausgabe beschäftigt sich
mit dem ‚Fluchtpunkt Konstanz‘, doch nicht mit
den Studierenden oder den Urlaubern, sondern mit
denen, die aus Notsituationen heraus in Konstanz
ein neues Heim finden müssen. Die im Konstanzer
Landkreis lebenden Geflüchteten zählten zum Jahresende 911 Menschen. Jeder einzelne hat seine eigene Geschichte, Ängste, aber auch Hoffnungen für
die Zukunft. Durch Said, Nevin und andere, die uns
ihre Geschichten erzählten, geben wir dem Begriff
‚Flüchtling‘ ein Gesicht. Zu ihrem Schutz wurden
die Namen in dieser Ausgabe geändert. Außerdem
berichtete ein Lehrer der Internationalen Vorbereitungsklasse von den Aufgaben und Problemen, die
ihm begegnen, wenn er Kinder von Migranten unterrichtet. Und in einem Interview werden die Konstanzer Organisationen näher beleuchtet, die den
Geflüchteten hier Unterstützung und eine Anlaufstelle bieten – und jedem die Möglichkeit, selbst zu
helfen.
Liebe Studierenden,
wenn aktuell neue Bewerbungen eintrudeln, so
kommt es mir sehr drauf an, wie sehr die BewerberInnen ‚irgendwo weg‘, oder besser, zu uns ‚hinkommen‘ wollen. So sehe ich das auch mit Ihnen, unseren
Studierenden. Den Begriff ‚Fluchtpunkt-Konstanz‘
spezifiziere ich näher, im Sinne von ‚Zielpunkt-Konstanz‘: Sie wollen ja hier her! Egal ob nun Flucht- oder
Zielpunkt, Fakt ist, dass diese Anlaufstellen meist
überrannt werden, und oft niemand auf die Eintreffenden ‚wartet‘.
Doch als Studierendenwerk ist gerade das unsere
gesetzte Aufgabe. Wir wollen Sie bestmöglich versorgen, mit Essen, Wohnen, Finanzen und Beratung.
Gerne würden wir noch mehr Wohnanlagen bauen
oder das Essen günstiger halten. Aber gerade beim
Essen hat uns die Zeit überrollt. Seit drei Jahren
halten wir die Preise konstant, nur können wir die
Kostensteigerungen von Energie, Rohstoffen und
Personal nicht länger ignorieren. Wir kommen daher leider nicht umhin zum Beginn des Sommersemesters unsere Mensapreise um 10 bis 20 Cent anzuheben. Wir versichern Ihnen, alles zu unternehmen,
um Ihnen auch weiterhin zuverlässig eine vollwertige, gesunde und abwechslungsreiche Mahlzeit anbieten zu können.
Ich wünsche Ihnen einen guten Start ins Semester.
Campuls Hochschulmagazin
Seezeit Studierendenwerk Bodensee
Impressum
Herausgeber
Seezeit Studierendenwerk Bodensee
Jochen Mink
Universitätsstraße 10
78464 Konstanz
Chefredakteurin
Christin Gas
LKM, 4. SEM. V.I.S.D.P.
Art Direction & Illustration
Maike Hofma
LKM, 4. SEM.
Maike Holzke
LKM, 2.SEM.
Anzeigen
Corinna Voigt
[email protected]
Fotografie
Nicolas Kienzler
POLITIK UND VERWALTUNG, 4. SEM.
Harald Waldrich
LKM, 8. SEM.
Redaktion
Jacqueline Berl
TGA, 2. SEM. MASTER
Lisa Zacher
LKM, 6. SEM.
Marc-Julien Heinsch
LKM, 4. SEM.
CAMPULS Heft Nr. 1 Sommersemester 2015­
Fluchtpunkt Konstanz
Kommentar und Glosse Seezeit ist grün
Orientierung für ausländische Studierende
Zwischen Deutschland und dem Iran
Umfrage: Was wünschst du dir für deine Zukunft in Deutschland? Internationale Vorbereitungsklassen in Deutschland
Studenten für Flüchtlinge
5
11
12
13
14
16
18
20
BAföG
In allen Förderungsfragen nach dem BAföG berät kompetent und freundlich das BaföG-Amt.
Mo – Do 9.00 – 12.00 / 13.00 – 15.30 Uhr
Gustav-Schwab-Straße 5, 78467 Konstanz
Tel +497531-88 7265 • Fax +49 7531-88 7299
[email protected]
Service Center
Anlaufstelle für Erstinformationen zu den Bereichen Studentisches
Wohnen, BAföG, Privatzimmer, und Jobbörse. Darüber hinaus bieten wir
folgende Services an: Wohnen für Hilfe, Finanzierungsberatung, Aufnahme von Unfallanzeigen, Ausstellung von ISIC-Ausweisen, Vergabe von
Musikraumschlüsseln, Verlängerung und Bearbeitung von fehlerhaften
MensaCards, Annahme und Herausgabe von BaföG-Anträgen sowie
Beglaubigungen von BaföG-Bescheiden etc.
Mo – Do 9.00 – 15.30 / Fr 9.00 – 13.30 Uhr
Eingangsbereich der Uni Konstanz
Universitätsstraße 10, 78464 Konstanz
Tel +497531-887400 • Fax +497531-88 7444
[email protected]
Charlotte Hütten
Studentisches Wohnen
Nicolas Kienzler
Mo – Do 9.00 – 15.00 / Fr. 9.00 – 12.00 Uhr
Ebene K3 (Uni Konstanz) • [email protected]
LKM, 4. SEM.
POLITIK UND VERWALTUNG, 4. SEM.
Uwe Braun
SPRACHWISSENSCHAFTEN, 4. SEM.
MASTER
Anna Lisa Alves
LKM, 4. SEM.
Mensa-Pläne
Elias Zimmermann
BIOLOGIE, 3. SEM. MASTER
Kontakt zur Redaktion
[email protected]
Campuls erscheint während des Semesters
an der Universität und HTWG Konstanz
sowie online
www.seezeit.com/campuls
www.facebook.com/SeezeitStudierendenwerkBodensee
Wir betreiben in Konstanz, Ravensburg, Weingarten und Friedrichshafen
18 Wohnanlagen mit insgesamt rund 2.950 Bettplätzen.
Sozialberatung
Die Sozialberatung hilft bei Finanzierungsfragen (Sozialleistungen, Studienkredite), hat Tipps zum Studium mit Kind, zum barrierefreien Studieren
u.v.m. Die Beratung ist vertraulich und kostenfrei.
Mo + Di 9.30 – 11.30 Uhr im Seezeit Service Center
Vormittags Raum K401 (Uni KN)
Tel +49 7531-88 7305 • [email protected]
Psychotherapeutische Beratung (PBS)
Hilfe und Beratung bei Krisen im Studium sowie psychischen und seelischen Problemen bietet die PBS. Anmeldung und Terminvereinbarung
schriftlich, telefonisch, per E-Mail oder persönlich.
Mo, Mi, Fr 11.00 – 12.00 Uhr, Raum K313 (Uni Konstanz)
Reinhard Mack, Tel +49 7531-88 7310
Tina Scheu, Tel +49 7531-88 7311 • [email protected]
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CMYK / .eps
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CampulsArchiv
CMY
Text:
Marc-Julien Heinsch &
Nicolas Kienzler
Foto: Nicolas Kienzler
Innenhof im Atrium: Treffpunkt der Bewohner und Ort zum Wäschetrocknen.
