Pressemitteilung, 12.3.2015 Isa Genzken. New Works 14. März — 31. Mai 2015 im MMK 1 Die Bildhauerin Isa Genzken (* 1948) zählt heute zu den einflussreichsten Künstlerinnen und Künstlern ihrer Generation. Das MMK Museum für Moderne Kunst präsentiert in dieser Ausstellung erstmals in Deutschland die neueste Werkgruppe Genzkens mit dem Titel „Schauspieler“ aus den Jahren 2014/2015. „Wir sind stolz, als erstes Museum in Deutschland diese neue Werkgruppe zeigen zu können. Es ist erstaunlich und Ausdruck einer enormen Schaffenskraft, dass Isa Genzken nach ihrer großen Retrospektive 2013 im New Yorker Museum of Modern Art bereits wieder eine ganz neue Werkgruppe in einem solchen Umfang hervorgebracht hat“, sagt Dr. Susanne Gaensheimer, Direktorin des MMK und Kuratorin der Ausstellung. In der aus über 40 Figuren sowie mehreren Boden- und Wandarbeiten bestehenden Ausstellung beweist Genzken erneut, mit welcher Konsequenz und Radikalität sie ihr eigenes bildhauerisches Schaffen sowie die Möglichkeiten von Skulptur heute vorantreibt. Den Kern der Ausstellung bilden die „Schauspieler“, wie Genzken die Skulpturen aus marktgängigen Schaufensterpuppen nennt, die sie mit ihren eigenen abgetragenen Kleidungsstücken versieht, mit Arbeits- und Schutzbekleidung ergänzt und in Deko-Materialien einfasst. Mit verdrehten Gliedmaßen, an verschiedenen Körperstellen mit Spiegelfolien bedeckt, im Gesicht und an den abstrahierten Geschlechtsteilen mit greller Farbe besprüht und mit buntem Klebeband versehen, werden die Figuren von der Künstlerin im Raum inszeniert und lassen in ihren systemischen Konstellationen auch autobiografische Züge erkennen. In den Wand- und Bodenarbeiten collagiert die Künstlerin Bildfragmente aus den Populärmedien mit kunsthistorischen Referenzen und persönlichen Fotografien. In den 1970er-Jahren hat Isa Genzken im Umfeld von Gerhard Richter und Blinky Palermo eine selbstbewusste bildhauerische Position entwickelt, in der sie sich kritisch mit den Modernismen der europäischen und US-amerikanischen Avantgarden auseinandersetzt und den Versuch eines internationalistischen Identitätsmodells unternimmt. Die kritische Beschäftigung mit der spezifisch deutschen Nachkriegskultur und das Bestreben nach ästhetischer Autonomie haben dabei in ihrem Werk eine ganz eigenständige und unverwechselbare Bildsprache hervorgebracht. Bereits während ihrer Studienzeit verbrachte die Künstlerin längere Arbeitsaufenthalte in den USA, wo sie Pioniere der Minimal Art und der konzeptionellen Kunst wie Lawrence Weiner, Dan Graham und Carl Andre kennenlernte und sich intensiv mit deren skulpturalen Ansätzen befasste. Neben den künstlerischen Diskursen inspirierte sie in den USA auch die futuristische Architektur – die Wolkenkratzer aus Glas und Stahl mit ihren spiegelnden Fassaden, die in ihrer Dimension und Modernität in einem extremen Kontrast zu der typischen Architektur im Nachkriegsdeutschland standen. Ende der 1970er-Jahre entstand Genzkens richtungsweisende Werkgruppe der „Ellipsoiden“ und „Hyperbolos“. Die drei bis neun Meter langen, in aufwendigen Arbeitsprozessen hergestellten, stereometrischen Holzskulpturen sind Ausdruck von Genzkens radikaler Selbstpositionierung und versuchen im Medium der klassischen Skulptur eine mit allen Konventionen brechende Raumerfahrung zu veranschaulichen. Aufgrund ihrer Form und Dimension kann der Betrachter die