Fluchtpunkt Konstanz
Steinstraße und Atrium heißen die beiden Gemeinschaftsunterkünfte im
Stadtgebiet Konstanz. Dort sind über 300 Asylbewerber aus 50 Nationen
untergebracht. Ein Besuch in der Gemeinschaftsunterkunft in der Steinstraße, wo für viele das neue Leben in Konstanz, fern der Heimat seinen Anfang
nimmt.
Zwischen sechs und sieben Uhr morgens steht
Nevin*, 27, aus Syrien, auf. So, wie der Durchschnittsdeutsche. Ob er gleich duschen geht oder
zuerst frühstückt, ist davon abhängig, ob nicht gerade einer seiner Mitbewohner unter der Dusche
steht – wie in jeder WG eben. Und auch davon,
ob die Vergangenheit Nevin in seinen Träumen
heimgesucht hat. Dann sind das nämlich richtige Albträume. Dann liegt er mindestens noch
eine Viertelstunde wach, bis die Emotionen ein
wenig abgeklungen sind. Das kommt ungefähr
jeden zweiten Tag vor. Während sich der Durchschnittsdeutsche nach Dusche und Frühstück
auf den Weg zur Schule oder zur Universität, zur
Arbeitsstelle oder zum Arbeitsamt macht, startet
auch Nevin in seinen Alltag. Der besteht aus: drei
festen Mahlzeiten und ebenso vielen Kaffeepausen in der Gemeinschaftsküche. Daran anschließend: Spaziergänge um den Block oder zum See.
Und dazwischen: Nichts. Keine Verpflichtungen,
keine Aufgabe, keine Möglichkeit, irgendetwas
zu tun. Viel zu viel Zeit, um über alles nachzudenken.
Da ist das Sprachcafé, das jeden Mittwoch
stattfindet, eine willkommene Abwechslung.
Dort erprobt Nevin gemeinsam mit anderen
Flüchtlingen und der Deutschlehrerin Claudia
Grohmann die neue Sprache. An diesem Tag sitzen außer Nevin noch vier andere Männer mit
am Tisch. Genau wie der junge Syrer sind auch
*Die Namen aller Flüchtlinge wurden zu ihrem Schutz
geändert
sie Flüchtlinge. Sie warten in der Gemeinschaftsunterkunft in der Steinstraße auf die Bearbeitung ihres Asylantrags und hoffen, nicht wieder
in die Hölle zurückgeschickt zu werden, zu der
ihre Heimat für sie geworden ist. Das ehemalige
französische Offizierscasino bietet etwa 190 von
ihnen ein Dach über dem Kopf.
„Uns gefällt es gut in Deutschland.“
Die fünf Männer im Sprachcafé sitzen zusammen mit ihrer Lehrerin um einen runden Tisch,
auf dem ein Plastikbeutel voller Erdnüsse liegt.
Durch die Fensterfront in ihrem Rücken blickt
man auf eine Baustelle. Drei der Männer sind
aus Eritrea und leben bereits seit zehn Monaten
in einem gemeinsamen Zimmer in der Gemeinschaftsunterkunft Steinstraße; Abdel und Birhan
sind 20 Jahre alt, Isaac ist 24. Daneben sitzt noch
Samir, 39, aus Afghanistan als Ältester am Tisch.
Nevin und Samir sind beide erst seit kurzem in
Konstanz und können nach gerade einmal zwei
Monaten noch nicht so gut Deutsch wie ihre drei
eritreischen Sitznachbarn. Gut gefalle es ihnen
in Deutschland, da sind sich alle fünf einig. „Die
Menschen und die Situation sind gut“, sagt Abdel und lächelt. Die Stimmung scheint gelöst,
hin und wieder nur geht der Blick der Männer
abwesend ins Leere. Auf die Frage, warum sie
aus ihrer Heimat im Nordosten Afrikas geflohen
sind, nennen die Drei in ihrem etwas holprigen
Deutsch ähnliche Gründe: Diktatur und Krieg,
Verfolgung und Willkür. Auf ihre Flucht nach
Europa musste jeder von ihnen alleine aufbrechen. Im Vorfeld habe man mit niemandem über
seine Fluchtpläne sprechen dürfen, da man sonst
Gefahr gelaufen wäre, aufgegriffen und bestraft
zu werden. Man kann nur erahnen, wie viele
schwere Tage sich hinter diesen wenigen Worten
verbergen. Dann müssen sich Abdel, Birhan und
Isaac verabschieden. Sie gehen noch in die Schule
und zum Volleyball an diesem Nachmittag. Die
drei Eritreer verabreden sich für nächste Woche
wieder im Sprachcafé. Sie scheinen in ihrem neuen Leben angekommen zu sein, zumindest so gut
das nach zehn Monaten als Flüchtling in einem
Das deutsche Asylrecht
gilt nicht für jeden
Samir, 39, aus Afghanistan
Artikel 16 a Absatz 1 des Grundgesetzes
der Bundesrepublik Deutschland garantiert:
„Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“. Seit
dem öffentlich sehr umstrittenen Asylkompromiss 1993 folgten dem zuvor schrankenlosen Recht auf politisches Asyl zudem einige
Einschränkungen: Bestimmte Staaten können
als sichere Herkunftsländer eingestuft werden; Flüchtlinge aus diesen Ländern müssen
ihre politische Verfolgung zuerst ausreichend
„beweisen“. Außerdem wurde damals die
Drittstaatenregelung eingeführt: Personen,
die in ihrem Herkunftsland zwar politisch
verfolgt wurden, jedoch über einen sicheren
Drittstaat eingereist sind, erhalten kein Asyl
aufgrund von politischer Verfolgung. Rein
rechtlich erhalten somit alle über den Landweg eingereisten Flüchtlinge in Deutschland
kein Asyl.
fremden Land möglich ist.
Samir und Nevin bleiben am Tisch zurück. Ihre
Deutschkenntnisse belaufen sich bislang auf ein
paar Brocken und so läuft das Gespräch mit ihnen auf Englisch ab. Samir aus Afghanistan trägt
einen weiten, weißen Pullover und hat bereits
ein paar Falten im Gesicht und graue Strähnen
in seinem dunklen Haar. Der Syrer Nevin wirkt
dagegen jünger als seine 27 Jahre, hat längeres
schwarzes Haar, eine Brille und ein freundliches
Gesicht. Die beiden haben neben dem Sprachcafé keine Verpflichtungen an diesem Nachmittag
und sind bereit, ihre Geschichte zu erzählen.
„Wir haben den Taliban doch nichts
getan.“
Samirs Gesicht wirkt hart und sehr ernst während er davon erzählt, wie es dazu kam, dass er
nun in der Steinstraße ist. „Ich habe meinen Bachelor in Law and Politics gemacht“, erklärt er.
„Dann habe ich von 2002 bis 2012 für verschiedene Organisationen, wie die UNHCR, UNOPS
und UNAMA1, gearbeitet.“ Wegen seiner Arbeit
für die Vereinten Nationen wurde Samir von den
Taliban bedroht, doch weil er zu gut geschützt
wurde und die Taliban nicht an ihn herankamen,
drohten sie damit, seine Frau und seine zwei kleinen Söhne zu entführen oder ihnen Schlimmeres
1
UNHCR
United Nations High Commissioner for Human Rights = Hoher Kommissar für
Menschenrechte der Vereinten Nationen
UNOPS
United Nations Office for Project Services =
Entwicklungsprogramm der Vereinten
Nationen
UNAMA
United Nations Assistance Mission in Afghanistan = Unterstützungsmission der
Vereinten Nationen in Afghanistan
Nevin, 27, aus Syrien
anzutun. Als der Druck zu groß wurde, entschied
er sich, seine Familie zu verlassen und zu ihrem
und seinem eigenen Schutz seine Arbeit aufzugeben und nach Europa zu fliehen. Zuerst reiste er
auf legalem Weg nach Schweden, wo man seine
Originaldokumente beschlagnahmte und damit
drohte, ihn umgehend nach Afghanistan zurückzuschicken. Samir musste damit rechnen, jederzeit festgenommen und wieder zurückgebracht
zu werden. Er entschloss sich, ein weiteres Mal
zu fliehen und reiste illegal nach Deutschland
ein. „Die Amerikaner haben die Situation nicht
verbessert. Die Amerikaner und Ex-Präsident
Karsai haben den Taliban von heute und dem IS
in Afghanistan den Boden bereitet“, zieht Samir
ein bitteres Fazit des amerikanischen Kampfeinsatzes in seinem Land. „Heute kannst du der Armee und der Polizei nicht vertrauen. Sie alle sind
unterwandert von den Taliban.“ In der Provinz
Kunar im Nordosten Afghanistans, wo er herkomme, sagt Samir, „werden die Leute von der
Polizei entführt und zu den Taliban gebracht“.
Auf die Frage, ob seine Kinder verstünden, warum ihr Vater das Land hatte verlassen müssen,
antwortet der Afghane: „Sie sind noch zu klein.
Angehörigensuche an der Pinnwand des Flüchtlingsheims
Erst zwei und sechs Jahre alt. Aber der Ältere
hat manchmal gesagt: ‚Was wollen die Taliban
von uns? Wir haben ihnen doch nichts getan‘.“
Über das Internet steht Samir noch regelmäßig
in Kontakt mit seiner Familie in Afghanistan. Er
zeigt ein paar Bilder aus seiner Vergangenheit auf
seinem Handy. Besonders lange verweilt er auf
einem Bild mit seinen Kollegen vor einem UN-
Jeep. „Rumsitzen, trinken, schlafen – das hier ist
kein Leben. Ich habe studiert und möchte arbeiten. Hätte ich nicht fliehen müssen, wäre ich nie
nach Deutschland gekommen. Schon allein wegen meiner Familie“, sagt Samir kopfschüttelnd
und mit versteinerter Miene.
Sprachlehrerin Claudia Grohmann packt ihre
Unterlagen zusammen und hört Samirs Erzäh-
Eine Flucht, viele Stationen
Bis ein Mensch auf der Flucht in Deutschland
ankommt, hat er meist schon viele Länder
durchquert. Die typischen Flüchtlingsrouten führen über das Mittelmeer durch Italien
und über die Balkanstaaten - angesichts des
Grenzschutzes durch „Frontex“ und die EUweite Zusammenarbeit kommen die meisten
aber per Flugzeug in Deutschland und Europa
an. Ein Flüchtling kann sich bei jeder Behörde
als asylsuchend zu erkennen geben. Die Erstaufnahmestellen in Baden-Württemberg sind
Meßstetten und Karlsruhe, bundesweit gibt
es rund 20 hiervon. Nach der Registrierung
und der Antragsstellung geht es von dort
nach einem bestimmten Verteilungsschlüssel
weiter in eine zugewiesenen Stadt oder einen
zugewiesenen Landkreis: 12.98 Prozent der
Flüchtlinge in Deutschland kommen nach Baden-Württemberg, 2.67 Prozent davon in den
Landkreis Konstanz. Dort sind derzeit rund
1.000 Asylbewerber auf 15 Gemeinschaftsunterkünften untergebracht - und dort müssen
sie auch bleiben, bis der Asylantrag durch ist.
In den Gemeinschaftsunterkünften Atrium
und Steinstraße sind viele Familien mit jungen
Kindern; unbegleitete Jugendlichen kommen
zum Beispiel ins Pestalozzi-Dorf Wahlwies.
Die Zimmer werden nach Nationalitäten bzw.
Sprachen belegt. Nach einer Sperrfrist von
neun Monaten dürfen Asylbewerber eine Arbeit aufnehmen - unter der Bedingung, dass
sich kein EU-Bürger um die Stelle bewirbt.
Gerade für Flüchtlinge gestaltet sich die Wohnungssuche nach erfolgreichem Asylantrag
schwierig; hierfür können sie in sogenannte
Anschlussunterkünfte ziehen. Erst, wenn aus
der Aufenthaltserlaubnis eine unbefristete
Niederlassungserlaubnis geworden ist, besteht die Möglichkeit zur Einbürgerung.
„Flüchtlingseigenschaft“, „Subsidiärer Schutz“
und andere Aufenthaltsgründe
Unter Berücksichtigung der Genfer Flüchtlingskonvention lässt sich auch Flüchtlingen,
die wegen ihrer religiösen, ethnischen, nationalen oder sozialen Zugehörigkeit verfolgt
werden, die Flüchtlingseigenschaft zuerkennen. Somit können auch Menschen, die
nicht zu politischem Asyl berechtigt sind, in
Deutschland Zuflucht finden. Gegebenenfalls
treffen sowohl Asyl- als auch Flüchtlingseigenschaft zu. Menschen, die aufgrund von
wirtschaftlicher Not oder Naturkatastrophen
fliehen, gelten jedoch zumeist als illegale
Einwanderer. Diese Fluchtgründe gelten auch
nicht als „ernsthafter Schaden“, der nach EURecht zu einem „subsidiären Schutz“ berechtigt. Klima- und Wirtschafsflüchtlinge erhalten einzig Zuflucht in Deutschland, sofern
sie als Kontingentsflüchtlinge im Zuge einer
humanitären Hilfsaktion in Deutschland aufgenommen werden - oder sie finden in einer deutschen Botschaft Unterkunft, erhalten
also diplomatisches Asyl, was vor allem im
Zuge der Wiedervereinigung relativ häufig
vorkam.
lung bis zu ihrem Ende zu, um sich erst danach
zu verabschieden. Nevin und Samir begleiten sie
nach draußen. Grohmann schüttelt die Hände
der beiden Männer und sagt, sie wünsche beiden,
dass alles gut gehe. Nevin und Samir stehen vor
der gläsernen Eingangstür der Gemeinschaftsunterkunft. Gegenüber liegt eine Baustelle, links ein
Kinderspielplatz. Die sonnenbeschienene Front
des Gebäudes in ihrem Rücken ist mit Satellitenschüsseln übersäht. Ein paar vereinzelte Gesichter
sind in den Fenstern zu sehen, die sich der Sonne
entgegenstrecken oder einfach nur eine Zigarette
rauchen. Ein Mann sitzt mit seiner Shishapfeife
auf einer Bank neben der Eingangstür. Nevin
zündet sich eine Zigarette an und hält kurz inne:
„Alles, was ich habe, wurde mir genommen.“
nicht töten und floh über verschiedene Zwischenstationen nach Europa. Seine Frau und seine zwei
Jahre alte Tochter sind noch immer in einem
kurdischen Grenzdorf nördlich von Aleppo und
unweit von Kobane. Über WhatsApp kann Nevin in unregelmäßigen Abständen Kontakt mit
ihnen aufnehmen. Jedes Mal muss er fürchten,
dass die Truppen des IS oder die syrische Armee
in sein Dorf gekommen sind. Der junge Familienvater lenkt sich so gut es geht ab und versucht
nur wenig in seinem Zimmer zu sitzen, wo er
nichts anderes tun könne, als an Syrien zu denken. Immer wieder wolle er zurück nach Syrien,
auch wenn er wisse, dass es sehr gefährlich sei.