Objekte, die den Boden lediglich an einem oder zwei Punkten berühren, aus einem Blickwinkel nicht als Ganzes erfassen. Erst indem er sich um sie herum bewegt und sie aus verschiedenen Perspektiven betrachtet, kann er sich eine Vorstellung von ihrer mit dem Computer generierten Form machen. Ausgehend von dieser Werkgruppe fordert Genzken mit ihren Arbeiten bis heute die Bildhauerei und die räumliche Erfahrung von Skulptur heraus. Unter dem Einfluss der in den späten 1980er-Jahren aufkommenden Technoszene, der Homosexuellenbewegung und dem Boom der globalisierten Konsumkultur veränderte sich Genzkens Bildsprache grundlegend. Sie begann ihre eigene Collagetechnik herauszubilden, indem sie auf großflächigen Aluminiumpaneelen Bildfragmente der Popkultur mit Abbildungen kunsthistorischer Motive und eigenen biografischen Fotografien kombinierte. Diese Collagen bearbeitete sie weiter mit Folien aus Spiegelmosaik und akzentuierte sie mit bunter Sprühfarbe. Die im MMK präsentierten „Briefmarken“ (2014) sind eine Weiterführung dieser früheren Werkgruppe. In den 2000er-Jahren entwickelte Genzken ihre Collagetechnik zu kleinformatigen dreidimensionalen Assemblagen weiter, die in Augenhöhe auf weißen Sockeln präsentiert werden. Puppen, Spielzeugfiguren, Haushaltswaren und Dekorationsgegenstände aus Billigläden arrangierte die Künstlerin zu bühnenähnlichen Szenarien. Diese zum Teil grellen psychedelischen, skulpturalen Werke, die wie dreidimensionale Storyboards wirken, enthalten stets Anspielungen auf die aktuellen Themen unserer Zeit und zeugen von Genzkens konsequenter Beschäftigung mit Gegenwart. Häufig spielt dabei ihre eigene Biografie und das Austarieren des Selbst zu seinem Gegenüber eine zentrale Rolle. So entstand unter dem Einfluss ihrer persönlichen Erlebnisse in New York zur Zeit der Anschläge auf das World Trade Center am 11. September 2001 die Serie „Empire / Vampire, Who Kills Death“ (2002–2004). Diese Assemblagen zeigten zerstörte Stadtlandschaften, die an Kriegsfilme oder apokalyptische Endzeitszenarien erinnern. In späteren Jahren wurden aus diesen modellhaften Werken installative Kompositionen, die den Ausstellungsraum in ein bühnenähnliches Setting in Lebensgröße verwandeln. Parallel zu ihrer bildhauerischen Arbeit beschäftigt sich Genzken seit vielen Jahren auch mit dem Medium Film, das für sie das demokratischste Medium der bildenden Kunst ist: „Ich wollte immer den Mut haben, etwas ganz anderes, ganz und gar Verrücktes und Unmögliches oder auch Falsches zu tun. (…) Film ist für mich die Verbindung von allen Künsten und möglicherweise auch die öffentliche Kunst, d. h. die am meisten gesehene. Das macht den Film so attraktiv, um für ihn wirklich neue Ideen zu entwickeln“, erklärte Isa Genzken. Die Künstlerin interessiert sich für die spezifischen Rezeptionsbedingungen des Films und überträgt diese auf ihre bildhauerische Praxis. Während der Zuschauer beim Film von der Kamera durch ein Setting geführt wird, legt Genzken ihre bühnenähnlichen skulpturalen Tableaus so an, dass sich die Ausstellungsbesucher deren Inhalte selbstbestimmt aneignen können. „Ich will Skulpturen machen, die eine Filmszene darstellen, also Modellcharakter haben, nicht Skulpturen im traditionellen Sinn“, so Genzken. Im Rahmen der Ausstellung im MMK 1 werden drei Filme unterschiedlicher Werkphasen gezeigt. Als Teil der Ausstellung wird die frühe Arbeit „Zwei