Dann sagt er: „Wenn ich sterben muss, dann mit
meiner Familie.“
Samir lädt zu Kaffee und Tee in seinem Zimmer
ein. Der Weg dorthin führt wieder zurück durch
die große Eingangshalle der Gemeinschaftsunterkunft, wo sich das Sonnenlicht verliert. Vor
der gewunden Treppe ins Obergeschoss stehen
einige leere Kinderwägen. Der Geruch von angebranntem Essen und trocknender Wäsche liegt
in der Luft. Aus den oberen Stockwerken dringen Männer-, Frauen-, und Kinderstimmen, die
in dem großen Gebäude ein wenig widerhallen.
Samirs Zimmer im obersten Stockwerk ist eines
der Schöneren in der Unterkunft. Er teilt es sich
„Wenn ich sterben muss, dann mit meiner
Familie“
Der junge Syrer hat Mechanical Enigineering
studiert und kam gerade von seiner Arbeit auf
einer Baustelle in Dubai zurück, als er am Flughafen festgenommen und von der syrischen Armee dazu gezwungen wurde, für Präsident Assad
gegen die Rebellen zu kämpfen. „Mir wurde ein
Gewehr in die Hand gedrückt und ich sollte Menschen erschießen“, erinnert sich Nevin. Er wollte
mit zwei weiteren Afghanen. Es gibt drei Betten
und ein Waschbecken, einen Fernseher und ein
Fenster, durch das man den Turm des Münsters
in der Ferne erkennen kann. Samir reicht Kaffee
und Tee. Auch Nevin zeigt nun einige Bilder auf
dem Smartphone: Bilder seiner Frau und seiner
Tochter, die noch im Kriegsgebiet sind. Die restliche Familie – seine Eltern, sein siebenjähriger
Bruder und seine beiden Schwestern, 19 und 24, sind ebenfalls in Deutschland, in einer Gemeinschaftsunterkunft bei Stuttgart. Und sein Onkel,
der mittlerweile Asyl bewilligt bekommen hat,
wohnt und arbeitet in Konstanz. „Ich bin froh, so
schnell Anschluss gefunden zu haben, an andere Kurden“, erzählt Nevin. „Nächste Woche wird
hier in Konstanz das kurdische Neujahrsfest
Newroz gefeiert – einerseits ist es schön, ein bisschen Heimat hierher zu holen, anderseits macht
Auch als
sportliche
Sixpacks
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das auch wehmütig und sehnsüchtig.“
Bevor der Krieg in Syrien begann, hatte Nevin
eine hohe Meinung von seinem Präsidenten. Er
sagt: „Wir alle mochten ihn wirklich. Wir dachten, er wüsste auf alle Probleme eine Antwort.“
Das hat sich geändert. Über die momentane Entwicklung in Syrien und Kobane ist er genauestens informiert, ganz im Gegensatz zu Samir –
der, auf die aktuelle Situation angesprochen, nur
meint: „Ich schaue keine Nachrichten mehr. Ich
will keine Neuigkeiten mehr sehen, nach allem,
was geschehen ist. Nie mehr.“
Es ist fünf Uhr am Nachmittag. Samir will
noch mit seinem Zimmergenossen etwas kochen.
Nevin macht, mal wieder, einen Spaziergang.
Was sie heute sonst noch so machen?
„Ins Bett gehen. Hoffentlich gleich einschlafen. Nicht zu viel nachdenken.“
Flucht ins Ungewisse
Flüchtlinge und
Geflüchtete
Ein Kommentar zur Flüchtlingspolitik in
Deutschland von Uwe Braun
Eine Glosse über Sprachprobleme von Jacqueline
Durch den wachsenden Strom an Flüchtlingen werden Länder und Kommunen vor unterschiedlichste
Herausforderungen gestellt. So muss etwa Wohnraum gefunden, Betreuung organisiert und Integration gefördert werden. Zudem gilt es, Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung zu leisten. Zu diskutieren
und zu informieren, um unbegründete Ängste und
Vorbehalte unter den Einheimischen zu zerstreuen.
Nur so können eine tiefergehende Willkommenskultur und eine breitere Akzeptanz für die Aufnahme
von politischen Flüchtlingen erreicht werden. Dass
wir davon jedoch noch ein ganzes Stück entfernt
sind, ist unter anderem ein Resultat der verfehlten
(Asyl-)Politik der letzten Jahre. Zu lange scheuten
sich die Granden der Parteien, das heikle Thema und
die damit verbundenen Probleme aktiv und offensiv
anzugehen. Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.
Die Quittung für diesen Kurs der Untätigkeit hat die
Politik jetzt bekommen: Massendemos à la Pegida,
Drohungen gegen Migrationspolitiker sowie den rapiden Anstieg von flüchtlingsbezogenen Straftaten.
Immer deutlicher wird, welche Sprengkraft in der
Flüchtlingswelle steckt. Gleichzeitig wachsen Unzufriedenheit und Unsicherheit bei Bevölkerung und
Asylbewerben gleichermaßen. Der Bund muss nun
entschlossen handeln und gemeinsam mit Ländern
und Gemeinden an umfassenden Lösungen arbeiten, anstatt sie weiterhin mit ihren Problemen allein
zu lassen. Nur so kann Deutschlands Asylpolitik im
Sinne von Flüchtlingen und Einheimischen gestaltet
werden. Denn wir alle verdienen ein Leben in Freiheit, ohne Krieg und Angst. Und die Hoffnung auf
eine bessere Zukunft; egal ob Flüchtling oder nicht.
Der aktive ´Geflüchtete´ tritt stärker auf als der verniedlichte ´Flüchtling´. Der ´Flüchtling´ wiederum,
hat die verbale Tradition auf seiner Seite und beharrt auf die allgemeine Gebräuchlichkeit. Dagegen
trumpft der ´Geflüchtete´ mit politischer Korrektheit. Ich überlege hin und her, welche Bezeichnung
zu meinem Artikel, meiner Leserschaft und meinem
Stil am besten passt. Einerseits kenne ich Menschen,
die sich selbst als ´Flüchtlinge´ bezeichnen. Nie ist
mir in den Sinn gekommen, dass die Benutzung jenes
Wortes bereits als Angriff gewertet werden könnte.
Andererseits gibt der Anhang „-ling“ in der deutschen Sprache einem neutralen Wort schnell einen
negativen Beigeschmack. Der ´Jüngling´ ist doch
um einiges dämlicher als der Junge, der ´Fremdling´
verstörender als der Fremde und der ´Schönling´ weniger sympathisch als der Schöne. Hinzu kommt die
Passivität, die dem „-ling“ anhaftet. Häftling, Prüfling, Schützling, Findling und Zögling lassen ihren
Sein-Zustand eher über sich ergehen, als diesen zu
bestimmen. Nein, die deutsche Sprache meint nichts
Gutes, wenn sie einem Wort ein „-ling“ anhängt. Da
ereilt mich eine Erkenntnis, die mein Privatleben in
einem völlig anderen Licht erscheinen lässt. Ich habe
meinen Freund jahrelang mit der Bezeichnung ´Liebling´ entwürdigt und bevormundet, ohne dies überhaupt zu bemerken. Oh deutsche Sprache! Nur einmal
will ich dich gebrauchen, ohne wie ein Arschloch dazustehen! Warum machst du es mir so schwer?
Berl
11
Seezeit ist grün – im Großen wie im
Kleinen
Seezeit informiert
Text: Anna Lisa Alves Illustration: Maike Holzke
100 Prozent Ökostrom in allen SeezeitEinrichtungen
Schon seit 2011 bezieht ein Großteil der SeezeitWohnanlagen Ökostrom – seit dem 1. Januar 2015
werden alle Einrichtungen mit sauberem Strom versorgt. Somit erhalten neben den 18 Wohnanlagen
jetzt auch acht Mensen und Cafeterien, zwei Kindertagesstätten beziehungsweise –krippen sowie die Verwaltungseinrichtungen des Studierendenwerks den
umweltfreundlichen Strom. Geschäftsführer Helmut
Baumgartl betont die Bedeutsamkeit des Ökostroms:
„Mit der kompletten Umstellung sind wir einen
Schritt weiter, hin zu einer nachhaltigen RessourcenNutzung, gegangen. Als Großverbraucher können
wir damit einen bedeutenden ökologischen Beitrag
leisten: Wir kochen pro Jahr fast eine Million Mensaessen, bearbeiten über 6.000 BAföG-Anträge und versorgen permanent rund 3.000 Mieter – und das alles
ab sofort klimaneutral mit Strom aus regenerativen
Energiequellen.“ Den Ökostrom aus Wasserkraft bezieht Seezeit nach einer öffentlichen Ausschreibung
von den Stadtwerken Bad Kissingen, mit denen das
Studierendenwerk im letzten Jahr einen Zweijahresvertrag abgeschlossen hat.
Kaffee trinken, Klima schützen
Kaffee an der Uni ist für viele Studenten ein Muss
– und in der Menseria Gießberg und dem CampusCafé auch ein interessantes Projekt zum Klimaschutz.
Jeder hier verkaufte To-Go-Becher unterstützt mit
einem beziehungsweise fünf Cent verschiedene Klimaschutzprojekte der Organisation Atmosfair. Atmosfair investiert dieses Geld unter anderem in verschiedene Effizienz-Projekte in Nigeria, Indien und
Kenia. Durch die Spenden aus To-Go-Bechern konnten Atmosfair im vergangenen Jahr mehr als 5000,Euro übergeben werden, was einer Einsparung von
rund 240 Tonnen CO2 entspricht. Wer noch umweltfreundlicher Kaffee – der übrigens fair gehandelt ist
– bei Seezeit trinken möchte, wählt im Campus-Café
den klassischen Pfand-Porzellanbecher.
Text: Lisa Zacher Illustration: Maike Holzke
„Studieren, wo andere Urlaub machen“, lautet der
Werbeslogan der Konstanzer Hochschulen. Das reizt
nicht nur deutsche Studenten, sondern lockt Menschen aus der ganzen Welt an. Doch wer hier leben
will, braucht auch eine Wohnung.
Da es nicht leicht ist, in einem fremden Land eine Unterkunft zu finden, bietet Seezeit Unterstützung: Für
Programmstudenten ist ein Zimmerkontingent reserviert. Sogenannte Freemover, die ihr Auslandsstudium autonom organisieren, können sich aber ebenfalls
für ein Zimmer bei Seezeit bewerben. Eine günstige
Bleibe ist jedoch nicht alles: Tutoren in den Wohnheimen kümmern sich um die ausländischen Studenten,
sind Ansprechpartner bei Problemen und bieten soziale und kulturelle Betreuung. Durch die Organisation
von Kennenlern-Aktionen sorgen sie für die Integration der internationalen Studenten.
Um die Beratungsangebote für ausländische Studierende weiterzuentwickeln und miteinander zu vernetzen organisiert Seezeit regelmäßig einen runden
Tisch. Verschiedene Betreuungseinrichtungen der
Hochschulen, der Hochschulgemeinden, der Stadt
sowie der Studierendenvertretungen kommen hier
zusammen. Das Forum hat unter anderem beim Ausländeramt einen Infoflyer angeregt, der auf Deutsch,
Englisch und Chinesisch erhältlich ist. Dieser informiert über einzelne rechtliche Aspekte, die ausländische Studierende bei ihrem Aufenthalt in Deutschland beachten müssen.
Weitere Angebote der Sozialberatung von Seezeit,
die auch ausländische Studierende wahrnehmen
können, umfassen beispielsweise finanzielle Unterstützung über Studienkredite, Freitisch oder Nothilfen, Studienabschlusshilfen, Jobben im Studium und
ausländerrechtliche Regelungen. Außerdem können
ausländische Studierende die Angebote der psychotherapeutischen Beratungsstelle nutzen.
Insgesamt 1786 ausländische Studenten hat es im Wintersemester 2013/14 an die Konstanzer Hochschulen
getrieben, Tendenz steigend. Die Studenten kommen
aus der ganzen Welt. Knapp 70 Prozent sind europäische Staatsbürger, etwas über 20 Prozent stammen
aus dem asiatischen Raum. Andere kommen aus Afrika, Australien, den USA oder Südamerika.
13
Seezeit informiert
Orientierung für ausländische Studierende – Seezeit
unterstützt, berät und regt an
Text aufgeschrieben von: Christin Gas Foto: Nicolas Kienzler
Zwischen Deutschland und
dem Iran
Mein Name ist Said*, ich bin 32 Jahre alt. Der
Iran ist meine Heimat. Dort bin ich aufgewachsen, dort habe ich meine Freunde und dort habe
ich studiert. Wirtschaftingenieurwesen. Hier in
Deutschland zu sein fühlt sich an, als wäre ich
ein Baum, der jahrelang in der gleichen Erde gesteckt hat, plötzlich mit seinen Wurzeln rausgerissen wird, und in eine neue Erde kommt. Es ist
immer noch Erde, aber nicht die Gleiche.
Meine Familie und ich waren in Teheran politisch aktiv und Gegner von Expräsident Ahmadinedschad. Bis zu dem Tag, an dem der Verlobte
meiner Schwester festgenommen wurde. Wir
wissen bis heute nicht, was aus ihm geworden ist.
Verwandte haben uns daraufhin versteckt und
organisierten einen Schlepper. 30.000 Euro zahlten wir ihm für die Überfahrt nach Deutschland,
für mich, meine drei Schwestern und meine Mutter. Der Schlepper brachte uns mit unseren Rucksäcken und Tüten zur türkischen Grenze und bestach die Wachposten. Auch an dem türkischen
Flughafen kannte er fast jeden und schon waren
wir in Deutschland. Erst, als ich die Geschichte eines anderen iranischen Flüchtlings hörte,
wusste ich, dass wir es damals gut hatten: er
sagte, er sei mit dem Boot bis nach Griechenland
gefahren. Den restlichen Weg musste er laufen.
Wir kamen im Oktober 2012 in Köln an und
reisten weiter nach Düsseldorf. Am 28. Januar
2015 wurden wir als Flüchtlinge anerkannt und
nach Konstanz geschickt. In Konstanz haben
wir erst in einer Gemeinschaftsunterkunft in
der Steinstraße gewohnt. Das war eine schwere
Zeit, es war dort überall dreckig, kalt und laut.
Da wurde auch sehr oft geklaut, aber das kann
man eigentlich nicht pauschalisieren, die meisten
Syrer sind zum Beispiel sehr warmherzige Menschen. Später haben wir eine Wohnung in der Hegaustraße bekommen.
Es ist schwer, nicht zu wissen, was aus dir wird.