Frauen im Gefecht“ (1974) präsentiert. Der Film ist noch während Genzkens Studienzeit in Düsseldorf entstanden und zeigt die Künstlerin und ihre damalige Studienkollegin Susan Grayson, wie sie mehrmals hintereinander sämtliche Kleidungsstücke tauschen. Im Rahmenprogramm zur Ausstellung werden „Die kleine Bushaltestelle (Gerüstbau)“ (2012) und „Meine Großeltern im Bayerischen Wald“ (1992) gezeigt. Alle drei Filme widmen sich Genzkens Auseinandersetzung mit verschiedenen Rollenbildern sowie der Frage nach ihrer eigenen persönlichen und künstlerischen Positionierung. Die Ausstellung ist eine Kooperation mit dem Museum der Moderne Salzburg und in enger Zusammenarbeit mit der Künstlerin entstanden. Ausstellungseröffnung: Freitag, 13. März, 20 Uhr Veranstaltungen zur Ausstellung Vortrag Benjamin H. D. Buchloh: Die Ready Made Figur Skulptur Mittwoch, 18. März 2015, 19 Uhr im MMK 1 Wenige Tage nach der Eröffnung der Ausstellung spricht der international renommierte Kunsthistoriker Benjamin H. D. Buchloh in seinem Vortrag über die neueste Werkgruppe von Isa Genzken. In den letzten dreißig Jahren hat Buchloh eine Vielzahl an Texten zum Werk von Isa Genzken veröffentlicht. Seit Beginn ihrer künstlerischen Laufbahn verbindet beide neben ihrer Freundschaft ein intensiver professioneller Austausch. In seinem Vortrag wird sich Buchloh mit der neuesten Werkgruppe von Isa Genzken, den so genannten „Schauspielern", befassen. Sein Vortrag wird die Arbeiten in einem historischen Kontext diskutieren, der bis zu Dada und dem französischen Surrealismus reicht. Benjamin H. D. Buchloh ist Professor für Moderne Kunst an der Harvard Universität und ist Mitherausgeber der amerikanischen Kunstzeitschrift „October“. Im Jahr 2007 erhielt er den erstmals an einen Kunsthistoriker vergebenen Goldenen Löwen der Biennale in Venedig für seinen herausragenden Beitrag zur zeitgenössischen Kunst. Eintritt frei. Der Vortrag findet in englischer Sprache statt und wird per Live-Stream auf der Webseite des MMK übertragen. Filmabende „Meine Großeltern im Bayerischen Wald“ (1992) Mittwoch, 22. April, 19 Uhr Isa Genzken hat den Film über ihre Großeltern kurz vor deren Tod gedreht. Er erzählt vom Alltag und der Routine eines abgeschieden lebenden Ehepaares und gibt einen Einblick in das Private, ohne es der Öffentlichkeit preiszugeben. Das Haus und die Lebenswelt der Großeltern erscheinen wie eine Gegenwelt zu Genzkens Skulpturen in der Ausstellung. „Die kleine Bushaltestelle“ (2012) Mittwoch, 13. Mai 2015, 19 Uhr Der Film zeigt eine Reihe kurzer Episoden, in denen sich Isa Genzken und ihr langjähriger Künstlerfreund Kai Althoff in den Rollen zweier Prostituierter, als Hotelgast und Kellner, Künstlerin und Fan oder Kommissarin und Polizist über teils existenzielle, teils triviale, alltägliche Themen unterhalten. In kruden, tragisch komischen Dialogen polemisieren sie schonungslos sarkastisch über gesellschaftlich festgeschriebene Rollenbilder, soziale Codes sowie persönliche Neurosen oder aber über die Unzuverlässigkeit des deutschen Wetterberichts. Pressefotos: Pressefotos finden Sie zum Download auf unserer Internetseite unter www.mmkfrankfurt.de/de/presse/pressedownload Pressekontakt: Christina Henneke Telefon +49 69 21237761 Daniela Denninger Julia Haecker Telefon +49 69 21240571 Fax +49 69 21237882 [email protected]
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