Ich habe angefangen, die Sprache zu lernen, jeden
Tag habe ich gelernt und ein paar Kurzpraktika
konnte ich auch machen. Nur die Arbeitserlaubnis habe ich lange nicht bekommen. Ich glaube,
die Behörden wollen nicht, dass wir hier arbeiten oder bessere Jobs bekommen. Die von der
Ausländerbehörde schauen dich sowieso immer
so schief an. Ganz am Anfang habe ich gesagt,
dass ich Englisch sprechen kann. Die haben sich
dann über mich lustig gemacht, komische Fragen
gestellt. Die nutzen es aus, den Sprachvorteil zu
haben, machen dich fertig. Meine Mutter sagt
immer, dass ich nicht so über die Behörden reden
soll. Sie hat Angst, dass dann etwas passiert. Aber
die Gruppen und Organisationen für Flüchtlinge
wie ‚Save Me‘ machen die Arbeit ja auch ganz gut.
Dadurch fühlt man sich angenommen, und es ist
besser, seit es die Essensmarken nicht mehr gibt,
für die man Lebensmittel bekommen hat. Damit
an der Kasse zu stehen war peinlich. Aber die
Kultur hier ist ganz anders. Die Deutschen sind
meistens völlig verschlossen, da weiß ich nie, ob
mich die anderen Menschen mögen oder nicht.
Und die Isolation hier finde ich schlimm. Wenn
du sagst, dass du Asylant bist, sind die Menschen immer nur interessiert oder mitleidig statt
freundschaftlich und gehen dann auf Abstand.
Ich würde gerne an der Fachhochschule BWL
studieren, das ist zurzeit mein Lichtblick. Mein
Abschluss aus dem Iran wird hier als Abitur anerkannt. Wenn man mich dann fragt, was ich
mache, muss ich nicht mehr sagen: „Ich bin Asylant.“ Dann bin ich Student und habe eine Aufgabe. Doch von zu Hause, dem Iran, träume ich
nachts immer noch.
*Name wurde geändert.
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Text: Marc-Julien Heinsch Illustration: Maike Holzke
Umfrage: Was wünschst du dir für
deine Zukunft in Deutschland?
Samir, 39, aus Afghanistan,
seit zwei Monaten in Konstanz
I want to make my Master’s Degree at the
university. I studied Law and Politics in Afghanistan and I want to continue this part of
my life. My original documents are kept in
Sweden and they will only give them back to
me if I go back to Afghanistan. But without
my documents I can’t study at the university.
Birhan,20, aus Eritrea,
seit zehn Monaten in Konstanz
Ich wünsche mir nur Frieden. Ich gehe in
Radolfzell in die Berufsschule. Ich habe in
Eritrea schon zwei Jahre eine Ausbildung als
Automechaniker gemacht. Ich will auch hier
in Deutschland Automechaniker werden.
Abdell, 24, aus Eritrea,
seit zehn Monaten in Konstanz
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Wie kann ich Frieden finden? Ich gehe in die
Schule und lerne dort. Ich möchte mir eine
Zukunft aufbauen. Wenn ich mir einen Beruf
wünschen könnte, dann würde ich KFZ-Mechatroniker werden.
Eine Ausgabe mit dem Schwerpunkt Flüchtlinge. Hier soll das große,
hohle Schlagwort, das durch alle Medien geistert, mit den Menschen
und ihren Geschichten gefüllt werden. An dieser Stelle kommen
deshalb, nicht wie sonst, Studenten zu Wort, sondern sechs nach
Deutschland geflüchtete Männer aus der Gemeinschaftsunterkunft
Steinstraße. Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.
Said, 32, aus dem Iran, bereits aus der Steinstrasse aus- und in eine Wohngemeinschaft
eingezogen, seit zwei Jahren und sechs Monaten in Konstanz
Ich wünsche mir eine bessere und warmherzigere Umgebung. Mir geht es richtig auf
die Nerven, dass Menschen mir gegenüber
zurückhaltend und abweisend sind. Im Vergleich zu vielen anderen bin ich aber super
integriert. Ich wohne aber schon lange nicht
mehr in einer Gemeinschaftsunterkunft und
nutze alles, was mir zusteht richtig aus. Sowohl Freizeitangebote, wie das Fitnessstudio,
als auch soziale Kontakte, um Unterstützung
zu bekommen.
Nevin, 27, aus Syrien,
seit zwei Monaten in Konstanz
Isaac, 20, aus Eritrea,
seit zehn Monaten in Konstanz
Ich hoffe, hier Frieden zu haben. Ich möchte
auch Automechaniker werden.
Number one is to bring my wife and daughter
here to Germany. That is the most important
thing for me. Second would be to work here in
Germany. Back in Syria I studied Mechanical
Engineering and then I always heard of Germany. That the Germans are good with mechanics and they have got famous companies
like Mercedes, BMW and Audi. But the most
important thing is my family.
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Text: Charlotte Hütten Foto: Harald Waldrich
Internationale Vorbereitungsklassen in
Konstanz
Die Aussicht auf Arbeit, Asyl oder Freunde und Verwandte, viele Gründe führen
die Menschen nach Deutschland. Häufig sind unter den Migranten Kinder und
Jugendliche, für die in Deutschland die Schulpflicht gilt. Doch wie soll ein Kind,
das kaum oder gar nicht Deutsch spricht, diese Pflicht erfüllen?
Abhilfe sollen sogenannte Internationale
Vorbereitungsklassen (VKL) schaffen. Diese werden gegründet, sobald es mindestens
zehn Schüler vor Ort gibt, die auf eine solche Klasse angewiesen sind. Verantwortlich
für die Sekundarstufe in Konstanz zeichnet sich in diesem Bereich die GeschwisterScholl-Schule (GSS). Dirk Tinner, Leiter der
Werkrealschule der GSS und Klassenlehrer der VKL3, nahm sich die Zeit, Campuls
das VKL-Programm zu erläutern. Die Kinder der VKL stammen aus Syrien, Ländern
des ehemaligen Jugoslawien, aber auch aus
Nachbarstaaten wie Italien. So vielseitig die
Nationalitäten, so auch ihr Weg in die VKL.
Über Verwandte, Sozialarbeiter oder Kontakte zur Moschee werden die Kinder an die
Schule vermittelt. Die Lehrer der GSS erheben in einem etwa einstündigen Gespräch,
zu dem gegebenenfalls ein ehrenamtlicher
Dolmetscher hinzugezogen wird, die bisherige Schullaufbahn des Schülers. Das kann
durchaus schwierig sein, da sich die Schulsysteme oftmals elementar unterscheiden. Zudem sind bei Kindern aus Kriegsgebieten die
Zeugnisse oft verloren oder zerstört.
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Anfangs wird das Arbeitsverhalten der Schüler beobachtet, sowie der Lernstand in Mathematik und Englisch festgestellt. Die amtlich geforderte, sofortige Teileingliederung
in die Regelklassen findet zunächst in den
spracharmen Fächern, wie Sport und Bildende Kunst statt. Der Aufenthalt in der VKL
soll in der Regel ein Jahr nicht überschreiten.
Es kann jedoch sein, dass ein Kind in seinem
Herkunftsland keinen regelmäßigen Schulbesuch kannte, mit vierzehn Jahren also auf
dem Bildungsstand eines deutschen Erstklässlers ist. Das aufzuholen, ist in der Kürze unmöglich. „Man braucht eine gepflegte Kultur
des Scheiterns“, meint Tinner und ermuntert
dazu, auch mal einen Schritt zurückzugehen.
Man müsse die Besonderheiten akzeptieren,
sie vielleicht auch als Stärke sehen. Um diesen Besonderheiten gerecht zu werden, gliedert sich der Aufgabenbereich der VKL, die
seit diesem Jahr aufgrund der stark erhöhten
Nachfrage nicht mehr nach Sprachstandniveau, sondern nach Altersstufen aufgeteilt
wird, in drei Hauptbereiche: Deutsch lernen,
Fachspracherwerb und schulische Eingliederung. Zur Letzteren gehören grundlegende
Im Gespräch mit Dirk Tinner von der Geschwister-Scholl-Schule Konstanz
Dinge wie das Erledigen der Hausaufgaben,
eine aktive Elternrolle oder das Einhalten der
Schulpflicht. Auch kulturelle Unterschiede
spielen eine Rolle: „Einer der Schüler steht
immer auf, wenn ich mit ihm spreche. Das ist
so in Syrien“, erklärt Tinner. Zudem müssen
Räume und Möglichkeiten für die Kinder geschaffen werden, um in Ruhe zu lernen. Gerade in Flüchtlingsheimen, in denen sich bis
zu acht Personen ein Zimmer teilen, herrscht
selten Stille. Hilfreich ist hier die Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Patenprogrammen, sowie die Kooperation mit der Universität Konstanz, deren Studierende im Rahmen
eines Seminars zur Mehrsprachigkeit in der
Schule in den VKLs assistieren. Die Organisation solcher Projekte, so hofft Tinner, wird
sich in Zukunft dank einer neu geschaffenen
Koordinationsstelle der Stadt Konstanz und
des Landratsamtes effektiver gestalten.
Trotz vierjähriger Erfahrung an der GSS kann
man nie von einem Regelfall sprechen. Jeder
Schüler hat einen individuell zugeschnittenen
Stundenplan, der dreimal jährlich überarbeitet wird. Zudem ist die Anzahl der Schüler
nur schwer einzuschätzen. „Es kann jeden
Tag ein Neuer kommen.“ Zurzeit sind es 78
Schüler. Auch die Notengebung muss individuell getroffen werden und zugleich Hand
und Fuß haben. Die Frage nach der Form des
Nachteilsausgleiches stellt sich daher immer
wieder. „Ich muss Verantwortung tragen,
für das, was ich tue“, stellt Tinner klar und
rekurriert auf die im Baden-Württembergischen Schulrecht festgesetzte pädagogische
Verantwortung. Gleichzeitig müsse er sich
der Grenzen des Möglichen bewusst sein.
„Ich habe auch Schüler, wo ich einfach akzeptieren muss: Ein deutscher Schulabschluss
wird schwer zu erreichen sein.“ Hier wird
die Nähe zum Arbeitsmarkt gesucht. „Das
ganze System basiert darauf, dass man sagt:
Schüler, die nicht gut genug Deutsch können,
können halt nur einen Hauptschulabschluss
machen“, kritisiert Tinner. Erst ein Ministerialerlass des Kultusministers Andreas Stoch
befähigte neben den Hauptschulen auch Realschulen und Gymnasien zur Gründung einer VKL. Die Geschwister-Scholl-Schule, die
alle Schulformen unter einem Dach vereint,
ist für diese Aufgabe bestens geeignet.
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Text: Jacqueline Berl Foto: Harald Waldrich, Nicolas Kienzler
Studenten für Flüchtlinge
Lorenz hilft Flüchtlingen in Konstanz Fuß zu fassen und bietet Pegida mit multikulturellen Festen lautstark die Stirn. Mit seinem Engagement zeigt er, wie Studenten die Stadt Konstanz weltoffener und hilfsbereiter machen können. Hier erzählt er über die Arbeit mit Flüchtlingen, die Kämpfe mit den Behörden und wie
Musik Sprach- und Kulturgrenzen überwinden kann.
Warum engagierst du dich für Flüchtlinge?
Lorenz: Ein Schlüsselerlebnis war für mich, als
ich von Marokko nach Spanien gereist bin und
am Containerhafen von Tanger direkt miterlebt
habe, wie sogenannte „Illegale“ versucht haben,
sich unter LKWs zu verstecken, um auf die Boote
zu kommen und wie brutal sie da teilweise von
der Polizei mit Spürhunden gesucht und rausgezerrt wurden. Das zu beobachten war für mich
ein Schock. Eine Person, die mich inspiriert hat,
ist Andrea Pacheco Pacífico, eine Dozentin bei
der ich während meines Auslandsaufenthalts in
Brasilien ein Seminar zum Thema Migration und
Asyl besucht habe. Da wurde ich inhaltlich über
den ganzen rechtlichen Hintergrund der Asylfrage, die bestehenden Konventionen und wie sie
verletzt werden, aufgeklärt. Als ich letzten April
nach Konstanz zurückkam, wurde mir schnell
klar, dass ich mich hier vor Ort engagieren will.
Was für Flüchtlingsorganisationen gibt es in
Konstanz?
Lorenz: Amnesty International organisiert
momentan jeden Mittwoch einen offenen Treffpunkt im Thomas-Blarer-Haus in der Rheingutstraße. Dort können Flüchtlinge und Anwohner im lockeren Umfeld miteinander Kontakte
knüpfen. Gemeinsam spielen und gemeinsam
kochen hilft beim Deutsch lernen und verbessert
die Integration. Bei Save me Konstanz kann man
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Patenschaften für Flüchtlinge übernehmen und
so zum persönlichen Ansprechpartner werden,
der beispielsweise bei Behördengängen und bei
der Wohnungssuche hilft. Die Hochschulgruppe B-welcome leitet unter anderem das Übersetzungsbüro TransKon im Treffpunkt Petershausen. Dort werden immer Leute gesucht, die
beispielsweise Russisch, Serbisch oder Arabisch
sprechen können, um beim Übersetzen zu helfen. Außerdem hat B-welcome ein Welcome-Packet für Flüchtlinge zusammengestellt, in dem
alle nützlichen Informationen (wo ist das Ausländeramt? Wo ist das Jobcenter? Wo kann man
günstig ein Fahrrad bekommen?) zusammengefasst sind. Das Aktionsbündnis Abschiebestopp
versucht, wie der Name schon sagt, vor allem Abschiebungen zu verhindern, beispielsweise durch
politischen Druck, Petitionen, Kundgebungen
und Rechtsbeistand. Unsere neueste Organisation ist das Café Mondial. Wir wollen einen Ort
in Konstanz schaffen, der dem Grandhotel Cosmopolis in Augsburg nachempfunden ist, wo Hotel, Flüchtlingsunterkunft, Gaststätte, Café-Bar
und Künstler-Ateliers unter einem Dach vereint
werden. Leider haben wir noch keinen festen
Veranstaltungsort und sind deshalb „on Tour“ in
Konstanz. Das Konzept ist einfach: Wir wollen
einen multikulturellen Treffpunkt schaffen, wo
Menschen zusammen essen, reden, musizieren,
singen und sich einfach kennen lernen können.
Lorenz Neuberger hat Politik studiert und schreibt nun seine Doktorarbeit über international vergleichende
Flüchtlingspolitik.
Eine Plattform, wo sich kontaktfreudige Flüchtlinge, interessierte Studenten und alle ehrenamtlich Engagierten aus dem Bereich austauschen
können. Am 6. Juni werden wir zum Beispiel
im Stadtgarten ein multikulturelles Open-air
Fest veranstalten mit Musikern, DJs und einem
Büffet, wo wie immer „all you can pay“ gilt, also
jeder kann essen was er will und geben was er
kann. Die ersten Veranstaltungen von Café Mondial fanden am 15. März im Kunstatelier von Dominik Böhringer und am 22. März im Treffpunkt
Petershausen statt und wurde von Konstanzern,
Asylsuchenden und Gästen aus aller Welt super
aufgenommen. Es war schön zu sehen, wie all die
Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen und Herkunftsorten miteinander in Kontakt
kommen. Viele unsere Gäste bleiben sonst eher
unter sich, auch wegen der Isolation, die sie nach
ihrer Flucht hierzulande erfahren. In der entspannten, familiären Café Atmosphäre ist es da
leichter aus sich heraus zu kommen.
Hast du während deiner sozialen Arbeit auch
schon persönliche Freundschaften zu Flüchtlingen aufgebaut?
Lorenz: Ich denke, um eine richtige Freundschaft aufzubauen, dauert es längere Zeit. Erst
einmal muss man das Vertrauen des Anderen
gewinnen. Manchmal fragen mich Personen mit
Fluchthintergund: „Warum willst du mir helfen? Warum tust du das?“. Die meisten sind von
der Flucht traumatisiert und haben hierzulande
nur selten zwischenmenschliche Unterstützung
erfahren. Dennoch haben wir inzwischen gute
Verhältnisse mit manchen von ihnen aufbauen
können.
Bekommt ihr für euer Engagement Unterstützung durch die Stadt Konstanz?
Lorenz: Zumindest offiziell pflegt die Stadt eine
Willkommenskultur. Die Integrationsbeauftragte Elke Cybulla unterstützt uns beispielsweise
dadurch, dass die Miete für den Treffpunkt Petershausen übernommen wird. Von der Stadt
würde ich mir noch wünschen, dass die Stelle
einer/s Flüchtlingsbeauftragten geschaffen wird,
welche/r sich ausschließlich um die Anliegen der
Flüchtlinge und der ehrenamtlich Engagierten
kümmert, und wo alle Informationen zusammenlaufen und koordiniert werden können.
Wenn die Stadt uns dazu noch bei der Suche nach
einem festen Standort für das Café Mondial helfen würde, wären wir sehr dankbar. Es ist schwer
einen gemütlichen Ort mit Café-Atmosphäre, am
besten auch noch in Laufweite zu den Flüchtlingsunterkünften zu finden.
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Im Café Mondial wird gemeinsam gegessen, geredet und gesungen. In dem multikulturellen Treffpunkt können sich
Musiker, Poeten und Hobbyköche kreativ einbringen.
In welchen Bereichen braucht ihr noch mehr
tatkräftige Unterstützung?
Lorenz: Vor allem bei der Rechtsberatung
und der psychotherapeutischen Betreuung der
Flüchtlinge. Viele der Helfer haben nicht so viel
Ahnung von den gesetzlichen Hintergründen
und die wenigen Rechtsanwälte, die bereit sind
Flüchtlinge zu vertreten, sind mit den ganzen
Anfragen komplett überlastet. Da kommen wir
mit unseren Anliegen kaum noch durch. Was es
auch gibt, ist die traumatologische Betreuung,
die von der Psychologin Maggie Schauer organisiert wird. Dort können ein paar Flüchtlinge
psychologischen Beistand bekommen, aber bei
weitem nicht alle. Das ist auch ein Feld, wo wir
dringend noch mehr Unterstützung brauchen,
denn jeder Asylbewerber, der nach Deutschland
kommt, hat mindestens ein Trauma, wenn nicht
mehrere, erlitten. Für die Veranstaltungen des
Café Mondial suchen wir auch immer Musiker,
die vorbei kommen, um ein bisschen zu jammen,
Poeten, etc, die etwas vortragen oder Leute die
gerne kochen und bei der Vorbereitung des Buf-
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fets helfen. Ansonsten wäre es zum Beispiel noch
toll, einen Fahrradkurs für Flüchtlinge zu organisieren. Dafür bräuchte man eben noch Leute,
die beim Fahren lernen und beim Reparieren der
Fahrräder helfen. Was wir auch immer brauchen
sind Leute, die bei der Kinderbetreuung helfen,
sowie solche, die beim Deutschlernen Hilfe anbieten können.
Was waren für dich die schönsten und was
die traurigsten Momente, die du bei deiner
Arbeit mit Flüchtlingen erlebt hast?
Lorenz: Es ist immer schön, wenn man jemanden
begleitet, der es schafft sich hier ein neues Leben
aufzubauen. Ein syrischer Flüchtling beispielsweise, der erst letztes Jahr hier angekommen ist
und kein bisschen Deutsch verstand, kann sich
heute fast flüssig mit mir auf Deutsch unterhalten. Wenn ich mitbekomme, wie es jemand
schafft, hier einen Job und eine Wohnung zu finden, ist das ein tolles Erfolgserlebnis. Die Veranstaltungen vom Café Mondial gehören natürlich
auch zu den schönen Seiten der Flüchtlingsarbeit.
Wenn man da mit einem multikulturellen Fest
potentiellen Pegida-Mitläufern die Stirn bieten
und Präsenz zeigen kann, ist das ein tolles Erlebnis. Auf der anderen Seite ist es natürlich frustrierend, wenn wir miterleben müssen, dass jemand
abgeschoben wird, was zum Beispiel durch die
neue Gesetzeslage für Flüchtlinge aus dem Westbalkan jetzt noch schneller geht. Dieses Denken
in den Schubladen „guter Flüchtling“, „schlechter
Flüchtling“ sehe ich sehr kritisch. Für mich sind
das alles Menschen, die Hilfe brauchen.
Was rätst du Leuten, die selber aktiv werden
wollen?
Lorenz: Alle Organisationen von denen ich erzählt habe, suchen ehrenamtliche Mitarbeiter!
Ich weiß, es ist immer eine Überwindung das erste Mal zu so einem Treffen oder in die Gemeinschaftsunterkünfte zu gehen, wenn man niemanden kennt. Deshalb sind die Veranstaltungen
vom Café Mondial, oder die Vernetzungstreffen,
welche momentan einmal pro Quartal stattfinden, auch gute Möglichkeiten, einfach mal unverbindlich vorbei zu schauen und mit verschiedenen Leuten ins Gespräch zu kommen.
Amnesty International
Offene Gruppentreffen finden jeden
zweiten Mittwoch (in den geraden Kalenderwochen) um 20 Uhr statt, im
„Weltladen“ in der Rheingasse 13 in
Konstanz.
Eine Untergruppe von Amnesty International trifft sich außerdem jeden
Mittwoch von 17 bis 19 Uhr im Erdgeschoss des Thomas Blarer Hauses in der
Rheingutstraße zum offenen Treffpunkt
für Menschen mit und ohne Fluchthintergrund.
http://www.amnesty-konstanz.de
Facebook: Amnesty International Gruppe Konstanz
Save me Konstanz
Unter [email protected]
kann man sich über Patenschaften für
Flüchtlinge in Konstanz informieren.
B-welcome
http://b-welcome.org
Facebook: b-welcome
Aktionsbündnis Abschiebestopp
http://abschiebestoppkn.blogsport.de
Facebook: abschiebestoppKN
Café Mondial
http://cafe-mondial.org
Facebook: Café Mondial Konstanz e.V.
Alle die mitmachen wollen oder Fragen
haben wenden sich am besten direkt an
[email protected]
Nächste bereits geplante Veranstaltung:
Café Mondial Open Air im Stadtgarten
am 6. Juni
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„Englischer Rasen vom
Konstanzer Studenten“
WOHNEN.HELFEN.LEBEN.
Wohnen für Hilfe Konstanz
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PCEJ FGO 2TKP\KR œ9QJPGP H×T *KNHGő WPVGTUV×V\GP -QPUVCP\GT
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9GKVGTG+PHQTOCVKQPGPWPVGT
Tel +49 7531 - 88 7405
www.wfh-konstanz.com